World of Faerûn - 5. Staffel von Kyle (Ghosts Of Apocalypse) ================================================================================ Kapitel 4: Folge 75: Die Untotenplage ------------------------------------- Neugierig beobachtete Shane wie sein neuer Mitstreiter Decan die Klingen eines seiner Katanas pflegte. Man hatte sich zu einer kurzen Rast in einem Wald nahe einem See niedergelassen. Für Kyren war es eine gute Gelegenheit ihre Getränkevorräte aufzufüllen, während Shane mehr darauf aus war hinter die Fassade von Decans kühler Art zu kommen. Allerdings führte dieser sich keines falls wie ein neuer Gefährte auf, sondern gab lediglich stillschweigend die Richtung vor in die man gehen sollte. Verglichen mit dem Vortag hatte er noch kein einziges Wort gesagt. Er schien ein recht schweigsamer Geselle zu sein, wobei er ohnehin nicht gerade den Eindruck eines kleinen Sonnenscheins hinterließ. Er war Kyren unheimlich und so empfand sie es schon mutig von Shane ihn einfach so anzusprechen. „Hmm ... sag mal, wohin geht es nun eigentlich?“, fragte er ganz unverblümt. „Ganz hier in der Nähe gibt es ein Dorf das von Untoten geplagt werden soll. Meine Mission verlangt es die Sache zu untersuchen.“, gab er nüchtern zur Antwort und richtete sich auf. „Und wann werden wir dort ankommen? Wir haben heute noch nichts gegessen.“, erwiderte der Halbelf sich an den Bauch fassend. „Ich schätze gegen Abend.“, antwortete Decan, während er sein poliertes Schwert vor sich hielt und betrachtete. Katanas waren in der westlichen Gegend von Faerûn eher eine selten gebrauchte Waffe. Es war seltsam das ein Mensch, aus den westlichen Reichen von Faerûn, eine solche Waffe führte. „Du hast ein interessantes Schwert. Ich kenne nicht viele die mit einen Katana kämpfen. Darf ich es mal nehmen?“, meinte der Halbelf, worauf sein Mitstreiter sein Schwert ins Gras steckte. „Hier, aber tut dir nicht dran weh. Ich will es nicht noch mal putzen.“, tönte er emotionslos zurück und ging zum Wasser um sich frisch zu machen. Shane konnte sich einfach keinen Reim auf ihn bilden. Er agierte stets herzlos und ohne ein Gefühl in seine Worte zu legen, fast wie eine Maschine. Seine dunkle Tracht war allemal passend für ihn, denn sie schien zu seiner fortwährend schlechten Stimmung zu passen. Wahrscheinlich war er nicht besonders glücklich darüber zwei Gefährten zu haben, aber womöglich war es auch etwas anderes. Unabhängig davon hatte er ihm gestattet seine Waffe zu führen, sei es auch nur für einige Minuten, so dass er sich daran machte das Katana zu nehmen. Was eigentlich recht einfach sein sollte, stellte sich schnell als wahre Herausforderung dar, denn die Klinge der Waffe wog schwerer als man es ihr ansah. Vergeblich versuchte er das Schwert vollends zu erheben. Selbst mit all seiner Kraft und beiden Händen gelang es ihm gerade einmal das Schwert so weit anzuheben, dass das Ende der Klinge noch im Gras lag. Mit angestrengten Lauten versuchte er wie ein Gewichtheber das Schwert empor zu halten. Nicht einmal als er es wie einen Pflug hinter sich her zog, gelang es ihm den Schwung aufzubringen um es vollends zu erheben. „Das gibt es doch nicht!“, fluchte er und rannte wie wild durch die Gegend, bestaunt von Kyren. Deren Augen weiteten sich ungläubig als sie ihren Gefährten so sah und schweiften schließlich zu Decan am See, der es zuvor recht einfach in seiner Hand gehalten hatte, wogegen Shane sogar mit zwei Händen nicht weiter kam. „Ist ... ist es etwa verzaubert?