Blutgift von abgemeldet (Eine Trinity Blood Kurzgeschichte) ================================================================================ Kapitel 1: Das Spiel beginnt ---------------------------- Mit einem lauten Krachen brach das Schloß aus der großen dunklen Eichentür, die nun langsam quitschend in ihren Angeln vor und zurück schwang. Draußen im Regen standen die Patres Nightroad und Iqus. Tres stand direkt vor der Tür, hatte seine zwei Waffen gezogen und wollte gerade in die Villa eindringen, als ihn Pater Nightroad ansprach: „Mann, das wäre doch auch leiser gegangen, bestimmt ist er jetzt vorbereitet.“ Die Antwort war knapp: „Negativ, initiiere Hausdurchsuchung .“ Tres betrat das große Gebäude ohne sich nach seinem Partner umzusehen. Der zurückgelassene Abel zuckte mit den Schultern und folgte ihm. Im Haus war es noch dunkler als draußen. Der Cyborg stand in der Mitte einer großen Eingangshalle und blickte suchend um sich: „Verdacht bestätigt.“ Abel wand sich in leicht verärgertem Tonfall an Tres: „Verdacht bestätigt? Wovon sprichst du? Meinst du etwa, dass keiner mehr hier ist, nachdem du sie durch deine lautstarke Art hier einzudringen gewarnt hast?“ Tres ging durch den Raum nach vorne: „Negativ, es waren bereits zu unserem Ankunftszeitpunkt keine Lebenszeichen zu verzeichnen.“ Gezielt steuerte er die Treppe am Ende des Raumes an. „Beginne mit der Durchsuchung des ersten Stocks, untersuchen Sie das Erdgeschoß.“ Damit verschwand er am oberen Ende der Treppe. Abel sah dem Cyborg verdutzt hinterher. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Tres hatte Recht gehabt. Dieses Haus war schon lange verlassen. Überall lag Staub, die wenigen Möbel waren seit langem unbenutzt und die Vorhänge zugezogen. Der Regen trommelte von draußen gegen die Scheiben. Seltsam, er war sich so sicher gewesen, diesmal am richtigen Ort zu sein. Dieser Graf Zondor war scheinbar nicht so leicht zu finden. Trotzdem, es musste einfach eine Verbindung zwischen diesem Ort und dem Grafen geben. Die Hinweise waren zu eindeutig. Der Rosencreutz Orden schien reiche und einflußreiche Leute anzuziehen. Graf Zondor war dem Vatikan schon lange aufgrund seiner politischen Aktivitäten ein Dorn im Auge. Bisher war es allerdings nicht gelungen ihm verdächtige Machenschaften nachzuweisen. Entweder er tarnte seine Aktivitäten zu gut, oder er lebte seine politische Ausrichtung nur mit Worten und nicht mit Taten. Um das zu klären, sollten Pater Nightroad und Tres Iqus den Aufenthaltsort des Grafen in Praha ermitteln und mögliche Beweise sicherstellen. Abel seufzte und suchte den Boden nach Fußspuren im Staub ab. Die aufgebrochene Tür hatte eine breite Schneise in die Staubschicht gerissen. Tres Fußspuren führten von der Tür zur Treppe. Abel hatte deutlich mehr Spuren hinterlassen, als er grübelnd durch die Eingangshalle geschlendert war. Darüber hinaus gab es aber keine Spuren. Die Staubschicht vor den übrigen Türen und auf den Stufen der Treppe zeigte, dass sie die ersten seit langem waren, die das Haus auf diesem Weg betreten hatten. „Pater Nightroad.“ Tres Stimme klang durch die Wände geschwächt etwas gedämpft. Abel blickte zur Treppe und lief los: „Bin schon auf dem Weg!“ Tres Schatten fiel durch den Türrahmen auf den Boden des Flurs. Es musste wohl doch Strom in diesem alten Gebäude geben. Als Abel den Raum betrat, riss er erstaunt die Augen auf. Die beiden AX-Agenten befanden sich mitten in einem modern eingerichteten Labor. Es gab mehrere Arbeitsplätze und alle schienen vor kurzem noch benutzt worden zu sein. Reagenzgläser und Mikroskope, Kühlschrank und Zentrifuge, alle Gegenstände hier waren voller Proben unterschiedlicher Flüssigkeiten. Daneben gab es auch einen großen Brutkasten für Bakterienkulturen. „Was die hier wohl gemacht haben?“ murmelte Abel verwundert. „Diese Information ist vorerst unwichtig, die Wissenschaftler sind geflohen. Nehme Verfolgung auf.“ Tres wand sich um und ging auf eine Aufzugtür zu, die Abel bisher nicht beachtet hatte. So war das also, die Wissenschaftler hatten ja offensichtlich nicht den Haupteingang genutzt. „Ich komme gleich nach, ich will mir das hier noch genauer ansehen...“ Abel wand sich wieder den Reagenzgläsern und Probenröhrchen zu. Manche enthielten klare Flüssigkeiten andere waren gelblich trübe. Auf einem weiteren Tischchen standen Probenröhrchen mit schwarzen Klumpen in klarer Flüssigkeit. „Geronnenes Blut“ schoß es Abel durch den Kopf. Er blickte suchend den nächsten Tisch ab. In einem Warmhaltebecken standen frischere oder ungerinnbar gemachte Proben. Kleine Phiolen gefüllt mit Blut in unterschiedlichen Rottönen. Die Phiolen waren in zwei Gruppen aufgeteilt und unterschiedlich markiert. Abel nahm sich je eine Phiole aus beiden Gruppen und entfernte die Deckel. Dann zog er seinen linken Handschuh aus und lies sich gezielt und vorsichtig einen Tropfen auf die Fingerspitze fallen. Langsam verrieb er das Blut zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann nahm er die zweite Phiole und lies sich einen Tropfen auf die geöffnete Handfläche fallen. Der Tropfen zerfloß erst träge in den Falten seiner Hand, dann wurde der rote Fleck allmählich kleiner und war schließlich ganz verschwunden. „Hm“, nachdenklich schloß Abel seine Hand zur Faust. Dann ging er zu einem der Waschbecken und wusch sich das restliche Blut von den Fingern. Als sich die Aufzugtür hinter Pater Iqus schloß, wand sich dieser der Schalttafel zu. Es gab einen Knopf für Nothalt und einen für Fahrt. Scheinbar also nur ein Ziel. Der Cyborg zögerte nicht, drückte den Fahrtknopf und der Aufzug setzte sich in Bewegung. „12,84 m Abstiegstiefe“ murmelte Tres als der Aufzug mit einem Ruck zum Stillstand kam. Die Türen der Kabine öffneten sich nicht. Stattdessen klappten automatisch Sitzflächen aus den Seitenwänden der Kabine und unter lautem Geratter begann sich der Aufzug erneut zu bewegen. „Registriere Beschleunigung, ein Schienensystem kann angenommen werden.