Bicontrolled von Stiffy ================================================================================ Kapitel 4: 'Cause sometimes... ------------------------------ Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn das Nächste, was ich sehe, ist die blaue, durchhellte Wand des Zeltes. Es ist schon wieder morgen... Ich drehe mich um, der Schlafsack neben mir ist leer. Von draußen dringen ein paar Stimmen an mein Ohr. Eigentlich... habe ich noch überhaupt keine Lust, aufzustehen... Es vergehen ein paar Minuten, in denen ich einfach nur mit geschlossenen Augen daliege und an nichts denke, als vorsichtig der Reißverschluss heruntergezogen wird, kurz darauf wieder hinauf. Ein paar raschelnde Geräusche, dann wieder Stille, nur der Atem einer anderen Person. Eigentlich will ich meine Augen öffnen, doch irgendwie tue ich es nicht. Am liebsten würde ich wieder einschlafen. Ich kann mich schwach dran erinnern, dass ich noch eine ganze Weile lang Marius angeschaut habe... Eine Berührung lässt mich erstarren, bevor ich auch nur die Möglichkeit habe, mein Wachsein kund zu tun, doch das winzige Zucken durch meinen Körper scheint es ihm auch so zu verraten. Der Finger, der sich soeben sanft auf meine Unterlippe gelegt hat, verschwindet wieder. „Bist du wach?“, ganz leise, flüsternd. Ich nicke, warte einen Moment und öffne dann meine Augen. Marius Blick trifft meinen. Sind seine Wangen tatsächlich etwas röter als sonst, oder bilde ich mir das ein? „Komm, aufstehen... Es gibt Frühstück!“ Ein übliches Grinsen, dann krabbelt er wieder aus dem Zelt. Der Tag verläuft ein bisschen merkwürdig. Zwar ist es die ganze Zeit lustig und ich lache viel, doch irgendwie spüre ich eine gewisse Distanz, mit der Marius mich behandelt... oder ich bilde es mir einfach ein. Er unterhält sich die meisten Zeit mit Julian, was bewirkt, dass ich meine Aufmerksamkeit auf Alexander richte, der ebenfalls im Kanu neben uns herpaddelt. Wie unterhalten uns über eine Menge verschiedener Dinge und irgendwie bin ich froh, dass er da ist... Marius ging mir schon heute morgen beim Frühstück aus dem Weg, wenn ich jetzt niemandem zum Reden hätte, käme ich mir reichlich beschissen vor. Trotz der ganzen Gedanken, die ich mir mache, geht der Tag sehr schnell vorbei, und kaum habe ich mich versehen, kommen wir wieder an einer Wiese an, wo wir beschließen, die Nacht zu verbringen. Müder als am Vortag, schaffen wir es diesmal aber schneller das Zelt zum Stehen zu bekommen und lassen uns an den Holzscheiten nieder. Marius streckt sich neben mir im Gras aus und schließt die Augen. Er gähnt. Ich sehe zu den anderen, die noch an den Zelten sich. Emilie und Nadja kümmern sich derweil ums Essen. Ich stütze mein Kinn auf die Knie und starre auf das splitternde Holz. Ich würde so gerne mit Marius reden... doch ich weiß nicht über was... während ich mit Alexander über alles Mögliche gequatscht habe, gibt es hier plötzlich eine kleine Barriere. Unwillkürlich muss ich wieder an heute Morgen denken. Die Geste war so zart... Ich würde gerne wissen, wieso er es getan hat... doch er scheint genau davor Angst zu haben. Mein Blick fällt auf sein nun friedliches Gesicht. Irgendwie bin ich plötzlich froh, trotz allem jetzt hier zu sein. ~ * ~ „Sag mal, Kai...