Im Schatten der Steine von Akanishi (Die Reise in eine neue Welt könnte dich von Grund auf verändern...) ================================================================================ Kapitel 1: Dämmerlicht ---------------------- --- So oft zerreißt die Nacht den Schleier meiner Welt, ich spür so oft wie meine Wirklichkeit in sich zerfällt. Ich sehe Wellen, die hoch in den Himmel ragen, sie werden mich in neue Erfahrungen tragen. --- Es war ein warmer, sonniger Frühlingstag. Zart öffneten sich die ersten Blüten den Strahlen der Sonne. Eine leichte Brise, die in der Hitze des Tages eine wohltuende Erfrischung bot. Entlang des azurblauen Himmels erstreckte sich eine Bergkette, deren höchste Hügel sich in den weißen Wolken verloren. Es war ein wundervoller Anblick, der sich einem bot, wenn man auf dem Plateau der Ruine gegenüber diesen Bergen stand. Brianna lehnte am Rest einer zerfallenen Burgmauer. Ihre Augen waren leicht geschlossen. Nur umrisshaft konnte sie noch die zerfallene Burg sehen. Es waren nur Reste, die erahnen ließen, wie prächtig diese Burg einmal gewesen sein musste. Doch Brianna erfüllte diesen Anblick mit neuem Leben. Hinter ihren Lidern entstand das Bild der Burg aus einstigen prunkvollen Tagen. Mauern streckten sich in den Himmel. Hinter ovalen, kunstvoll verzierten Fenstern spielten Kerzenlichter mit den Schatten an der Wand. Brianna hörte die Trompeten so klar und deutlich, als würde sie direkt daneben stehen. Ihre Fantasie trug sie weit fort. In eine Welt voll Mythen und Legenden. In ihre Träumereien versunken merkte sie nicht einmal, wie sich ihre Freundinnen näherten. Fluchend stolperte Yvonne den steinigen Pfad zum Plateau hinauf. Immer wieder knickte sie um oder fiel über kleine Kieselsteine. Bei einem kurzen Blick zu Sophie, die leichtfüßig und elegant fast über den Boden zu schweben schien, wurde sie noch wütender. Sie gab ein kurzes unwilliges Schnauben von sich, was ihr die Aufmerksam ihrer Begleiterin einbrachte. Diese drehte sich zu ihr um und blieb augenblicklich stehen, als sie das Elend den Berg hinaufhumpeln sah. Sie streckte ihr die Hand entgegen, doch Yvonne ging stolz mit erhobenem Kopf daran vorbei. „Du hättest ruhig ein paar Worte über diesen unmöglichen Weg verlieren können! Hier kann man keine zwei Schritte gehen ohne hundert Mal zu stolpern!“, schimpfte Yvonne, als sie oben bei Brianna angekommen war. Aus ihren Gedanken aufgeschreckt, starrte die Träumerin sie verwirrt an. Seufzend schüttelte sie den Kopf, als sie Yvonnes Pumps sah. Sophie zuckte nur mit den Schultern. „Das hättest du wissen müssen… Wir haben schließlich davon gesprochen, den Berg hinauf zu gehen.“, erinnerte Sophie ihre Freundin. „Zieh doch die Schuhe aus. So wie ich.“, schlug Brianna vor, doch dafür erntete sie nur einen verächtlichen Blick. „Bist du verrückt! Ich laufe in diesem Dreck doch nicht barfuss!“ Brianna ließ seufzend ihren Kopf hängen. Sie hatte es Yvonne noch nie recht machen können. „Ich glaube, es wird Zeit. Wir müssen zurück.“, informierte Sophie die beiden anderen, wobei sie auf ihre Uhr deutete. „Die Freistunde ist bald vorbei und der Bus ist auch gleich da.“ „Du hast Recht.“, stimmte Bree ihr zu. „Wie bitte?!“, wetterte Yvonne. „Heißt das, ich bin diesen ganzen Weg umsonst hoch gekraxelt?! Ich habe noch keine fünf Minuten verschnauft!“ Demonstrativ ließ sie sich auf einen Stein sinken und schlug ihre Beine übereinander. „Yve, jetzt spiel nicht die Beleidigte. Wir können doch auch nichts dafür, wenn du für die paar Meter so lange brauchst.