Broken Trust von Cigamina ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Der Rotschopf stand einen Moment lang fassungslos da, unfähig, zu begreifen, was Youji da gerade gesagt hatte. Dann, in nur einer Sekunde, verschwand das Lächeln von seinem Gesicht und die violetten Augen weiteten sich vor Schreck. Nein… nein, das konnte nicht sein… Ran keuchte leise auf und verspannte sich, bevor er hastig einen Schritt vor dem verdatterten Youji zurückwich. Nein, das durfte nicht… das hatte er nicht… „Ran?“ Das durfte nicht wahr sein! Er ertrug das nicht, Youji wollte… genauso wie Brad… nein… Für einen Moment lebte die Szene in seinem Kopf noch einmal auf, wie er und Brad vor dem Apartmentgebäude gestanden hatten, und wie der Amerikaner ihn mit einem seltsamen Lächeln gefragt hatte, ob er nicht noch ein bisschen mit zu Ran in die Wohnung kommen durfte… er hatte ja gesagt, ohne zu Zögern, auch wenn er sich noch nicht klar darüber gewesen war, was an dem Abend noch passieren sollte… Nein… nein, nicht noch einmal… „Ran? Ran… was hast du denn?“ Er fuhr aus seinen Gedanken auf und starrte Youji verängstigt an, als dieser Rans Hand in seine eigene nahm, sie vorsichtig drückte. Seine Augen blickten Ran besorgt an, doch trotzdem wich Ran einen Schritt zurück, als Youji einen auf ihn zumachte. Der Blonde blieb stehen, ließ den Rotschopf jedoch nicht los. Ran sah den Älteren mit geweiteten Augen an, sein Herz pochte wie wild. Es war genauso wie damals… dieselbe Situation, dieselben Worte… doch es konnte nicht so ausgehen wie letztes Mal… es durfte nicht so ausgehen… er würde es nicht verkraften. „Ran…“ Youjis zweite Hand kam auf ihn zu und Ran kniff die Augen zusammen, für einen Moment aus Angst vor einem Schlag. Hätte er sich bei Brad jemals so gestäubt, wusste er nicht, was der Amerikaner getan hätte… Doch die warme Hand legte sich nur leicht an seine Wange, Finger woben sich sanft in seine Haare, streichelten ihn beruhigend. „Schh… ganz ruhig…“ Er wurde an Youjis warmen Körper gezogen und zwei starke Arme legten sich im Ran, Hände strichen ihm langsam über den Rücken und durch die Haare, zwangen ihn schon fast dazu, sich wieder ein wenig zu beruhigen. Er entspannte sich gegen seinen Willen, atmete wieder langsamer. Er hatte gar nicht gemerkt, wie er begonnen hatte flach zu atmen… Sie standen einige Minuten einfach nur da, bis Youji Ran schließlich ein wenig von sich schob, ihn aber an den Oberarmen festhielt, als wollte er sichergehen, dass Ran nicht wieder vor ihm davonlief. Grüne Augen sahen ihn besorgt und ernst zugleich an, woraufhin Ran nur den Kopf senkte. Was würde jetzt passieren…? Würde Youji ihm jetzt sagen, dass er Ran nicht wollte, wenn er nicht mit in die Wohnung durfte? „Ran… was hast du denn?“ Was er hatte? Er hatte Angst! Er hatte eine Riesenangst, dass Youji ihn abweisen würde, wenn er ihn jetzt nicht in seine Wohnung ließ. Und er hatte auch Angst davor, was passieren würde, wenn er Youji die Erlaubnis gab… warum hatte er das nur fragen müssen…? Der Abend war so schön gewesen… warum hatte der Blonde das nur gefragt…? Der Rotschopf spürte, wie sich langsam Tränen in seinen Augen sammelten, als er das dachte. Wieso nur… wieso drängte Youji ihn so? Er war dazu noch nicht bereit… Er holte einmal zittrig Luft, bevor er den Mund öffnete. „Warum…? Warum willst du mit hoch?“ Er hatte Angst vor der Antwort… oder davor, dass Youji ihm gar keine gab und einfach ging, da er seinen offensichtlichen Widerwillen gezeigt hatte. Was würde er dann tun…? Einen Moment lang herrschte Schweigen und Ran bereitete sich schon auf den Knall vor, doch dann legten sich Youjis Hände sanft an Rans Wangen und hoben vorsichtig dessen Kopf an, bis er den Älteren in die Augen sehen musste. Der Blonde blickte ihn besorgt und verwirrt zugleich an, während seine Daumen Ran vorsichtig die ungeweinten Tränen aus den Augen strichen. „Warum ich mit hoch möchte? Weil ich gerne deine Wohnung sehen würde, Ran. Ich möchte noch mehr über dich wissen und dachte, damit könnten wir vielleicht anfangen… wieso, was dachtest du denn?“ Ran starrte den Autoren einfach nur an, während ihm immer wieder die Frage durch den Kopf schoss, ob das wahr war. Youji hatte es so ernst gesagt… doch stimmte das? Er gab erst einmal keine Antwort… was hätte er auch sagen sollen? Dass er glaubte, dass Youji über ihn herfallen würde, sobald die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war? Dass er Angst davor hatte, dass der Ältere ihn vielleicht verführte und am nächsten Morgen einfach weg war, unwiderruflich auf Rans Leben verschwunden? Nein, das konnte er nicht sagen… Youji sah ihn fragend an, wartete auf eine Antwort. Doch als er keine bekam, ließ er den Rotschopf los und seufzte dann. „Schon gut, du musst es nicht sagen, wenn du nicht möchtest… zeigst du mir trotzdem deine Wohnung? Ich würde sie wirklich gerne sehen.“ Ran verspannte sich erneut leicht, als Youji die Frage wiederholte, doch dann gab er auf. Was sollte er denn auch sagen? Dass er nicht aufgeräumt hatte und Youji deshalb nicht mit hoch durfte? Lächerlich… und einfach nein sagen konnte er auch nicht, da Youji dann vielleicht beleidigt wäre… und gleich Schluss machen würde… nein… Schließlich nickte er schwach, woraufhin Youji ihn leicht anlächelte und dann in Richtung Eingang deutete. „Danke, Ran. Dann lass uns gehen.“ Der Rotschopf nickte erneut und ging dann mit Youji zum Tür hinüber, seine Schritte steif. Er hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache… doch jetzt konnte er nicht mehr zurück. Am liebsten wäre es ihm, wenn Youji einfach gehen würde… einfach in sein Hotel gehen, damit sie sich morgen wieder sehen konnten… doch das ging nicht, und er musste da jetzt durch… wie würde das nur ausgehen…? Sie gingen zusammen zum Fahrstuhl hinüber, welcher mal wieder ganz oben war, sodass sie warten mussten, bis er wieder nach unten kam. Youji schaute sich neugierig um, obwohl es in der kleinen Halle nicht viel zu sehen gab, und Ran versuchte sich irgendwie zu beruhigen. Er nahm Youji mit in seine Wohnung… warum hatte er das nur getan…? Mit einem ‚Ding’ öffnete der Fahrstuhl seine Türen und Ran lief sofort hinein, drückte auf den Knopf mit der 13 und kauerte sich dann in die linke, hintere Ecke des Aufzuges. Wieder musste er sich an seine erste Nacht mit Brad erinnern, im Lift hatten sie schon begonnen sich zu küssen… Er erschrak sich, als Youji neben ihn trat und sich die Türen schlossen, woraufhin es nach oben ging. Er vermied es, Youji anzusehen, und zuckte leicht zusammen, als dieser nach einigen Augenblicken seinen Arm um Rans Hüften legen wollte. Er spürte, wie leichte Panik in ihm aufstieg, doch zum Glück hielt der Fahrstuhl gerade in diesem Moment und öffnete die Türen, sodass Ran sich schnell losmachen und aus dem engen Raum hasten konnte. Er wusste, dass Youji ihn ziemlich verwirrt ansehen musste, doch er konnte sich nicht helfen. Er hatte Angst, und Youjis Nähe machte es noch schlimmer. Er kramte nach seinem Schlüssel und hatte prompt wieder einen kurzen Erinnerungsflash. Brad hatte sich von hinten an ihn geschmiegt, als er die Tür zu seinem Apartment aufgeschlossen hatte… damals hatte er es amüsant und aufregend gefunden, heute wurde er nur noch nervöser, als Youji auf ihn zutrat. Er beeilte sich, die Türe aufzuschließen, und hatte es dann auch gleich geschafft. Die Wohnungstür ging auf und er betrat sein Apartment, knipste das Licht auf dem Flur an und trat zur Seite, damit Youji auch hineinkommen konnte. Er schluckte, als die Tür mit einem für ihn überlauten Krachen ins Schloss fiel, auch wenn es eigentlich recht leise gewesen war. Sein Herzschlag beschleunigte sich noch einmal. Youji war hier… in seiner Wohnung… sie waren alleine… und Ran hatte keine Ahnung, wie das hier ausgehen würde… Youji sah sich neugierig um und lächelte Ran dann an, welcher sich gerade die Schuhe abstreifte, bevor er es dem Jüngeren nachtat. „Gefällt mir schon mal. Führst du mich ein bisschen rum?