“, fragte sie ihn vorsichtig, musste sich aber etwas auf die Antwort gedulden. „Nein, es ist das Material.“, gab er desinteressiert vom Geschehen hinter sich zur Antwort. Schließlich gab Shane nach Luft schnappend auf und stützte sich nun mehr auf den Griff des Katanas, wohlwissend das es unter seinem Gewicht nicht brechen würde. Das ganze hatte seinen Hunger nur noch mehr verstärkt und so sollte er den Rest des Weges von seinem knurrenden Magen begleitet werden. Kyren schmunzelte über die Pein ihres Gefährten, auch wenn sie nicht wirklich darüber amüsiert war. Dennoch kannte sie ihn gut genug dass sie wusste dass er es wegstecken konnte bis man das Dorf erreichen würde. Gerne hätte sie ihm etwas gekocht, wenn sie passende Vorräte bei sich gehabt hätten, obwohl sie eher unerfahren in solchen Dingen war. Sicher wäre es eine gute Gelegenheit gewesen ihre Zuneigung zu zeigen, aber sie spürte dass es ohnehin nicht die richtige Zeit war ihn damit zu belasten. Decan sollte Recht behalten und man erreichte das Dorf kurz nach Einbruch der Dämmerung. Shanes nach Essen dürstender Blick verriet das er sich weniger Gedanken um die Gerüchte der Untotenplage dieses Dorfes machte, als mehr darum wo die nächste Möglichkeit war, etwas Essbares zu sich zu nehmen. „Ich hoffe in diesen Dorf gibt es eine Schänke ... oder ein Restaurant ... oder meinetwegen ein Lebkuchenhäuschen - irgendwas! Hauptsache es ist essbar!“, kommentierte er das Ende der Tagesreise mit hungriger Miene. „Ja, eine Mahlzeit wär’ jetzt nicht schlecht.“, stimmte Kyren zu, die sich über den Bauch strich. Ihren selbsternannten Anführer hingegen interessierten die Bedürfnisse seiner Mitstreiter nicht weiter, so dass er zielstrebig zum Dorf ging. Es war ihr Glück das er eine Schänke aufsuchte. Es war zugleich die einzige im Dorf, aber trotzdem ungewöhnlich rar besucht. Bis auf einen weiteren Gast war sie leer, obwohl genug freie Tische zur Verfügung standen. Selbst Kyren kam es ungewöhnlich vor das eine Schänke zu dieser Zeit so unbesucht war und fragte sich worin wohl der Grund lag. Währenddessen erreichte eine weitere Gestalt das Ende des Waldes und somit das Dorf in dem Kyren und die anderen sich gerade niedergelassen hatten. Stolz posierte er auf einer kleinen Erhebung im Boden und streckte seinen Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger in Richtung Dorf. Es war unschwer zu erkennen dass dort Atrix van Vorten stand - verkleidet und bekannt unter dem Namen Dido Fortune. Er hatte mit den Abenteurern schritt gehalten und war ihnen bis zum Dorf gefolgt. „Ha, fürchtet euch, die, die ihr das Böse verkörpert! Dido Fortune ist hier und wird euch strafen! Ha HA!“, posaunte er hervor, doch seine Worte wurden lediglich durch das zirpen einiger Grillen gewürdigt. Schnell verzog sich seine Miene und seine Haltung krümmte sich zu der eines hungernden Bettlers. „Hunger.“, jammerte er in entsprechender Tonhaltung und trabte weiter. Auch ihm hatten die Hetz nach Kyren und die Tagesreise auf den leeren Magen geschlagen. Shane schlang derweil seine Mahlzeit gierig hinunter, so als hätte er ganze drei Tage nichts mehr gegessen. Man hatte sich inzwischen an einem freien Tisch im Lokal nieder gelassen, was bei der Auswahl an freien Plätzen nicht weiter schwierig war. Für Kyren war, neben dem Essen das der Wirt soeben serviert hatte, jedoch etwas anderes interessanter. „Entschuldigt, Herr Wirt, aber warum ist Ihr Lokal so leer?