Prisoner of the Mummytomb 2 von Phoebe_maus (kommt noch) ================================================================================ Kapitel 1: Schatten ------------------- Dichte Nebelschwaden umhüllten ihren Körper, während sie an sich herabblickte. Zumindest versuchte sie es. Weiße Bandagen bedeckten ihren gesamten Körper. Sie konnte sich nicht mehr bewegen, war völlig bewegungslos unter dem Druck der Bandagen. Verzweifelt versuchte sie Luft in ihre Lungen zu pumpen, doch der Stoff vor ihrem Gesicht verhinderte dies. Sie begann zu ersticken. Keine Luft, kein Leben. Während ihres Todeskampfes bemerkte sie etwas auf ihrer Brust, außerhalb der Bandagen. Ein kleiner Gegenstand lag dort. Plötzlich sah sie das Bild eines goldenen Amuletts vor Augen. Ihrem Amulett. Das Amulett in Form eines Kreuzes, nur das es kein gewöhnliches Kreuz war. Die alten Ägypter nannten es Ankh, heutzutage nannte man es auch Henkelkreuz. Doch dieses Amulett war etwas besonderes, denn es gehörte ihr, sie fühlte sich mit ihm verbunden, auf einer Ebene die sie selbst nicht beschreiben konnte. Doch nun konnte selbst dieses Schmuckstück sie nicht mehr retten. Sie würde es nicht mehr brauchen, sobald sie in der anderen Welt ankam, falls sie würdig dazu war. Das andere Amulett, was sie auf ihrem Bauch spürte, es hatte die Form eines Skarabäus, sollte ihr doppelt Glück bringen. Jedoch hatte das Gift schon lange angefangen zu wirken, aber eigentlich müsste sie längst tot sein. Sie hatte Angst. Sie war noch so jung und musste sterben. Aber sie tat es ja für ihr Volk, um es zu retten brachte sie dieses Opfer. Aber lebendig begraben zu werden war nicht gerade das schönste Gefühl, was sie erhofft hatte. Nun bekam sie Zweifel, ob dies der richtige Weg gewesen war. Doch es war zu spät, sich darüber Gedanken zu machen, denn sie begann zu sterben. Sie fühlte die Anwesenheit der Priester, die um sie herum knieten und beteten. Sie würden sie bis in den Tod begleiten, das wusste sie. Ihr Geist schwand allmählich und das Gefühl des Sterbens drang in ihren Kopf. Bald würde es vorbei sein, dachte sie. Bald war sie frei von ihren Pflichten und ihrer schweren Bürde als Tochter eines Pharaos. Das Gift vernebelte ihren Geist, sodass sie nichts mehr spürte oder fühlte. Ihre Gelenke und Muskeln wurden schlaff. Sie fühlte sich so unendlich leicht, als würde sie schweben und ihren Körper verlassen. Im Geiste sah sie ein weißes Licht vor sich, dass sie anzog. Sie war befreit von den Bandagen und hatte ein weißes, langes, transparentes und seidenes Kleid an. Ihr langes schwarzes Haar mit dem goldenen Schmuck wedelte in einer leichten Priese, während sie oder das Licht immer näher kam ... Verschlafen rieb sich Thea Reymond die Augen und sah sich in ihrem Zimmer um. Alles war wie immer. Ihre Unordnung war unübertreffbar und die Sonne, die durch ihr Fenster stach, kitzelte ihre Nasenhaare. Thea nieste herzhaft und stand auf. Sie hatte einen seltsamen Traum gehabt, aber die Erinnerung daran verblasste bereits. Müde trottete sie in den Flur Richtung Badezimmer und gönnte sich eine aufweckende Dusche. Unten beim Frühstück traf sie auf ihre Eltern, die beide sehr viel munter wirkten als sie selbst. "Moorgän!", gähnte Thea und setzte sich auf ihren Platz. Ihr Vater las die Tageszeitung und ihre Mutter nebenbei