Brennendes Wasser von Sennyo (Engel der vergessenen Zeit) ================================================================================ Kapitel 15: Engel der vergessenen Zeit - 15 ------------------------------------------- Wutentbrannt blickte Xilia ihn an, verfluchte ihn tausendfach. Ihr Hass auf ihn war grenzenlos. Damals war sie ihm unterlegen, doch niemals wieder sollte sie jemand so demütigen. Trotz seiner Warnung trat sie dichter an ihn heran, unzählige Lichtfäden in ihren Händen bewiesen, dass sie es ernst meinte. Lenya sah sie an, lächelte. Auf keinen Fall sollte eine der zwei anderen Rücksicht auf sie nehmen, sich ihretwegen zurückhalten. Die Göttin verstand ihre Geste, lächelte ebenfalls. Allerdings, und das wiederum war für Lenya nicht klar zu deuten, schüttelte sie fast unmerklich den Kopf. Ihre blauen Augen ruhten mit einer solchen Intensität auf dem scheinbar hilflosen Mädchen, dass der Moment sich in einer anderen Situation sicher für immer ins Gedächtnis gebrannt hätte. So jedoch verstrich er, ohne dass etwas geschah. Dann ganz plötzlich löste er den Klammergriff um Lenyas Hals, tiefe Schnitte wurden darauf sichtbar, Schnitte, die sich blutverschmiert über ihre Haut legten und den Eindruck eines langen Kampfes erweckten. Lydia stockte der Atem, Lenya blieb völlig ruhig, ganz so als hätte sie mit all dem nicht das geringste zu tun. Einzigst Xilia offenbarte sich der Augenblick in seiner ganzen grotesken Weise. Noch immer hielt er Lenyas Flügel fest zusammen, und nahm ihr so die Möglichkeit, sich zu verteidigen. „Und?“, fragte er unterdessen, sah Lydia grausam lachend an, „Wie gefällt es dir, deine Schwester so zu sehen? Zu sehen, wie sie leidet?!“ Mit geschickten Fingern griff er in Lenyas Haar, riss ihren Kopf zurück, hielt sie so fest. Mit der anderen Hand begann er Feder für Feder aus den Flügel zu zupfen. „Was ist das für ein Gefühlt, wenn die eigene Schwester sich vor Schmerzen windet und du zum Zusehen verdammt bist? Versuch doch, ihr zu helfen!“, es war völlig klar, dass er sie verhöhnte, jedoch war Lenya alles andere als dabei sich unter seinen Griffen zu winden, „Oder hast du Angst, dass sie deinetwegen noch mehr leiden muss?“ Er kannte Lydias schwachen Punkt, auch ihre Engelsgestalt hatte ihr nicht das Selbstbewusstsein wiedergegeben, das nötig gewesen wäre um ihm ins Gesicht zu lachen. Stattdessen starrte sie ihn ausdruckslos und entsetzt an, konnte den Blick nicht von seinen Händen lassen, seinen kalten und grausamen Händen, die sich nun an Lenya vergriffen. Diese zeigte keinerlei Schwäche, was auch immer er tat, schien sie nicht zu interessieren. Wieder richtete sie ihren Blick auf die Nixe, ausdruckslos und vielsagend zugleich. Xilia nahm die Gelegenheit beim Schopfe, richtete sich auf und schleuderte die Lichtfäden, die sie in den Händen gehabt hatte, auf den Mann und somit auch auf Lenya zu. Wie Fesseln legten sie sich um die Beiden, schnürten sie eng aneinander. Die Fäden schienen kein Ende zu nehmen, wurden breiter, wurden fester. Ausgehend von Xilia drangen sie von allen Seiten auf sie ein. Es war zu schnell gegangen für ihn, jede Reaktion war sofort im Keim erstickt worden. Lenya jedoch lachte. Es war die erste Emotion, die Xilia und Lydia überhaupt von ihr wahrnahmen. Sie hatte ihr Schweigen gebrochen und lachte lauthals. Er verstand es nicht, Lydia ebenso wenig. Für sie machte das alles keinen Sinn, irgendetwas musste geschehen sein, so kannte sie ihre Schwester nicht. Es machte ihr Angst, sie so zu sehen. Es machte ihr Angst, dass Xilia einfach angegriffen hatte, obwohl Lenya dabei hätte verletzt werden können. Sie selbst hatte soviel Zeit in dem Wasser verbracht, dass es ihre Schmerzen linderte. Doch mit Grauen erinnerte sie sich auch an das furchtbare Brennen, das es auf ihrem Körper zuvor ausgelöst und sie fast um den Verstand gebracht hatte. Woher sollte sie wissen, wie Lenya auf das ungewohnte Element reagierte? Doch Xilia hatte angegriffen und ihre Schwester lachte. „Lydia!