“, fragte sie neugierig, nachdem sie ein Stück von ihrem Brotleib abgebissen hatte. „Weil sich kaum noch jemand nach Einbruch der Dunkelheit heraustraut. Und Abenteurer wie ihr sind auch selten geworden.“, antwortete der beleibte Mann und schlug sich ein Handtuch über die Schulter. „Dann stimmt es also dass das Dorf von Untoten geplagt wird?“, hakte sie nach. „Ja, so ist es. Der Typ dort drüben heißt Lynx. Er ist der einzige Überlebende einer Abenteurergruppe, die sich vor einigen Wochen zum Friedhof des Dorfes gewagt haben. Seitdem redet er nur noch wirres Zeug und säuft sich jeden Abend die Birne voll.“, gab er in die Richtung des einzig weiteren Gastes blickend von sich. Als im selben Moment eine Wolke am Himmel den Vollmond freigab, dessen Licht in die Schänke fiel, sprang Lynx plötzlich panisch auf. Ängstlich schweifte sein Blick durchs Lokal, bevor er zum Fenster eilte und dort nach etwas Ausschau hielt. „Es ist Vollmond! Vollmond!!! Sie werden mich holen! Sie haben gesagt dass sie mich holen werden!!! Hört ihr nicht ihre Stimmen?! Hört ihr sie nicht!?! Sie sind überall!!! Ihr seid doch schon so gut wie tot!! Ihr alle!!! WAH!“, stammelte er irre herum bis er Hals über Kopf aus dem Lokal stürmte. Wuchtig schlug er die Tür nach außen auf und entschwand in der Dunkelheit der Nacht, wogegen Atrix, der gerade die Schänke betreten wollte, sich nun zwischen Tür und Wand eingebettet sah und in Bewusstlosigkeit nieder glitt. Während Shane und Kyren recht irritiert wirkten, nahm der Wirt das ganze eher nüchtern hin. „Ach, macht euch keine Sorgen. Ist nicht das erste Mal das er wegen irgendeiner Kleinigkeit ausrastet. Wenn ihr mich fragt – er hat den Verstand verloren.“, merkte er an. „Aber wenn das Dorf von Untoten geplagt wird, wie können Sie da nur so ruhig sein?“, wunderte sich die Elfin. „Ach, ich habe noch nicht einen einzigen Untoten gesehen. Aber für den Fall der Fälle habe ich mir eine Armbrust besorgt. Jeder Untote der hier rein will kriegt von mir einen Bolzen zwischen die Augen. Ich habe keine Angst vor denen.“, antwortete er mit Blick zur Tür, die derweil wieder zuging. Decan begann zu schmunzeln als er den Wirt so reden hörte und stellte sein Glas Saft ab aus dem er eben noch einen Schluck getrunken hatte. „Was ist so komisch, Fremder?“, fragte der Wirt erstaunt über das Verhalten des Gastes. „Mit einer Armbrust wollt Ihr einem Untoten entgegentreten? Ich gebe Euch einen Rat. Ein gewöhnlicher Bolzen im Kopf eines Zombies wird ihn nicht aufhalten. Für solch ein Wesen ist das ungefähr so als wenn Ihr Euch einen Splitter einfangt.“, kommentierte er das Gespräch, worauf dem Wirt etwas mulmig zumute wurde. Shane jedoch interessierte etwas ganz anderes von dem was der Wirt gesagt hatte und erhob sich von seinem Stuhl. „Sagt, wie habt Ihr das eben gemeint als Ihr sagtet Ihr hättet noch keinen Untoten gesehen. Ich denke euer Dorf wird von Untoten geplagt – wie könnt Ihr da noch keinen gesehen haben?“, fragte er verwundert. „Die meisten Leute die von Untoten berichteten sind ein oder zwei Tage darauf verschwunden und jene die zur Gruft gegangen sind, sind nicht wieder gekehrt – mit Ausnahme von Lynx. Die Leute hier erzählen sich der Friedhof sei verflucht und irgendetwas wird ja schon dran sein ... sonst würden doch nicht all die Leute verschwinden.