“ Der Rotschopf schluckte erneut und zog sich dann etwas unwillig den Mantel aus, um diesen auf den dafür vorgesehen Bügel an der Garderobe aufzuhängen. Danach streckte er eine leicht zittrige Hand aus, um Youji seine Jacke abzunehmen, woraufhin dieser sie auszog und Ran gab. Der Jüngere hängte sie an einem Extrabügel auf, redete sich gut zu, dass nichts passieren würde, solange er es nicht auch wollte. Oder jedenfalls hoffte er das… bis jetzt war Youji auch rücksichtsvoll gewesen und hatte auf ihn geachtet… hoffentlich war es jetzt genauso… Er schrak wieder zusammen, als sich Youjis Hände plötzlich von hinten auf seine Schultern legten und diese langsam zu massieren begannen. „Du bist so verspannt, Ran… und nervös…“ Die Augen des Jüngeren weiteten sich und er verspannte sich noch mehr, bevor er sich hastig umdrehte und ein Stück zurückwich, sodass er sich mit dem Rücken gegen die Garderobe presste. Er starrte Youji, der die Hände noch erhoben hatte, für einen Moment an, bevor er ihn zittrig anlächelte und sich mit einer fahrigen Geste eine Haarsträhne aus der Stirn strich. „Ah… ich führe dich herum…“ Mit diesen Worten wandte er sich um, lief mit hastigen Schritten in Richtung Wohnzimmer. Er wollte nicht, dass Youji ihn berührte… er wollte diesem gar nicht erst die Chance geben, oder ihn auf dumme Gedanken bringen. Ihm war bewusst, dass er den Älteren vor den Kopf stieß, weil dieser einfach nicht wusste, was los war, doch er konnte nicht anders… er wollte nicht, dass sich die Ereignis von damals wiederholten… nicht noch einmal, nicht noch einmal mit jemanden, den er so liebte… Er betrat das Wohnzimmer und wartete, bis der sichtlich verdatterte Youji ihm gefolgt war, bevor er auf die beiden Türen zu seiner Rechten deutete. „Das hier ist das Wohnzimmer. Da geht’s durch die erste Tür in die Küche und durch die zweite in den Waschraum… und das ist der Balkon.“ Beim letzten Satzteil deutete er auf die Glastür auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Die Tür zu seiner Linken, durch die es zum Schlafzimmer ging, ließ er geflissentlich aus. Er wandte sich um und ging dann, einen Bogen um Youji machend, wieder aus dem Wohnzimmer raus und dann einen Schritt weit in den Gand nach links, wo er auf die linke der beiden Türen deutete. „Das ist das Bad… und das…“, er deutete auf die rechte Tür, „…ist mein… Schlafzimmer.“ Mit diesen Worten entfernte er sich schnell wieder vom letzten Raum, wurde jedoch von Youji aufgehalten, der nun vor ihm im Gang stand. Die blonden Augenbrauen waren zusammengezogen und Youji sah ihn stirnrunzelnd an, was zu Rans Schreck ziemlich verärgert wirkte. Er zuckte unwillkürlich zusammen, als er das sah. Was würde er tun, wenn Youji jetzt wütend war? Wenn er Ran anschreien würde? Das ertrug er nicht, nicht wenn ihn jemand anschrie… er wusste es aus Erfahrung… Jedoch löste sich der Ärger des Blonden innerhalb eines Moments in echte Besorgnis auf, als er Ran zusammenzucken sah. Der Autor sah ihn sorgenvoll an, kam einen zögerlichen Schritt auf Ran zu und streckte eine Hand nach ihm aus. „Ran… was hast du…?“ Doch der Rotschopf wich vor ihm zurück, bevor er sich hastig an Youji vorbei schob und in Richtung Küche flüchtete. „Ich… ich mache uns einen Tee…“ Er wusste, dass er vor Youji weglief, doch es konnte nicht anders… er fühlte sich jedes Mal bedroht, wenn der Blonde ihn anfassen wollte, glaubte, der Blonde würde ihn jeden Moment küssen, ihn vergessen lassen, was er eigentlich wolle und was nicht. Brad hatte ihn ebenfalls vergessen lassen, auch wenn Ran damals so schon mehr als willig gewesen war. Ran hetzte in seine Küche und kramte dann in den Schränken dann nach Teebeuteln, bevor er hastig Wasser in den Wasserkocher füllte und diesen anschaltete. Sein Herz pochte wild, als er Youji die Küche betreten hören konnte, sodass er seine Hände zu Fäusten ballte. „Setz dich doch!“ Er hörte seiner Stimme die Panik fast schon an, die er verspürte. Er wusste, dass Youji versuchte, an ihn heranzukommen, doch er wollte es nicht. Vor allem nicht jetzt… er fühlte sich gefangen, er konnte nicht weg… schon gar nicht aus der Küche, denn die hatte nur eine Tür… er fühlte sich in die Ecke gedrängt. Zu seiner Erleichterung hörte er, wie Youjis Schritte tatsächlich zum Tisch hinübergingen, doch der Ältere setzte sich nicht hin. Ran hoffte nur, dass er dort bleiben würde… wieso hatte er nur ja gesagt…? Der Ältere war ganz bestimmt sauer auf ihn… Der Wasserkocher klickte und Ran griff mit zittriger Hand danach, um in ihrer beiden Tassen heißes Wasser auf die schon vorbereiteten Teebeutel zu gießen. Danach stellte er den Wasserkocher weg und atmete einmal tief durch, bevor er nach einer der Tassen griff und sich mit ihr umdrehte – wo er Youji am Tisch lehnen sah, die Arme vor der Brust verschränkt und seine Brauen wieder zusammengezogen. Der Rotschopf trug die Tasse zum Tisch hinüber, seine Schritte zögerlich. Er wollte sich Youji nicht nähern… doch er musste, wenn er diesem die Tasse geben wollte… Er stellte die Tasse schließlich neben diesem ab und wollte sich dann so schnell wie möglich wieder zu seiner eigenen Tasse, die noch auf der Anrichte stand, zurückziehen, doch diesmal war Youji flinker. Er packte Ran am Handgelenk und zog diesen wieder zu sich, starrte ihm ins Gesicht. „Ran, jetzt sag mir-“ Der Rotschopf begann sich sofort panisch gegen den festen Griff zu wehren und kam schließlich auch frei, woraufhin er hastig vor Youji zurückwich. Diesem schien jedoch jetzt endgültig der Geduldsfaden zu reißen, er schlug mit der flachen Hand hart auf den Tisch. „Verdammt noch mal, Ran! Hör endlich auf mit dem Mist! Was soll das denn?!“ Ran zuckte heftig zusammen und keuchte erschrocken auf, als er die wütende Stimme des Autors hörte, und stolperte noch einige Schritte zurück, dem aufgebrachten Youji ängstlich in dessen funkelnde Augen starrend. Er wollte weg, nur weg! Er würde ihn schlagen, er wurde immer geschlagen, wenn sein Gegenüber so aufgebracht war, das jetzt würde es auch keine Ausnahme sein. Youji trat einen Schritt auf ihn zu und Ran wimmerte ängstlich auf, während er sich anspannte und seine Hände schützend auf sein Gesicht presste. „Lass mich! Bitte lass mich! Bitte nicht!“ Alles, nur keine Schläge! Bitte, kein Schläge! Er würde alles tun… Er hörte, wie Youji auf ihn zukam und er verspannte sich noch mehr, doch anstatt des erwarteten Schlages ergriffen bloß zwei warme Hände die seinen und zogen sie von seinem Gesicht. Ran starrte dem Ältere ängstlich ins Gesicht, fand dieses jedoch nicht gehässig und wütend verzerrt vor, nein. Ganz und gar nicht. Youji sah ihn bestürzt, besorgt an, ein völliger Kontrast zu dem Ausdruck von eben. Ran bemerkte erst, dass er begann zu weinen, als seine Sicht verschwamm und warme Tränen seine Wangen hinunterliefen. Sein Herz schlug ihm immernoch bis zum Hals und seine Atmung ging einmal mehr an diesem Abend flach. Er erkannte Youjis Gesichtsausdruck nicht mehr und wollte sich gerade die Tränen aus den Augen wischen, als sich zwei starke Arme um seinen zitternden Körper legten und er an den warmen Körper des Älteren gedrückt wurde. Zuerst verkrampfte er sich abermals, doch als sanfte Hände begannen seinen Rücken zu streicheln und Youji leise, beruhigend Worte in sein Ohr murmelte, begann er sich langsam zu entspannen. Er lehnte sich gegen den Älteren und vergrub sein Gesicht in dessen Schulter, begann hemmungslos zu schluchzen. Es war zu viel für ihn gewesen… der Stress, die Anspannung, die Erinnerungen, die Angst… er hielt das nicht durch. Es brach einfach aus ihm heraus, in Form seiner Tränen, die er in Youjis Pullover weinte. Einmal mehr ließ er sich von demjenigen trösten, der auch der Auslöser für all seine Anspannung gewesen war… doch im Moment ging von Youji keine Gefahr aus. Der Ältere hielt ihn fest, tröstete ihn, obwohl er nicht einmal wusste, weshalb Ran weinte. Doch er fragte nicht nach, er hielt Ran einfach fest, gab ihm das, was er brauchte. Der Rotschopf fühlte sich schlecht… weil er den Blonden so behandelt hatte… Youji ließ Ran einfach weinen, streichelte dem Jüngeren sanft, beruhigend über den Rücken. „Schh… ganz ruhig, Ran… hab keine Angst, ich will dir nichts tun, Darling… beruhige dich…“ Nach schier endlosen Minuten beruhigte Ran sich endlich wieder, seine Schluchzer wurden weniger heftig und verstummten schließlich ganz, auch seine Tränen versiegten. Youji hielt ihn trotzdem noch ein bisschen im Arm, bevor er Ran sanft in Richtung Tisch zog, wo der Tee in der Tasse immernoch unberührt vor sich hin zog. Er drückte den Rotschopf auf einem Stuhl nieder, schob ihm dann die Tasse hin und entfernte den Teebeutel, bevor er geschwind zur Anrichte ging, die zweite Tasse holte, die beiden gebrauchten Teebeutel entsorgte und sich dann ebenfalls auf einen Stuhl sinken ließ. Da der Tisch quadratisch war, saßen sie an zwei verschiedenen Seiten des Tisches, sich schräg gegenüber. Ran hielt den Blick gesenkt und schrak leicht zusammen, als Youji ihm die Tasse unter die Nase schob. „Hier, trink ein bisschen was.