“ Mit Blick auf die ausgeklappten Sitze, steckte Tres seine Waffen weg und wartete. „Bitte warten, nächste Fahrt in 14min“ leuchtete es über der Fahrstuhltür. Abel starrte verwirrt auf die leuchtenden Buchstaben. „Verdammt nochmal, Tres! Hättest du mich bei so einer Fahrt nicht mitnehmen können?“ Er stemmte seine Hände in die Seite und sah die verschlossene Aufzugtür ärgerlich an. „Stell mir bloß nichts an da unten... Hm,“ Abel blickte sich suchend um, „eine Treppe gibt es hier auch nicht.“ Da Abel nichts anderes übrig blieb als zu warten, beschloß er sich doch noch etwas genauer umzusehen. Er warf noch einen Blick auf die Anzeige über dem Aufzug, die inzwischen quälend langsam bei 12min angelangt war, und verglich mit seiner Armbanduhr. Dann drehte er sich um und verließ das Labor. Draußen auf dem Gang war es, abgesehen von dem hellen Rechteck aus Licht, das durch die Tür fiel, stockfinster. Abel wand sich nach rechts, weg von der Treppe, hin zu einem kleinen Fenster am Ende des Ganges. Er zog den Vorhang aus schwerem Stoff zur Seite. Es hatte aufgehört zu regnen. Sogar die Monde waren hinter den schnell ziehenden Wolken zu erahnen. Für einen kurzen Augenblick gaben die Wolken beide Monde frei. Wie schon so viele Male zuvor, machte der Anblick des kleinen Mondes Pater Nightroad nachdenklich. Er stützte beide Hände auf das Fensterbrett und lehnte sich mit der Stirn an die eiskalte Scheibe. „Warum?“ flüsterte er verzweifelt zu sich selbst. So schnell das Licht und die Erinnerung gekommen war, so schnell waren die Wolken auch schon wieder vor die Monde gezogen und ließen wieder nur einen diffusen Schimmer erkennen. Langsam drehte sich Abel weg vom Fenster und blickte in dem Gang zurück. Die halb geöffnete Tür zum Labor versperrte die volle Sicht auf die Treppe. Die Tür. „Was...?“ Abel ging wieder zurück und blickte verblüfft auf das sich ihm bietende Bild. Auf der Eingangstür zum Labor stand in großen blutigen Lettern: „GUT GEMACHT, AX!“ --------- „Der Graf Zondor soll Erfolg bei seinen Experimenten gehabt haben“ klang eine süße Stimme im Halbdunkel. Dietrich drehte sich zu Isaak um. Dieser nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und beobachtete anschließend wie der Rauch in der stillen Luft des Raumes seltsame Formen annahm. „Als ob er lebt, nicht wahr? Und trotzdem kannst du dem Rauch nicht deinen Willen aufzwingen, Marionettenspieler.“ Dietrichs Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. Er ging langsam auf Isaak zu und durchschnitt mit einer spielerischen Handbewegung den dünnen Rauchfaden, der von der Zigarette des Magiers aufstieg. „Manche haben schon verloren, bevor das Spiel beginnt.“ Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. --------- Kapitel 2: Kapitel 2: Der Graf ------------------------------ Die Fahrt wurde langsamer und Pater Iqus zog wieder beide Waffen. Sein Orientierungssystem sagte ihm, das er im Osten von Praha sein musste. Dort hatten sie heute vormittag der Fabrik des Grafen einen Besuch abgestattet. Aber außer der völlig legalen Herstellung von Silbertabletten hatten sie nichts finden können. Die Methusela nutzten diese Tabletten um für eine Weile ihre Anfälligkeit für Sonnenlicht zu unterdrücken. Sie konnten damit bei Bedarf auch außerhalb der Barriere des Königreiches tagsüber ins Freie. Die Kabine stoppte ihre Fahrt vollends und die Türen schoben sich quietschend auseinander. Tres stand an eine Seitenwand gepresst und zielte nach draußen. Aber alles was ihn dort erwartete, war ein recht spärlich erleuchteter Gang. Die Wände bestanden aus nacktem Beton, auf dem teilweise Markierungen angebracht waren. Direkt vor dem Aufzug war ein Quergang der sich sowohl nach links als auch nach rechts erstreckte und nach wenigen Metern mit schweren Stahltüren verschlossen war. Auch der Gang gerade aus war nicht allzu lang. An seinem Ende war ebenfalls eine große zweiflüglige Stahltüre zu erkennen. Als Tres aus dem Aufzug heraustrat, wurde er von vier Kameras anvisiert, die über jeder Türe und über dem Aufzug hingen. Tres drehte sich einmal um sich selbst und verschaffte sich ein Bild von seiner neuen Umgebung. Dann schoss er als erstes auf die Kamera über dem Aufzug, zielte dann gleichzeitig auf die beiden Kameras im linken und rechten Gang, und einen Moment später lagen alle drei in vielen Splittern verteilt am Boden. „Aber, aber Pater. So sollte man sich als Gast doch nicht benehmen.“ Die Stimme hallte hohl über den kalten Gang. Als nächstes war die Kamera über der großen Türe geradeaus dran. Wortlos zerschoss Tres auch diese Kamera, dann fragte er: „Graf Zondor?“ „Oh, wie clever, dafür werde ich über euer Verhalten hinwegsehen, Pater. Seht ihr diesen leuchtenden Pfeil an der Wand? Folgt ihm, dann findet ihr vielleicht die Antworten, die ihr sucht...“ In dem geraden Gang vor Tres erschien ein Pfeil an der Wand. Er deutete auf die Doppeltüre geradeaus. „Positiv.“ Tres marschierte auf die Türe zu, die sich vor ihm öffnete. Vor Pater Iqus lag ein erneuter Gang. Im Gegensatz zum dem den er gerade verlassen hatte, war dieser mit einem angenehm indirektem Licht beleuchtet, die Wände waren verkleidet und ein verspiegeltes Band zog sich links und rechts oben an den Wänden entlang. „Bestimmung der Kamerapositionen unmöglich.“ Tres suchte einen Moment lang die leuchtenden Streifen an den Wänden ab. Plötzlich erschien vor ihm wieder ein Pfeil an der Wand. Er deutete geradeaus. Da es ohnehin keinen anderen Weg gab, folgte Pater Iqus dem Hinweis. Der Gang hatte keine weiteren Türen und schien sich weiter vorne in einem rötlich flackernden Dunst zu verlieren. „Ach Pater? Seien Sie doch so gut und zerstören sie nicht noch mehr von meinem Eigentum, ich habe die Empfangshalle bereits für die Gäste herrichten lassen, also genießen sie den Anblick...