“ Es ist später im Zelt, als er mich endlich wieder direkt anspricht. Die ganzen letzten Stunden hat er mit allen anderen geredet, nur mich dabei ein bisschen außen vor gelassen. Irgendwann kam ich mir doof vor, doch zum Glück war er der Einzige, der das tat... „Ja?“ „Heute Morgen...“ Er druckst ein wenig herum, kratzt sich am Kopf und wirkt verlegen. Ich setze mich im Schlafsack auf, tue wahrscheinlich schwer daran, meine Überraschung zu verbergen. Dass er es von alleine anspricht... hätte ich nicht gedacht. „Du warst schon wach, oder?“ „Ja...“ „Okay...“ Stille. Er wird rot, ein klein wenig. Vielleicht hätte ich lügen sollen, vortäuschen, ich habe die Berührung nicht mitbekommen... Das würde ihm besser tun, sicherlich, aber irgendwie kann ich ihn gerade nicht anlügen. Ich würde so gerne den Grund kennen, immerhin hat er mich deswegen heute so merkwürdig behandelt... „Es tut mir leid, dass ich...“ Er zuckt mit den Schultern, grinst mich fast nervös an. Ich reagiere nicht darauf, erwidere einfach nur seinen Blick. Was soll ich schon sagen? Dass es mich gestört hat? Immerhin ist dies nicht wirklich der Fall. „Du musst nicht denken, dass ich was von dir will... nun ja... es ist nur, dass... ich...“ Seine Finger spielen mit dem Stoff des Schlafsackes. Es raschelt. „Es ist nur... ich würde...“ Er nimmt die Hände zurück. Vielleicht nervt ihn das Geräusch. Dann rückt er ein winziges Stück näher zu mir. „Ich würde dich gerne küssen.“ Plötzlich habe ich das Gefühl, das Blut in meinen Ohren rauschen zu hören. Mein Herz rast ganz merkwürdig, während ich schwer daran tue, ihn weiterhin anzusehen. Hat er das jetzt tatsächlich gesagt? Doch noch sprachloser als das, machen mich die Worte, die danach folgen: „Darf ich es tun?“ „Ja“, hauche ich ohne darüber nachzudenken und frage mich gleichzeitig, ob er das geflüsterte Wort überhaupt hören konnte. Scheinbar schon, denn sogleich rutscht er noch etwas näher. Als er die Hand nach mir ausstreckt, ohne mich aber letztendlich zu berühren, frage ich mich, weshalb ich überhaupt zugestimmt habe. Mache ich ihm damit nicht falsche Hoffnungen? Marius lässt die Hand wieder sinken, sein Atem streicht über meine Lippen, heiß und angenehm... und dann wird er von etwas weicherem abgelöst. Ganz sanft drückt er seine Lippen auf meine, nicht sehr energisch, vielleicht um mir Freiraum zu lassen. Erst als er merkt, dass ich mich nicht wehre, verstärkt er den Druck ein wenig, und dann berührt auch seine Hand meinen Nacken. Er zieht mich zu sich und intensiviert den Kuss, lässt seine Zunge zwischen meine Lippen gleiten. Ein Schauer durchläuft mich, als ich diese ganzen Berührungen schließlich erwidere. Als der Kuss vorbei ist, weiß ich nicht wirklich, was ich sagen soll. Einen Moment lang lasse ich meine Augen geschlossen, hoffe sogar irgendwie, er würde mich noch mal küssen. Doch dies geschieht nicht. Gar nichts geschieht. Langsam öffne ich meine Augen. Marius Kopf ist gesenkt, seine Wangen glühen. Oh Gott, was soll ich denn jetzt tun? Ich hasse solch peinliche Situationen! Was wohl in ihm vorgeht? „Es war... schön...“, sage ich, nachdem ich ihn noch lange einfach nur beobachtet habe. Bei meinen Worten fährt sein Kopf sofort in die Höhe. Sein Blick ist zwar irgendwie ungläubig, aber ein bisschen auch erfreut. Seine Lippen öffnen sich und er scheint etwas sagen zu wollen, wartet jedoch einen ganzen Moment, bevor er es tut. „Lass uns schlafen...“, spricht er dann. „Das wird besser sein...“ „Für wen?“ „Für mich.