“ Der Rotschopf wagte nicht, zu widersprechen und nahm deshalb einen Schluck Tee, welchen man mittlerweile gut trinken konnte, da er etwas abgekühlt war. Er war ein bisschen stark, weil die Teebeutel zu lange im Wasser gezogen waren, doch das war ihm im Moment egal. Viel wichtiger war: was würde jetzt passieren? Er riskierte einen Blick in Youjis Richtung, welcher ebenfalls einen Schluck Tee nahm und die Tasse dann absetzte, um unter dem Tisch nach Rans einer Hand zu greifen. Der Rotschopf verspannte sich erneut und wurde daraufhin von Youji verwirrt angesehen. Ran senkte sofort den Blick, entzog Youji seine Hand jedoch nicht. Er traute sich nicht, nicht nachdem Youji beim letzten Mal so in Rage geraten war. Der Blonde sah Ran erneut verwirrt an, bevor sich wieder die Sorge auf seinen Zügen breit machte. „Ran… Ran, bitte sieh mich an…“ Der Jüngere tat es widerwillig, sah den Älteren zögerlich an, und bemerkte dann den ernsten, besorgten Blick auf dem Gesicht seines Freundes. Seine Augen waren sanft, lange nicht mehr wütend, und seine Stimme klang vorsichtig, einfühlsam. „Ran… bitte, sag mir, was mit dir los ist. Du hast dich noch nie so verhalten, seitdem wir uns besser kennen… du bist noch nie vor mir zurückgezuckt, von gestern mal abgesehen…“ Der Rotschopf zog den Kopf ein, als er das hörte. Aber… er wollte darüber nicht sprechen… er wusste nicht, ob er es konnte… es tat immernoch so weh, über das Desaster mit Brad nachzudenken, wie sollte er dann darüber sprechen…? „Ran… ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht mit mir sprichst. Bitte, ich muss wissen, was ich falsch mache… wovor hast du Angst, mein Kleines?“ Ran kniff die Augen zusammen, wünschte sich am liebsten irgendwo ganz weit weg… er konnte das nicht sagen… oder? Youji wollte es wissen, und er sah nicht so aus, als ob er Ruhe geben würde, bis er es nicht wusste. Schließlich öffnete er die Augen und atmete einmal zittrig durch, bevor er begann zu sprechen, seine Stimme leise und unsicher, da ihm jedes einzelne Wort schwer fiel. „Ich… ich hatte… vor dir… noch eine andere Beziehung… ich war mit… Brad Crawford, dem Besitzer des Verlages, in dem ich arbeite… zusammen. Wir haben uns… in Amerika… kennen gelernt, er hat mich in… einer Bar einfach… angesprochen. Wir… kamen ins Gespräch, verstanden uns gut… schließlich begannen wir, miteinander auszugehen… ich… fühlte mich zu ihm… hingezogen…“ Ran brach für einen Moment ab, versuchte zu ignorieren, wie sehr sein Herz ihm wehtat, als er daran zurückdachte. Er war so glücklich gewesen, damals… Brad war netter, offener gewesen, als er diesen kennen gelernt hatte… erst, als sein Verlag erfolgreich geworden war, hatte er begonnen sich immer mehr zu verschließen… doch Ran hatte es da nicht wahrhaben wollen, hatte sich dagegen gewehrt, sich selbst eingeredet, alles wäre in Ordnung… und war dann so bitter enttäuscht worden… Er schüttelte leicht den Kopf und fuhr dann fort, seine Geschichte zu erzählen. „…nach einer Woche… hat er mich nach Hause gebracht… und fragte, ob… er nicht noch ein wenig… mit hochkommen könnte… ich habe ihn gelassen und… er… ich… wir… wir haben… miteinander… geschlafen… in dieser Nacht…“ Wieder musste er abbrechen, spürte, wie sich erneut Tränen in seinen Augen sammelten. Doch Youjis Hand hielt die seine sanft fest, sein Daumen streichelte die Außenseite von Rans Hand, ermutigte diesen dazu, weiterzuerzählen. „Danach… waren wir zusammen… wir kehrten nach Japan… zurück… ich erfuhr erst dann, wer er war… er bot mir eine Stelle… in seinem Verlag an… ich sagte zu. Wir waren… zwei Jahre lang zusammen, bis… vor ein paar Wochen…“ Tränen begannen seine Wangen hinunterzulaufen, als er Brad einmal mehr in dessen Büro sah, wie er mit diesem Jungen auf dem Schreibtisch schlief… wie er sich in ihm vergrub, lustvoll aufstöhnte… wie er zu Ran sagte, dass er Brad niemals etwas bedeutet hatte… „Er… er hat mich… betrogen… die ganzen Jahre über… ich habe ihn… dabei… gesehen… er hat mir gesagt… dass… er mir nie treu war… dass er mich nie… geliebt hat… und er hat mich verlassen…“ An dieser Stelle verstummte er, Tränen liefen stetig seine Wangen hinunter. Es tat weh… so weh, daran zu denken, es alles noch einmal erleben zu müssen… kleine Filme liefen bei jedem Satz in seinem Kopf ab, Erinnerungen, die er damit verband… schöne, gute Erinnerungen… es tat so weh… Einem Moment lang bewegte sich Youji gar nicht, doch dann rückte dieser seinen Stuhl näher an Rans heran und zog den Jüngeren in seine Arme. Er drückte den Rotschopf fest an sich, zog ihn zu sich auf den Schoß. Mit einem Arm umarmte er den Jüngeren und hielt ihn fest, mit der anderen Hand streichelte er Ran sanft durch den roten Haarschopf, welcher an Youjis Schulter lag. Der Rotschopf schloss die Augen und ließ sich von Youji halten, vergrub sein Gesicht in dessen Schulter. Er weinte nicht so heftig und verzweifelt wie gerade eben, er war einfach nur traurig… todtraurig und so unendlich enttäuscht. Es tat einfach weh… das Schicksal hätte nichts Grausameres tun können, als dieses vermeintliche Glück von einer Sekunde auf die andere so zu zerschmettern… Youji wiegte sich mit Ran in den Armen sanft hin und her, versuchte sein möglichstes, um den Jüngeren zu trösten. Der Rotschopf schmiegte sich eng an seinen Freund, suchte Wärme und Verständnis bei dem Älteren, und war so dankbar, dass dieser ihm das nicht verwehrte und einfach abwies… Wieder saßen sie eine ganze Weile da, bis Ran schließlich aufhörte zu weinen und ruhig in den Armen des Blonden saß, sein Kopf immernoch an die Schulter des Größeren gelehnt. Die sanfte Hand glitt immernoch wieder und wieder durch seine Haare, wuschelte sanft durch die weichen Strähnen, strich sie von seinem Ohr weg und Ran wusste einen Moment später, warum. „Du… hast ihn geliebt, nicht?“ Youjis Stimme erklang an Rans Ohr, leise, einfühlsam… so sanft, dass der Rotschopf einfach nickte. Ja, das hatte er getan… und war so bitter enttäuscht worden… „Hm… und liebst du ihn immernoch?“ Diese Frage erschrak Ran ziemlich, sodass er etwas ängstlich aufsah, direkt in Youjis Augen. Diese waren jedoch nicht wütend oder verärgert, sondern sahen Ran ganz ruhig an, warteten auf eine Antwort. Das überraschte den Jüngeren, er hatte gedacht, dass Youji vielleicht verletzt war… denn immerhin fragte er gerade, ob Ran außer ihm noch einen anderen Mann liebte… Der Rotschopf dachte einige Momente über die Frage nach… und schüttelte dann leicht den Kopf. „Ich… ich hänge noch… daran… es tut noch… weh… aber ich liebe… nur dich…“ Youji lächelte ihn bei diesen Worten zärtlich an, und jetzt konnte Ran ihm die Erleichterung ansehen. Es schien, als habe er sein Bangen um die Antwort auf die Frage nur versteckt, um Ran nicht zu beeinflussen. Der Blonde beugte sich zu ihm hinab und gab ihm einen leichten Kuss auf die Stirn, bevor er ihm über die Wange strich, seine Augen auf Rans gerichtet. „Das ist schön… denn ich liebe mit Sicherheit nur dich.