“ ---------------- „Der Brunnen hat den Grafen beliebt gemacht, unter den Vampiren.“ Dietrich blickte aus dem Fenster der Limousine, mit der sie unterwegs waren. Der Magier saß ihm gegenüber, auf seinem Schoß hatte er einen seiner Kohorutos. Mit unzähligen spitzen Zähnen grinste der Koho Dietrich an. „Sie sind träge geworden, wie Raubtiere in einem Zoo.“ Dietrich drehte sich nun zu Isaak und beobachtete den schwarzen Kohoruto. „Ja, es gefällt ihnen ohne Jagd genießen zu können.“ Dietrich griff in ein großes Glas, dass er neben sich auf dem Sitz stehen hatte. Als er die Hand wieder herauszog, schien der Koho sich nur noch auf Dietrich zu konzentrieren. „Du hast dich bei diesen Wesen wirklich auf das Wesentliche konzentriert, Isaak.“ Mit zwei Fingern hielt Dietrich einen kleinen schleimigen Ball vor den Kohoruto. „Ob sie ihnen so schmecken, weil sie selbst keine haben?“ Der schmierige Augapfel in Dietrichs Fingern begann zu rutschen und der Koho konnte kaum noch ruhig auf dem Schoß des Magiers sitzen. Dietrich lächelte und lies das Auge fallen. Noch bevor es den Boden berühren konnte war es bereits im Rachen des Kohorutos verschwunden. -------------- Kapitel 3: Im roten Saal ------------------------ Pater Nightroad war wieder zurück ins Labor gegangen. Die Anzeige zeigte noch drei Minuten Wartezeit an. Er überlegte wer wohl die Nachricht an die Tür geschrieben haben könnte, und warum. Und weshalb hatte Tres nichts davon gesagt? Er müsste das Blut doch gesehen haben als er die Tür zum Labor öffnete. Oder war die Tür schon offen gewesen? Hm. Was Tres wohl gerade machte? Hoffentlich war alles in Ordnung. Noch zwei Minuten. Dieses Labor musste wohl eine illegale Zweigstelle des großen Hauptlabors sein, dass sie heute vormittag besucht hatten. Der Graf war angeblich nicht dort gewesen, aber man hatte sie trotzdem freundlicherweise durch die Produktionsebene geführt. Graf Zondor besaß eine der größten Fabriken zur Herstellung von Silberkonzentraten für Methusela außerhalb des Königreiches. Noch eine Minute. Gespannt starrte Pater Nightroad auf die Anzeige über der Tür. Plötzlich begann die Aufzugmechanik hörbar anzulaufen und einen Moment später öffnete sich die Tür. Abel betrat die Kabine und drückte auf den Fahrtknopf. In der Zwischenzeit hatte Pater Iqus die Empfangshalle erreicht. Vor ihm lag ein großer mit dezentem rötlichen Licht beleuchteter Saal. Überall standen kleine runde Stehtische auf denen bereits Weingläser, Wasserkaraffen und unterschiedliche Gewürzkästchen aufgestellt waren. Ein schwerer süßlicher Duft durchzog den Raum. In der Mitte des Saal stand ein großer Brunnen. Zwei sich liebende in ewiger Umarmung standen überlebensgroß in der Mitte eines Beckens. Tres ging näher an den Brunnen heran und erkannte, dass es sich bei der Darstellung um einen Methusela handelte der gerade genüßlich das Blut einer weiblichen Terran trank. Ihr Blut floß an ihrem Körper herunter und sammelte sich in einem kleinen sternförmigen Becken auf dem die beiden Figuren standen und tropfte von den Spitzen des Sterns in das größere Becken darunter. Scheinbar war der Brunnen gedacht um sich mit einem Glas an den Tropfen zu bedienen. Tres berührte den Stein des Beckens. „36,5 Grad“ „Gut geschätzt, eine angenehme Trinktemperatur, findet ihr nicht auch, Pater? Es ist nicht ganz einfach, aber mit ein bisschen Chemie kann man das Blut lange lecker und frisch halten. Meine Gäste sind jedesmal hoch angetan.“ Tres blickte suchend um sich, fand aber weder eine Kamera noch irgendwelche Lautsprecher. „Geheimer Treffpunkt der radikalen Praha Methusela Gruppierung hiermit identifiziert. Ergeben Sie sich, Graf Zondor. Wo sind Sie?“ „Oh, ha, Ihr wisst doch wie ihr mich finden könnt, schon vergessen?“ Neben Pater Iqus tauchte plötzlich wieder einer der leuchtenden Pfeile auf dem Boden auf. Er deutete auf das gegenüberliegende Ende des achteckigen Saales. Der Saal hatte insgesamt vier Zugänge, in jeder Himmelsrichtung lag einer. Durch den östlichen hatte Tres den Saal betreten. Der Pfeil deutete nach Westen. Alle Zugänge wiesen die gleichen schweren Doppeltüren auf. Pater Iqus lief los, hob seine Waffen und zielte auf die Wand über der Tür geradeaus. Erst als die Wand deutliche Schäden hatte, und die rötliche Beleuchtung, die überall durch die Wände schimmerte, in diesem Bereich mit einem Knistern ausfiel, hörte er auf zu schießen. Das sollte Pater Nightroad genügen um herauszufinden welchen Weg er genommen hatte. „... aufhören! Sofort aufhören! Verdammter Vatikanterran! Ist das der Dank, dafür dass ich euch bisher so freundlich behandelt habe? -...- Nun, Ihr lasst mir keine andere Wahl, Pater, ich werde euch mit meiner Garde bekannt machen müssen...“ Sämtliche Zugange zum Saal öffneten sich gleichzeitig und schnelle Schritte waren zu hören. Pater Iqus entschied sich für den direkten Weg und lief durch die Tür geradeaus. Hinter Tres erreichten bewaffnete Gardetruppen den südlichen und den östlichen Zugang. Sie trugen die dunklen Wachmannuniformen der Fabrikwache, die die Patres heute morgen noch durch die obere Fabrik geleitet hatte. Diesmal hatten sie ihre Pistolen gezogen und waren in kleinen Trupps organisiert. Die Befehle der Truppführer hallten durch den Saal. Tres suchte hinter der geöffneten Tür Deckung und lehnte sich flach mit dem Rücken an die Wand. Gleichzeitig versuchte er zu erkennen was im Saal vorging. „Schreibe residentes Kampfprogramm von Suchmodus auf Vernichtungsmodus um. Combat open.