“, erklärte er. „Das klingt alles sehr zwiespältig. Wir sollten uns vielleicht einmal auf dem Friedhof umsehen.“, erwiderte Shane mit nachdenklichen Unterton. „Mit Verlaub, ihr seid nicht die ersten die das sagen und ihr seid nur zu dritt.“, gab der Wirt zweifelnd zurück. „Zu zweit.“, ergänzte Decan mit nüchterner Miene und nahm wieder einen Schluck zu sich, sehr zum Erstaunen seiner beiden Mitstreiter. „Soll das heißen dass du uns nicht helfen willst? Du hast uns doch von der Plage berichtet und hier her gebracht.“, merkte Kyren verwirrt an. „Ihr könnt gerne gehen und euch um dieses Problem kümmern, aber ich bin nicht hier um die Welt in ein Paradies zu verwandeln. Meine Mission hat andere Prioritäten. Alles andere ist mir egal.“, erklärte er mit kühler Stimme, was für Shane nur einen Schluss zuließ. „Willst du damit etwas sagen die Untoten hier haben nichts mit Noss zu tun?“, fragte er, mit starrem Blick auf seinen in schwarz gekleideten Gefährten, der seine Worte mit einem kurzen Nicken bestätigte. Für Kyren hingegen warf das eine weitere Frage auf, die er ihr zu beantworten hatte. „Aber woher willst du denn wissen das diese Untoten hier nichts mit Noss zu tun haben?“, entgegnete sie verwundert. „In dem Fall wäre das ganze Dorf schon längst von Untoten verseucht gewesen.“, sprach er gelassen und löste sogleich einen kleinen Schock bei seinen Begleitern aus. Shanes Augen waren geweitet, denn er erkannte schnell was er damit eigentlich sagen wollte. „Das hieße ja ... du bist nur hier her gekommen ...“, begann er stotternd, wagte es aber kaum seinen Gedanken zu vollenden, was Decan hingegen keine Schwierigkeiten bereitete. „Ja, ich bin davon ausgegangen das jeder hier bereits zu einem Untoten geworden wäre.“, ergänzte er ruchlos. Es bedurfte nicht viel Fantasie um zu begreifen was dies bedeutete, denn dies bedeutete das er dort hin gereist war um das ganze Dorf auszulöschen, wäre es verseucht gewesen und nicht um Hilfe zu leisten. Für Shane spielte es dennoch keine Rolle welche Art von Bedrohung das Dorf plagte. Er würde nicht eher gehen wollen bis den Menschen die hier lebten geholfen wäre. Es sollte kein einfaches Unterfangen werden, aber so konnte er Decan beweisen das er nicht so schwach war für wie er ihn hielt. Entgegen aller Erwartungen blieb es in dieser Nacht jedoch ruhig, was am nächsten Morgen im ganzen Dorf Gesprächsthema war. Man wunderte sich und fragte sich ob die Präsents der Neuankömmlinge wohl etwas damit zu tun hatte. Gähnend und streckend kam Kyren die Treppe der Schänke hinunter in der man übernachtet hatte. Es war nicht verwunderlich das sie nicht ganz ausgeschlafen war, spukte ihr die ganze Nacht doch der Gedanke durch den Kopf das die Untoten kommen könnten. Zu ihren erstaunen stellte sie fest das Shane alleine am Frühstückstisch saß, die Finger ineinander gekreuzt, in nachdenklicher Haltung sitzend. „Guten Morgen, Shane! Wo ist denn Decan?“, meinte sie und setzte sich zu ihm. „Ach, der ist draußen und döst auf einem Baum vor sich hin. Ich glaube ihm ist langweilig. Er würde wohl am liebsten weiterziehen, aber ich schätze mal er wird warten bis wir uns der Sache mit den Unotetenplage angenommen haben.