Andys Jugendsünden II von LoveKills (In äußerst kreativer Zusammenarbeit mit BlackLightning. Der Kuchen und die jeweils zwei Cocktails im Wassermann waren schuld an dem, was ab Kapitel sechs passiert. XD Zum Glück) ================================================================================ Kapitel 3: Choleriker --------------------- Kapitel 3 Choleriker 1.Oktober 2006 September. Die Sonne brannte auf Bayerns Hauptstadt. Der Herbst hat mittlerweile Einzug gehalten und taucht das ansonsten grüne Blattwerk in wundervolle rot-, gelb- und orange Töne. Die Tage werden von Mal zu Mal kürzer und in zwei Monaten würde der Winter beginnen. All diese Dinge gingen Tobs während er in einer dieser langweiligen Lesungen in der Uni saß, durch den Kopf. September. Wiesn Auftakt ist auch bald, ging es ihm durch den mit Sprachen voll gepumpten Kopf. Die Wiesn. Früher einmal ein Fest mit Hintergrund. Heute geht es nur noch um Kommerz, Geld und zur Schau stellen. Und natürlich ums Saufen. Viele brachten dieses 18-tägige Ereignis mit Bierzelten und unzähligen Tagen im Vollrausch in Verbindung. Eigentlich schade, wie er fand, aber dagegen machen konnte man so oder so nichts. Tobs lebte nun schon seit knapp sechs Jahren in München. Hatte hier seine große Liebe gefunden und betrachtete diese Großstadt als sein wahres Zuhause und dennoch. Er war in diesen sechs langen Jahren noch nie auf dem Oktoberfest gewesen. Fast schon eine Schande, aber er hatte sich immer geweigert dorthin zu gehen. Zu viele Betrunkene, die einen anpöbelten. Überhaupt. E war ein lautes, großes Fest wo es wirklich nur um Geldmachen ging. Und dennoch. Er wollte dieses mal auf alle Fälle auf die Theresienwiese und er hoffte, dass er Andy dazu überreden konnte, mit zu kommen. Sie hatten so oder so schon lange nichts mehr zusammen unternommen. Chronischer Zeitmangel. Elendige Müdigkeit. Er sah es als Chance, ihre Beziehung, die mit der Zeit immer routinierter geworden war, neu aufleben zu lassen und ihr wieder etwas mehr Schwund zu verleihen. Mit diesen Gedanken und der Hoffnung Andy überzeugen zu können, ging um 17 Uhr eines Freitages, auch diese Lesung und sein Tag an der Uni zu Ende. „Tobias, warten Sie bitte einen kleinen Moment?“ Sein Prof. hielt ihn am Saalende auf, ehe er durch die Türe treten konnte. „Haben Sie kurz Zeit? Ich möchte etwas mit ihnen besprechen.“ Ein leises Seufzen drang aus seiner Kehle. Er wollte endlich nach Hause. Andy würde wohl wieder total ausflippen, wenn er schon wieder zu späte zum Essen kommen würde. „Eigentlich weniger, aber wenn es wichtig ist?“ Und mit einem Nicken begann ein halbstündiges Gespräch, was Tobs noch in der U-Bahn zu denken aufgab. „Schatz?“ Tobs hängte Lederjacke an die Garderobe, die Tasche schmiss er kurzerhand aufs Bett. „Essen ist im Ofen.“, kam es mürrisch aus dem Wohnzimmer. Andy war wohl schon wieder sauer. Er braucht endlich einen gescheiten Job. Abermals leise seufzend ging er zu seinem Schatz, welcher mit geschlossenen Augen ausgestreckt auf der Couch lag. Der Rothaarige kniete sich auf den Boden. Hauchte ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. „Das Essen ist im Ofen.“ Wieder dieses Knurren. „Ich hab dich schon gehört. Tut mir leid, dass ich dich hab warten lassen.“ Tobs tat es wirklich leid. Er hätte auch viel lieber mit ihm zu Abend gegessen, denn wie es den Anschein hatte, hatte sein Herzblatt schon einen vollen Magen. „Hm…“ Andy öffnete langsam die Augen, als er Tobs´ weiche Hände durch seine Haare streicheln spürte. „Hast du dich verfahren oder hat dich schon wieder jemand nach dem Weg gefragt?“ Die Ironie war nicht, auch wenn man positiv dachte, aus seinen Worten zu streichen. „Was soll dieses vollkommen unnötig, ironische Getue?“ Tobs nervte dieser Sarkasmus mit der Zeit immer mehr. „Mein Professor wollte noch etwas mit mir besprechen.“ Mit diesen Worten erhob sich der junge Student und ging in die Küche. Der Appetit war ihm gehörig vergangen. Ein Schulbuch vor sich liegend und sich, wieder einmal, Notizen machend, saß der Rothaarige in dem Essraum. Hatte gehofft vernünftig mit Andy über das, mit seinem Prof. Besprochene, reden zu können, aber das würde er sich wohl für morgen aufheben müssen. Falls er es bis dahin nicht schon wieder vergessen hatte. Denn schon wieder war er so mit seiner Arbeit beschäftigt, dass er nicht wirklich bemerkte, dass sein Verlobter zu ihm gekommen war. „Was hatte er denn so Wichtiges mit dir zu besprechen?“ Es klang fast so, als wollt er damit andeuten, dass Tobs nur eine Ausrede gesucht hatte. „Hallo, hörst du mir überhaupt zu?“ Andys Stimme hatte schon wieder diesen scharfen Zug angenommen. „Wie?“ Tobs sah von seinen Notizen auf. Blickte etwas verwirrt drein. Klappte, nachdem der Schwarzhaarige seine Frage wiederholt hatte, sein Buch zu. Insgeheim hatte er gehofft, dass Andy zu ihm kommen würde. „Wegen nächstem Jahr.