“ Bei der ersten Bewegung schoß er. Der Trupp vom gegenüberliegenden Zugang hatte hinter dem Brunnen Deckung gesucht, der aus dem Süden versuchte ohne eine vernünftige Deckung möglichst nahe an der Wand zu bleiben. Das Pater Iqus die Beleuchtung über seiner Tür zerstört hatte, verschaffte ihm einen zusätzlichen Vorteil. Er stand an der Nordwand des Ganges und hatte somit ein relativ freies Schußfeld auf den Trupp vom südlichen Eingang. Die Wand, die dieser Trupp als Rückendeckung gewählt hatte, war schon bald von Blut und Eingeweidespritzern übersät. Ein panischer Gardist versuchte quer durch den Saal zum Brunnen zu rennen um sich dort zu verstecken. „0,52 Sekunden zu langsam.“ Tres traf ihn auf halbem Weg und zerstörte dabei einen der gedeckten Tische. Glasscherben und Gewürznebel flogen durch den Saal. Der Gardist sank langsam zu Boden und beobachtete während seiner letzten Sekunden das fröhliche Farbenspiel des flirrenden Gewürznebels, der um ihn wogte. Dann blieb er reglos in seiner eigenen Blutlache liegen. Pater Iqus senkte die Waffen, um nachzuladen. In diesem Moment trafen ihn zwei Schüsse vom Brunnen. Die Wucht schob ihn ein Stück im Gang nach hinten. „Registriere keine relevante Beschädigung. Setze Kampfhandlung fort.“ Tres zielte bereits wieder auf den Brunnen, als sich hinter ihm am Ende des Ganges plötzlich eine Tür öffnete. Dahinter erschien ein weiterer Trupp Gardisten. Diese hatten Schilde dabei und versuchten sich damit halbwegs zu decken. Der neue Truppführer gab den Befehl zum Angriff und Tres war gezwungen sich auf zwei Seiten zu konzentrieren. Ermutigt vom Auftauchen der Verstärkung begann der Trupp vom Brunnen vorzurücken. Tres versuchte seine mangelnde Deckung durch Sperrfeuer auszugleichen, zählte aber auch schon die Sekunden ab, die er bis zum nächsten Nachladen hatte. In diesem Moment öffnete sich ihm schräg gegenüber eine Tür, die er bisher nicht beachtet hatte. Er nahm Anlauf und sprang. Er hielt sein Sperrfeuer während des Sprungs aufrecht und landete sicher in der Deckung des neuen Raumes. Die Aufzugkabine kam mit einem Ruck zum Stillstand. Pater Nightroad stellte sich geduckt hinter die Sitze und beobachtete, wie sich die Aufzugtür aufschob. Direkt davor am Boden lagen Betonsplitter und dazwischen die Reste einer zerstörten Kamera. Das zerbrochene Objektiv schien in den Aufzug hineinzusehen. Sonst sah es ruhig aus. Abel sicherte vorsichtig aus dem Aufzug nach links und rechts und stieg dann mit einem großen Schritt über die verstreuten Splitter hinweg in den Gang. Er konnte drei Türen sehen und an allen gab es Schußspuren. „Wo fange ich bloß an?“ murmelte er vor sich hin. Dann zuckte er mit den Schultern und wand sich nach rechts „Egal, eine Richtung ist so gut wie die andere. Ich muss mir nur merken, wo ich schon war und wo nicht.“ Pater Nightroad hatte die Tür erreicht und automatisch schoben sich die beiden Türflügel vor ihm auseinander. In diesem Moment hörte er wie eine Gruppe Menschen hinter einer der anderen Türen losrannte. Schnell huschte er zwischen den Türflügeln durch und blickte sich suchend nach einem Versteck um. Der Gang vor ihm sah genauso aus, wie der den er gerade verlassen hatte. Nach ein paar Metern gab es eine Tür auf der linken Seite. Abel rannte los, öffnete die Tür und verschwand dahinter. Der Raum war nur dämmrig beleuchtet, trotzdem aber sofort als Lager erkennbar. Er war vollgestopft mit Regalen bis unter die Decke, die wiederum mit Kisten, Kartons und Flaschen angefüllt waren. Pater Nightroad lief weiter in den Raum hinein, ging dann in einer dunklen Ecke in Deckung und lauschte. Das aufgeregte Laufen dort draußen galt offensichtlich nicht ihm. Außerdem schien ihm niemand zu folgen. Dadurch etwas beruhigt, untersuchte Abel das Lager nun genauer. Direkt vor ihm war ein Regal voll kleiner glänzender Glasflaschen. Er nahm eine von ihnen herunter und las das Etikett. Es handelte sich um ein flüssiges Silberkonzentrat. Ein paar Tropfen versprach einem Methusela einen Tag unbeschadet Sonne. Abel steckte das Fläschchen ein und ging weiter. In einem anderen Regal fand er Päckchen mit Bluttabletten. Eine davon versprach den Bluthunger der Methusela für einen Tag völlig zu stillen. Auch hiervon steckte Abel ein Päckchen ein. Vielleicht konnte man dem Grafen ja damit etwas nachweisen. Plötzlich waren Schüsse durch die Wand zu hören. Erschrocken ging Abel erneut in Deckung. Jemand lieferte sich hier ein bitteres Gefecht. Aber es fand irgendwo draußen statt. Und nicht dort wo Abel hergekommen war. Er lauschte und schlich sich leise bis ans andere Ende des Lagers. Dort war der Kampflärm am deutlichsten zu hören. Ein Stück weiter rechts gab es wieder ein Tür. Pater Nightroad stellte sich neben die Tür und lauschte. Die Schüsse schienen nicht vom Bereich hinter der Tür zu kommen. Abel zog seine Waffe und schob die Tür vorsichtig ein Spalt weit auf. Draußen war wieder ein Gang. Er war leer. Der Lärm kam von links, dort gab eine offene Doppeltür den Blick auf einen rötlich beleuchteten Saal frei. Vorsichtig schob er sich an der Wand entlang bis zu der aufgeklappten Tür und versuchte hinter dieser in Deckung zu bleiben. Der Saal vor ihm war achteckig und hatte vier Zugänge. Überall standen Tische auf denen Gläser und anderer Kram angerichtet war, in der Mitte stand ein Brunnen mit einer großen Steinfigur und der ganze Saal roch nach Opium. An der Wand rechts hinten lagen ein paar tote oder schwer verletzte Soldaten am Boden. Links hinter dem Brunnen versteckte sich eine Gruppe Soldaten und zielte auf den Ausgang an der rechten Seite des Saals. Plötzlich sprangen die Soldaten auf und liefen in Richtung rechter Ausgang los. Die Antwort aus dem Gang kam unverkennbar von Pater Iqus Waffen. Mit schnellen Schüssen versuchte Tres scheinbar den Vormarsch zu bremsen. Einer der Soldaten wurde getroffen und fiel gegen einen der Tische. Dort blieb er liegen und starrte Abel mit großen leeren Augen an. Dann brach der Schußwechsel ab, die übrigen Soldaten liefen weiter vor und verschwanden im Gang. „Tres steckt dort irgendwo in der Klemme, ich muss hinterher“ dachte sich Abel und spurtete los zum Brunnen. -------------------- „Hm, sieht so aus, als hätte man die Gäste noch gar nicht eingelassen...