“, erwiderte er zu ihr aufblickend. „Gut dass er sich so geduldig zeigt. Ich wäre nur ungern mitten in der Nacht auf den Friedhof gegangen.“, gab sie leicht schwitzend zurück. Ihr kam Decans Abwesenheit nicht einmal allzu Ungelegen, denn so konnte sie etwas Zeit allein mit Shane verbringen. Obwohl er schon fertig mit Frühstücken war und sich Gedanken über die Ursache für die Untotenplage machte, freute es sie innerlich dass sie allein mit ihm sein konnte. Verzweifelt versuchte sie ein Thema für ein Gespräch zu finden während sie sich ein Brot schmierte, aber egal welcher Gedanke ihr kam, sie brachte kein Wort heraus aus Angst ihn konnte das Thema langweilen. Sie merkte nicht dass sie heimlich von einem jungen, maskierten Gast von einer dunklen Ecke der Schänke aus beobachtet wurde. Atrix, der sich dort in Unauffälligkeit versuchte, sah seine Chance gekommen Kyren zu imponieren, obwohl es eigentlich seine Aufgabe war sie zurück nach Suldanessalar zu bringen. Nicht zum ersten Mal stellte er die Prioritäten zu Gunsten seines Egos um. Bald darauf machte sich das Duo unter den neugierigen Blicken der Dorfbewohner auf zum Friedhof. Die Umzäunung dort war alt und morsch, der Friedhof selbst wirkte als ob er seit Ewigkeiten nicht mehr betreten wurde. Alles war ziemlich heruntergekommen und die wenigen Pflanzen auf dem Gelände waren längst verdorrt. Einige Grabsteine waren umgekippt oder zerbrochen und ein seichter Nebel zog über den Boden hinweg. Der Eingang zur Gruft lag im Zentrum des Friedhofs und wurde vom Dorf stets als Basis des Übels bezeichnet. Shane war sich sicher – dort lag etwas Böses unter der Erde. Ein Lichtzauber von Kyren in Form einer leuchtenden, schwebenden Kugel sollte etwas Licht in die dunklen Hallen der Katakombe bringen. Schon als man diese betrat, lag ein fauliger Geruch von totem Fleisch in der Luft. Dennoch war niemand zu sehen, die Halle wirkte gar wie ausgestorben. Unsicher drangen die beiden Abenteurer tiefer ein, fanden aber nichts Verdächtiges vor. „Was glaubst du Shane ...?“, fragte Kyren und schluckte tief, fast so als wollte sie ihre Angst hinunter würgen. „Hier liegt definitiv etwas Böses verborgen ... die Frage ist nur wo ... oder warum können wir es nicht sehen.“, meinte er leicht angespannt. Plötzlich ertönte eine Lache, wie sie sie noch nie zuvor gehört hatten. Sie schallte durch die ganze Halle und hatte den Klang wie der einer alten Frau. „Warum ihr das Böse an diesem Ort nicht sehen könnt? Weil ich es so will!“, sprach die fremde Stimme und begann weiter zu lachen. Aufgeregt drehte man sich im Kreis um potentielle Gegner zu erspähen und dem Gelächter auf den Grund zu gehen, doch nichts war zu sehen. Umso überraschter waren die beiden als sich unter ihnen ein Zauberkreis bildete, der sie erfasste und aus der unterirdischen Örtlichkeit wegteleportierte. Dido, der ihnen heimlich gefolgt war und noch auf der untersten Treppenstufe stand, hatte alles gesehen und gehört, doch dies führte gleichzeitig dazu, das seine Beine so sehr zitterten, dass er keinen Schritt mehr zustande brachte. Als Shane wieder zu sich kam, fand er sich eingepfercht in einem eisernen Käfig wieder. Er stellte fest dass er sich in einer Art Höhle oder einer unterirdischen Baute befinden musste, die tief unter der Erde lag. Es war so höllisch heiß um ihn herum, dass er glaubte dem Erdkern nahe zu sein. Tatsächlich stiegen kochend heiße Dämpfe aus dem Boden um ihn herum