“ Der junge Mann seufzte leise auf. Er hasste es, wenn zwischen ihnen diese angespannte Stimmung herrschte. „Was ist mit nächstem Jahr?“ Wieder diese typische Abwehrhaltung. Verschränkte Arme, starrer Blick, unberechenbar scharfe Stimme. „Er hat…“ Eigentlich hatte er Andy zuerst wegen des Wiesn-Besuchs fragen wollen, allerdings musste er wohl auch das verschieben. „Er hat mir angeboten, noch einmal für ein Jahr nach England zu gehen. Zum Studieren.“ Mit leicht glasigen Augen und zittrigen Händen fuhr er sich über das Gesicht. „Ach wie toll und du hast natürlich sofort zugesagt.“ Tobs reichte es. Diese Anschuldigungen und voreiligen Schlüsse, manchmal auch versteckt, gingen ihm auf die Säcke. „Das habe ich nicht gesagt und jetzt pass auf was du sagst. Ich habe deine ewigen Anschuldigungen satt. Ich hör´ mir das nicht länger an.“ Nun hatte auch der junge Student seine Stimme erhoben. „Anschuldigungen. Es stimmt doch! Oder etwa nicht!? Gedanklich hast du doch schon deine Koffer gepackt! Also sag nicht es wären Anschuldigungen, wenn es so oder so dazu kommt!“ Wieder diese undurchdringlich dunkle Aura, welche sich um Andy gelegt hatte. Tobs erhob sich langsam. Würde sein Freund nicht langsam eine Stufe herunterfahren, könnte er nicht garantieren, dass er ihm nicht noch den Hals umdrehte. „Hör auf mich anzuschreien.“, fauchte der Rothaarige erzürnt auf. „Das habe ich nicht gesagt. Weder dass ich gehe, noch dass ich nicht gehe.“ Seine Stimme war schneidend. Aber leise. Es glich fast schon einem Flüstern. Seine Augen bohrten sich in die Lapislazuli seines Schatzes. Andy starrte zurück. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt und es sah fast schon so aus, als würde er Tobs an die Kehle springen wollen. „Ich weiß dass du gehen wirst! Wieder das gleiche Geplänkel von wegen ´Das ist meine Chance´.“ Er hatte ihn tatsächlich nachgeäfft. Tobs konnte das irgendwie nicht so ganz glauben. Diese ganze Sache drohte wirklich zu eskalieren. Und wenn es dazu kommen sollte, sollte es so kommen. „Woher willst du das wissen?“ Er knirschte leise mit den Zähnen. „Und dieses eine Jahr… hätte ich dieses Jahr nicht fahren dürfen oder können, wäre mir die Chance zu diesem Studium vielleicht verwehrt geblieben, vielleicht solltest du mal daran denken.“ Wieder das leise Fauchen seinerseits. Der Schwarzhaarige knurrte auf. „Vielleicht! Du sagst es doch selbst! Vielleicht hättest du das Studium nicht machen können! Du hättest es eventuell trotzdem machen können, auch ohne dieses beschissene Jahr dort oben!“ „Beschissen, sagst du. Du hast keine Ahnung, wie es in England war. Also red nicht von Sachen von denen du keine Ahnung hast. Und du solltest auch mal daran denken, dass ich es aus ´Sicherheitsgründen´ getan habe. Ich hätte mir in den Arsch gebissen, hätte ich es ohne dieses Jahr im Ausland nicht machen können. Du weißt ganz genau, wie viel mir das bedeutet.“ Tobs platzte gleich der Kragen. Er musste sich wirklich zusammenreißen, nicht auch noch zu schreien an zu fangen. Aber auf dieses Niveau wollte er sich nicht herablassen. „Aber weißt du was das eigentliche Problem bei dir ist?“ Sein Gegenüber blitzte ihn zornig an. Andy war wohl so weit, ihm gleich eine zu knallen. Er sollte es wagen und er hätte seine Stiefel im Schienbein. Tobs erhielt keine Antwort. Schüttelte den Kopf und war etwas erstaunt über Andys plötzliche Stummheit. „Dass du einfach Schiss hast. Du hast Schiss wieder ein Jahr alleine zu sein. Schiss, dass ich mir irgendeinen oben in England angeln könnte und vielleicht gar nicht mehr zurückkomme. Das ist dermaßen egoistisch, dass es mir schon die Haare aufstellt.“ Das lustige daran war allerdings, dass Tobs seine Haare natürlich immer noch zum Undercut geschnitten trug und, wie immer, senkrecht nach oben aufgestylt hatte. „Ich bin egoistisch!“, platzte es urplötzlich aus Andy heraus. „Ich bin egoistisch! Was bist du denn dann?! Sag mir mal was du dann bist, verdammt noch mal! Ich soll für deine Situation Verständnis zeigen, aber du selbst gibst dir noch nicht einmal Mühe dich in mich hinein zu versetzen! Aber ich bin egoistisch! Fass dir lieber mal an die eigene Nase bevor du andere anscheißt!