ein Buch. Ein Liebesroman, schätzte Thea. Ihre Mom war regelrecht besessen von so etwas. "Morgen, Schatz", sagte ihre Mutter und reichte ihr die noch warmen Brötchen. "Morgen", sagte ihr Vater und lugte über der Zeitung hervor. "Gut geschlafen?" "Nicht so, hab schlecht geträumt, glaub ich", antwortete Thea und schmierte sich das Brötchen mit Nutella voll. "Beeil dich lieber, sonst kommst du zu spät in die Schule", erinnerte ihre Mutter. "Hmm", murmelte Thea, während sie herzhaft in ihr Brötchen biss. "Schatz! Hast du schon gelesen, es gibt eine Ausstellung von Opa Reymond hier in der Stadt", sagte der Vater. Thea verschluckte sich schwer und rang nach Atem. Schnell grabschte sie nach einem Glas und trank hastig einen großen Schluck Saft, und schlug sich verkrampft auf die Brust. "Was?", krächzte sie. "Dein Großvater ist berühmt, schon vergessen? Hier steht, das ein paar sehr wertvolle Stücke aus dieser Pyramide, du weißt schon, die wir vor ein paar Jahren besichtigt haben, ausgestellt werden." Eine Pause trat ein, während seine Augen hastig über den Text huschten, und er fortfuhr: "Nein, Moment, die sind nicht echt. Das ist eine Ausstellung mit lauter Imitaten. Nicht nur aus der, ich nenn sie mal vergessenen Pyramide. Sondern auch so gut wie alle bekannten altägyptischen Kostbarkeiten die man aus dem Kairoer Nationalmuseum kennt. Das alles wurde von Kunststudenten aus dem ganzen Land gefertigt. Und es findet statt in ...", der Vater stockte, starrte auf ein paar bestimmte Zeilen in der Zeitung und sah seine Frau fragend an. "Wieso hast du nichts gesagt?" Thea sah von ihrem Vater zu ihrer Mutter immer hin und her. Sie hasste es, wenn man sie an einem Gespräch beteiligte, von dem man nicht wusste, worum es eigentlich ging. "Klärt mich heute noch mal jemand auf?", sagte Thea ungeduldig und trommelte mit dem Finger auf den Tisch. "Deine Mutter leitet die Ausstellungsstücke deines Großvaters im Museum, wo sie arbeitet." "Ach, ehrlich?", fragte Thea teils überrascht, teils beunruhigt. "Wieso hast du nichts gesagt?", fragte nun auch sie vorwurfsvoll. "Ich wollte euch überraschen!", sagte Mrs. Reymond trocken. "Mein Chef hat mir die Leitung übergeben, weil ich doch auch zur Familie Reymond gehöre", lächelte sie. "Und ich schätze mal, weil du seine beste Angestellte bist", grinste Mr. Reymond. Theas Mutter war jemand, die sich mit alten Dingen beschäftigte und ihr Alter, Herkunft und vieles andere analisierte, katalogisierte, ein wenig wie eine Archäologin. Außerdem leitete sie manchmal ein paar Ausstellungen im einzigsten Museum Sunnydales. Aber hauptsächlich in irgendwelchen großen Städten. Nicht in solchen Kaffs, in dem Thea schon ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hatte. Okay, Sunnydale war nicht unbedingt klein, aber los war hier nicht gerade viel. Jedenfalls nichts, was Teenager in Theas Alter halbwegs interessieren könnte. "AHA!", machte Thea leicht abwesend und rief sich die Ereignisse vor fast vier Jahren in ihrem Ägyptenurlaub wieder ins Gedächtnis. Okay, irgendwie war es schon seltsam gewesen, dass ihr scheinbar einige Tage im Gedächtnis gefehlt hatten, aber sie hatte schließlich diesen Unfall gehabt, vielleicht war das Schuld gewesen. Eigentlich glaubte sie das nicht wirklich. Jedes Mal, wenn sie an die Zeit zurück dachte, bekam