“ Dietrich blickte Isaak fragend an. Der Magier nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Er hielt einen Augenblick den Atem an und lies dann langsam den Rauch von seinen Lippen aufsteigen. „Vielleicht wurde der Graf aufgehalten?“ Dietrich wartete erneut auf eine Antwort des Magiers. Sie standen an eine graue Hauswand gelehnt und hatten freie Sicht auf das schräg gegenüberliegende Hauptlabor des Grafen Zondor. Durch die Glasfront waren in der Eingangshalle jede Menge fein gekleideter Vampire zu sehen. Isaak beobachtete ruhig die versammelten Methusela. „Er hat sicherlich etwas besonderes geplant. Wir werden sehen.“ ---------------------- Kapitel 4: Gefangene -------------------- „Ah, genau da, wo ich euch haben wollte, AX-Agent.“ Hinter Pater Iqus schloss sich die Tür wieder. Es war eine Doppeltür. Eine Schleuse. „Vielleicht sollte ich etwas Licht machen, so eine Unterhaltung ist doch gleich viel persönlicher wenn man sich sehen kann, nicht wahr?“ Neben Tres wurde plötzlich die Wand durchsichtig und Licht fiel in den Raum, so dass er seine neue Umgebung erkennen konnte. Er befand sich in einem kleinen leeren Raum, links die Schleuse durch die er gekommen war, rechts eine weitere. Die Wand vor ihm war komplett verglast und zeigte eine Art Kontrollraum. Dort stand auch Graf Zondor und blickte ihn mit böse funkelnden Augen an. „Versucht es erst gar nicht, Pater. Die Wand ist schusssicher.“ Tres blickte den Grafen durchdringend an. „Ich fordere eine Antwort. Was haben sie vor?“ „Eine Antwort? Ha, erstmal sollltet ihr mir etwas beantworten. Ich erwartete einen Terran des Vatikans, und nun steht ihr hier vor mir und tötet erst die Hälfte meiner geliebten Garde und überlebt dazu jeden ihrer Treffer, -...- Was seid ihr, ihr seid doch kein gewöhnlicher Terran?“ „Positiv. Ich bin kein Mensch, ich bin eine Maschine.“ Tres hob nun wieder seine Waffen und feuerte auf den Grafen vor ihm. Die Kugeln prallten nutzlos an der Scheibe ab. Ein Querschläger riss einen Stoffstreifen aus Tres Mantel und nagelte diesen an die Wand hinter ihm. Was die schusssichere Scheibe anging, hatte Graf Zondor offensichtlich nicht gelogen. „So? Eine recht aggressive noch dazu, wie mir scheint. Hm.“ Der Graf blickte auf die Kontrolltafeln vor ihm. „Jedenfalls scheint ihr die Wahrheit zu sagen, der Raum in dem ihr euch befindet ist mit Betäubungsgas geflutet. Ich werde mir etwas anderes für euch einfallen lassen müssen.“ „Eine Antwort. Was haben sie vor?“ Tres hielt seine Waffen weiterhin im Anschlag auf den Grafen und ging nun einen Schritt auf die Scheibe zu. „Hey, hey, jetzt nehmt die Waffen schon runter, bevor ihr euch selbst verletzt, oder besser -...- beschädigt?“ Graf Zondor grinste Pater Iqus nun breit an und zeigte dabei seine spitzen Eckzähne „Ihr hättet an etwas Großem teilhaben können, wenn ihr ein Terran wärt, so aber, nun ja“ Der Graf schaltete etwas an dem Bedienfeld vor ihm und ein Bild erschien hinter ihm in der Wand. Es zeigte den großen Empfangssaal mit dem Brunnen in der Mitte. „Ihr werdet hier bleiben bis mir etwas für euch einfällt. Eurer Partner müsste inzwischen auch angekommen sein, dann wird er eben die euch zugedachte Rolle übernehmen... Genießt die Vorstellung der heutigen Nacht!“ Damit drehte sich Graf Zondor um verließ den Kontrollraum. Tres blickte auf den leuchtenden Bildschirm. Die Tische, die Toten und Verletzten und der Brunnen waren deutlich zu erkennen. Hinter dem Brunnen kauerte eine schwarz gekleidete Gestalt. „Pater Nightroad.“ Pater Nightroad hatte den Brunnen sicher erreicht und versuchte zu erkennen was in dem Gang weiter vorne geschah. Da die Beleuchtung dort ausgefallen war, konnte Abel nur schemenhaft die Gestalten der Soldaten ausmachen. Keine Spur von Tres. Abel beugte sich etwas zur Seite, um besser an der großen Brunnenfigur vorbeisehen zu können. Als er den Schuss hörte war es bereits zu spät. Die Wucht schleuderte ihn zur Brunnenfigur hin, und er schlug mit dem Kopf gegen das obere kleine Steinbecken, im nächsten Moment war erst alles rot dann schwarz. „Wer hat da geschossen?“ die Stimme des Grafen hallte aus dem Gang, in dem er sich mit seiner Garde unterhalten hatte. Mit schnellen Schritten lief er allen voran in die Halle und sah sich um. Ein schwerverletzter Gardist hatte sich an der südwestlichen Wand aufgesetzt, lies nun langsam seine Waffe sinken und deutete wortlos auf den Brunnen. Graf Zondor winkte zwei Leute seiner Garde zu sich und sie gingen vorsichtig zu dritt an den Brunnen heran. Eine schwarze Gestalt lag halb untergegangen im unteren Becken. Graf Zondor erkannte die Priesterkleidung und wand sich an die beiden Gardisten. „Schneller als ich dachte. Hm. Holt ihn dort raus. Er darf noch nicht sterben.“ Die beiden Gardisten gingen zum Brunnen und zogen Pater Nightroad aus dem Blutbecken. Sie lehnten ihn an das Becken und hielten ihn an den Schultern fest. Der Graf ging auf den AX-Agenten zu und beobachtete wie das warme Blut überall an ihm herabtropfte. Dann griff er mit der linken Hand in Abels Haar und hob seinen Kopf an. Als der Pater nicht reagierte holte er zu einer Ohrfeige aus. Endlich begann Abel zu husten und spuckte jede Menge Brunnenblut aus. Graf Zondor beobachtete ihn ruhig und schleckte sich dabei genüsslich das Blut von seinen Fingern. „Schmeckt es euch nicht, Pater?