“ Damit erlischt das Licht der Taschenlampe und ich kann ihn nicht mehr sehen. Es raschelt und wird wieder still. Er meint es ernst... Ich ziehe mir das Hemd aus und lege mich ebenfalls hin. Und dann schlafen wir... Oder wir versuchen es... Mir gelingt es nicht. Ich habe noch immer das Gefühl seiner Lippen auf meinen... Ich mag es... Aber wieso? ~ * ~ „Ich... ich habe da jemanden kennengelernt...“ Meine Beine zitterten. Am liebsten wollte ich heulen, bei seinen Worten... wie konnte er mir jetzt so plötzlich so etwas sagen? „Wie- Wie bitte?“, fragte ich ungläubig. „Ich kenne ihn noch nicht lange... drei Wochen oder so... Er...“ „WAS?“, platzte es aus mir heraus. „Du betrügst mich und wagst es dann, ganz in Ruhe mit mir Schluss zu machen?“ „Warte Kai!“ Er erhob sich vom Sofa, kam mir näher. „Ich habe dich nicht betrogen!“ „Ja sicher! Du SCHWEIN!“ „Nein! Glaub mir! Ich hab nichts mit ihm!“ „Aber du hast dich in ihn verliebt!“ „Nein!“ „Und wieso... wieso...“ Ich zitterte wie Espenlaub, konnte meinen Körper nicht mehr kontrollieren. „Wir haben uns nur zwei Mal geküsst... Ich hab gemerkt, wie sehr es mir gefällt... dass ich...“ „STOP!“ Ich wollte nicht mehr hören. „Kai...“, versuchte er es zärtlich. „Nein! Halt die Klappe! Verschwinde! Raus!“ Tränen liefen meine Wangen hinab. Energisch schob ich ihn Richtung Tür. „Ich will dich nicht mehr sehen!“ „Kai... ich“ „Nein.“ „Kai...“ „NEIN!“ Damit knallte ich die Tür ins Schloss und presste mir im selben Moment die Hände an die Ohren. Ich wollte ihn nicht mehr hören, ich wollte gar nichts mehr hören. Unter seinen jetzt leiseren Bitten mich wieder reinzulassen, sank ich zu Boden, an der Wand neben der Tür. Ich schlang die Arme um meinen Kopf und vergrub mich in mir selbst... Und die Tränen flossen in Strömen. Die Geräusche vor der Tür verschwanden nach viel zu schneller Zeit, was mich noch mehr heulen ließ. Ich schleppte mich ins Bett und vergrub mich in den Kissen. Hatte ich schon jemals in meinem Leben so erbärmlich geweint? Fast war es mir vor mir selbst peinlich. Ich schlief ein... und wachte wieder auf. Erst begriff ich gar nicht, was passiert war... Ein Traum, war es nicht nur ein Traum? ... Doch nachdem ich ein Weile still dagelegen hatte und darüber nachdachte, die Tränen wie von selbst wieder kamen, war mir klar, dass es kein Traum war. Ich kämpfte mich aus dem Bett und unter die Dusche. Ich musste zur Arbeit... ich wollte nicht... ich wollte nicht... Und nach vielen stillen Minuten am Küchentisch, bei einer heißen Tasse Kaffee, an der ich mir den Mund verbrannte, rief ich im Büro an und meldete mich krank. Danach saß ich lange da... viel zu lange... viel zu erbärmlich... ich starrte das schnurlose Telefon an und ging mit meinen Augen immer wieder seine Handynummer ab... Als ich schließlich jedoch jemanden anrief, war es Susanne. Sie hatte natürlich keine Zeit... hätte ich mir denken können, um 11 Uhr morgens... doch da sie sofort hörte, dass etwas nicht stimmte, versprach sie, so schnell es ging zu kommen... Auf ihre Fragen, was wäre, antwortete ich nicht und legte stattdessen schnell auf... Mein Kopf dröhnte... Nach vielen weiteren Stunden kam Susanne schließlich vorbei... Ich begann schon wieder elendig zu heulen, als ich ihr das Ganze erzählte, und sie schaffte es nicht, mich zu beruhigen... Am Abend, als wir zusammen auf dem Sofa saßen und sie mich endlich überredet hatte, irgendeinen Film zu