“, bemerkte Brianna. Yvonne schnaubte nur entrüstet: „Ich werde keinen Fuß mehr auf diesen vermaledeiten Boden setzen!“ Sophie, die das ganze bis jetzt still beobachtet hatte, ging nun zu Yvonne und kniete sich vor ihr hin. „Dann komm. Ich nehme dich Huckepack, aber lass uns endlich aufbrechen, sonst kommen wir zu spät.“ Yvonne riss vor Staunen die Augen weit auf und auch Brianna war überrascht von ihrer Freundin. Ohne weitere Worte stieg Yvonne auf Sophies Rücken und schlang ihre Arme um deren Hals. So gingen die drei den Bergpfad wieder hinunter. Auf der Hälfte des Weges hatten sie bereits eine gute Sicht auf die Bushaltestelle. So konnten sie sehen, wie der Bus gerade um die Kurve bog. Mit lautem Quietschen kam er an der Haltestelle zum Stehen. Brianna drehte sich zu den beiden anderen um. „Den müssen wir kriegen, sonst verpassen wir die nächste Stunde.“, sagte Sophie mit besorgtem Blick zu ihr. „Ich renne. Vielleicht schaffe ich es noch.“, antwortete Brianna und lief los. Plötzlich spürte sie einen Stein unter ihrer Sohle wegrutschen. Sie geriet ins Straucheln. Vor ihren Augen konnte sie schon den Boden näher kommen sehen. Doch sie konnte gerade noch ihr Gleichgewicht halten und hastete sofort weiter. Als sie unten ankam, fing sie an wie wild mit den Armen zu fuchteln. „Halt! Sie müssen auf uns warten!“, schrie sie. Der Busfahrer schien sie jedoch nicht zu bemerken. Die Türen des Busses wurden in dem Moment geschlossen, als Bree ankam. Laut hämmerte sie gegen die Scheiben. Der Fahrer sah sie einen Augenblick lang an und es sah fast so aus, als würde er die Türen wieder öffnen. Seine Hand griff nach unten, doch plötzlich merkte Bree, dass anstatt, dass die Türen sich öffneten, sich der Bus in Bewegung setzte. Noch einmal klopfte sie verzweifelt gegen die Scheibe, doch der Fahrer zuckte nur mit den Schultern und gab Gas. Bree sank auf die Knie. Sie war maßlos enttäuscht. Einen Herzschlag später kam Sophie mit Yvonne unten an. „Auf dich ist echt kein Verlass! Ich frage mich, wie du es nur…“, begann Yvonne, doch ein scharfer Seitenblick von Sophie brachte sie zum Schweigen. „Ich bin gerannt wie eine Verrückte, fast gestolpert und als ich hier ankam, hat doch dieser Möchtegern von Busfahrer einfach die Türen vor meiner Nase geschlossen und ist abgefahren. Ich habe gegen die Tür gehämmert, doch es hat nichts gebracht. Ich kann nichts dafür, dass der Bus weg ist.“ „Niemand macht dir Vorwürfe, Bree.“, versuchte Sophie sie zu beruhigen. „Nun ist es halt passiert. Daran lässt sich nichts mehr rütteln.“ Brianna stützte sich mit der Hand vom Boden ab und stand auf. „Der nächste Bus kommt erst in einer Stunde. Damit ist die Schule für heute wohl gelaufen.“ Als Brianna am Abend in ihre weichen Kissen fallen konnte, war sie froh, den Tag hinter sich zu haben. Der Bus war weg und so hatten sie beschlossen, nicht mehr zur Schule zu fahren, sondern stattdessen gleich nach Hause zu gehen. So liefen sie den Weg zur Stadt. An der großen Kreuzung trennten sie sich, da jede in eine andere Richtung musste. Zu Hause warteten bereits Briannas Eltern auf sie. Ihr Vater stand in der Tür von der Küche zum Flur mit verschränkten Armen und wütenden Blick, während ihre Mutter in der Küche am Tisch saß und mit ihren Fingern auf die Tischplatte trommelte. „Die Schule hat angerufen, Fräulein!