auf, doch diese kamen aus einem riesigen Kessel einige Meter unter ihm, in dem ein fragliches Gebräu zubereitet wurde. Schnell stellte er fest das Kyren nicht mehr bei ihm und auch sein Schwert verschwunden war. Sein Blick erhaschte am Boden eine merkwürdige Gestalt, die wie bei einem Ritual um den kochenden Kessel schlich und unverständliches Zeug in sich hineinmurmelte. Nicht weit von ihr entfernt befand sich Kyren, welche die Wand gekettet war. Sie war noch bewusstlos, schien aber unversehrt. Nicht weit von ihr stand sein Schwert an die Wand gelehnt, jedoch unerreichbar für die junge Elfe. Shane war sich nicht sicher ob es klug war die Aufmerksamkeit der fremden Person am Boden auf sich zu ziehen, wusste er doch nicht um wen oder was es sich dort handelte. Dennoch wagte er es, als die dürre Gestalt mit faltiger Haut und zottigem Haar sich begann Kyren zu nähern. „Hey?! Wer seid Ihr?! Was geht hier vor?!“, rief er mutig hinab, worauf sie sich umdrehte und zu ihm nach oben starrte. Schon als er das hässliche Gesicht mit der Hakennase sah, wurde ihm klar das es sich bei der Fremden um eine bösartige Hexe handeln musste. „Hehehe, auch ihr seid nur zwei weitere Narren die sich in mein Verließ verirrt haben.“, kicherte sie zurück und gab mit ihrer Stimme zu erkennen dass die Lache von zuvor ihr gehört hatte. „Was wollt ihr von uns?!“, fragte Shane erzürnt. „Ohh, eine ausführliche Erklärung? Für mein heutiges Abendessen bist du aber sehr neugierig, hehehe.“, geiferte sie höhnisch zurück. „Was? Abendessen?“, wunderte er sich, leicht angewidert. „Du hast richtig gehört, Halbelf. Doch keine Sorge, deine kleine Freundin wird ein anderes Schicksal ereilen. Sie ist noch jung, jung genug um mir neue Jugend zu geben.“, tönte sie mit einem zweifelhaften Grinsen zum Käfig hinauf. „Fass sie nicht an!“, schrie er aufgeregt zurück als er hörte was sie ihr drohte. Unbeeindruckt wendete sich die Hexe jedoch seiner Gefährtin zu, wenn gleich sie wusste dass die Elfe noch nicht soweit war als das sie ihre Jugend hätte aufnehmen können. Kyrens Handflächen waren bereits mit seltsamen Symbolen beschriftet, doch fehlten noch Stellen an ihrem Körper, die die Hexe mit ihren eigenen Blut verzieren musste, damit das Ritual funktionieren würde. Shane, verdammt dazu nur zusehen zu können, wollte sich nicht damit abfinden, dass Kyren ihre Jugend an die Hexe verlieren sollte. Immer wieder rief er ihren Namen in der Hoffnung sie aus ihrer Bewusstlosigkeit erwecken zu können. Mit ihren Fähigkeiten als Magierin wäre sie der Hexe vielleicht gewachsen gewesen, aber so war sie ihr hilflos ausgeliefert. Vergeblich versuchte er an sein Schwert zu kommen, das etliche Meter entfernt, nahe seiner Gefährtin an eine Wand lehnte. Er wusste dass es ein sinnloses Unterfangen war es zu erreichen, egal wie sehr er sich rekeln und strecken würde. Nachdem nun auch Kyrens Gesicht mit ominösen Zeichen bemalt war, realisierte er das es keinen Zweck hatte. Es gab nichts was er noch tun konnte um ihr zu helfen, geschweige denn, die Hexe davon abzuhalten ihr die Jugend zu stehlen. Sein Käfig war zu stabil und der heiße Dampf der vom kochenden Kessel unter ihm aufstieg machte es ihm unmöglich klar zu denken oder die Ruhe zu bewahren. Ungerührt von Shanes Versuchen etwas zu unternehmen griff die Hexe an das Oberteil der Elfin und zog es etwas nach oben, gerade so weit, das ihre Brust noch verdeckt blieb. Die letzte Markierung, die sie mit ihrem blutenden Finger machen musste, sollte über Kyrens Bauchnabel platziert werden. Danach würde sie mit dem Ritual beginnen können und viele Hundert Jahre Jugend zurück gewinnen. Ein letzte mal streckte Shane seine Hand aus dem Käfig heraus um nach seinem Schwert zu greifen, obwohl er wusste das es zwecklos war. „Kyren ...