sie so ein beklemmendes Gefühl. Aber sie wusste nicht wieso, oder was es bedeutete. Eigentlich war es ihr momentan auch egal. "Ist etwas nicht in Ordnung, Thea?", fragte ihre Mutter besorgt. Thea erwachte in dem Moment wieder aus ihren Gedanken. Dann sah sie beiläufig auf die große Wanduhr und sprang plötzlich kreischend auf. "Nein! Ich komme zu späääät", rief sie ihren Eltern noch nach und verschwand einige Sekunden später aus dem Haus. Nun war sie schon 16, bald 17 Jahre, aber das zu spät kommen würde sich wohl nie ändern. Thea war von dem zarten kleinen Mädchen zu einem halbwegs erwachsenen, ein Meter einundsechzig großen Teenager herangewachsen. Damit war sie nun wenigstens nicht mehr die kleinste in der Klasse. Sie empfand es noch immer als sehr erstaunlich, dass sie überhaupt gewachsen war, da sie doch schon zu hoffen aufgegeben hatte. Aber bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr war noch nichts entschieden. Leider, ja leider galt sie trotzdem noch zu den Kleinsten der Klasse. Sie war zu einer regelrechten Schönheit herangewachsen. Zumindest sagte das ihre Mom ständig. Thea hasste dieses nervige bemuttern. Sie war nicht hässlich, sie hatte sogar ein bewundernswert reines und freundliches Gesicht mit einigen Sommersprossen auf Nase, wie Wangen. Das störte sie jedoch. Im Sommer sah sie im Gesicht aus wie ein Streuselkuchen. Doch das machte ihr Lächeln und Auftreten ja gerade so liebenswert, was sie verständlicherweise nicht so sah. In ihrem langen dunkelbraunem, einst glatten Haar, hatte sie Locken hineingedreht, was durch ihr halbmondförmiges Gesicht sehr gut zur Geltung kam. Holly meinte einmal, dass ihr auch kurze Haare stehen würden, aber Thea hatte dies strikt verneint. Um nichts in der Welt würde sie ihre Haare abschneiden wollen. Na ja, okay, letztes Jahr hatte ihre Mutter ihr nur die Spitzen schneiden wollen und prompt waren ein paar Zentimeter mehr weg gewesen. Heute hingen ihren Haare lässig über ihre Schultern. Ihr einstiges Ponny war teilweise gewichen, wodurch ihre Augen sehr gut zur Geltung kamen. Die widerspenstige Naturlocke, die ihr stets und ständig ins Gesicht gefallen war, machte ihr leider noch immer das Leben schwer. Jedoch sah die ganze Sache mit ihren neuen Locken noch viel besser aus, gestand sie sich sogar selbst ab und zu. Leider war der Aufwand dafür einwenig zu stressig. In mehr als einem Jahr würde sie aufs Kollege gehen, was sie fröhlich stimmte, denn auf der Sunnydale High School konnte man unmöglich einen halbwegs vernünftigen Jungen kennen lernen. Die richtig süßen und knackigen Jungs waren größtenteils schon vergeben oder totale Vollidioten. Auf dem Kollege würde doch wohl ein Kerl rumlaufen, der normal im Hirn war und nicht mehr in seiner pubertären Suppe schwimmen würde und dazu noch ein ganz lieber Kerl war. An Schönheit sollte es an ihm auch nicht mangeln, dachte Thea gerade im Moment und schmunzelte. Sie hatte bisher nicht besonders positive Erfahrungen mit Jungs gemacht und war in solchen Dingen nun doch etwas vorsichtiger geworden. Auf das innerste kam es an und nicht nur auf ein hübsches Gesicht, wohinter sich ein total schlechter Charakter verbergen konnte. Es war fast Ende März und für diese Jahreszeit recht warm, nicht zu sagen heiß. Thea hatte es sich mit ihrer besten Freundin Holly