“, begrüßte ihr Vater sie streng. „Es tut mir leid, aber…“, versuchte Brianna sich zu erklären, doch bevor sie ausreden konnte, hatte ihr Vater ihr schon eine schallende Ohrfeige verpasst. Bree fasste sich an die schmerzende Wange. Tränen schossen in ihre Augen. Sie glaubte kurz, Sorge und so etwas wie Reue im Blick ihres Vaters erkennen zu können, doch seine Worte zerstörten diesen Glauben sofort. „Geh auf dein Zimmer! Ich will keinen Mucks mehr von dir hören!“ Seine Stimme war hart und streng, kein Funken von Reue strahlte durch diese Härte hindurch. Bree sah zu ihrer Mutter. Diese saß immer noch am Tisch, die Arme verschränkt und sah sie enttäuscht an. Dieser kalte Blick kränkte Brianna weit mehr als die Ohrfeige ihres Vaters. „Warum tut ihr das?! Es war ein Versehen, aber ihr wollt mich einfach nicht verstehen, oder?!“, schrie sie und rannte nach oben in ihr Zimmer. Sie knallte die Tür so kräftig ins Schloss, dass es einen Rückschlag gab und die Tür sofort wieder aufsprang. Daraufhin knallte sie diese noch einmal, etwas schwächer diesmal, aber immer noch stark genug, um einen Heidenkrach zu verursachen. „Schmeiß die Türen nicht so, Fräulein!!! Das ist nicht dein Haus!!!“ Brianna hörte das Geschrei ihres Vaters, doch sie achtete nicht mehr darauf. Heulend kroch sie unter ihre Bettdecke und nach einer Weile schlief sie ein. Nun lag sie in wach ihrem Bett und stierte zur Decke. Das Windspiel, das am offenen Fenster hang, wurde vom Wind sachte hin und her geschwenkt und spielte eine zarte Melodie, die überaus beruhigend auf Brianna wirkte. Langsam hatte sie wieder Ruhe gefunden. Ein kurzes Schläfchen hatte sie den Streit mit ihren Eltern fast vergessen lassen. Sie verdrängte die letzten Reste dieser Erinnerung, denn im Moment gab es wichtigeres für sie. Sie hatte einen merkwürdigen Traum gehabt und dieser beschäftigte sie nun schon eine ganze Weile. Noch ehe die Mühlen des Alltags sie alles vergessen lassen konnten, ging sie zu ihrem Schreibtisch. Den Stift, der neben einem aufgeschlagen Buch lag, in die Hand nehmend, kramte sie in den Erinnerungen an den Traum und begann zu schreiben: *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* >Wie kann man einen Traum erklären? Die Grenze zwischen Realität und Imagination verschwimmt. Oft bleiben Träume im Verborgenen, sind nur unsere stillen Begleiter. Doch, manchmal, da zeigen sie sich uns. Dann muss man sofort handeln, denn ein Traum ist aus der Erinnerung so schnell entschwunden wie der Nebel von den Feldern zur frühesten Morgenstunde. Mein Tagebuch und mein Stift sind stets in meiner Nähe. Immer bereit, neue Erfahrungen in sich aufzunehmen – Träume und Erlebnisse. Der Stift, geführt von meinen Gedanken, gleitet über das Papier und formt Buchstaben, die sich zu Wörtern und Sätzen reihen. So lange, bis auch der letzte Winkel in meiner Erinnerung erforscht und aufgeschrieben ist. Manchmal sehe ich in meinen Träumen die Zukunft. Manchmal die Vergangenheit. Ich sehe die Zukunft jedoch nicht so wie sie geschieht. Auch sehe ich die Vergangenheit nicht so wie sie war. Ich sehe die Möglichkeiten. Wie könnte es sein, wie hätte es sein können. Mein Leben erscheint in meinen Träumen in einem anderen Licht. Das ist es, was meine Träume für mich so wertvoll macht. Der Grund dafür, dass ich sie zu Papier bringe. Im Moment denke ich an den Traum, den ich noch vor so wenigen Herzschlägen geträumt habe. Es war ein seltsamer Traum, doch irgendetwas in mir schreit danach, ihn aufzuschreiben. Noch verstehe ich ihn nicht, doch seine wahre Bedeutung würde sich mir vielleicht irgendwann erschließen. So fange ich nun an ihn hier aufzuschreiben: „Es war Dämmerung, die Zeit, in welcher der Mond schon silbrig-weiß am Himmel