Durch die Augen eines anderen von MoonwritersNeo ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Durch die Augen eines Anderen Kathy schwitzte. Es war ein heißer Spätsommertag. Doch anstatt am Strand zu liegen oder Eis essen zu gehen, quälte die junge Frau sich am Laufband. Das Fitness-Studio war, außer ihr, verlassen, und so mochte Kathy es am liebsten. Denn sie hasste die Blicke, welche ihr stets folgten. Und gerade hier, wo sich größtenteils die Schlanken, Gutaussehenden aufhielten, spürte sie Ablehnung. Aber das würde sich bald ändern! Seit drei Monaten hielt sie einen strengen Diätplan ein und machte regelmäßig Sport. Entweder im Fitness-Studio, für das sie sich extra eine Mitgliederkarte angeschafft hatte, oder auch in der Natur. Sie war sehr diszipliniert und hatte bereits fünf Kilo abgenommen, was sie stolz machte, weil keiner ihr das zugetraut hatte. Selbst ihre Familie und ihre beste Freundin nicht. Alle hatte sie überrascht und positiv beeindruckt. Sogar ihre Klassenkameraden hatten sie angesprochen und waren plötzlich auf sie aufmerksam geworden. Nur nicht die Person, für die Kathy das alles tat. Erschöpft stellte die junge Frau das Laufband ab und setzte sich auf eine Bank. Ihre unterdrückten Gefühle peinigten sie und ließen sie fast völlig verzweifeln. Warum konnte sie nicht so schön sein wie einige ihrer Klassenkameradinnen. Sara zum Beispiel, oder Babette. Die Beiden waren die hübschesten Mädchen des Jahrgangs und bekamen jede Menge anerkennende und bewundernde Blicke der Jungs, sowie neidische Blicke der anderen Mädchen. Auf solche Mädels stand ihr Schwarm mit Sicherheit auch. Kathy war sich sicher, dass er noch nicht mal ihren Namen wusste. Und dieses Wissen schmerzte sie mehr, als sie es sich selbst eingestehen wollte. Frustriert stand sie von der Bank auf, trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche, und wollte sich an das nächste Trainingsgerät machen. Leider musste sie dafür an einem großen Spiegel vorbei, der eine Seite der Wand einnahm, was ihrem Frust neue Nahrung gab. Doch gleichzeitig spornte es sie an, an ihrem Ziel fest zu halten. Sie wollte abnehmen. Koste es was es wolle! Mit neuem Elan stieg sie auf das Trimm-dich-Rad und begann zu strampeln. Die Bewegung tat ihr gut und ihre trüben Gedanken verflogen innerhalb von ein paar Minuten. Auch wenn das Bild ihres Schwarms nicht aus ihrem Kopf verschwinden wollte. Zu sehr hatten sich sein Lächeln und seine strahlenden Augen in ihrem Gedächtnis eingebrannt. Genau wie seine melodische Stimme, die sie wie aus weiter Ferne zu hören meinte. „Hi!“ Kathy zuckte erschreckt zusammen und drehte ihren Kopf in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Ihre grünen Augen trafen auf stahlblaue und das Entsetzten lähmte sie als ihr langsam klar wurde, dass sie sich seine Stimme nicht nur eingebildet hatte. Tobias, der Grund ihrer schlaflosen Nächte und für diese Schinderei, hatte das Studio betreten und lächelte sie warm an. Unter anderen Umständen wäre die junge Frau bei diesem süßen Lächeln dahingeschmolzen. In dieser Situation war es ihr jedoch nur peinlich und dementsprechend lief sie auch prompt rot an. Gott gib mir ein Loch in das ich versinken kann! Schon immer hatte Kathy sich für ihr Aussehen geschämt. Aber das gerade er sie SO sehen musste, glaubte sie nicht ertragen zu können. Durchgeschwitzt wie sie war, bot sie mit Sicherheit keinen besonders schönen Anblick. Verdammt, was mach ich denn jetzt?!, dachte sie verzweifelt. Das Entsetzten lähmte sie immer noch und ihr Gesicht hatte mittlerweile die Farbe einer sehr reifen Tomate angenommen. Sie wollte ihre Gefühle auf keinen Fall offen zeigen und sich damit total lächerlich machen. Deshalb drehte sie schnell den Kopf zur Seite, um ihn nicht länger ansehen, und ihm ihre knallrote Birne präsentieren zu müssen. Er