“ Mit diesen letzten Worten und einem vernichtenden Blick stapfte der junge Mann aus der Küche, schlug die Schlafzimmertüre hinter sich zu und drehte die Musik auf. Tobs blieb mit seiner eigenen Wut in der Küche zurück. Starrte vollkommen perplex vor sich hin und fragte sich schon wieder, wie es nur immer wieder zu diesen Streitereien kommen konnte. Langsam hatte er wirklich das Gefühl, dass sie das ganze letzte Jahr über nur gestritten hatten. Wieso? Das fragte er sich selbst die ganze Zeit schon. Und nur wegen Lappalien, die nicht einmal einen kleinen Wutausbruch wert waren. Er verstand es wirklich nicht. Mit einer Tasse Tee und einem voll gepumpten Kopf setzte er sich auf die Couch. Dachte weiterhin über die Geschehnisse des letzten Jahres nach und konnte seine Tränen irgendwann nicht mehr aufhalten. Das war einfach zu viel. Zu viel Stress, Sorge und Wut auf einmal. Er hatte einfach das Gefühl, dass sie sich langsam aber sicher auseinander lebten und das war von Anfang an schon seine Befürchtung gewesen. Aber er liebte Andy dennoch. Trotz der Auseinandersetzungen in letzter Zeit. Oder spielte er sich doch nur etwas vor? Konnte es tatsächlich sein, dass er sich selbst belog? Das glaubte er nicht. Dafür tat es ihm viel zu weh, so von Andy angeschrieen zu werden. Mit einem Arm über den Augen und die Beine angewinkelt, lag Tobs auf dem Rücken. Zerbrach sich den Kopf über die möglichsten Sachen. Wie es weiter gehen sollte, wie sie das überhaupt wieder auf die Reihe bringen sollten, doch er kam auf keinen Nenner. Er kam einfach auf keine Lösung. Und genau das machte ihn noch viel fertiger und als Andy dann auch noch in der Türe stand und ihn harsch anmachte reichte es ihm vollkommen. „Andy, wenn du wieder Streit suchst, dann such dir jemand anderen, ich hab keine Lust mir dein Geschreie noch länger anzuhören.“, murmelte Tobs leise in die Dunkelheit des Zimmers hinein. „Ich suche keinen Streit, ich möchte mit dir reden wie ein zivilisierter Mensch.“ Andy hörte sich allerdings nicht danach an, als könnte er vernünftig mit jemandem reden. Tobs sah seinen Verlobten abschätzend an. Lachte leise auf und erhob sich. Schüttelte nur den Kopf. „Wie ein zivilisierter Mensch. Das will ich sehen.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Wartete gespannt auf den Ausbruch, der mit Sicherheit noch kommen würde. Es war nur eine Frage der Zeit. In den Augen des Schwarzhaarigen glimmte es wieder gefährlich auf. Auch vorher schon war das ein Anzeichen dafür gewesen, dass er wohl gleich explodieren würde. Andy seufzte kurz auf. „Tobs, bitte überleg dir noch mal, ob du wirklich nach oben fliegen willst, oder nicht.“ Es war eine leise Bitte gewesen. Tobs allerdings sah darin mehr eine Drohung als eine Bitte. Es klang fast so, als würde er sonst mit ihm Schluss machen, würde er sich dafür entscheiden. „Andy, ich brauche darüber nicht viel nachdenken. Ich werde fliegen.“, gab er nur von sich. Er würde dabei bleiben, egal, wie es sich zwischen ihnen entwickeln würde. „Ich hab’s dir doch gesagt. Es war kein Vorwurf, sondern nur die Wahrheit. Glaubst du echt ich kenn dich so schlecht, als dass ich das nicht gewusst hätte?“ Er zeigte Tobs den Vogel. Schüttelte fast schon höhnisch lachend den Kopf. Tobs sah ihn ausdruckslos an. „Und ob es eine Unterstellung war. Du stellst etwas in den Raum wo du gar nicht weißt, ob es so ist. Und ich habe mich nicht vorher schon dafür entschieden sondern gerade eben. Und wenn es dir nicht recht ist, bitte…“ Tobs sah nur, wie Andy ein paar Schritte auf ihn zu trat. Seine Augen funkelten schon wieder so gefährlich und die Aura um ihn herum war immer noch die gleiche, bedrohliche. „Ach so ist das also. Dir ist es in dem Sinne scheiß egal, was ich dazu sage.“, stellte der junge Mann fest. „Andy du hast deinen Senf schon dazu gegeben, und ich brauche dich nicht um deine Erlaubnis bitten. Schon gar nicht, wenn du darauf reagierst, als würdest du jeden Moment in die Luft gehen und das bist du vorher. Darauf hab ich keinen Bock mehr. Und wenn es dir so vorkommt, als wäre es mir scheiß egal was du dazu sagst… dann hast du damit vollkommen Recht. Es ist mein Leben, Andy. Es ist meine Zukunft und die werde ich mir nicht von dir kaputt machen lassen, nur weil du zu viel Schiss hast noch mal ein Jahr alleine hier in Deutschland zu sitzen.“ Tobs hatte ihm seine Meinung gesagt und das klipp und klar. Was jetzt kam, konnte er nicht ahnen. Es herrschte einen Moment eisiges Schweigen. Sie blickten sich in die Augen. Starr, fast ausdruckslos. Die Spannung zwischen ihnen war zu spüren, zu fühlen, sie war greifbar. Tobs´ Herz raste vor Anspannung. Seine Hände zitterten und er wäre beinahe einen Schritt zurückgewichen, als sein Freund abermals einen auf ihn zu tat. Vielleicht hätte er es auch machen sollen, denn von einen auf den anderen Moment spürte er einen brennend heißen Schmerz im Gesicht. Sein Kopf dröhnte, seine Wange pochte. Sein gesamter Körper zitterte. In seine Augen schossen Tränen. „Ich mache also deine Zukunft kaputt! Es ist dein Leben, natürlich und ich bin ein scheiß verdammter Teil davon! Falls du das vergessen hast und das seit fast fünf verdammten Jahren! Und es ist verdammt noch mal auch mein Bier wohin du gehst!