“ Abel versuchte die Gestalt vor ihm zu verstehen, aber die Welt war in einen roten Schleier getaucht und drehte sich beständig um ihn. „Hm, ihr seid noch verwirrt? Ich denke ihr solltet noch etwas schlafen bis die Show beginnt...“ Der Graf zog ein Fläschchen aus der Tasche und öffnete es. Ein weißlicher Dunst stieg aus der Flasche auf. Die beiden Gardisten lehnten sich zur Seite, als der Graf damit näher an Abels Gesicht kam. „Nehmt einen tiefen Atemzug, wir sehen uns später.“ Die Welt drehte sich immer schneller und erneut stieg die Schwärze vor Pater Nightroads Augen auf. „Nach dem ersten AX-Agenten hatte ich von diesem eigentlich etwas mehr erwartet, wenigstens ist er verletzt und nicht auch eine Maschine.“ Graf Zondor wand sich erneut an die beiden Gardisten. „Bereitet ihn vor, und macht hier sauber, ich will die Gäste einlassen.“ --------------- Die Ratte quiekte und zuckte, dann stellte sie sich auf die Hinterbeine und tanzte im Kreis. Dietrich bewegte sanft die Finger der rechten Hand und die Ratte verbeugte sich erst vor dem Marionettenspieler dann vor dem Magier. Gelangweilt entlies Dietrich das Tier aus seiner Kontrolle und die Ratte sprang davon. „Sie wehren sich nicht einmal. Schade.“ Er blickte hinüber zur Glasfront des großen Labors. „Ah, es scheint loszugehen.“ Auch Isaak warf nun einen Blick auf die sich bewegende Masse in der Fronthalle des Labors. Dann nickte er Dietrich zu. „Wie vereinbart, Marionettenspieler.“ Die beiden sahen sich noch einmal kurz an, dann ging der blonde Junge los und mischte sich unter die Vampire. ---------------- Kapitel 5: Blutgift ------------------- ...Rotes Licht... ...Stimmen... Langsam wurde es wieder hell um Pater Nightroad. Er saß irgendwo auf einem Holzboden, mit dem Rücken an eine kalte Wand gelehnt. Seine Hände waren gefesselt und an einem Seil über seinen Kopf gezogen. Er blickte unsicher um sich. „Ah, genau richtig, Pater. Ich wollte euch gerade wecken.“ Graf Zondor stand ein paar Schritt vor Abel und rief zwei Gardisten in der Nähe zu sich. „Zieht ihn hoch, wenn er nicht von selbst stehen kann, hält ihn das Seil.“ „Ich ... kann ... selbst stehen“ Noch etwas wackelig rutschte Pater Nightroad an der Wand hoch. Bis er schwer atmend an ihr lehnte. Die Gardisten zogen das Seil kürzer, so dass seine Hände wieder über seinem Kopf hingen. Abel blickte den Grafen wütend an. „Muss weh tun, mit der Kugel in der Schulter.“ Graf Zondor grinste hämisch. „Was habt ihr vor? Euch ist sicher klar, dass ihr euch, wenn das hier vorbei ist, vor Rom verantworten müsst.“ „Rom wird hiervon erst erfahren, wenn es zu spät ist. Und was ich vorhabe? Ich werde euch von euren Schmerzen erlösen, Pater. Für eine gerechte Welt, Pater. Eine in der wir Methusela endlich den uns zustehenden Platz einnehmen werden.“ Graf Zondor drehte sich um zum Gehen. „Wartet Graf, euer Platz? -...- Was ist den euer Platz? Wir sind doch alle Menschen.“ Der Graf blickte Abel verwirrt an und zog die Brauen hoch. „Hm? Wir können uns gleich weiter unterhalten, Pater, aber nun werde ich die Gäste einlassen.“ Damit wand er sich endgültig von Abel ab und stieg die Treppe hinunter, die von der kleinen Bühne herabführte, auf der Pater Nightroad an die Wand gefesselt war. Abel sah dem Grafen hinterher, wie er am Brunnen vorbei lief und durch einen der Ausgänge verschwand. Dann begann er an seinen Fesseln zu ziehen. Irgendwie musste es doch eine Möglichkeit geben. Das Seil mit dem seine Hände zusammengebunden war, führte etwa zwei Meter über ihm durch einen großen Eisenring, lief dann schräg an der Wand nach unten und war am anderen Rand der Bühne mit einem weiteren Ring verknotet. Unerreichbar. Wenigstens hatten die Gardisten seine Hände nur knapp über den Kopf gezogen und durch sein Zerren hatte er noch etwas Seillänge gewonnen, so dass er jetzt nicht völlig bewegungsunfähig war. „Mit einem Messer könnte ich bestimmt das blöde Seil durchschneiden.“ Abel wand sich frustriert in seinen Fesseln hin und her. „Hm, ich muss hier doch irgendwo ... Ha! Die Glasflasche! Mit einer Scherbe müsste das doch gehen...“ Abel überlegte wo er das Fläschchen hingesteckt hatte. Die Gardisten hatten ihm außer der Waffe scheinbar nichts abgenommen. Aber die Flasche war in keiner Tasche mehr. Er hatte sie verloren. Pater Iqus stand in dem kleinen Kontrollraum, den Graf Zondor vor nicht allzu langer Zeit verlassen hatte, und schaltete die unterschiedlichen Überwachungskameras auf die Bildschirmwand. Die Tür in der Schleuse, in der Tres eingesperrt gewesen war stand noch immer offen. Sie war verklemmt. Tres hatte nachdem der Graf ihn allein gelassen hatte, die Wände abgesucht. Dabei hatte er die Stelle gefunden an der die Türmechanik angesteuert wurde. Mit ein paar gezielten Schüssen war die Mauer mitsamt Türsteuerung zerstört und er konnte die schwere Stahltür mit etwas Kraft aufschieben. Tres war danach in den Kontrollraum gegangen und hatte sich mit der Kamerasteuerung und den computergesteuerten Abwehranlagen des Großlabors beschäftigt. Er hatte Pater Nightroad die ganze Zeit über beobachtet und wartete nun auf den richtigen Zeitpunkt, die umprogrammierten Geschütze auszunutzen. Auf den Schirmen war der rote Saal mit Brunnen und Bühne zu sehen. Pater Nightroad ging es offensichtlich besser, denn er beschäftigte sich aktiv mit seinen Fesseln. Im ganzen Raum verteilt waren die Gardisten des Grafen. In diesem Augenblick öffneten sich die Türflügel des Südeingangs und die ersten Methusela betraten den Saal. Sie schienen feste Plätze zu haben, denn jeder eilte gezielt zu bestimmten Tischen. Viele kleine Gruppen entstanden und bald war der Saal gefüllt. Als letzter betrat Graf Zondor den Schauplatz. Sofort galt alle Aufmerksamkeit des Saals ihm. Pater Iqus schaltete die Tonübertragung ein. Abel hatte erstaunt beobachtet, wie viele Vampire zur radikalen Prahagruppe gehörten. Das sie so stark war, hatte in Rom niemand geahnt. Als der Graf den Raum betrat, wurde es sofort still im Saal. Der Graf lächelte und lies sich von einem Gardisten ein Weinglas geben. Damit ging er zum Brunnen und schöpfte einmal tief aus dem unteren Becken. Dann schleckte er sich genüßlich wieder die Hand sauber. Als er damit fertig war, hob er sein Glas an und wand sich an seine Gäste. „Edle Damen und Herren, meine Brüder und Schwestern, seid willkommen! Schöpft wie ich aus dem Brunnen auf das wir diese Nacht gemeinsam genießen werden!