“ Ran errötete bei den Worten leicht und senkte daher den Blick, woraufhin Youji ihm abermals sanft über die Wange streichelte. „Und ich möchte, dass du eines weißt, Ran.“ Der Rotschopf sah bei dem ernsten Ton auf, direkt in Youjis ebenso ernste Augen, die ihn ansahen. „Ich bin nicht an deinem Körper interessiert, Ran. Zugegeben, du bist sehr hübsch, aber das ist nicht der Grund, warum ich dich liebe. Ich mag dich wegen deiner Art, wegen deines Lächelns, weil du immer so unheimlich niedlich aussiehst, wenn du rot wirst. Ich liebe *dich*, Ran, nicht deinen Körper.“ Der Blonde legte seine Hand, die eben noch an Rans Wange geruht hatte, auf dessen Brust, genau dorthin, wo das Herz des Rotschopfes aufgeregt schlug. „Und ich will das hier, nicht deinen Körper für eine Nacht oder zwei. Ich möchte wirklich mit dir zusammen sein. Wenn ich irgendetwas getan habe, das dich denken lässt, dass ich es nicht ernst mit dir meine, dann sag mir das. Ich meine es verdammt ernst mit dir, Ran… ich würde niemals etwas tun, was du nicht auch willst. Ich könnte das gar nicht, dafür hab ich dich viel zu gerne. Ich liebe dich, egal, was passiert.“ Ran konnte einen Moment lang nur starren, doch dann spürte er, wie sich wieder Tränen in seinen Augen bildeten. Diesmal jedoch waren es Tränen der Freude, die langsam seine Wangen hinabkullerten, während er den Älteren glücklich anlächelte. „Ich… ich meine es auch ernst, Youji… es… es tut mir Leid, was heute passiert ist, aber ich…“ Der Blonde jedoch lächelte sanft und legte ihm dann einen Finger auf die Lippen, brachte ihn dazu, zu verstummen. „Schh… ist schon gut, ich verstehe dich. Zum Glück hast du mir alles erzählt, dann können wir solche Missverständnisse in Zukunft vermeiden, hm?“ Ran lächelte und nickte dann, bevor er seine Hand hob und sich die Tränen auf aus den Augen wischte. „Ja…“ Youji lächelte ebenfalls und senkte dann den Kopf, um Ran zärtlich auf die Lippen zu küssen, den Rotschopf in einen sanften, tiefen Kuss verstrickend. Als sie sich lösten, waren sie beide nicht außer Atem. Der Kuss war wirklich nur eine Zärtlichkeit gewesen und kein Wettbewerb darum, wer dem anderen die Zunge tiefer in den Hals schieben konnte. Sie hatten sich mehr ihren Atem geteilt, als dass sie ihn sich gestohlen hätten, hatten einander gekostet und liebkost, sodass sie sich zufrieden anlächelten, in beider Blick die Liebe für den jeweils anderen klar zu lesen. Ran war glücklich… so glücklich wie schon lange nicht mehr… selbst gestern war er nicht so glücklich gewesen wie jetzt. Seine Zweifel waren weg. Er vertraute Youji in dem, was er gesagt hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Ältere hier so eine Show abzog, nur um ihn am Ende doch noch rumzukriegen. Er hatte gesagt, dass er nicht nur an seinem Körper interessiert war… und Ran glaubte ihm. Vielleicht war er dumm, es zu tun, doch er tat es. Er konnte nicht anders, er vertraute Youji. Er war nicht über ihn hergefallen, als er gekonnt hätte, und hatte Ran mit seinen ernst gesprochenen Worten überzeugt… diesen Mann schien ihn wirklich zu lieben, für das, was er war, und nicht, weil er vielleicht hübsch war. Er liebte Ran, wie er war, mit seinen Macken und Fehlern. Eine böse Stimme zischelte ihm zu, dass Youji seine Macken und Fehler zum größten Teil noch gar nicht kannte, doch Ran brachte die Stimme sofort zum Schweigen. Dann würde er sie kennen lernen… er hatte gesagt, er liebte Ran, also würde er über solche Dinge auch hinwegschauen können. Der Blonde sah sanft zu Ran hinunter, bevor sein Blick auf seine Armbanduhr fiel und seine Augen sich weiteten. „Oh Mist… Gott ist es schon spät… so Leid es mir tut, ich muss los, Ran.“ Der Rotschopf nickte leicht, auch wenn er den Älteren gerne noch ein bisschen länger bei sich gehabt hätte… doch sie würden sich ja wahrscheinlich in ein paar Stunden eh wieder sehen. Ran stand von Youjis Schoß auf, damit dieser sich ebenfalls erheben konnte, und griff dann noch einmal nach seiner Teetasse, um ein paar Schlucke zu nehmen. Sein blonder Freund lächelte ihn an und küsste ihn dann auf die Stirn. „Ich denke, ich rufe mir ein Taxi, das geht schneller… darf ich mal kurz telefonieren?“ Ran setzte seine Tasse, die mittlerweile leer war, wieder ab und stellte sie zurück auf den Tisch, bevor er Youji die seinige in die Hand drückte. „Trink das erst, sonst muss ich es wegschütten…“ Er hasste es, essbare Sachen wegzuschmeißen. Er musste dabei immer an diejenigen denken, die so eine Tasse Tee im Winter gut gebrauchen konnten… Youji zog eine Augenbraue hoch, zuckte aber dann mit den Achseln und trank dann ebenfalls seine Tasse aus, bevor er sich Ran zurückgab „Hier, mission accomplished. Darf ich jetzt telefonieren?“ Ran lächelte leicht und küsste seinen Freund dann leicht auf die nach Tee schmeckenden Lippen, bevor er seine Tasse auch einsammelte. „Ja, darfst du. Du musst aber die 0 vorwählen, sonst geht es nicht.“ „Okay, das werde ich wohl noch schaffen.“ Grinsend ging der Blonde in Richtung Wohnzimmer, wo er wohl vorhin das Telefon gesehen hatte, während Ran noch ihre beiden Tassen abspülte. Er hatte keine Spülmaschine, wozu auch? Er lebte alleine, hatte ab und zu Schu und/oder Omi zu Gast, aber das war es dann auch schon wieder. Da brauchte er nun wirklich keine Spülmaschine. Als er damit fertig war, ging er ebenfalls ins Wohnzimmer und sah Youji dort auf der Couch sitzen. Der Blonde lächelte zu ihm hinüber und klopfte dann neben sich auf die weichen Sitzpolster. Ran ging ohne zu Zögern zu ihm hinüber. Seine Angst war wie weggeblasen, seitdem Youji ihm gesagt hatte, dass er nicht nur Sex wollte, und dass er Ran zu nichts zwingen würde. Mit diesem Wissen im Hinterkopf hatte er keine Angst davor, sich neben Youji zu setzen und sich von dem Älteren zärtlich küssen zu lassen. Er seufzte wohlig, als ihre Zungen miteinander spielten, sich neckten, streichelten. Er genoss das… die Aufmerksamkeit, die Zärtlichkeit seines Freundes. Viel zu bald nach seiner Meinung löste sich Youji wieder von ihm und sah ihn sanft an, gab ihm noch einen Kuss auf die Nasenspitze. „Ich denke, ich sollte langsam runter gehen. Bis ich da unten bin, ist das Taxi bestimmt da.“ Ran nickte, ein wenig traurig darüber, dass Youji schon gehen wollte, doch in diesem Moment gähnte er und bemerkte, wie müde er doch war… durch die ganze Aufregung hatte er das nicht mehr gespürt, doch jetzt, wo er zur Ruhe gekommen war, machte sich die Müdigkeit wieder bemerkbar. Youji lächelte und strich dem Rotschopf zärtlich über den Kopf, anschließend über die Wange. „Oh je, du bist müde, hm? Na, dann gehe ich mal lieber, damit du schnell schlafen gehen kannst. Bringst du mich noch bis zur Tür?“ Ran nickte und intensivierte somit Youjis Lächeln, bevor dieser aufstand und den Rotschopf dann ebenfalls an den Händen vom Sofa zog, um dann mit ihm, Hand in Hand, zur Tür zu gehen. Dort streifte er sich schnell Jacke und Schuhe über, bevor er Ran noch einmal in seine Arme zog. Er küsste ihn leicht auf die Nasenspitze und sah Ran dann sanft an. „So… was ist mit morgen? Sehen wir uns?“ Der Rotschopf schmiegte sich an Youji, während er nickte. „Ich habe Zeit… zumindest bis ungefähr halb sieben. Um acht muss ich im Verlag sein, ich habe eine Besprechung.“ Das war ihm am Freitag gesagt worden… eigentlich nicht in Ordnung, einen einfach am Sonntag zur Arbeit zu rufen… aber gut, dann musste es eben mal sein… was ihn nur ärgerte, war, dass das seine Zeit mit Youji verkürzte… aber ansonsten hatte er den Tag über frei. Schu war morgen nicht zu Hause, da er mit Omi schon seit Ewigkeiten mal in dieses komische Computermuseum hatte gehen wollen und morgen sie beide endlich mal frei hatten. Und da sich Ran nicht so unheimlich für Computer interessierte, ging er da auch nicht mit. Die beiden hatten ihn zwar gefragt, doch er hatte dankend abgelehnt… was für ein Glück, so konnte er morgen den Tag mit Youji verbringen. Youji lächelte, schien kurz über etwas nachzudenken, und stupste dann mit seiner Nase gegen Rans. „Gut… weißt du was? Ich hole dich morgen ab, und was wir machen bleibt ein Geheimnis. Aber du wirst es mögen, glaub mir.