“, brüllte Andy durch die Wohnung. Erhob abermals die Hand gegen seinen Freund. Tobs Hörte das alles schon nicht mehr. Er starrte nur gerade aus. Mit tränenden Augen. Geröteten Wangen auf denen sich langsam aber sicher Andys Ring Abdrücke abzeichneten. Scheiße…, dachte er nur bei sich. Trat einen Schritt nach vorne, ging, ohne seinem Freund auch nur eines Blickes zu würdigen an ihm vorbei in den Gang. Zog seine Springer an und die Lederjacke. Hörte nur das geschrieene ´Wo willst du hin´, nahm seinen Schlüssel auch noch und verließ mit einem ´Fuck you´ die kleine WG. Tobs irrte durch die Stadt. Wusste nicht einmal wo er war. Vollkommen mit den Gedanken woanders. Er konnte sich wirklich nicht erklären, wie das alles hatte passieren können. Der wohl größte Streit ihrer Geschichte und wohl die handgreiflichste überhaupt. Er war nur froh, dass Andy ihm nicht auch noch gefolgt war. Sonst hätte er wahrscheinlich wirklich noch die Polizei gerufen. Wie lange er mit hängendem Kopf und angezogenen Schultern durch die Münchner Innenstadt lief wusste er nicht. Er wusste nur, dass er irgendwann vorm Spexter stand und nicht wusste, was er machen sollte. Gut 10 Minuten stand er dort. Rauchte eine Zigarette nach der anderen um sich irgendwie zu beruhigen und wurde von so einigen Kerlen angesprochen, die gerade auf den Weg in die nahe gelegenen Clubs waren. „He, Kleiner, was machst du denn hier?“ Diese Stimme. Tobs war so unendlich froh sie zu hören, dass ihm fast ein Wimmern entflohen wäre. „Hey.“, murmelte er leise. Blickte einem in Chaps und Harnis gekleidetem Glatzkopf hinterher, welcher mit seinem Freund im Ochsengarten verschwand und wandte den Blick wieder Boris zu, welcher mit einem jungen Mann an seiner Seite vor ihm stand. Richtete seinen Blick in den dunklen Himmel, während er sich fertig mit den Nerven an das Schaufenster des Sexshops lehnte. Boris sah ihn ein wenig fragend an. Sorge mischte sich in seinen Gesichtsausdruck, als er die dünnen Tränenspuren in Tobs´ Gesicht entdeckte. Die roten Wangen konnte er wegen des schlechten Lichts nicht sehen. „Tobs, was ist los mit dir. Und jetzt sag bloß nicht es wäre nichts.“ Setzte sein Chef noch dran. Ging einen Schritt auf ihn zu. Versuchte mit ihm in Blickkontakt zu treten. Sah knallrot unterlaufene Smaragde, aus denen sich immer mehr Tränen lösten. Stumme Perlen, die dem Gothic über das Gesicht rannen. „Was ist passiert?“, fragte Boris leise. Zog Tobs mit einem Arm an sich und spürte wie sich der junge Schwarze kraftlos an ihn klammerte. Nun wimmerte Tobs wirklich auf. Krallte sich an seinen Chef und ihm war es scheißegal, was wer von ihm hielt. Auch egal, was Boris´ Begleitung dazu sagte. Er konnte einfach nicht mehr. Und er wollte auch nicht mehr. „Er hat… er hat mich geschlagen.“, kam es tonlos und brüchig von ihm. Er rutschte langsam an der Fensterscheibe hinunter auf den Boden. Blieb dort reglos sitzen und starrte mit roten, verquollenen Augen auf das weiß-blaue Bug´s – Schild. „Wiederhol das bitte.“ Boris ließ sich langsam in die Knie sinken. Drehte Tobs´ Gesicht zu sich und sah ihm in die Augen. Merkte wie er leicht zusammenzuckte, als er seine Wangen berührte. „Das kann ich nicht glauben.“, meinte er ehrlich. „Ich auch nicht.“ Tobs war es immer noch ein Rätsel. Eine Sache, die ihm nicht in den Kopf gehen wollte. Und dennoch, es war passiert. Zwei Mal. Hintereinander. Er hatte keinen blassen Schimmer, was Andy geritten hatte. Aber so hatte sein Herz bisher in seinem ganzen Leben noch nicht geblutet. „Ben… ich glaube das Carmen´s muss heute auf mich verzichten. Tut mir wirklich leid.“, meinte er leise zu der jungen Begleitung, die etwas bedrückt dastand und nicht wusste, was er tun sollte. „Steh auf, du holst dir nur eine Blasenentzündung.“ Er zog Tobs kurzerhand an den Armen in die Höhe. „Wirf wegen mir nicht deine Pläne über den Haufen.“ Der Rothaarige winkte ab. Sah in die kleine Runde und drehte sich um. „Viel Spaß.“, meinte er leise. Ging Richtung Sendlinger Tor davon. Eigentlich die Richtung aus der er gekommen war. „Tobs, bleib stehen oder ich aaarhh…“ Boris schien einem kleinen Anfall nahe zu sein. „Jetzt… bleib… schon stehen. Du Sturkopf.“ Er hielt seinen Barkeeper mit aller Kraft am Arm zurück. Drückte ihn wieder an sich. „Denk nicht so einen Mist. Du bist wichtiger, als irgendein Club.“ Boris blickte ihm fest in die Augen. „Komm mit, ich mach dir einen Kaffee und dann erklärst du mir erst mal, wie Andy dazu kommt dich zu schlagen.“ Mit diesen Worten und einem kleinen Schulterzucken von dem Rothaarigen, machten sich die beiden auf dem Weg zu Boris´ Wohnung in der Nähe des Gärtnerplatzes. Eine kleine, schnuckelige zwei Zimmer Wohnung mitten in der Innenstadt. Schön eingerichtet, mit Balkon, an dem übergroß eine Regenbogenflagge im Wind wehte. Das Wohnzimmer, ein mehr oder weniger großer Raum. Hell gehalten. Helle Möbel, Sofa, selbst der Fernseher und die Musikanlage waren in diesen Farben. Eigentlich eher unpassend für einen bunten, schrägen Vogel wie Boris. „Setz dich.