Summers und Samantha Lohan auf der Schulwiese bequem gemacht. Sie hatten gerade eine Freistunde. Holly lag im Gras und hatte ihre Arme unter den Kopf als Stütze zusammengeschlagen. Träumend sah sie in den fast wolkenlosen Himmel und ließ sich etwas von der Sonne braten. "Wenn du noch länger da rumliegst, bekommst du noch Brandblasen", meinte Samantha und sah etwas besorgt auf Hollys hübsches Gesicht. Sie und Thea saßen etwas abseits im Schatten eines Baumes, was ihnen bei der Hitze lieber gewesen war. Thea grinste, als keine Reaktion von Hollys Seite kam. So war sie eben, ließ sich von nichts und niemandem etwas vorschreiben. Samantha sah nun Thea an und begann sie wieder in ein Gespräch zu verwickeln. Dabei kämmte sie mit der Hand ihre kurzen Blonden Locken zurück. Als Zeichen, dass sie mit Hollys Nicht-Geschräch fertig war. "Ich hoffe, dass die Hitze bald mal aufhört, ich halt´s kaum noch aus. Was ist nun, kommst du heut Nachmittag mit schwimmen?", fragte Samantha wissbegierig. "Ich...ähm, glaub nicht", antwortete Thea und sah verlegen auf ihre Finger, die mit einem Grashalm spielten. "Ich muss noch soviel machen, für die Party und so. Außerdem ist mir heut wirklich nicht nach schwimmen. Viel zu heiß", sagte sie und hielt sich die Hand schützend über die Augen, um in den Himmel schauen zu können. Es war Mittag und die Sonne stand im Zenit. "Gut, dann ein andermal, versprochen?", meinte Samantha. "Ja, versprochen, Sam", willigte Thea ein und lächelte. Samantha war nicht wirklich ihre Freundin. Eine gute Freundin, okay, aber sie würde nie an Holly heranreichen. Was sie aber dauernd von sich aus herausfordern musste. Holly war ein Unikat. Unberechenbar, eitel, streitlustig, vielleicht etwas arrogant, aber hundertprozentig liebenswert. Sie lag dort im warmen Gras, schick bekleidet in ein enges rosa T-Shirt mit V-Ausschnitt und einem vielleicht ein wenig zu kurzen schwarzen Faltenrock. Dazu beige, flache Sandaletten, die noch durch Bändchen mit ihren Beinen verbunden waren. Sah niedlich aus, aber auch heiß, und das wollte Holly auch erreichen. Sie hatte sich schon ziemlich verändert, von der Quasselstrippe, die sie jetzt noch war, zu einer jungen Frau mit Stil und Köpfchen. Bei Thea war die Zeit jedoch auch nicht stehen geblieben. Ihre Haare waren etwas länger, über die Schulter etwa noch drei Zentimeter. Durch die Locken konnte man die wirkliche Länge aber nur erahnen. Was Thea störte, war die Tatsache, dass Holly sie überragte. Wenn sie wollte und sich anstrengte, dann konnte sie Thea auf den Kopf spucken. Holly war etwa ein Meter sechsundsechzig groß. Nicht wirklich besonders viel mehr als Thea, aber immerhin fünf Millimeter, was sie Holly gerne vorhielt. Thea war heut in ein süßes hellblaues Top mit Spagettiträgern und dunkelblauer Jeanshose und helle Sommerschuhe gekleidet. Sie stand nicht so auf Röcke. Samantha Lohan dagegen trug ein gelbes Sommerkleid mit weißen Blümchenmuster, mit weitem Ausschnitt, was von der Länge her auch nicht unbedingt hätte sein müssen. Das bedeutet, sehr-kurzes-Kleid. Sie hatte zwar wunderschöne Beine, aber war das hier nicht die Schule, anstatt einem Ball oder ner Modenschau? Leider dachten nicht alle so wie Thea, bemerkte sie, als sie sich umschaute. Jeder dritte, den sie erblickte, hatte entweder ein mega kurzes Kleid