“, sprach er sich leise mit resignierenden Unterton zu, sich einredend das er die Schuld an ihrem Tod tragen würde. Zunächst merkte er gar nicht wie sein Schwert leicht zu vibrieren begann, doch als ihm schließlich ein seltsames Gefühl durchfuhr, merkte er das sich dort unten etwas regte. Seine Hand fühlte sich fast so an, als ob er seine Waffe greifen konnte, obwohl sie doch mehrere Meter trennten. Ein leichtes Kribbeln durchfloss seinen ganzen Körper und als er sich nicht länger gegen dieses Gefühl wehrte, schien das Schwert willens genug wie von Zauberhand von der Wand direkt in seine Hand zu gleiten. Die Hexe hatte ihr Symbol noch nicht ganz vollendet als sie bemerkte was geschah. Erstaunt sah sie wie das Schwert in Shanes rechte Hand schwebte. Ihr Gefangener verstand selbst nicht wie er das geschafft hatte, doch für Überlegungen blieb ihm keine Zeit. Wuchtig schwang er das Schwert mit der schmalen Bronzeklinge, die seine Gitterstäbe wie Streichhölzer zersplittern ließ. Elegant sprang er aus dem Käfig heraus und stellte sich der Hexe entgegen, die ziemlich verblüfft schien. „Nein! Wie kann das sein?! Das ist doch unmöglich!“, kreischte sie aufgebracht und auch ein wenig verängstigt. Shanes Mimik war ernst und er zögerte nicht lange anzugreifen bevor sie ihn mit einem ihrer magischen Tricks überwältigen konnte. Seine Attacke glückte jedoch nicht ganz, denn wenn gleich es ihm gelang den rechten Arm der Hexe abzutrennen, so entkam sie dem Tod noch einmal. Aufgeschreckt und verunsichert flüchtete sie zu einer Tür des unterirdischen Gemäuers, die auch gleichzeitig den einzigen Ausgang markierte. „Dafür wirst du büßen!“, fauchte sie wild, zog sich jedoch eiligst zurück. Shanes Interesse ihr zu folgen war jedoch eher gering. Schnell eilte er seiner Gefährtin zu Hilfe, die noch immer bewusstlos in Ketten hing. Es war recht einfach ihre Ketten zu lösen, worauf sie ihm widerstandslos entgegen fiel. Sorgsam fing er sie ab und ließ sie zu Boden, wo er sie wieder zu Bewusstsein bringen wollte. Währenddessen eilte die Hexe eine Treppe hinauf, die sie zu einem anderen Zimmer des unterirdischen Geschosses bringen sollte. Noch war sie mit ihrer Macht nicht am Ende, denn dort würde sie die Ingredienzien finden, die sie brauchte um sich für den Revanchekampf gegen den Halbelfen zu stärken. Wütend schimpfte sie etliche Flüche vor sich hin, ihre Gedanken schon auf Rache sinnend. „Niemand stellt sich mir, der großen Nachthexe Marxilla, in den Weg! Dafür wird er büßen!“, fluchte sie erregt. Am Ende der Treppe erwartete sie bereits das Licht des Raumes, doch als plötzlich ein fremder Schatten von dort aus über sie fiel, hielt sie überrascht inne. „W-wer seid Ihr?