“ Der Chef des Rainbow bugsierte seinen Barkeeper auf eines der gemütlichen Sofas. Drückte ihn darauf und verschwand wieder in der Küche um Instant-Cappuccino zu machen. „Hab leider keinen Kaffee mehr da, aber Koffein ist trotzdem drin.“ Boris grinste kurz, setzte sich dann neben Tobs, der wie ein Schluck Wasser in der Kurve da saß, vor sich herstarrte und fast den Tasseninhalt verschüttete, da seine Hände so zu zittern anfingen. „Verdammtes Arschloch.“, fauchte der junge Mann dann plötzlich auf. Nahm einen kräftigen Schluck, merkte noch nicht einmal mehr, wie er sich die Zunge verbrannte und erhob sich. Schritt auf dem wuschelig, Latte Macchiato- farbenen Flokatiteppich auf und ab. „Choleriker… Fuck hey.“ Der Blondhaarige erhob sich langsam. Drückte Tobs wieder auf die Couch und kniete sich vor ihn. Legte beruhigend seine Hände auf dessen Knie. „Was ist passiert? Wie kommt Andy darauf dir eine rein zuhauen?“ Tobs zuckte kurz die Schultern. Sah an Boris vorbei aus dem Fenster. „Ich weiß es nicht. Ich mein, es ist doch meine Sache, ob ich wieder hoch nach London fliege oder nicht. Was hat er sich denn da einzumischen? Vor allem wenn er mir nur noch irgendwelche Unterstellungen an den Kopf wirft. Ständig in die Luft geht und man sich gar nicht mehr ohne Gezicke mit ihm unterhalten kann. Er hat seinen Senf dazu gegeben und ich hab ihm nur gesagt… dass es mir scheißegal ist, was er davon hält. Zwei Ohrfeigen… Vollkommen verrückt der Kerl.“ Ein hysterisches Lachen drang aus seiner Kehle. Zwei Tränen lösten sich aus seinen Augenwinkeln und schon war es zu spät. Er rutschte vom Sofa auf seine Knie, fiel seinem Chef und besten Freund um den Hals und wimmerte wie ein ausgesetzter Hund. „Tobs… hey.“ Ach du Scheiße… Andy braucht sich hier erst gar nicht mehr blicken lassen, sonst ist er dran. Verdammt. Boris fluchte leise in sich weiter. Versuchte irgendwie seinen Kumpel zu beruhigen. Anscheinend saßen diese Wunden einfach viel zu tief, was nur zu verständlich war. Wie konnte Andy es wagen auch nur die Hand zu erheben, geschweige denn auch nur daran zu denken! Boris lag so etwas absolut fern. Er konnte diese absolut absurden Gedankengänge nicht nachvollziehen. „Beruhige dich… tief durchatmen und dann erzähl mir mal ganz der Reihe nach was passiert ist.“, meinte Boris einfühlsam. Er würde kein Wort verstehen, wenn alles so durcheinander war. Allerdings reichte ihm schon die Erkenntnis, dass Andy seinen mittlerweile wohl Ex-Verlobten, geschlagen hatte. Tobs brauchte einige Zeit, bis er sich wieder beruhigt hatte. Bis er seine Augen, die vom Weinen ganz geschwollen waren, wieder gescheit öffnen konnte und bis er überhaupt seinen Mund aufmachen konnte, ohne wieder in Tränen auszubrechen. Bestimmt eine halbe Stunde saßen sie einfach schweigend nebeneinander. Tranken mittlerweile ihren dritten Cappuccino, bis Tobs irgendwann so weit war, dass er all das, was an diesem Tag passiert war, erzählen konnte. Zu guter letzt rannen ihm stumme Perlen die Wangen hinunter, auf der sich nun mehr als nur deutlich zwei breite Ring-Striemen weiß von der ansonsten knallroten Haut abzeichneten. Wahrscheinlich würden sie die nächsten Tage blau anlaufen. Der junge Student wollte erst gar nicht wissen, was seine Kommilitonen dazu sagen oder über ihn denken würden. „Er hat doch überhaupt kein Recht mir vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe.“ Verwirrt und verstört fuhr sich der Rothaarige über das genässte Gesicht. „Und dass er noch so ausflippt. Ich versteh das alles einfach nicht.“ Seine Stimme war irgendwann nur noch als leises, brüchiges Flüstern zu vernehmen gewesen. Boris schüttelte leicht den Kopf. Erschüttert von dem eben gehörten. „Nein, er hat nicht das Recht dir etwas zu verbieten, obwohl ich es schon verstehen kann. Ich mein, ich würde es auch ungern sehen, wenn mein Schatz einfach für ein Jahr wegfliegen würde. Obwohl das noch lange kein Grund ist und wenn er anfängt, dir irgendwelche Vorwürfe zu machen und dann auch noch so ausflippt, dann brauchst du dich wirklich nicht schuldig zu fühlen. Das hat er selbst verbockt.“ Langsam zog er Tobs in seine Arme, da dessen Lippen schon wieder leicht zu beben angefangen hatten. „Du hast nur deine Stellung verteidigt und dich gewehrt und das noch nicht einmal körperlich. Ich wüsste nicht, wie ich reagiert hätte, aber es ist gut, dass du gegangen bist. Wahrscheinlich wäre es nur noch schlimmer eskaliert.“ „Ich fühle mich nicht schuldig.