ging allerdings gar nicht darauf ein, sondern legte sein mitgebrachtes Handtuch zur Seite und stieg auf das Rad neben ihr. Als er anfing, gemächlich in die Pedalen zu treten, traute Kathy sich endlich ihn wieder anzusehen. Noch nie war sie ihm so nahe gewesen und hatte ihn in Ruhe ansehen können. Seine Muskeln spannten sich unter dem engen schwarzen Shirt und sie staunte über diesen gut gebauten Oberkörper. Zwar wusste sie, wie viel Sport er machte, aber er trug meistens weite Hemden unter denen seine Statur gänzlich verschwand. Auch seine Arme waren sehr muskulös. Kleine feine Schweißperlen bildeten sich bereits auf der sonnengebräunten Haut, und der Brustkorb hob und senkte sich allmählich schneller. Genau wie der von Kathy, was jedoch eine gänzlich andere Ursache hatte, und ihr abermals die Röte ins Gesicht trieb. Langsam glitt ihr Blick tiefer, ohne dass sie es wirklich verhindern konnte. Doch seine weite dunkelblaue Jogginghose verhüllte gut, was sie verhüllen sollte. Und für einen Moment wusste die junge Frau nicht, ob sie darüber froh sein sollte, schämte sich gleichzeitig aber auch für derlei Gedanken. Warum spielte ihr Hormonhaushalt ihr gerade in solchen Situationen Streiche? Mühsam wandte sie abermals den Kopf ab. Es fiel ihr schwer, sich von seinem Anblick loszureißen und sie wäre gerne weiter in seiner Nähe geblieben. Aber das würde heißen, neben ihm trainieren zu müssen. Das absolut Letzte, was sie wollte! „Ich muss jetzt gehen“, meinte sie deshalb und war auch im Begriff vom Fahrrad zu steigen, als sie Tobias Hand auf ihrem Arm spürte. „Warte!“ „Wieso?“ „Ich...“ Der Blonde fing plötzlich an zu stottern und zuckte hilflos mit den Schultern. Kathy war überrascht. Normalerweise war der junge Mann das Selbstbewusstsein in Person und die Vorstellung, dass sie ihn nervös machte, fand sie vollkommen absurd. „Was?!“, versuchte sie ihn zum weiterreden zu bringen. „Ach nichts!“ Wie von einem Schlag getroffen ließ er ihren Arm los und trat wieder in die Pedale. Komisch, dachte Kathy und ging zur Bank, wo sie ihre Sachen stehen hatte. Einen Moment sank sie auf das kühle Holz und schloss die Augen. Es war wirklich zu heiß zum Sport machen. Alles, was sie wollte, war eine kalte Dusche und ihre Ruhe haben. Und vor allem wollte sie nicht mehr an Tobias denken müssen! Doch als sie die Augen aufschlug, stand er vor ihr und sah mit einem Strahlen in seinem Blick auf sie hinab. „Herrgott was willst du?! Geh deinen stählernen Body trainieren und lass mich zufrieden!“ Allmählich wurde es Kathy zu bunt. Schlimm genug, dass sie ihn täglich in der Schule sehen musste. Dann wollte sie wenigstens in ihrer Freizeit Frieden vor ihm haben. Von ihren Gedanken einmal abgesehen. „Ich bin aber gar nicht zum Training hier“, antwortete Tobias sanft und ignorierte ihren wütenden Angriff. „Sondern?! Doch nicht etwa um einer dicken Planschkuh beim Trainieren zuzusehen!“ Auch seine ruhige Stimme konnte die junge Frau nicht beruhigen. Im Gegenteil. Sie machte Kathy nur noch wütender. Der Blonde schüttelte kurz den Kopf und antworte dann schlicht: „Ob du es glaubst oder nicht. Ich bin tatsächlich deinetwegen hier.“ „Was?! Du...du willst mich verarschen!“ Vollkommen aufgewühlt, ihrer Wut beraubt, starrte Kathy Tobias an. „Warum sollte ich das tun? Was hätte ich davon?“, sagte Tobias leise und fügte ein „Du bist eine tolle Frau, auch wenn du es selber nicht sehen willst!“, hinzu. Ohne eine Erwiderung oder Reaktion abzuwarten, nahm er ihre beiden Hände und zog sie auf die Beine. „Komm, ich werde es dir beweisen!“ Den Arm um ihre Taille gelegt, bugsierte er sie vor den großen Spiegel und stellte sich hinter sie, die Hände an ihren Hüften. „Sag mir, was du siehst.“ „Hm...