oder Rock an oder zeigte oben rum etwas zu viel Haut. So was machte Thea echt krank. Sie selbst hatte zwar schon die Figur dazu, so etwas tragen zu können, aber warum, wofür? Damit sich die Kerle lechzend nach ihr umdrehten und ihr seltsame Worte zuriefen oder sie begrabschten? Ganz sicher nicht, dachte Thea sofort und sah wieder Samantha an, die noch immer redete und redete, als hätte man vergessen bei ihr einen Schalter einzubauen. Leider hatte Thea ihr nicht ganz zugehört, daher wusste sie nicht, was sie von ihr wollte. Außerdem wurde ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt. Ein Schatten, vielleicht eine Gestalt, huschte zwischen den dicht stehenden Bäumen vorbei. Viel zu schnell, als dass es ein Mensch hätte sein können. Oder täuschte sie sich da? Ein Vogel! Müsste aber ein ziemlich großer sein, meinte auch Thea. Plötzlich schien es dunkel zu werden. Zumindest, was den Bereich um die Bäume anging. Es wurde pechschwarz, als ständen da gar keine Bäume und auch sonst nichts. Auch die Kinder, die sich zur Pause auf der Wiese getummelt hatten, waren verschwunden. Aber wie konnten die einfach verschwinden? Thea blinzelte, doch es wurde nicht besser. Eher schlimmer, da sich nun auch ihr Blick langsam ins Schwarze verlief. Doch bevor sie ohnmächtig vor Sams Augen ins Gras fiel, sah sie noch zwei leuchtende Augen, die sie durch das schwarze Nichts hinweg direkt anstarrten... ******************************************************************************* So, liebe Suria, dies sei an dich gerichtet. Hast mich bestärkt, den 2.Teil zu veröffentlichen. Ich hoffe, es gefällt dir ^^° Viel Spass beim lesen!! ******************************************************************************* Kapitel 2: Träume ----------------- "Die Hitze, sie ist nicht die Erste heut", sagte eine Frauenstimme. Thea wollte ihre Augen nicht öffnen, sie wollte eigentlich weiter schlafen, doch etwas sagte ihr, dass es besser wäre, jetzt auf zu wachen, also tat sie es auch. Sie blinzelte ein paar mal und sah dann verwundert an eine weißgestrichene Decke. Überall roch es nach Medikamenten. Sie musste sich im Krankenzimmer befinden. Irritier sah sie nach rechts. Eine ältere Frau saß an einem Schreibtisch und tippte auf der Tastatur eines Computers herum, bis sie die Blicke Theas bemerkte. "Miss Reymond, schön, dass Sie sich wieder zu uns gesellen", sagte die Frau und stand auf. "Was ist passiert?", fragte Thea noch etwas benommen im Kopf und setzte sich auf. "Sie sind ohnmächtig geworden, Fräulein. Zu viel Sonne tut niemanden gut", sagte die Frau und lächelte. "Geht es besser?" "Ja, ich glaub schon", sagte Thea und rutschte an die rechte Bettkante, um ihre Beine baumeln zu lassen. Dann sah sie sich um. "Wo sind Holly und Sam?" "Im Unterricht, vermute ich", sagte die Frau und legte ihre Finger an Thea Halsschlagader. Einige Sekunden verstrichen, dann sagte die Frau lächelnd: "Wenn Sie sich besser fühlen, können Sie gerne gehen. Das bedeutet, in Ihre Klasse. Wenn nicht, rufe ich Ihre Eltern an, damit sie Sie abholen können." "Nein, nein, ist nicht nötig", sagte Thea und sprang vom Bett. Das hätte sie nicht machen sollen, denn die nächsten Schritte taumelte sie eher, statt normal zu gehen. "Sicher?", meinte die Frau, als sie nicht überzeugt zusah, wie Thea dahin schaukelte. "Ja, ja, geht