“ Tobs hatte nur leise gemurmelt. Legte seinen Kopf leicht gegen Boris´ Schulter. Fühlte geborgen und verstanden. Er wusste, wieso er Boris als seinen besten Freund bezeichnete. „Wahrscheinlich hätte er mich nur noch weiter zur Schnecke gemacht.“ Seine Zähne gruben sich fest in seine Unterlippe. „Ich hab echt keine Ahnung, was ich jetzt machen soll…“ „Inwiefern machen?“ Es gab viele Dinge, worüber sich Tobs nun Gedanken machen sollte. Ob ihre Beziehung überhaupt noch eine Chance hatte, wo er eventuell wohnen sollte, wie es mit seinem Studium weitergehen sollte. Wie er Andy am besten aus dem Weg gehen sollte, wenn sie doch immer in den gleichen Clubs unterwegs waren. Tobs sah ihn kurz an. Starrte dann wieder geradeaus auf den Schrank. „Wo ich hin soll. Ich werde dort nur noch hingehen, um mein Zeug zu packen. Was mit Andy ist… soll er bleiben wo der Pfeffer wächst.“ Boris nickte langsam. Er konnte Tobs schon verstehen. Nur gleich Schluss machen? Er wusste nicht, ob das nicht etwas zu überstürzt war. Aber in Anbetracht der Tatsachen war es vielleicht nicht schlecht, das Ganze vorerst auf Eis zu legen. Vor allem, er hatte die letzten Wochen und Monate ja mitbekommen, wie sich ihre Beziehung verändert hatte. Wie Andy immer öfter ausgeflippt ist. „Du willst das echt auf Eis legen?“, fragte er langsam. Wusste nicht, wie Tobs darauf reagieren würde und auch noch mit ihm zu streiten, das wollte er nicht. „Was soll ich denn sonst machen?“ Hilfe suchend sah er seinen Kumpel an. „Mich weiter von ihm zur Schnecke machen lassen? Irgendwann würde er mich sogar noch krankenhausreif prügeln.“ Wieder ein paar Tränen, die ihm über die geschundenen Wangen liefen. „Ich mein… ich liebe ihn. Ich liebe ihn über alles, aber… das geht einfach zu weit. Ich kann nicht immer nur an andere denken.“, flüsterte der junge Student am Boden zerstört. „Dass du an die anderen denkst, verlangt niemand.“ Boris seufzte kurz auf. „Ich werde nicht versuchen, dich umstimmen zu wollen. Aber lass dir das Ganze erst einmal durch den Kopf gehen. Jetzt ist alles noch so frisch, du bist aufgewühlt. Lass es erst einmal sacken, bevor du vorschnelle Entscheidungen triffst, in Ordnung? Und bis sich die Wogen wieder einigermaßen geglättet haben, bleibst du hier. Ich kann dir zwar nur die Couch anbieten, aber ich denke, das ist besser als bei euch im Moment.“ Er küsste ihn flüchtig auf die Stirn. Tobs schloss für ein paar Minuten die Augen. „Ich werde es irgendwie versuchen. Aber ich geh… nicht mehr zurück. Ich werde mir was Eigenes suchen, solange ich noch in Deutschland bin. Spätestens im nächsten Semester bin ich weg…“ Er fuhr sich über das Gesicht. „Kannst du… mitkommen, wegen meinen Sachen?“ Der junge Student hatte wirklich Angst, dass Andy irgendwie wieder ausflippte. Ihn noch weiter verprügelte. Zuzutrauen war es ihm. „Natürlich.“ Boris hätte ihn so oder so, nicht alleine dorthin gelassen. Das war einfach zu unsicher. Und zu zweit hätten sie auf jeden Fall mehr Chancen, würde Andy wieder ausflippen, als Tobs alleine. „Tobs, du brauchst dir nicht extra ne eigene Bude suchen. Du kannst so lange hier bleiben wie du willst und du es aushältst. Ich bin eh die meiste Zeit im Rainbow, also kannst du auch in Ruhe lernen und Ben ist auch nur am Wochenende da.“ „Ben? Ach so, dieser Blonde Typ vorher?“ Tobs grinste leicht. Es freute ihn, dass Boris anscheinend jemanden gefunden hatte. So lange er nicht noch weiter an Marcel hing. „Ja, er ist wirklich ein lieber Kerl.“ Boris bekam leicht glitzernde Augen. Er kicherte verhalten und drückte Tobs noch einmal an sich. „Gut, dann holen wir morgen Früh gleich dein Zeug, ja?“ Tobs nickte nur langsam. Er hatte keine Ahnung, ob Andy morgen in der Früh in der WG war. Und wenn, dann würde er ihn getrost ignorieren, soweit es natürlich ging. „Gut, dann, hole ich dir schnell eine Decke und ein Kopfkissen und dann haust du dich aufs Ohr, damit du wieder zu Kräften kommst.“ Boris lächelte, klopfte seinem Kumpel kurz auf die Schulter. Verschwand und kam dann mit einer sehr flauschig aussehenden Decke und einem weichen Kopfkissen wieder. „Mehr hatte ich leider nicht da. Wenn du noch was brauchst, einfach rufen.“ Tobs nahm die beiden Dinge entgegen. Starrte sie an und sah wieder auf. „Ich weiß nicht, wie ich dir das danken kann.“, murmelte er etwas schüchtern. „Aach was.