“, rief Lenya schließlich auffordernd, „Nun mach schon! Hör auf, dich noch weiter zurückzuhalten!“ Sie sollte angreifen, sollte kämpfen? Es war ein so hohes Risiko damit verbunden, nun da ihre Schwester an den verhassten Mann und Ziehvater gefesselt war. „Vergiss es, Kleine! Sie wird es niemals wagen, dich zu verletzen!“ Er konzentrierte sich auf die Fesseln und riss sie entzwei, ohne jedoch lange Erfolg zu haben, da sich sofort neue bildeten, und auch ohne von Lenya abzulassen. Als Schild gegen direkte Angriffe, diente sie sehr zuverlässig. Das Wasser schwappte wellenförmig im Turmzimmer umher, gefährlich anzusehen, wie ein schwerer Sturm auf dem weiten Ozean. Die Schaumkronen wirkten wie tausend Messer, die auf einen einprasselten, verletzten ihn und Lenya, die nicht ausweichen konnte. Lydia wusste, dass sie etwas tun musste, wusste aber nicht so recht was, da jeder Angriff Lenya hätte umbringen können. Niemals hatte sie geahnt, dass ausgerechnet sie es sein würden, die sich ihm entgegen stellen müssten, niemals hätte sie Lenya die Aufgabe übergeben, hätte sie all dies gewusst. Doch die Heilige Flamme, die ihre Wahl getroffen hatte, hatte Lenya für würdig empfunden, das Feuer zu hüten. Sie konnte sich nicht täuschen. Verzweifelt sah Lydia ihrer Schwester ins Gesicht, beobachtete sie und verstand dennoch nicht, weshalb sie lachte. Ihre Situation war niemals schlimmer und aussichtsloser gewesen. Und Lenya lachte. Schließlich sah sie die beiden Frauen an, den Blick erschreckend kalt und unberührt. „Lydia“, wiederholte sie, „Tu, was du tun musst! Wir sind an ein Gelübde gebunden, vergiss das nicht!“ Die Lichtfesseln zogen sich immer enger, raubten ihr fast die Luft zum Atmen. Das Wasser schien alles zu kontrollieren und Xilia kontrollierte das Wasser. Dennoch, die Fesseln und das Wasser reichten nicht aus, einen Feind wie den Teufel zu besiegen. Ein schwerer Zauber lag im Raum, den zweifelsfrei er gesprochen hatte. Langsam aber sicher wurde das Wasser zurückgedrückt, die Schaumkronen schienen ihn zu verfehlen. „Wir müssen handeln, und zwar jetzt!“, forderte Lenya erneut, in der Hoffnung, die andere Wächterin irgendwie dazu zu animieren, aus ihrer Starre zu erwachen und etwas zu tun, „Und wenn du nichts unternimmst, dann werde ich es tun!“ Sie klang noch immer nicht vorwurfsvoll, sondern rein wie ein Engel, vor dem man sich ehrfürchtig verneigte. Lydia kämpfte mit ihrer Angst, als sie ihrer Schwester weiter zusah. „Du willst doch die Macht, die ich vor dir verberge, nicht wahr?“ Herausfordernd setzte sie genau an dem Punkt an, an dem er zum Reagieren gezwungen war. Er grunzte leicht, verzog das Gesicht. „Ich werde sie dir zeigen! Doch du wirst sie niemals bekommen!“ Ein letztes Mal seufzte sie, Lydias entsetzten Aufschrei ignorierend, rief sie die Magie der Flammen und breitete die Flügel aus, als wären die Fessel darum gar nicht existent. Hochkonzentriert hielt Lenya das Feuer unter Kontrolle, es pulsierte in jeder Faser ihres Körpers. Die Macht, die sie entfesselt hatte, konnte niemand lange beherrschen. „Das Wasser“, sie sah Xilia dankend an, „Es soll brennen!“ Sofort sprangen Funken über, entzündeten die Schaumkronen, entzündeten die Lichtfäden, die die Göttin sofort fallen ließ, damit sie sie nicht verbrannten. Lenya schrie hoch und spitz auf, als all der Zauber, all die Flammen ihrem Körper entkamen, wirkte ernst und plötzlich tieftraurig. „Lydia“, flüsterte sie kaum hörbar, „Lydia, ich habe es in den Flammen gesehen..“ Eine einzige stumme Träne lief ihre Wange herab. „Lydia.. ich liebe dich, Schwester..“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)