“ Der Rotschopf legte den Kopf schief, nickte jedoch dann. Eine Überraschung… er hatte es nicht so mit Überraschungen, da wusste er nie, was auf ihn zukam… doch er vertraute Youji, dass er etwas aussuchen würde, was ihm Spaß machen würde. „Okay… und um wie viel Uhr?“ Youji überlegte für einen Moment, ehe er die Frage beantwortete. „Um zwölf. Dann gehen wir irgendwo Essen, darfst du aussuchen, und den Rest siehst du morgen.“ Ran musste leicht den Kopf schütteln, als er hörte, dass Youji ihn schon wieder einladen wollte… das war ja schon nicht mehr normal, wie oft er in letzter Zeit auswärts aß… Er druckste ein wenig herum, wusste nicht genau, wie er das ausdrücken sollte, versuchte es dann jedoch trotzdem. „Youji… du musst mich nicht immer zum Essen einladen… ich meine… es ist mir ein bisschen unangenehm… ich verdiene mein eigenes Geld und… ich bin nicht abhängig von dir.“ Der Blonde sah ihn etwas perplex an, doch gab dann etwas zurück. „Das weiß ich doch, Ran. Aber ich möchte dir einfach etwas gutes tun… ich kann mir vorstellen, dass das Apartment hier recht teuer ist und du nicht immer auswärts essen kannst. Deshalb bestehe ich immer darauf zu bezahlen, verstehst du? Ich möchte nicht, dass du wegen mir am Ende des Monats mit dem Geld extrem aufpassen musst…“ Ran blinzelte leicht, doch dann lächelte er. „Youji… du musst dir keine Sorgen um mich machen, ich komme mit dem Geld gut hin.“ „Aber nicht, wenn du jedes Mal, wenn wir essen gehen, selbst bezahlst.“ Der Rotschopf dachte an die vielen Restaurants, vor allem teure Restaurants, in denen sie schon gegessen hatten, und musste Youji zustimmen. „Okay, stimmt… aber wir müssen auch nicht immer essen gehen… ich könnte morgen auch was für uns kochen?“ Er sah fragend zu seinem Freund hinüber, welcher ihn zuerst verdutzt anblickte, dann jedoch strahlend lächelte. „Wenn du möchtest, klar! Ich würde gerne mal probieren, was du so kochst.“ Ran errötete leicht, als er das hörte, und senkte den Blick. „Na ja, so gut wie in so einem Grand Hotel ist es bestimmt nicht…“ Youji grinste und küsste Ran dann auf die Wange. „Aber dein Essen wird mit Liebe gemacht, das ist tausendmal besser.“ Seine Wangen wurden noch röter und Ran lächelte peinlich berührt, während er sich an Youji kuschelte. „Na ja, das siehst du dann morgen… magst du Fisch?“ „Ja, gerne sogar.“ Ran nickte leicht, dann wusste er schon, was er machen würde morgen… das Rezept hatte er von Schus Mutter bekommen und es war richtig gut. Schmeckte lecker, war einfach zu machen und brauchte nicht lange. Youji lächelte Ran ein wenig verträumt an, bevor er erneut seine Nasenspitze an der des Jüngeren rieb. „Dieser Brad Crawford muss wirklich ein Vollidiot sein, so ein liebes, schönes Wesen wie dich so schlecht zu behandeln…“ Ran lief prompt noch einmal rot an, und zum ersten Mal spürte er keinen ziehenden Schmerz in seinem Herzen, als sein Ex-Freund erwähnt wurde. „Hm…“ Youji lächelte und küsste Ran dann noch einmal zärtlich auf die Lippen, bevor er sich von dem Jüngeren löste und die Hand auf die Klinke legte. „Dann sehen wir uns morgen, ja? Um zwölf bin ich hier und erwarte was zu Essen, okay?“ Ran nickte und lächelte Youji dann an, welcher gerade die Tür öffnete. „Bis morgen, Ran. Schlaf gut und träum was schönes, ja?“ „Ich versuch’s…“ Youji grinste daraufhin und küsste Ran noch einmal auf die Lippen, bevor er aus der Tür trat, sich jedoch noch einmal umdrehte. „Ich liebe dich, Ran.“ Der Rotschopf errötete und legte dann die Hand von innen auf die Türklinke. „Ich dich auch… gute Nacht.“ Es folgte noch ein weiterer, sanfter Kuss, bevor Youji Ran noch ein ‚Bis morgen’ ins Ohr flüsterte und dann in Richtung Aufzug davonging, woraufhin Ran die Tür schloss. Er lehnte sich dagegen und schloss glücklich die Augen, bevor er sich wieder von der Tür abstieß und durch seine Wohnung lief, um alle Lichter auszumachen. Ja, er war glücklich… Youji hatte ihn heute unheimlich glücklich gemacht… Ran hatte bei dieser Beziehung wirklich das Gefühl, das richtige zu tun… er vertraute seinem Freund und freute sich schon auf den morgigen Tag, wo er Youji vielleicht wieder ein bisschen besser kennen lernen würde. Was hatte er nur für ein Glück gehabt, Youji an diesem verschneiten Spätoktobertag zu treffen, dachte er, als er an diesem Abend in sein Bett sank. Er hätte keine Ahnung, wo er heute sein würde, wenn es nicht geschehen wäre… Schließlich schlich Ran ruhig ein, seine Gedanken drehten sich bereits um den nächsten Tag und darum, was Youji als Überraschung für ihn vorgesehen hatte… ~*~*~*~*~* „Das macht 2000 Yen.“ Youji zog eine Augenbraue hoch, bezahlte jedoch dann dem Taxifahrer, was dieser verlangte. Etwas von Halsabschneidern murmelnd, auf Englisch natürlich, verließ er das Taxi, schlug die Tür hinter sich zu und lief auf den Eingang des ‚Intercontinental Tokyo’ zu. Seine Schritte waren flott, hatte er doch recht gute Laune heute Abend. Er musste lächeln, als er an den Grund dafür dachte… an seinen Freund, Ran. An diesen hübschen, liebenswerten, bescheidenen jungen Mann, mit dem er seit heute wohl endgültig zusammen war. Er hatte ihm zwar gestern schon gesagt, was er für ihn empfand, doch der Rotschopf hatte es wohl erst heute richtig verstanden. Seine Miene verdunkelte sich, als er an Rans komisches Verhalten dachte, als sie in dessen Wohnung gegangen waren… doch nach dessen Erzählung über seine Vergangenheit war ihm vieles klarer gewesen. Der Rotschopf hatte einfach Angst gehabt… dass Youji ihn genauso mies behandeln würde, wie dieses Arsch Brad Crawford es getan hatte. Er zog seine Augen zu Schlitzen zusammen, während er durch das große Eingangsportal des Hotels schritt. Er wurde ja nicht oft aufbrausend, aber das machte ihn rasend. Wie hatte dieser Idiot Ran nur so behandeln können? Wie hatte er ihm nur so wehtun können, obwohl der Rotschopf so stark für ihn gefühlt hatte? Das wollte einfach nicht in Youjis Kopf rein! Ran war so eine angenehme Person, die in Youji unweigerlich den Wunsch wachrief, den Rotschopf zu beschützen, dafür zu sorgen, dass es ihm gut ging. Na ja, er hatte sich ja auch in Ran verliebt, aber trotzdem… wie dumm musste man sein, so jemanden einfach wieder fallen zu lassen, wie eine heiße Kartoffel. Dieser Crawford musste ein Riesenarschloch sein, wenn er Ran so lange etwas vorgegaukelt hatte. Der Blonde atmete einmal tief durch und durchquerte dann die große Eingangshalle, auf dem Weg zu den Aufzügen. Er wusste, dass Kim heute nicht in der Bar war, das hatte sein Freund ihm vorhin schon gesagt, also würde er den Älteren auf ihrem Zimmer aufsuchen. Sich dazu zwingend diesen hirnlosen Brad Crawford aus seinen Gedanken zu verdrängen drückte Youji auf den Knopf, um den Aufzug herbeizuholen. Lieber dachte er über diese neue Beziehung nach, die er sich da geschaffen hatte… Dabei hatte er doch nie wieder eine haben wollen, dachte er sich, als er den Aufzug betrat. Nach der Sache mit Asuka war sein Bedarf an Beziehungen erst einmal gedeckt gewesen und er hatte nicht gedacht, dass er sich jemals wieder verlieben würde. Und genau das war jetzt eingetreten, denn er liebte den jungen Übersetzer wirklich. Vielleicht sogar noch mehr als Asuka, was er niemals für möglich gehalten hätte… doch es war geschehen. Er hatte also eine zweite Chance bekommen… und dieses Mal würde er alles dafür tun, damit diese Beziehung nicht wieder in einer Katastrophe endete. Sein Herz tat immernoch weh, als er an die Halb-Japanerin dachte, woraufhin er schwach lächeln musste. Es schien, als ginge es ihm mit Asuka genauso wie Ran mit diesem Crawford. Er hing noch an ihr, aber wirklich lieben tat er sie nicht mehr. Nein, er liebte nur Ran. Bis vor einigen Wochen hätte er noch gesagt, dass