“ Ein kurzes Lachen von Boris´ Seite. Er schüttelte nur den Kopf und ging dann aus dem Zimmer, nur um einen Augenblick später unter der Dusche zu verschwinden. Tobs lag mit den Gedanken bei den Geschehnissen und machte kein Auge zu. Somit war es nicht verwunderlich, dass er am nächsten Morgen kaum aus seinen verquollenen Augen sehen konnte und die tiefen Augenringe machten seinen Anblick nicht unbedingt besser. Ebenso wenig wie die zerzausten Haare und die verschmierte Schminke. Als die beiden um halb zehn, nach einem ausgiebigen Frühstück, bestehend aus Kaffee und Toast, zu der kleinen WG gingen, hatten beide keine Ahnung, ob Andy nun da war oder nicht. Tobs war nur froh, dass er seinen Schlüssel noch mitgenommen hatte. Denn jetzt auch noch klingeln zu müssen, das wäre wohl das peinlichste gewesen, was er sich hätte vorstellen können. Zu ihrem Glück, war weder Andy, noch Krissy noch Cynthia zu Hause. Somit konnten sie sich frei in der Wohnung bewegen, ohne großes Geschrei eines gewissen Mannes und dummen Fragen der zwei Frauen. Der junge Student kramte seine Reisetasche unter dem Bett hervor. Schmiss all das, was er für die nächsten Tage und Wochen brauchte hinein und hinterließ noch einen kleinen Zettel, den er Cynthia und Krissy auf den Schreibtisch legte. Wo er war, das schrieb er nicht. Er meinte nur, dass er für die nächste Zeit nicht kommen, er ein Dach über dem Kopf haben würde und sie sich keine Sorgen zu machen brauchten. Was mit Andy war, das schrieb er nicht. Das sollte er ihnen schon selbst erklären. Er würde vor ihnen keine Stellung dazu nehmen. Keine zwei Tage später war es auch schon soweit. Es klingelte. Tobs seufzte leise. Starrte weiter auf die vollkommen schwarze Mattscheibe. Ließ sich die Ohren mit etlichen Dimmu Borgir Songs zudröhnen. Rief Boris nur zu, dass er nicht da wäre, würde jemand für ihn an der Türe stehen, obwohl das kaum sein konnte, da niemand wusste, dass er hier war. Boris öffnete mit einem schlechten Gefühl im Bauch, welches sich bestätigte, als er Andy leicht bedrückte und dennoch zornige Miene im Hausgang erblickte, die Türe. „Ist er hier?“ Rauer Tonfall. Dunkle, verrauchte Stimme und kaum Farbe im Gesicht. „Wer?“ Boris dachte nicht im Traum daran, Andy hinein zu lassen. Nicht nachdem was passiert war. „Tobs. Wer sonst hört in dieser Wohnung Dimmu?“ Er sah aus, als würde er gleich in die Luft gehen. „Nein, er ist nicht hier.“, log Boris. Verzog dabei keine Miene. Stand mit verschränkten Armen zwischen den Angeln. Dachte sich nur, dass Andy Tobs so schnell nicht mehr zu Gesicht kriegen würde. Wurde allerdings von dessen harten Worten in die Realität zurückgeholt. „Ich möchte nur mit ihm reden. Ich weiß, dass er hier ist.“ Andys lockere Haltung veränderte sich langsam zu einem fast steifen Stehen. „Du kannst mir nicht verbieten ihn zu sehen.“ „Das könnte ich nach der Scheiße, die du vorgestern abgezogen hast sehr wohl, vor allem weil es meine Wohnung ist. Allerdings hab ich Tobs vor zwei Tagen das letzte Mal gesehen.“ Der Blondhaarige hielt an seiner Aussage fest. „Ich habe keine Ahnung wo er ist.“ „Das glaubst auch nur du.“ Andy seufzte leise auf. Trat einen Schritt auf Boris zu und schob ihn, ohne viel Kraftaufwand, zur Seite. Trat ein und ging geradewegs in Richtung des Zimmers, aus der die Musik hämmerte. „Arschloch! Das ist Hausfriedensbruch!“ Der Barbesitzer war außer sich vor Wurt, ließ die Wohnungstüre offen und stürmte dem ´Verlobten´ Tobs´ hinterer. „Raus aus meiner Wohnung oder ich vergesse mich!“ Würde Andy nicht in der nächsten Minute verschwinden, würde er sich nicht scheuen, die Polizei anzurufen. Andy allerdings überhörte ihn getrost. „Tobs, können wir reden?“ Seine Stimme klang versöhnlich. „Andy, wenn du nicht sofort abzischst, hast du erstens meinen Fuß im Arsch und zweitens ne Anzeige auf dem Hals.“, knurrte Boris. Er würde gleich vollkommen ausflippen. Er sah Tobs, wie er sich langsam aufsetzte, die Musik einen Tick leiser stellte und gelangweilt auf Andy blickte. „Boris kannst du uns vielleicht kurz alleine lassen?“, bat er seinen Kumpel leise. Dieses eine Mal würde er sich ihm noch stellen und danach war die Sache für ihn gegessen. „Vergiss es.“ Boris stand wie angenagelt da. Er hätte nicht gedacht, dass Tobs zu diesem Gespräch bereit war. Ein kurzes Seufzen aus dem Mund des Rothaarigen und er schaltete den Lärm vollends aus. „Ich weiß nicht, ob du ´reden´ kannst.“, meinte er nur zu Andy, welcher Zähneknirschend im Raum stand. Eisiges Schweigen hatte sich in dem Wohnzimmer des Barbesitzers ausgebreitet. „Ich sage dir eines, Bürschchen, wenn du ihn auch nur ansatzweise anrühren solltest, polier ich dir die Fresse.“, fauchte Boris und verschwand in der geräumigen Küche, wo er sich mit einem Kaffee auf die Eckbank setzte. „Was willst du noch von mir? Dich entschuldigen, dafür ist es zu spät.“ Tobs saß weiterhin auf dem Sofa. Hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Gähnte für einen Moment. Er musste raus. Brauchte frische Luft und eine Zigarette. Andy seufzte leise. Seine Anspannung, hatte es den Anschein, fiel langsam. „Es ist nie zu spät, Tobs.