schon", sagte Thea und verließ den Raum. Im Flur war es ruhig, die Stunde lief schon. Sie beschloss, noch einmal zu ihrem Spind zu gehen, bevor sie in ihre Klasse zurück kehrte. Sie erreichte ihn soweit ohne größere Probleme, auch wenn sie noch leicht schwankte. Die Kombination. Wie war die Kombination?, fragte sie sich selbst und wühlte in ihrem Kopf, doch fand nichts. Sie fand sogar überhaupt nichts. Ihr Kopf schien leer zu sein, oder sie konnte sich absolut nicht konzentrieren. Ganz ruhig! Nicht durchdrehn!, flöhst sie sich selbst Mut ein. "Hitzschlag, ich hab nen Hitzschlag", flüsterte Thea und rüttelte am Zahlenschloss ihres Spinds, als würde ihr die Kombination dadurch wieder einfallen. Leider wurde ihr plötzlich so schwindelig, dass sie auf den Boden sackte und dort auf den Knien sitzen blieb. Den Kopf an ihren Spind gedrückt, weil er plötzlich so schwer wurde. War keine Gute Idee, dachte sie, als sie über sich etwas klicken hörte. Überrascht sah sie nach oben, das Schloss war auf. Verwirrt schaute sie noch mal hoch und wollte bereits an sich zweifeln. Aber es war offen. Okay ... Sie stand wieder auf, zumindest versuchte sie es. Endlich hatte sie es geschafft und öffnete schwermütig die Tür zu ihrem Spind. Drinnen befand sich eine Unmenge an Büchern. Schulbücher, aber auch Bücher, die mit der Schule gar nichts zu tun hatten. Thea war halt eine Leseratte. Trotzdem war da noch etwas anderes. Ein Stofffetzen ragte unter einem der Bücherstapel hervor. Sie überlegte, was das sein könnte, doch sie konnte sich keinen Reim draus machen. Vielleicht war das was von Holly. Aber wieso bewegte es sich jetzt plötzlich? Thea hielt die Luft an und starrte auf den vergilben, sehr, sehr alt aussehenden Fetzen, der nun zuckte und sich zu winden begann. Wieso nur kam ihr das so bekannt vor? Mit einem mal beruhigte sich das Stück Stoff und wurde wieder schlaff. Hatte sie sich das eingebildet? Sah sie schon Dinge, die nicht da waren? Aus welchem Grund auch immer, vielleicht, um sich selbst zu beweisen, dass der Fetzen wirklich da war, berührte sie es vorsichtig. Das hätte sie nur nicht tun sollen, denn ohne Vorwarnung stemmte sich ein vergilbter, bandagierter Arm aus dem Spind und versuchte sie zu packen. Thea konnte ihm gerade noch ausweichen, gab einen Schreckensschrei von sich und fiel rücklings auf den Boden. Als sie entsetzt wieder aufblickte, war da nichts. Mehr als verwirrt sah sie sich um. Ein paar Klassenzimmertüren hatten sich geöffnet und einige Schaulustige sahen sie an, als wäre sie ein Geist. Oder vielleicht sahen sie auch nur eine Verrückte in ihr. PEINLICH ... Aus der Menge erspähte sie Hollys Gesicht heraus. Ihr Herz machte einen Sprung, als auch Holly sie erkannte und mit flinken Sprüngen auf sie zu hastete. "Thea, was ist passiert?", fragte sie und half ihr wieder auf die Beine zu kommen. "Ich weiß nicht genau, da war ein Arm...", stammelte Thea und starrte Holly dabei so grotesk an, dass selbst ihre Freundin sie vorsichtig musterte. "Du hast nen Sonnenstich, Mädel, da sieht man Dinge, die nicht da sind. Komm, ich bring dich zurück ins Krankenzimmer und ruf deine Mom an. In dem Zustand lass ich dich nirgendwo hin gehen", sagte Holly und setzte einen Punkt. Thea erwiderte darauf nichts mehr und ließ alles über sich ergehen. Am nächsten