“ Dann nahm er sein Glas und ging langsam auf die Bühne zu. Während er die Treppe hochstieg, gingen die ersten Methusela mit ihren Gläsern los und füllten sie entweder wie der Graf mit einem großzügigen Schwung durch das untere Becken, oder sie füllten sie langsam am Überlauf aus dem oberen Becken. Dann gingen sie zurück an die Tische und würzten nach Geschmack. Graf Zondor stand inzwischen auf der Bühne und beobachtete glücklich das Treiben. „Beeinflusst Ihr so die Stimmung der Methusela, Graf?“ Abel stand an die Wand gelehnt und beobachtete den Vampir ruhig. Dieser drehte sich überrascht zu ihm um, dann ging er nahe an Abel heran und blickte ihm bohrend in die Augen. „Ah, Euch ist noch immer nach einer Unterhaltung, Pater? Geduldet Euch noch einen Augenblick -...- Ich werde gleich Zeit nur für Euch haben.“ Dann ging Graf Zondor wieder an den vorderen Rand der Bühne. Als er sah dass sich alle Methusela an seinem Brunnen bedient hatten, hob er erneut sein Glas an. „Ich bin hocherfreut, dass Sie heute alle hier erschienen sind. In dieser besonderen Nacht möchte ich Ihnen etwas präsentieren, dass sich als äußerst nützlich im Kampf gegen die Terran erweisen könnte. Wie Ihnen sicher allen bewußt ist, forschen wir beständig daran, frisches Blut länger haltbar zu machen. Die Vorzüge haltbar gemachten Blutes können sie wie jedesmal hier am Brunnen genießen. Um das Blut haltbar zu machen, muss verhindert werden, dass es gerinnt. Hierfür nutzen wir ein spezielles Enzym. Vor einiger Zeit ergab es sich, dass ein Terran am Transport einer experimentellen Kultur dieses Enzyms beteiligt war. Er bekam etwas von der Enzymlösung auf die Finger und war kurze Zeit später verstorben.“ Der Graf lächelte sein Publikum an. „Verstorben an inneren Blutungen. Nun, diese Geschichte brachte mich auf die Idee, diese spezielle Kultur gezielter zu verwenden. Es stellte sich heraus, dass es tödlich für Terran, aber völlig ungefährlich für Methusela ist. Das schönste aber ist, das es über die Haut übertragen wird und das der betroffene Terran über den Tod hinaus ansteckend bleibt. Meine Brüder und Schwestern, bedenken sie Möglichkeiten, die sich uns damit im Kampf bieten. Als kleines Geschenk für Sie und für den Vatikan, habe ich mir für diesen Abend eine besondere Unterhaltung ausgedacht.“ Graf Zondor zeigte auf den immer noch an die Wand gefesselten Pater Nightroad hinter sich. „Dieser Pater hier ist kein gewöhnlicher Pater, nein, er kommt aus den innersten Kreisen des Vatikan und es wird mir eine besondere Ehre sein, seinen vergifteten Körper als Warnung zurückzusenden! Die Hunde im Vatikan sollen wissen, dass wir ernste Gegner sind! Stossen wir an, auf dieses erste Zeichen, dass wir dem Vatikan setzen werden!“ Der Graf hob sein Glas und trank es dann in einem Zug aus. Die Methusla im Saal taten es ihm gleich und die ersten begannen wieder zum Brunnen zu pilgern und sich Nachschub zu holen. Gleichzeitig beobachteten sie das weitere Geschehen auf der Bühne genau. Als der Graf das Glas absetzte stellte er verdutzt fest, dass er sich in die Lippe geschnitten hatte. Er untersuchte das Glas und sah eine kleine Glasscherbe darin liegen. Leicht verärgert drückte er das Glas einem Gardisten in die Hand und forderte diesen auf, ihm ein neues volles zu bringen. Dann winkte Graf Zondor einen weiteren Gardisten mit einem Tablett zu sich. Auf dem Tablett stand eine kleine Glasphiole, gefüllt mit einer klaren Flüssigkeit. Der Vampir nahm die Phiole in die Hand, schleckte sich über die blutende Lippe und wand sich erneut an seine Gäste. „Hier ist es, das optimierte Blutgift für Terran!“ Der Graf öffnete das Fläschchen und lies sich den Inhalt auf die Finger tropfen. „Völlig ungefährlich für Methusela.“ Dann ging er zu Pater Nightroad. Der Gardist mit dem Tablett hatte sich am Seil postiert und zog nun nochmal ein Stück an, so das sich Abel kaum noch bewegen konnte. Der Graf lächelte ihm entgegen und malte ihm dann mit den feuchten Fingern einen breiten Streifen auf die Stirn. „Was wollt Ihr damit erreichen, Graf? Glaubt Ihr denn, dass Ihr ohne die Terran leben könnt?“ „Ah, nicht völlig ohne die Terran, nur ohne diejenigen, die sich beständig unserer Herrschaft widersetzen, Pater.“ Der Graf wand sich noch einmal an die Gäste. „So, nun lasst uns feiern, wenn der Pater hier von uns gegangen ist, Gott sei seiner Seele gnädig, können wir unsere Pläne für die Zukunft weiter ausarbeiten.“ Dann drehte er sich um und ging wieder zu Pater Nightroad. „Ihr glaubt doch an Gott? Dann ist das Sterben sicher halb so schlimm -...- oder?“ Graf Zondor lächelte Abel wieder offen an. „Ihr müsstet es eigentlich schon spüren...“ Tatsächlich spürte Abel etwas. Immerhin war ein Mensch, in gewisser Weise. Im wurde warm und er hatte das Gefühl, als kämpfe der Körper gegen etwas an, wie im Fieber. „Ich -...-“ Der Graf vor ihm verlor plötzlich sein Lächeln und schwankte etwas. „Was ist mit mir?