“, meinte er leise. Sanft. Sie versuchte ihn zu umschmeicheln, doch darauf fiel der junge Student nicht rein. Er erhob sich langsam. Starrte ihn an und schüttelte verständnislos den Kopf. „Glaubst du allen Ernstes, dass ich dir das hier“, er deutete auf seine leicht bläulichen Wangen. „Verzeihe. Denkst du wirklich, dass ich alles mit mir machen lasse?“ „Tobs… das war eine Kurzschlussreaktion. Ich wollte das nicht. Glaub mir das. Ich weiß auch nicht… was da passiert ist.“ Andy klang mehr als hilflos. Tobs ging langsam der Kragen auf. „Eine Kurzschlussreaktion!“, schrie er. „Ich kann dir ganz genau sagen was da passiert ist! Du hast mir zwei Mal dermaßen eine rein gehauen, dass mir der Kopf nur so gedröhnt hat! Schau dir den Mist doch mal an! Und ich soll glauben dass du das nicht wolltest?! Erzähl das irgendwem, aber nicht mir!“ Er sprühte im Augenblick nur so vor Wut. Am liebste hätte er diesem Kerl die Zähne aus dem Mund geschlagen. Aber auf dieses Niveau wollte er sich erst gar nicht herablassen. Er schüttelte nur den Kopf. Hätte beinahe zu lachen angefangen. Das war doch lächerlich, was Andy hier abzog. Andy sah ihn verletzt an. „Schatz, ich schwöre dir, das wird nie mehr vorkommen.“ „Hör auf mich so zu nennen!“, fauchte der junge Student. „Du kannst mir schwören was du willst. Mich interessiert es einen Scheißdreck. Und es wird natürlich nicht mehr vorkommen, weil du in deinem Leben nicht mehr die Chance haben wirst, so etwas zu tun. Du kannst deine cholerischen Anfälle an irgendjemand anderem auslassen. Aber sollte ich davon Wind bekommen, dass es Cynthia oder Krissy sind, dann steh ich vor der Türe und dann ist der Teufel los, das kann ich DIR schwören.“ „Was soll das heißen!“ Andys ach so bereuende Fassade bröckelte in sich zusammen. „Was willst du mir damit sagen?!“ „Das was es heißen soll! Du kannst mir gestohlen bleiben, das soll es heißen! Ich habe absolut keine Böcke mir das noch länger anzutun und antun zu lassen!“ Seine Wut steigerte sich immer noch weiter, je länger er dieses Gesicht vor sich sah. Ein Gesicht, dass er selbst jetzt noch liebte und dennoch. Anders ging es einfach nicht. Er würde auf die Dauer nicht glücklich werden. „Du kannst das… doch nicht einfach alles hinschmeißen wegen eines kleinen Fehlers.“ Andy sah ihn nun wirklich bestürzt an. Tobs lachte auf. Fuhr sich über das Gesicht und zeigte ihm den Vogel. „Andy, du hast mich geschlagen. Was ist das für eine Beziehung, wenn man nicht einmal vernünftig miteinander reden kann? Und das seit Wochen, nein Monaten? Mir reicht es einfach.“ Er sprach leise. Würde er noch länger dastehen, würde er wahrscheinlich in Tränen ausbrechen. Tobs musste sich so oder so schon stark am Riemen reißen. „Es tut mir leid! Kannst du mir das echt nicht glauben?“ Andy sah aus, als würde er jeden Moment zu heulen anfangen. Jetzt wusste er wenigstens, wie Tobs sich gefühlt hatte. „Nein Andy, diesmal kann ich dir das nicht glauben. Geh jetzt bitte. Was gesagt ist… ist gesagt.“ Tobs drehte sich nur langsam zum Fenster um. Er kämpfte wirklich mit sich. Mit seine Tränen, mit seinem Gewissen, dass es wieder er war, der Andy den Laufpass gab und er rang damit, sich ihm nicht einfach um den Hals zu werfen. Man hörte Andy richtig ausatmen. „Ich liebe dich, Tobs. Du weißt, dass ich ohne dich nicht kann.“ „Dann wirst du es lernen müssen. Geh jetzt!“ Der Student drehte sich ruckartig um. Deutete mit einem wütenden Gesichtsausdruck zur Türe. Wie konnte er wagen, ihm das an den Kopf zu knallen. Er würde ihn lieben. Na ganz klar! Verarschen konnte er sich selbst mehr als nur gut. „Andy du hast ihn gehört.“ Boris war wieder aufgetaucht. Schob Andy langsam zur Türe. „Lass mich los, verdammt.“ Andy tobte schon wieder. Sein Gemüt war alles andere als konstant. „Tobs bitte! Ich liebe dich!“ Es war nur noch als leiser Hall im Hausgang zu hören gewesen. Die Türe knallte und Tobs sackte an der Heizung zu Boden. Es ist vorbei… alles ist vorbei. Ging es ihm durch den Kopf. Seine Augen waren leicht genässt. Er wusste nicht, wo ihm im Augenblick der Kopf stand. Er wusste nur, dass er darüber so schnell nicht wegkommen würde. Er hegte eben noch Gefühle für Andy, das ging nicht so schnell nur noch weiter mit ihm leben, das konnte er nicht. Das würde ihn auf Dauer vollends kaputt machen. „Tobs? Ist alles in Ordnung?“, frage Boris vorsichtig. Es sah nämlich alles andere als das aus. „Sieht es denn danach aus?“ Tobs blickte auf. Legte den Kopf an die warme Heizung. Seufzte für einen kleinen Moment auf. „Es ist vorbei… man, ich glaub´s nicht.“ Boris runzelte die Stirn. „Vorbei? Bist du dir sicher, dass du das alles aufgeben willst?“ Er setzte sich im Schneidersitz vor seinen Kumpel. Fuhr sich durch die Haare, als er das monotone ´ja´ vernommen hatte. Das war also die ´Romanze´ die so viel versprechend ausgesehen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)