er Asuka noch immer liebte, auch wenn die fröhliche Frau nicht mehr lebte, doch jetzt sah es anders aus. Der Rotschopf bedeutete ihm einfach unheimlich viel. Er war genau das, was Youji in einem Partner suchte, auch wenn er und Asuka sich so gar nicht ähnlich waren. Asuka war energiegeladen, fröhlich und immer geradeaus gewesen, hatte nie etwas verschwiegen und gesagt, wonach ihr der Sinn stand… Ran hingegen war eher zurückhaltend, auch wenn er sich aus seinem Schneckenhaus heraus locken ließ. Dann war es in Ordnung, dann lächelte und lachte er auch, und war dabei so unheimlich süß… trotzdem war er am Anfang ihrer Treffen oft nervös, schien immer Angst davor zu haben, etwas falsch zu machen. Außerdem schien er noch einige Geheimnisse zu haben… Youji hatte das Gefühl, dass Ran ihm noch nicht alles erzählt hatte, was in seiner Vergangenheit geschehen war. Einige Reaktionen des Rotschopfes deckte dessen Erklärung noch nicht ab… Youji würde das auch noch herausfinden, doch er nahm an, dass er mit Ran diesbezüglich Geduld haben musste. Der Jüngere schien es nicht gewohnt zu sein, über seine Probleme zu sprechen, so wenig, wie er Youji bis jetzt erzählt hatte. Dem Blonden tat es im Herzen weh, als er daran dachte, wie viel Ran bei dieser Sache hatte durchmachen müssen. Es war irgendwo beeindruckend, wie Ran sich trotz solcher Ereignisse immernoch verlieben konnte, überhaupt anderen Menschen trauen konnte. Er hatte Youji auch vor ihrer ‚Aussprache’ vorhin vertraut, immerhin war er weiter mit ihm ausgegangen und hatte nicht damit gerechnet, dass Youji ihn so verletzen wollte wie Crawford… jedenfalls nicht bis Youji ihn gefragt hatte, ob er noch mit in Rans Wohnung kommen durfte. Er war entspannt in der Nähe des Autors gewesen, hatte sich in der Öffentlichkeit küssen lassen… es schien ihn wie einen Schlag getroffen zu haben, als Youji die verhängnisvollen Worte ausgesprochen hatte. Dabei hatte er doch gar nichts böses gewollt… Dieser Bastard hatte Ran unheimlich verletzt… das verstand Youji jetzt, wenn er an die heftigen Reaktionen Rans dachte. Das Zurückzucken, die Angst und sogar Panik in dessen Blick, anschließend die vielen geweinten Tränen. Ob dieser Arsch überhaupt wusste, was er Ran da angetan hatte? Wie sehr er dieses schöne, vertrauensselige, liebe Geschöpf verletzt und enttäuscht hatte? Wahrscheinlich nicht… was sollte es den auch kümmern, wenn er noch nie etwas für Ran empfunden hatte? Er schnaubte, während der Lift auf seiner Etage hielt. Was für ein Bastard… er würde versuchen, das wieder gut zu machen, indem er Ran so behandelte, wie es dieser verdiente: dass man ihm jeden Wunsch von den Augen ablas. Hoffentlich gelang Youji das… doch er würde alles versuchen, um diese Beziehung einen Erfolg werden zu lassen. Youji lief den Gang entlang, bis zum Zimmer mit der 507, dessen Tür er aufschloss und seine Suite betrat. Jedoch blieb er dort nicht stehen, sondern lief einfach weiter durch sein Wohnzimmer, direkt auf eine Tür in der Mitte der Wand zu. Diese öffnete er und betrat somit das Zimmer eines Freundes und Managers Kim, welchem er noch Bericht erstatten wollte, bevor er schlafen ging. Der ältere Mann sah von seinem Buch auf, das er gerade auf der Couch seines Wohnzimmers gelesen hatte, als Youji durch die Tür trat und lächelte diesen dann an. „Hey, Champ. Na, wie wars?“ Youji grinste und ließ sich dann in den Sessel neben Kims Couch fallen, streckte die Beine von sich, bevor er die Frage des anderen beantwortete. „Gut wars. Wir waren Essen, danach im Kino und zum Abschluss noch was trinken. Wir haben uns gut amüsiert und den halben Abend über nur geredet…“ Seine Miene verdunkelte sich, als er den nächsten Satz sagte. „Alles war gut, bis ich ihn gefragt habe, ob ich noch ein bisschen mit in seine Wohnung kommen darf… er hat das völlig falsch verstanden, hat gedacht, dass ich mit ihm schlafen will… wie absurd, einen Tag zusammen und dann sowas…“ Kim runzelte leicht die Stirn, während er sein Buch auf den kleinen Beistelltisch neben der Couch legte. „Also, wenn mich das jemand fragen würde, würde ich das genauso verstehen… das ist doch eine bekannte Anspielung darauf. Wieso, wie hast du es denn gemeint?“ Youji sah Kim entgeistert an, bevor er sich in seinem Sessel aufsetzte. „Na, ich wollte eigentlich seine Wohnung sehen… ganz harmlos, keine Hintergedanken…“ Als er Kims ungläubige Miene und dessen hochgezogene Augenbrauen sah, verschränkte er die Arme vor der Brust und sah seinen Freund etwas pikiert an. „Was denn? Ich wollte wirklich nur kurz mit hoch, kucken, wie er wohnt. Und er muss es gleich so falsch verstehen… dabei habe ich ihm doch gestern schon gesagt, dass ich *ihn* liebe, nicht seinen Körper will… jedenfalls nicht an erster Stelle. Und ich habe es ihm auch vorhin noch einmal gesagt, was ich bei ihm oben will, und trotzdem hat er sich so komisch verhalten…“ Das schien Kims Aufmerksamkeit zu erregen, denn der Dunkelhaarige sah ihn fragend an. „In wiefern, komisch verhalten? Was hat er denn gemacht?“ Youji seufzte leise, als er die Frage hörte, bevor er abwesend begann mit seinen Fingern auf seinen einen Oberschenkel zu tappen. „Seit dem Zeitpunkt, als wir dieses Haus betreten haben, hat er mich nicht an sich ran gelassen. Ich durfte ihn nicht anfassen, noch nicht einmal in seine Nähe. Er ist immer wieder vor mir weggelaufen oder ist vor mir zurückgezuckt, es war wirklich komisch… so hatte ich ihn noch nie vorher erlebt.“ Kim runzelte die Stirn, als er das hörte, und sah Youji verwirrt an. „Wieso das denn? Er hatte doch gar keinen Grund dazu, sich so aufzuführen…“ Der Blonde erkannte seine eigenen Gedankengänge in denen seines Freunds, genau das hatte er vorhin auch gedacht… es hatte ihn doch ziemlich vor den Kopf gestoßen, wie Ran sich verhalten hatte… Er hob seine Hand und begann nachdenklich eine seiner Haarsträhnen um seinen Zeigefinger zu drehen. „Das habe ich auch gedacht… ich hab das Spielchen eine Weile mitgemacht, aber als er immer weitergemacht hat und es immer schlimmer wurde, habe ich ihn dann gefragt.“ Er hätte sich innerlich verfluchen können, dafür, dass er so ausgerastet war… er hatte Ran damit offensichtlich Angst gemacht, so, wie dieser sich verhalten hatte… genau, darüber musste er auch noch mit Kim reden… „Und er hat es mir nach einigem Zögern dann erzählt. Was in seiner Vergangenheit passiert ist.“ Das brachte Kim dazu, seine dunklen Augenbrauen anzuheben und Youji aus klaren, blauen Augen fragend anzusehen. „Ja? Das wolltest du doch schon länger wissen, aber er hat nie was gesagt…“ Youji nickte leicht und schlug dann seine Beine übereinander. „Genau… jetzt weiß ich alles. Na ja, zumindest einiges, was sein Verhalten verständlicher macht. Ich hatte Recht, Kim, er ist tatsächlich mal verletzt worden, und das ist noch gar nicht so lange her. Er hatte bis vor ein paar Wochen einen Freund, über zwei Jahre hinweg, und hat ihn mit einem anderen erwischt… dieser Typ hat ihn ständig betrogen, hat ihn nie wirklich geliebt… er ist der Chef dieses Verlages, in dem Ran arbeitet. Meiner Meinung nach wollte er Ran nur, weil dieser seine Arbeit so gut macht… dieser Arsch. Er hat ihn nur ausgenutzt…“ Er hielt einen Moment inne, spürte die Wut auf diesen rücksichtslosen, karrieregeilen Bastard noch einmal hoch kochen. Wie hatte der seinem Ran nur sowas antun können? „Was für ein Mistkerl… aber was hat das jetzt mit seinem komischen Verhalten zu tun?