“ Er blickte Abel mit großen Augen fragend an, dann stolperte er ein paar Schritte rückwärts und fiel von der Bühne. Am Boden um seinen Körper breitete sich ein große Blutlache aus. Pater Iqus hatte das Geschehen bis zu dem Punkt beobachtet an dem Graf Zondor zu seiner Rede ansetzte, dann war er entdeckt worden. Ein kleiner Trupp Gardisten war an der zerstörten Tür zur Schleuse vorbeigelaufen und hatte neugierig die Schleuse betreten, dabei hatten sie Tres entdeckt. Ungeschickterweise konnte der Trupp ihn durch die Scheibe beobachten und gleichzeitig die Erstürmung des Kontrollraums planen. „Schreibe residentes Kampfprogramm von Suchmodus auf Vernichtungsmodus um.“ Pater Iqus positionierte sich mit dem Rücken zur Wand und Blick auf die Tür. Als die Tür aufgestossen wurde, deckte Tres den Bereich nach draußen auf den Gang erstmal reichlich mit Beschuss ein. Die Gardisten mussten dort neben der Tür in Deckung gegangen sein. Tres rannte los und sprang durch die Tür, dabei und feuerte gleichzeitig nach links und rechts in den Gang. Als er wieder auf beiden Beinen stand, drehte er sich um, steckte seine Waffen ein und ging zurück in den Kontrollraum. „Clear.“ Die Männer des Trupps sanken langsam an den Wänden des Ganges zu Boden. Ein Blick auf die Bildschirme zeigte Pater Iqus, dass inzwischen Panik im roten Saal ausgebrochen war. Offensichtlich war jetzt der richtige Zeitpunkt um mit den radikalen Vampiren aufzuräumen. Tres aktivierte die umprogrammierten automatischen Abwehranlagen und machte sich auf den Weg in den Saal. Die Beleuchtung hatte gewechselt, anstelle des sanften Rot, war der Saal jetzt klar beleuchtet und ein Alarmton lag in der Luft. Die Geschütze der Abwehranlage hatten begonnen auf die flüchtenden Vampire zu schießen, die panisch versuchten den Saal zu verlassen. Viele Tote und Verletzte lagen am Boden und behinderten die Flucht der übrigen. Pater Iqus kam durch den Westeingang in den Saal und schoss sich den Weg zur Bühne frei. Dort angekommen, zielte er auf das Seil an dem Pater Nightroad hing und durchtrennte es mit einem gut gezieltem Schuss. Abel fiel auf seine Knie und versuchte zitternd seine blutleeren Hände aus der Seilschlinge zu ziehen. „Schadensbericht, Pater Nightroad?“ Abel blickte Tres mit müdem Gesicht an, dann lächelte er schwach. „Alles in Ordnung, Danke Tres. Lass uns hier verschwinden.“ „Positiv.“ -------------- „Er ist also tot? Hm, unerwartet. Andererseits löst sich so das Problem, dass er sich nie unterordnen konnte. Das macht es einfacher für uns.“ Die Limousine fuhr mit einem kleinen Ruck an. „Pater Nightroad war auch dort.“ Neugierig beobachtete Dietrich Isaaks Reaktion. Doch der Magier erschien nicht sonderlich überrascht, er schaute den Marionettenspieler nur schweigend an und wartete. Dietrich zog ein kleines Glasfläschchen aus der Tasche und reichte es dem Magier. „Hier ist es. Interessanterweise tötete es den Grafen selbst. Pater Nightroad müsste noch am Leben sein.“ Isaak nahm das Fläschchen in die Hand und drehte es im schwachen Licht hin und her. Dann lächelte er. „Wenn unser Meister recht hat, ist er nicht so einfach zu töten. Wir werden uns später noch mit ihm beschäftigen.“ Dietrich lehnte sich auf der bequemen Bank zurück und blickte träumend aus dem Fenster. Ob dieser Pater sich wehren würde? ------------ Epilog: Epilog -------------- Pater Nightroad hatte beide Hände an die Scheibe gelegt und blickte Tres flehend an. „Hey, Tres, du musst mich hier wieder rausholen, warum hast du das mit dem ansteckenden Gift nur erzählt, hä?“ „Die Quarantänemaßnahmen sind zwingend notwendig, Pater Nightroad. Bis zum Abschluß der Untersuchungen sind Sie als gefährliche Infektionsquelle anzusehen.“ Abel lies die Hände fallen und seufzte. „Sehe ich denn so giftig aus? Außerdem sagte er was davon, dass nur die Toten ansteckend wären, und besonders tot fühle ich mich ehrlich gesagt auch nicht!“ „Ich wiederhole meine Aussage. Bis zum Abschluß der Untersuchungen sind Sie als gefährliche Infektionsquelle anzusehen.“ „Na danke, du bist mir ein vielleicht ein Trost. Und wie lange wird das Ganze noch dauern?“ „Die Enzymkulturenanalyse kann in 69 Stunden stattfinden.“ Entsetzt starrte Pater Nightroad Tres an. „WAS? Bis dahin bin ich längst verhungert!“ Irritiert blickte Pater Iqus auf das Essenstablett in der Quarantänekammer. „Negativ. Auf ausreichende nutritive Versorgung wurde geachtet, Pater Nightroad.“ „Oh Mann, du verstehst mich echt nicht, Tres. Ich fühle mich wie ein Meerschweinchen hier drin!“ „Bedeutung Ihrer Äußerung unklar, erneute Eingabe erforderlich.“ „War nicht wichtig!“ Abel drehte sich etwas verärgert um und lies sich auf den Stuhl neben dem kleinen Esstisch fallen. Er schnappte sich ein Stück Brot und biss ein großes Stück ab. Kauend wand er sich wieder an Pater Iqus. „Mhmm, wissen wir jetzt eigentlich, hmmrmm, was mit dem Grafen passiert ist?“ „Positiv. Unter Einbeziehung Ihres Berichtes erklärt sich der Sachstand. Sie haben das Silberkonzentrat verloren, als Sie am Brunnen beschädigt wurden. Die Blutlösung im Brunnen war silberkontaminiert und der Graf hat durch die Einnahme dieser Lösung seine Methuselah Abwehrkräfte deaktiviert.“ Abel blickte Tres erstaunt durch die Scheibe an. „Und dann wirkte das Gift bei ihm wie bei einem gewöhnlichen Mensch? -...- So ist das also.“ „Positiv. Ich werde Sie in 68,7 Stunden über Ihre Analyseergebnisse informieren.“ Damit drehte sich Tres um und verließ den Raum. Pater Nightroad sprang vom Tisch auf und trommelte mit beiden Fäusten gegen die Scheibe. „He, Tres, wo willst du hin? Lass mich doch hier nicht allein! Tres? Tres!“ Abel sank wieder zurück auf seinen Stuhl am Tisch. „Oh Herr, warum legst du mir immer die schwersten Prüfungen auf?“ Dann schnappte er sich ein weiteres Stück Brot und kaute hungrig darauf herum. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)