steht, doch die Sonne noch nicht bereit ist, Abschied zu nehmen. Allmählich jedoch ergriffen die Schatten der Nacht Besitz von der Umgebung. Sie hüllten den Wald in eine mir unheimliche Düsternis. Die Bäume fingen an, ihre wahren Gesichter zu zeigen. Verzogene Fratzen, geifernd nach unschuldigen Wanderern in der Nacht. Ich war eine von diesen ahnungslosen Nachtschwärmern und ich fühlte förmlich die spitzen Krallen der ausgestreckten Äste auf meiner Haut. Pure Panik ergriff mich und ich rannte los. Ich lief, ohne Ziel und jegliche Orientierung. Nur weg von diesem Ort. Immer wieder stolperte ich über Wurzeln und schrammte an den Ästen entlang. Die Bäume versuchten mich aufzuhalten. Sie wollten mich nicht gehen lassen. Ich aber gab nicht auf. Immer weiter und immer schneller lief ich. Irgendwann entdeckte ich eine Höhle. Ein grünlicher Lichtschimmer strahlte im Inneren und durchbrach in nebligen Schwaden die Finsternis des Waldes. Nach diesen furcht einflössenden Kreaturen, geboren in der schwarzen Nacht, wollte ich nur noch eins: Licht, auch wenn es mir noch so merkwürdig erscheinen mag. Also ging ich in die Höhle. Das grüne Licht umgab mich und hüllte meinen ganzen Körper in diesen schimmernden Schein. Es fühlte sich warm an, trotzdem sträubten sich mir meine Nackenhaare. Mein Blick war getrübt, nur schwer konnte ich erkennen, dass ich von so etwas wie Steinsäulen umgeben war. Dann kam die Finsternis über mich. Ich wollte schreien, doch mein Schrei verhallte, noch ehe er meinen Mund verließ. Ich schwebte, zumindest glaubte ich das, denn ich sah weder Boden noch Decke. Eine Weile schien ich in diesem schwarzen Nichts gefangen. Ich konnte nichts sehen. Nichts hören. Die Zeit verging. Auf einmal hörte ich doch etwas. Stimmen. Ich hörte ein Lied. Es war wunderschön, so beruhigend. Im Lauschen des Gesanges schloss ich meine Augen. Als ich sie wieder öffnete sah ich Boden unter meinen Füßen. Ich fühlte festen Grund. Das Lied war jetzt nur noch leise im Hintergrund zu vernehmen. ‚Wer bist du? Was willst du hier?’ Ich erschrak. Ich drehte mich im Kreis und suchte nach der Quelle der Worte. Dann fand ich sie. Ich sah ein Mädchen, das am Rand einer großen, gläsernen Platte kniete. Ich sah zu Boden und bemerkte, dass ich mitten auf dieser stand. Nebelschwaden waren darunter zu erkennen, die um eine Kreatur herum kreisten. Ich bekam Angst, als ich das Wesen sah, doch irgendwie fühlte ich mich auch geborgen bei seinem Anblick. Es war ein seltsames Gefühl, schwer zu beschreiben. ‚Wer bist du?’, riss mich erneut die Stimme des Mädchens aus meinen Gedanken. Ich blickte zu ihr. Sie sah mich verwundert, fast erschrocken an. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Meine Knie wurden weich und gaben nach. Ich sackte zusammen. Das Mädchen stand auf und kam auf mich zu. Sie kniete sich zu mir und reichte mir ihre Hand. Zögernd nahm ich sie und ließ mir von ihr aufhelfen. ‚Es… tut… mir leid…’, stammelte ich. Ich war so nervös und aufgeregt. Ich wusste einfach nicht, wie ich mich in der Gegenwart von Fremden verhalten sollte. ‚Es ist okay. Tut mir leid, dass ich dir so einen Schrecken eingejagt habe. Das wollte ich nicht.’ Immer weiter sprach sie auf mich ein und ich fühlte, wie ich langsam anfing, mich zu beruhigen. Meine Hände hörten auf zu zittern und auch mein Herz schlug wieder normal. ‚Ich bin Brianna. Ich weiß nicht, wie ich hierher gekommen bin.’, versuchte ich zu erklären. Das Mädchen lächelte mir aufmunternd zu: ‚Schön dich kennen zu lernen. Ich bin Yuna.’ Auch ich musste nun unwillkürlich lächeln. ‚Wo bin ich hier?’, fragte ich, denn jetzt wo ich ruhiger und gefasster war, wollte ich wissen, wo ich mich befand. ‚In der Kammer der Asthra. Ich bin hier, weil ich ein Medium werden will. Ich habe gebetet, doch plötzlich bist du aus dem Nichts aufgetaucht. Ich war so erschrocken.’, antwortete Yuna wissend, doch mich brachte es nicht weiter. ‚Was ist diese Kammer der Asthra? Ich habe noch nie von einem solchen Ort gehört.’ ‚Einst, wie heute, opferten sich Menschen im Kampf gegen Sin. Die geopferten Seelen wurden zu Asthra, die in der Kammer der Asthra - tief im Tempel - leben. Die Träume der Asthra manifestieren sich zu Bestia, mit deren Hilfe wir nun in den Kampf gegen Sin ziehen.’, erklärte Yuna, doch all diese Worte ergaben für mich keinen Sinn. Ich wusste nichts von Asthra, Bestia oder Sin. Von so etwas hatte ich noch nie etwas gehört. Yuna sah meinen verwirrten Gesichtsausdruck. ‚Dir sagt das alles nichts, oder?’, sprach sie mir mit diesen Worten aus der Seele. Ich nickte. Nachdenklich legte sie den Kopf in den Nacken. ‚Du bist nicht von hier. Ich meine nicht von dieser Welt. Du siehst nicht so aus, als kämst du von hier, weißt du?’ ‚Ich glaube, du hast Recht. Hier erscheint mir alles so fremd, so unwirklich, als wäre all das nur ein Traum.’ ‚Vielleicht träumst du ja.’, stellte Yuna fest. Ich dachte daran, wie ich hierhin gekommen bin. Es war wirklich wie ein Traum. Unwirkliche Gestalten, mysteriös verschlungene Pfade. Alles erschien wie ein Traum. ‚Ich denke schon.’, flüsterte ich zu mir selbst, doch auch Yuna hörte meine Worte. Sie legte mir ihre Hand auf die Schulter und nickte mir zu. ‚Dann brauchst du keine Angst haben. Dir kann nichts passieren. All das ist vorbei, wenn du aufwachst, dann bist du wieder dort, wo du hingehörst.’, redete sie mir zu. Dann nahm sie mich in ihre Arme und drückte mich fest an sich. ‚Danke.’, schluchzte ich, denn nun fühlte ich wie Tränen meine Augen füllten. Ich erwiderte ihre Umarmung. Auf einmal fühlte ich, wie mir Yuna zu entgleiten schien. Sie sackte zu Boden und erst jetzt sah ich die Schweißperlen auf ihrer Stirn. ‚Was ist mit dir?’, fragte ich besorgt. Es war eine dumme Frage, denn ich sah ja, wie erschöpft sie war. ‚Es ist nicht leicht ein Medium zu werden.’ Ich verstand zwar ihre Worte nicht, doch ich nickte zustimmen. Daraufhin lächelte sie: ‚Versuche nicht, es zu verstehen.’ Ich musste kurz lachen. ‚Nein, das tue ich nicht.’ Plötzlich erfüllte der Gesang, der mir so vertraut war und die ganze Zeit nur im Hintergrund zu vernehmen war, laut widerhallend den Raum. ‚Es ist soweit.’, sprach Yuna und versuchte aufzustehen. Ich half ihr dabei und stützte sie, damit sie nicht wieder zusammen sackte. ‚Ich habe so lange auf diesen Moment gewartet. Erfülle mir meine Bitte. Gib mir deine Kraft, damit ich Sin besiegen kann.’ Immer noch hielt ich Yuna fest. Ich konnte spüren, wie ein Zittern ihren Körper durchlief. Dann sah ich, wie eine geistähnliche Gestalt erschien. Wieder fühlte ich mich daran erinnert, dass das alles nur ein Traum war, obwohl er mir gerade noch so wirklich erschienen war. Eine Weile stand sie nur stumm da. Ich wusste nicht wieso, doch plötzlich fühlte ich mich dazu berufen, etwas zu sagen. ‚Tu es! Yuna ist die Richtige! Sie wird Sin mit eurer Hilfe besiegen!’ Die Worte verließen meinen Mund ehe ich sie gedacht hatte, doch sie schienen ihre Wirkung auf diesen Geist nicht zu verfehlen. Nach einem Herzschlag, der wie eine Ewigkeit schien, nickte er. Yuna drehte sich zu mir um. ‚Was hast du getan?’ ‚Ich weiß nicht. Ich hatte das Gefühl, dass ich das sagen musste. Die Worte kamen einfach so über mich.’, entschuldigte ich mich. Nun tat es mir leid, dass ich mich eingemischt hatte. Der Geist kam auf uns zu. Yuna stieß mich weg und ich landete hart. Vor mir verschwamm alles. Ich spürte, wie die Ohnmacht mich überfiel. Als ich wieder aufwachte, sah ich Yuna. Sie lag regungslos auf dem Boden. Ich rappelte mich auf und lief zu ihr. Ihre Augen waren geschlossen und der Schweiß rann in Strömen von ihrem Gesicht. Ich kniete mich zu ihr und hob ihren Kopf. Sachte schlug ich gegen ihre Wange. ‚Wach auf, Yuna! Bitte! Wach auf!’ Ich war verzweifelt. Immer wieder schrie ich, sie solle aufwachen. Nach wenigen Augenblicken schlug sie langsam ihre Augen auf und sah mich an. ‚Gott sei Dank. Du bist aufgewacht. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.’, sprach ich zu ihr. Yuna lächelte matt. Sie wirkte müde und erschöpft. ‚Kannst du mir helfen? Ich muss wieder nach draußen. Die anderen machen sich bestimmt schon Sorgen um mich.’ ‚Natürlich.’, antwortete ich, ohne zu zögern und half ihr auf. Ich stützte sie ab und so gingen wir zu einer Tür, die mir noch gar nicht aufgefallen war. Ich wollte diese gerade öffnen, doch Yuna hielt mich zurück. ‚Nein, du musst zurück in deine Welt, Brianna.’ Erstaunt sah ich sie an, doch als ich ihren klaren, fordernden Blick sah, ließ ich sie los und ging einen Schritt zurück. Yuna öffnete die Tür und ging hindurch. Nur kurz konnte ich erhaschen, was dahinter lag. Dann schloss sich die Tür wieder. Ich spürte, wie mich die Dunkelheit wieder fortriss von diesem Ort. Doch daran dachte ich nicht, denn ich konnte nur an eines denken. Vor mir erschien sein Bild. Augen, so blau wie der unendlich weite Ozean, die mir aus einem Gesicht umrandet von blonden Haaren, strahlender als das Gold der Ikari, entgegen blickten. Doch ich wusste mit unerträglicher Klarheit, dass er mich nicht gesehen hatte.“ Noch jetzt, wo ich an meinem Schreibtisch sitze und diesen ganzen Traum Revue passieren lasse, muss ich fast nur an ihn denken. Mein Traum ist zu Ende. Yuna ist fort und auch dieser Junge. Sie sind nur noch Erinnerungen, die mit der Zeit verblassen werden. Doch wie sehr wünsche ich mir, dass es nicht so wäre. Ich wünsche mir so sehr, mit aller Kraft meines Seins, dass dieser Traum wahr werden würde. Oh bitte, lass meine Träume zum Leben erwachen! Lass mich wenigstens zu ihnen zurückkehren und nie wieder aus ihnen erwachen! Ich schreibe Unsinn – ich weiß –, doch ich würde alles dafür geben, ihn wieder zu sehen. Es ist genug… Ich sollte den Stift fortlegen und mich von dieser Erinnerung lösen. Es ist vorbei. Der Traum ist ausgeträumt. Es hat keinen Sinn, diesen Scheinbildern nachzutrauern. So beende ich hier, was ich so leichtgläubig angefangen habe.< *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Langsam streckte und reckte sich Brianna. Sie gähnte einmal herzhaft und erhob sich dann von dem Stuhl. Schlaftrunken taumelte sie zu ihrem Bett zurück. Draußen, vor ihrem Fenster hinter zugezogenen Gardinen, war es finsterste Nacht. Irgendwo würden Wölfe ihr einsames Lied heulen, während die Sterne am Himmel standen. Brianna dachte nicht an solche Dinge. Todmüde fiel sie in ihr Bett und schlief sofort ein. Ihre Bettdecke lag vergessen am äußeren Rand und eine Ecke hing auf den Boden hinunter. Für den Rest dieser Nacht träumte Brianna nichts mehr. - Ende 1. Kapitel - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)