“ Kim holte ihn aus seinen Gedanken zurück, als er die Frage stellte, und Youji musste erst einmal einen Moment überlegen, um sich daran zu erinnern, was er nun schon erzählt hatte und was nicht. Doch dann fand er seinen Faden wieder und antwortete seinem Freund. „Ach ja. Dieser Hundesohn hat Ran nach gerade mal einer Woche eiskalt verführt und diesen damit an sich gebunden. Und das hat er gemacht, indem er sich von Ran mit auf dessen Wohnung hat nehmen lassen. Verstehst du? Da musste bei ihm ja was klingeln… er hat gedacht, ich wollte dasselbe machen wie dieser Crawford. Deshalb hat er mich nicht in seine Nähe gelassen, er wollte mir keine Chance geben. Er hat die ganze Sache noch einmal durchlebt, und das hat ihn sich so komisch verhalten lassen. Das ist ihm damals verdammt nahe gegangen, die ganze Sache… ich denke mal, dass er auch mit deshalb so schüchtern und zurückgezogen ist, weil dieses Arsch ihm das angetan hat…“ Er tappte weiter mit seinen Fingern auf sein Bein, blickte betrübt darauf, ohne seine Hand wirklich zu sehen. In Gedanken war er immernoch bei seinem neuen Freund… Ran würde jetzt bestimmt schon schlafen… allein, in seinem Bett. Youji konnte sich vorstellen, dass auch das nicht einfach für Ran war, wieder allein zu sein. Er wusste zwar nicht, ob sein Geliebter mit Crawford zusammengewohnt hatte, doch er glaubte es eher nicht. Dann wäre diese Aktion viel eher aufgeflogen… aber zusammen in diesem Bett hatten sie bestimmt schon geschlafen… vielleicht auch öfters… dann musste es hart für seinen sensiblen Freund sein, dort wieder allein schlafen zu müssen… Youji würde gerne bei Ran schlafen, einfach nur so. Man musste ja nicht gleich miteinander schlafen, das wollte Youji nach heute erst Recht nicht mehr. Er wollte Ran so behandeln, wie dieser es verdiente, und nicht wie einen ausgedehnten One-Night-Stand. Nein, er würde bei Ran schlafen wollen, damit sie beide nicht allein waren. Er würde seinen Freund im Arm und warm halten, mit ihm kuscheln, mehr wollte er gar nicht. Er würde aber lieber noch ein bisschen Zeit verstreichen lassen und Ran dann fragen… „Das ist möglich… jedenfalls finde ich das eine Sauerei, was dieser Typ da abgezogen hat. Also, diesen Crawford meine ich.“ Der Blonde merkte auf, als er die verärgerte Stimme seines Freundes hörte blickte zu Kim hinüber, dessen Miene er überraschenderweise recht düster und ebenfalls verärgert vorfand. Schien, als schien Kim das Verhalten dieses Idioten Crawfords auch ziemlich zuwider… na ja, Kunststück, bei der Sache. Dieser Bastard hatte Schuld an so vielen Sachen… unter anderem an Rans Schüchternheit und Misstrauen, wenn man ihn mit einer ungewohnten oder ungewöhnlichen Situation konfrontierte. Der Rotschopf vertraute zwar recht schnell, zumindest bei belangloseren Sachen, doch um sein Vertrauen richtig und unerschütterlich zu gewinnen brauchte es schon einiges mehr. Youji musste eingestehen, dass Ran ihm immernoch nicht ganz vertraute. Vielleicht nach heute schon mehr, doch völlig war er davon noch nicht überzeugt. Aber er nahm es Ran auch nicht übel, dass dieser so vorsichtig war, bei all dem, was sein Kleines schon hatte durchmachen müssen… Youji nickte zustimmend und verschränkte dann seine Arme wieder vor der Brust. „Das ist allerdings eine Sauerei. Dieses Arschloch…“ Er musste schlucken, als er an die Szene in der Küche dachte. Als Ran so angsterfüllt vor ihm zurückgewichen war… sein ganzes Verhalten da hatte Youjis Alarmglocken schrillen lassen. Seine ganze Körpersprache, seine Worte… Gott, was hatte dieser Mann nur mit Ran gemacht? Youji blickte Kim wieder an, Traurigkeit füllte seine grünen Augen. „Kim?“ Der Dunkelhaarige sah zu ihm und setzte sich dann auf seinem Sofa auf. „Ja?“ Der Jüngere zog die Augenbrauen leicht zusammen, als er darüber nachdachte, wie er seine Gedanken am besten in Worte fassen sollte. „Ich… ich habe das Gefühl, dass dieser Crawford… ihm nicht nur seelisch wehgetan hat…“ Sein Freund blinzelte, doch dann weiteten sich seine Augen und er fluchte leise. „Verdammt… was hat er ihm angetan?“ Youji zuckte ein wenig hilflos mit den Schultern, bevor er dem Älteren antwortete. „Ich weiß nichts genaues, und Ran hat auch nichts dergleichen erwähnt… doch ich hatte das Gefühl, dass er ein paar Mal richtige Angst vor mit gehabt hat… vor allem, als ich verärgert war. Er ist vor meinen Händen zurückgezuckt und hat die Augen zusammengekniffen… als hätte er Angst, dass ich ihn schlagen würde.“ Die Gedanken waren ihm vorhin schon einmal durch den Kopf gegangen, als er es gerade gesehen hatte. Ran verhielt sich wirklich so… Kim starrte ihn an, bevor er verständnislos den Kopf schüttelte. „Wie kann man sowas nur machen? Was muss das für ein egozentrischer, brutaler Bastard sein? Aber, auf der anderen Seite, ich an Rans Stelle wäre dann keine Sekunde mehr länger bei diesem Arsch geblieben, wenn der mich geschlagen hätte…“ Dem musste Youji zustimmen. „Das ist wahr… und Ran ist ja nicht blöd.“ Aber wie sollte es sonst gewesen sein? Er war sich sicher, dass er sich das nicht eingebildet hatte, und es musste ja einen Grund haben, dass sich Ran so seltsam verhielt. Doch was anderes fiel ihm auch nicht ein… „Na ja… vielleicht hat ihn seine Liebe ja so blind gemacht, dass er dafür auch das ertragen hat.“ Das versetzte Youji einen Stich ins Herz. Er vorhin tausend Tode gestorben, als er auf Rans Antwort auf die Frage gewartet hatte, ob dieser Crawford immernoch liebte. Und war dann sehr erleichtert gewesen, als die Antwort nein gewesen war. Doch trotzdem hing Ran noch an diesem Arschloch, egal, wie mies er ihn behandelt hatte. „Hm… aber ich denke, das hätte er dann gesagt. Er hat so viele negative Dinge erzählt, da wäre das nun auch schon egal gewesen.“ Ob nun ein paar Schläge mehr oder weniger, wovon Youji dann wüsste, wäre doch nun wirklich egal gewesen, bei der Masse an Scheiße, die Crawford gebaut hatte… Kim sah ein wenig nachdenklich auf den Umschlag seines Buches, bevor er wieder zu Youji aufblickte, ein konzentrierter Ausdruck auf seinem Gesicht. „Und was ist… wenn er die Schläge von früher kennt? Du hast mir mal gesagt, dass seine Eltern gestorben sind, als er noch ein Kind war… aber hat er dir auch erzählt, was dann passiert ist? Wo er danach untergekommen ist?“ Daraufhin musste Youji blinzeln. Nein… das hatte Ran ihm nicht erzählt… fast ein wenig erschrocken musste er feststellen, dass er sich darüber bis jetzt auch noch keinerlei Gedanken gemacht hatte. Es war ihm noch nie in den Sinn gekommen, dass sein Freund nach dem Tod seiner Eltern irgendwo hatte wohnen müssen… im Nachhinein kam ihm das so dämlich vor… natürlich hatte Ran von jemandem aufgenommen werden müssen nach dem Unfall. Doch wer war das gewesen? Der Blonde zog seine Brauen zusammen, als er das dachte. Ja, Kim könnte wirklich recht haben… vielleicht hatte dieser jemand, der Ran aufgenommen hatte, den Rotschopf misshandelt? Youji blickte Kim an und schüttelte dann den Kopf, senkte dabei den Blick. „Nein… das hat er mir nicht erzählt.“ Aber wer schlug denn ein Kind? Und vor allem, ein so liebes und zurückhaltendes wie Ran? Das wollte Youji absolut nicht in den Kopf… der Rotschopf war einfach niemand, dem Gewalt angetan werden sollte, er hatte das nicht verdient. So ein sanftes Wesen wie Ran, der keiner Fliege etwas zu leide tun zu können schien… wieso tat man diesem so weh? Und überhaupt, wieso hatte ein Schläger überhaupt das Sorgenrecht für den Jungen bekommen? Das konnte man doch nicht einfach machen, ein unschuldiges Kind einfach irgendjemandem geben, der sonst was damit anstellte! „Hm… dann könnte es das sein. Vielleicht ist er von seinem Vormund misshandelt worden… du hast mir auch gesagt, dass er früh von zu Hause ausgezogen ist, um studieren zu gehen. Vielleicht ist er da so schnell weg, weil er da unbedingt raus wollte?“ Youji erinnerte sich noch an das Gespräch, als er diese Information aus Ran herausgekitzelt hatte. Es war einer seiner wenigen Versuche gewesen, etwas über Rans Vergangenheit herauszufinden. Er hatte es so selten versucht, weil Ran das scheinbar unangenehm gewesen war, nicht, weil es den Schriftsteller nicht interessierte. Es interessierte ihn brennend, und jetzt erst recht. Doch damals war der Rotschopf immer schweigsamer geworden und hatte sich verspannt, wenn Youji seine Eltern oder überhaupt seine Vergangenheit angesprochen hatte… Jetzt kam ihm das so klar vor. Wenn das, was Kim sagte, stimmte, dann war Rans Verhalten ganz logisch gewesen… damals hatte er einfach nur gedacht, dass dem Rotschopf das Thema unangenehm war, und hatte es deshalb schnell gewechselt. Der Blonde sah Kim an und nickte dann nachdenklich. „Das… könnte sein. Aber wer hat das bloß getan?