“, fragte sie erstaunt und trat langsam näher um seine schwarze Silhouette zu durchschauen. Dort stand Decan, mit gezogenem Schwert, dessen finsterer Blick strafend auf sie hinab fiel. Ein panischer Aufschrei sollte das letzte sein, was die Hexe vor ihrem Tode noch von sich gab. Als Kyren wieder in einem weichen Bett erwachte, war bereits eine Stunde vergangen. Verwirrte blickte sie sich um, bevor sie realisierte das sie sich in ihrem Zimmer der Taverne befand. Shane und Decan waren bei ihr, ebenso wie eine junge Frau, die wie eine Bedienung oder ein Zimmermädchen gekleidet war. Die beiden Jungs saßen leicht abgewendet auf Stühlen mit den Rücken zu ihr. Während Shane sein Schwert musterte, schien Decan einfach nur vor sich hin zu dösen. „Was ... was ist passiert?“, fragte das Elfenmädchen die Frau an ihrem Bett. „Oh, Ihr seid wach? Wie schön!“, meinte sie erfreut als sie die noch etwas benommen klingende Elfe sprechen hörte. Erfreut gesellte sich Shane daraufhin zu ihr und begann das Geschehene zu erläutern. „Du warst bewusstlos.“, sagte er mit einem freundlichen Lächeln. „Ich ... ich erinnere mich nur noch in diese Katakombe gegangen zu sein.“, gab sie mit schwacher Stimme zurück. „Ja, es hat sich herausgestellt das eine Nachthexe hinter der ganzen Sache gesteckt hatte. Sie hatte sich im Friedhofsuntergrund eingenistet.“, erwiderte er, bevor Decan das Wort ergriff. Er hatte sich nicht von seinem Platz erhoben, wusste aber seinen Betrag zum Thema zu leisten. „Laut ihrem Tagebuch hat sie in der Gruft nach einem Schatz gesucht und sich deswegen immer wieder in die Träume der Dorfbewohner eingeschlichen, in der Hoffnung das diese etwas darüber wissen würden.“, sagte er, mit recht nüchternen Unterton. „Einige von ihnen sind deshalb wahnsinnig geworden und begannen, wohl auch unter dem Einfluss der dunklen Magie der Nachthexe, Untote zu sehen. Die meisten sind dann wohl Blindwegs zur Gruft gelaufen.“, fügte Shane nachdenklich an. „Und warum ist das Zimmermädchen hier?“, fragte Kyren ungläubig, was ihren Gefährten etwas erröten ließ, so dass er sich gezwungen sah, sich leicht abzuwenden. „Nun ja, diese Hexe wollte dir deine Jugend nehmen und hat dich mit Ritualzeichen bemalt ... u-und, ich wusste nicht genau ... welche Stellen deines Körpers ... betroffen waren ...“, stammelte er ziemlich verlegen vor sich hin, sich am Hinterkopf kratzend. Kyren jedoch lächelte, verstand sie doch schon längst was er zu sagen versuchte. „Dann ... hast du mich wohl gerettet, nicht wahr?“, fragte sie mit gütiger Miene. „Ja ... ja, das kann man so sehen, wenn gleich Decan so frei war der Hexe den Todesschlag zu versetzen.“, gab er bescheiden, fast schon ein wenig stolz, von sich. Kyren war glücklich das er für sie da gewesen war und es freute sie auch das Decan über seinen Schatten gesprungen war. Dieser jedoch erinnerte sich noch zu gut an einen wild stammelnden, maskierten Elfen, der ihm um Hilfe erbeten hatte, so dass er schließlich genervt in die Tiefen des Friedhofs gegangen war. Bald darauf verließen die drei Abenteurer das Dorf in Richtung Osten, stets gefolgt von Dido Fortune, der sich eingestehen musste zu feige gewesen zu sein um sich tiefer in den Friedhof zu wagen. Im Osten, so glaubte Decan, würde man sicher mehr Erfolg mit der Suche nach Noss und seinen Brüdern haben. Man ahnte noch nicht dass Dido nicht der einzige war, der nun ihrer Spur folgen würde. Ein älterer Mann mit Bart und einer metallenen Augenklappe, traf nur wenige Stunden nach ihrer Abreise im Dorf ein. Für ihn war es nur eine Frage der Zeit bis er die drei finden würde... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)