gucken, klingelte es... Susanne öffnete und es war Fabian... Irgendetwas lässt mich auffahren. Erschrocken und am ganzen Körper zitternd schaue ich mich um. Tiefste Finsternis... Das Zelt... Ein Traum... schon wieder... Ich fahre mir mit der Hand übers Gesicht. Schweiß.... aber keine Tränen diesmal. Ein Glück. Zögernd lasse ich mich wieder in den Schlafsack sinken. Wieso muss ich bloß immer wieder von Fabian träumen? Dabei habe ich heute so wenig an ihn gedacht... Diesmal ist es eine Berührung, die mich zusammenzucken lässt. Eine Hand an meiner. Fabian... Nein... Marius. Es dauert einen Moment, bis ich bereit bin, die Berührung zu erwidern, schließe dann aber meine Finger ganz fest um seine. Seine Wärme... Ja, das ist genau das, was ich jetzt brauche. Ich bin nicht allein... und plötzlich tut das unheimlich gut. ~ * ~ Der nächste Tag verläuft zum Glück anders als der vorherige, wenn auch nicht minder merkwürdig. Marius ist wahnsinnig gut drauf, lacht noch mehr als sonst und redet allerhand Mist. Denkt er, so würde ich den Kuss vergessen? Weiß er nicht wie eigenartig er sich verhält? Aber zum Glück ignoriert er mich heute nicht, redet sogar sehr viel belangloses Zeug mit mir und scheint hyperenergen im Kanu zu sein. Eigentlich macht es ziemlich Spaß, auch wenn es genauso seltsam ist... Schließlich dort angekommen, wo wir zwei Tage zuvor aufgebrochen sind, verabschieden wir uns von den anderen. Alexander lädt uns fürs nächste Wochenende zu sich und Julian ein. Knapp eine halbe Stunde später kommen wir bei Marius Zuhause an. Nachdem das Kanu verstaut ist, bleibe ich unschlüssig stehen. Auch wenn eine Menge Arbeit auf mich wartet, habe ich dennoch keine Lust zu gehen. Und auch Marius scheint mich noch nicht loswerden zu wollen. „Willst du noch... was trinken?“ Ich stimme zu und wir gehen in die Küche. Ich beobachte ihn, wie er Gläser und Getränke holt, dann wieder an mir vorbei zum Wohnzimmer geht. Schon seit wir hier sind, scheint seine gesamte Energie verrauscht zu sein. Denkt er eigentlich wirklich, dass ich das Alles nicht bemerke? Auf dem Sofa lassen wir uns nebeneinander nieder. Er schenkt uns etwas ein und reicht mir ein Glas. Stille... und er starrt den Saft an. „Kai...“, beginnt er schließlich, und stellt das Glas zurück auf den Tisch. Seine Stimme ist ernst. „Ich wollte mich schon die ganze Zeit bei dir entschuldigen.“ „Wofür?“ „Na für den Kuss“ Er dreht mir den Kopf zu und wir sehen einander in die Augen. „Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen... Erstens war es nur ein Kuss... und zweitens gefiel er mir ja auch...“ „Wirklich?“ Ich nicke. Ein Lächeln huscht über seine Lippen. „Das solltest du nicht sagen, sonst will ich es wieder tun...“ „Dann tu es wieder.“ Seine Augen weiten sich, über die Worte, die mich selbst überraschen. Ob ich rot bin? Ich fühle mich, als würde ich in Flammen stehen... Warum sage ich so etwas? „Ich... Kai... das...“ Er rückt ein Stück näher zu mir. Unsere Beine berühren sich fast. Dann legt er die Hand auf die Sofalehne und beugt sich mir entgegen. Zu dem Kuss kommt es nicht, denn plötzlich klingelt das Telefon... Fast wie in einem dieser dämlichen Hollywoodfilme, wo der Regisseur nicht will, dass sie sich küssen.... Sofort springt Marius auf und geht dran. Nur langsam lässt mein Herzklopfen wieder nach. END – PART 4 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)