“ Die Rothaarige betrachtete ihr Spiegelbild. Worauf wollte er hinaus? Was sollte sie schon sehen? „Ein dickes unförmiges Etwas“, antwortete sie wahrheitsgemäß. Denn mehr konnte sie beim besten Willen nicht erkennen. Durch den Spiegel sah sie, wie Tobias die Stirn runzelte und sich seine Augen zu Schlitzen verengten. So, als wäre er mit dieser Aussage ganz und gar nicht zufrieden. „Schon mal was von dem Satz Wahre Schönheit kommt von innen gehört?!“ Kathy schnaubte. Auf eine Psychostunde bei Doktor Tobias Lechner hatte sie keinen Bock. „Das meine ich ernst!“, empörte sich der Blonde und die Aufrichtigkeit in seiner Stimme versetzte ihr einen Stich. Er schien sich wirklich Gedanken über sie zu machen und Kathy stieß ihn einfach so vor den Kopf. „Ich finde mich nun mal hässlich und das ist doch auch kein Wunder!“, verteidigte sie sich. „Wenn du so was jeden Tag zu hören bekommst, glaubst du es irgendwann selber!“ „Das heißt also ich brauche nur oft genug sagen das du schön bist, ja?“ „Findest du mich denn schön?“, fragte Kathy unsicher und mit zitternder Stimme. Doch anstatt auf ihre Frage einzugehen, schlang Tobias die Arme um sie, legte den Kopf auf ihre Schulter und flüsterte: „Jetzt werde ich dir erzählen, was ich im Spiegel sehe, und wage es nicht mir zu widersprechen!“ Wie hätte Kathy das können? In diesem Moment war sie bereit, ihm alles zu glauben und sich an jeden kleinen Strohhalm zu klammern. Leise und mit sanfter Stimme begann der junge Mann zu sprechen. Dabei hielt er Kathy weiterhin fest in seinen Armen. Und je länger Tobias der Sechzehnjährigen ihre Vorzüge beschrieb, desto mehr veränderte sich das Bild, welches sie von sich selber hatte. Allmählich begann sie, sich mit Tobias Augen zu sehen. Ihre roten Haare und die grünen Augen, die der junge Mann mit einer lodernden Flamme und einem tiefen See verglich, kamen Kathy auf einmal wunderschön vor. Selbst ihren, nicht gerade schlanken, Körper, stellte der Blonde auf eine Weise dar, die sie in ihrem Innersten erzittern ließ. Worte, wie intelligent, warmherzig und hilfsbereit, die sie niemals mit sich in Verbindung gebracht hätte, kamen aus seinem Mund. Ehrlich und aufrichtig. Vor Kathys staunenden Augen verwandelte sich das dumme, hässliche Entlein in eine schöne Frau, die ihr aus dem Spiegel zulächelte und Raum für nie da gewesene Gefühle wie Eigenakzeptanz – und Liebe schuf. Mit plötzlich erwachtem Selbstbewusstsein drehte die Rothaarige sich zu Tobias um und fiel ihm spontan in die Arme. „Danke!“, flüsterte sie leise, denn die aufkommenden Tränen schnürten ihr die Kehle zu. „Gern geschehen!“, flüsterte dieser ebenso leise und drückte Kathy an sich. Nach einem kurzen Moment schob er sie allerdings wieder von sich und die alte Angst, gepaart mit peinigender Scham, kehrte schlagartig zurück. Doch der Blonde hatte sie nur soweit von sich geschoben, damit er sie besser betrachten konnte und suchte mit seinen Augen nun die Ihren. Stahlblau traf auf geheimnisvolles grün und schlagartig wurde der Sechzehnjährigen eines bewusst. Sie war nicht die Einzige, die schlaflose Nächte, in Gedanken an einen geliebten Menschen, verbracht hatte. Eine Erkenntnis, welche sie vor ein paar Minuten vollkommen irritiert und aus dem Konzept gebracht hätte, sie jetzt aber nur mit einem warmen Gefühl im Körper belohnte. Und so war es für sie das Natürlichste auf der Welt, als Tobias sie abermals an sich heranzog und sie im selben Atemzug seine weichen Lippen auf ihren spüren konnte. Es war ein sehr zärtlicher Kuss, den Kathy in vollen Zügen genoss. Keine Angst und keine Scham trennten sie nun noch von diesem erhabenen Glücksgefühl. Dem Gefühl, geliebt zu werden. Seine Augen, jede Regung an ihm, bestätigten ihr dies. Nicht zuletzt der Satz des jungen Mannes, den er ihr nach dem Kuss sanft ins Ohr raunte. „Ach so, das hab ich noch vergessen. Du hast ein super süßes Lächeln!“ THE END Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)