“ Er wollte das wirklich wissen… damit er diesem jemand mal gehörig die Meinung sagen konnte. Kindesmisshandlung war immerhin strafbar und er wollte nicht, dass dieser jemand ungestraft davonkam. Nein, das sollte er bereuen… niemand tat seinem Geliebten weh, wenn er es verhindern konnte. Und Ran litt anscheinend immernoch darunter… „Keine Ahnung, Youji. Aber, wenn du willst, lasse ich mal ein bisschen recherchieren. Wenn da was gewesen ist, kriege ich das raus.“ Das ließ Youji aufblicken. Er kannte diesen Ausdruck auf dem Gesicht seines Managers, kühl und aufmerksam. Ja, das würde Kim. Der Blonde konnte nur erahnen, wohin der Ältere alles Kontakte hatte, doch wenn er etwas unbedingt wissen wollte, bekam Kim diese Informationen immer. Eigentlich Youji wollte auch gar nicht wissen, wie sein Freund zu dem gewünschten Ergebnis gelangte, aber Kim bekam, was er wollte, und das in recht kurzer Zeit. Dennoch schüttelte der Jüngere den Kopf, während er sich vom Sofa erhob und Kim dann anblickte, ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. „Das ist lieb gemeint, Kim, aber nein, danke. Ich möchte das selbst von ihm erfahren. Ihm nachzuspionieren wäre gemein… wenn er es mir sagen möchte, wird er es irgendwann tun. Ich will ihn nicht hintergehen, das ist seine Privatsphäre. Es einfach durch irgendwelche Computer oder sonst was zu erfahren, ist nicht richtig. Ich möchte, dass er es mir erzählt, von sich aus. Ich will nichts wissen, das durch die Medien oder sonst was dramatisiert oder geschönt wird. Ich möchte die Wahrheit kennen, und das nur, weil er mir vertraut und es mir erzählt.“ Sein älterer Freund zog überrascht seine Augenbrauen hoch, was Youji verstehen konnte. Denn sonst war es ihm immer egal gewesen, mit wem er es in seinen One-Night-Stands zu tun gehabt hatte, Hauptsache, er hatte Spaß mit der Person haben können. Damals hatte er Kim auf dessen Drängen hin erlaubt, alle Leute zu überprüfen, ob sie nicht doch irgendwas vorhatten, ob diese irgendwelchen Dreck am Stecken hatten, weil es ihm einfach völlig egal gewesen war. Doch das war es ihm bei Ran eben nicht. Er liebte den Rotschopf und wollte deshalb viel über diesen wissen, aber nur, indem Ran selbst den Mund aufmachte und mit ihm sprach. Alles andere käme ihm hinterhältig und unfair vor. Kim sah ihn noch einige Momente an, schien darauf zu warten, ob Youji es sich noch einmal anders überlegen würde, doch dann lächelte er und legte sich auf seinem Sofa wieder auf die Seite, seinen Kopf in eine Hand gestützt. „Okay, wie du möchtest.“ Er streckte sich kurz und fuhr dabei fort. „Und was macht ihr morgen, wenn ich fragen darf?“ Youji grinste und steckte seine Hände dann in die Taschen seiner Jacke. „Wir essen bei ihm zu Hause, er will was für uns kochen, und danach unternehmen wir was miteinander. Ich hab ihm eine Überraschung versprochen…“ Kim legte den Kopf schief und sah ihn fragend an, während er nach seinem Buch griff. „Und was?“ Youji grinste, als er die Frage hörte, und hob dann eine Hand, um seine Haare aus dem lockeren Pferdeschwanz zu lösen, in dem er sie den Tag über zurückgebunden hatte. „Er hat mir irgendwann mal gesagt, dass er Tiere unheimlich gerne mag, und zwar besonders Wildkatzen. Er fand sie schon immer Furcht einflößend, aber sehr ästhetisch und faszinierend. Und deshalb werde ich ihn in den neuen Katzenpark einladen. In dem war er nämlich noch nicht, hat er gesagt. Ich denke, das wird ihm gefallen.“ Kim schien über seine Idee einen Moment lang nachzudenken, doch dann grinste er ebenfalls. „Na, wenn’s Spaß macht… ich mag keine Viecher, also wäre das das falsche Date für mich, aber wenn ihm das gefällt, ist es bestimmt okay. Wichtig ist ja wohl sowieso nur, dass ihr was zusammen macht, und was, ist schon fast zweitrangig, oder?“ Daraufhin musste Youji lachen. Irgendwo stimmte es ja schon… er glaubte nicht, dass er sich mit Ran langweilen würde, egal, was sie taten. Aber es war trotzdem schöner, was richtiges zusammen zu unternehmen, als nur zu Hause vor dem Fernseher zu vergammeln. Zumal er nicht wusste, ob Ran ihn jetzt mit besserem Gefühl im Bauch in seine Wohnung ließ… und noch einmal Zeit mit einem so nervösen und misstrauischen Ran wollte er dann auch nicht verbringen. Gott, er hatte sich so unheimlich hilflos gefühlt vorhin… den Rotschopf nicht berühren zu können, ihn so gestresst und angsterfüllt sehen zu müssen, das war schrecklich für Youji gewesen. „Irgendwie schon… aber trotzdem wird das interessant. Und wenn er sich darüber freut, ist es doch prima.“ Jetzt war es an Kim, zu lachen. Seine Augen blitzten Youji vergnügt an, während er sprach. „Dich hat’s wirklich erwischt, was? Mann mann, deine festen Partner dürften eigentlich wirklich keinen Grund haben sich zu beklagen…“ Youji grinste und zuckte dann mit den Schultern. „Na ja, man tut, was man kann, ne? Und ja, es hat mich wirklich erwischt. Ich war noch nie so verliebt…“ Bei Asuka auch nicht… da war er schon bis über beide Ohren in die kesse Frau verliebt gewesen, doch seine Gefühle für Ran waren noch stärker. Vielleicht, weil dieser ihm das Gefühl gab, dass er ihn wirklich brauchte, dass Youji den Rotschopf beschützen konnte. Das ging bei Asuka nicht, diese war unabhängig und eigenwillig gewesen, hatte immer frei gesagt, was sie wollte… sie hatte einfach nicht so gewirkt, als hätte sie Youjis Schutz nötig. Deshalb hatte der Blonde auch gar nicht lange versucht, ihr das aufzuzwingen… was für ein Fehler. Auch Asuka hatte beschützt werden müssen, und weil Youji das nicht getan hatte, war sie nicht mehr da… Es versetzte seinem Herz einen Stich, als er daran dachte, wie es ihn wie ein Schlag ins Gesicht getroffen hatte, als man ihm mitgeteilt hatte, dass seine Freundin tot war. Damals hatte er so gelitten… „Youji?“ Der Blonde fuhr aus seinen Gedanken auf, als er Kims Stimme hörte, und blickte zu dem älteren Mann hinüber, welcher ihn mit besorgten Augen musterte. „Hey, alles klar?“ Der Blonde verdrängte hastig die Gedanken an Asuka und lächelte seinen Freund dann an, bevor er sich mit einer leicht fahrigen Geste durch die Haare fuhr. „Ja. Sorry, Kim, ich war nur in Gedanken.“ Was ja nicht gelogen war… nur musste Kim ja nicht unbedingt wissen, worüber er nachgedacht hatte. Wobei der Dunkelhaarige es sich wahrscheinlich sowieso erschließen konnte… Youji wusste, dass Kim sich wegen der Sache mir Asuka immernoch Sorgen um ihn machte, und das wollte er eigentlich nicht. Er hatte akzeptiert, dass sie tot war… überwunden vielleicht noch nicht, aber er hatte es zumindest angenommen, sodass sich Kim wirklich nicht deswegen um ihn sorgen musste. Er würde schon nicht auf dumme Gedanken kommen… jetzt sowieso nicht mehr, wo er doch jemanden hatte, der ihn glücklich machte. Bei diesem Gedanken festigte sich sein Lächeln. Ja, er hatte jetzt Ran… und diesen würde er nicht verlieren, dafür würde er sorgen. „Okay.“ Kim blickte ihn noch einen Moment lang besorgt an, doch dann verwandelte sich sein Ausdruck in ein Lächeln. „Ich hoffe, euer Ausflug morgen wird ein Erfolg.“ Der Blonde grinste und nickte dann, bevor er einen Schritt zurück, in Richtung Tür trat. „Das hoffe ich auch. Dann mal gute Nacht, Kim, wir sehen uns morgen.“ „Gute Nacht, Youji.“ Der Jüngere winkte seinem Freund noch einmal zu, bevor er sich umwandte und in sein eigenes Zimmer zurückging, die Tür hinter sich schloss. Er lächelte und lehnte sich für einen Moment dagegen. Das würde morgen bestimmt schön werden. Erst Essen bei Ran und dann mit diesem den Tag verbringen… er war ja mal gespannt, wie der Rotschopf kochte… Mit diesem Gedanken stieß sich der Blonde von der Tür ab und ging in Richtung Badezimmer, um sich für die Nacht fertigzumachen. ~*~*~*~*~* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)