Tag, es war Wochenende, als sie ausgeschlafen und die Schmach des Bloßstellens bereits vergessen hatte, kam Holly unangemeldet vorbei und musste sie natürlich wieder daran erinnern. Sie brachte ihr die Hausaufgaben, aber erzählte natürlich ohne Scharm, wie sich Theas Zusammenbruch wie ein Laubfeuer in der ganzen Schule ausgebreitet hatte. "Mia hat sogar gemeint, dass sie gehört hat, dass du aus der Nervenheilanstalt ausgebrochen bist. Andy Adams hat gesagt, dich hätte einer überfallen. Das beste kommt noch", plapperte Holly, als sie Theas nichtssagende Blicke bemerkte. "Dein mega-Schwarm, Jason Lyri höchstpersönlich, meinte, dass du höchstwahrscheinlich ausgerutscht wärst. Ha! Und das entspringt dem Superhirn! Echt mal, kannst du dir das vorstellen, momentan bist du das Schulgespräch Nummer Eins", endete Holly und strahlte ihre Freundin leicht belustigt an. "Ich finds nicht lustig", sagte Thea monoton. Doch Hollys Grinsen wurde breiter. "Ich meins im Ernst, Holly", sagte sie noch mal, doch das konnte Holly nicht davon abhalten, in schallendes Gelächter auszubrechen. "Holly!", drohte Thea, gab jedoch auf und ließ sich von ihrer Freundin des Lachens anstrecken. Man musste das Gelächter bis in die Nachbarschaft gehört haben, denn Theas Mom klopfte sehr energisch an die Tür. "Jaa?", lachte Thea weiter. "Essen!", brüllte Mrs. Reymond durch die Tür, damit die Kinder sie verstehen konnten. "O.K.", riefen beide zurück und gerieten prompt prustend ins nächste Gelächterloch. Später am Nachmittag fühlte sich Thea soweit besser, dass sie von Holly zum Abendessen eingeladen wurde. Holly hatte sich ernsthaft vorgenommen, Thea auszuquetschen. Sie waren beide in Hollys Zimmer und sahen sich seit einiger Zeit schweigend an. "Jetzt sag mal im ernst, was war los?" "Was meinst du?", tat Thea auf ahnungslos. Sie wusste genau, worauf Holly ansprach, aber sie konnte ihr schlecht sagen, dass sie fast von einer Hand in den Schrank gezogen wurde. Das klang zu absurd und verrückt. Und überhaupt, war da überhaupt was gewesen? Wieso hatte sie geschrieen und war am Ende auf dem Boden gelandet? Schon den ganzen Tag war die Erinnerung verschwommen gewesen. Doch jetzt war es so, als konnte sie sich auf einmal nicht mehr daran erinnern. Und doch hatte sie bereits in der nächsten Sekunde wieder alles vergessen. Es war wie Nebel, der sich über ihren Geist und ihre Erinnerungen legte. Aber es war ihr egal. Sie war fast froh. "Ich weiß nicht, was du meinst, ich muss wohl ausgerutscht sein", sagte Thea nur. "Und die Sonne, ich hab wohl wirklich nen Sonnenstich abbekommen." "Wird wohl so sein. Hey, Thea, ich hab übrigens ne Überraschung für dich", sagte Holly und ließ sich auf ihr Bett fallen und blieb dort ausgestreckt liegen. Thea setzte sich träge auf einen Hocker und sah ihre Freundin neugierig an. "Was denn?" Holly schaute an die Decke. Innerlich verglühte sie beinahe vor Erregung und Vorfreude. Sie hüpfte vom Bett und sah Thea mit einem breiten Lächeln an. "Du weißt doch, dass mein Vater übernächsten Monat wegfährt, auf Geschäftsreise. Tja, er hat mich gebeten mitzukommen. Ich soll mal sehen, wie er so arbeitet und so. Ich glaube aber, dass er mich ziemlich vermisst. Seit Omas Tod, hat er sich in seine Arbeit gestürzt, um seinen Schmerz zu ertränken, glaub ich", sagte Holly und schwieg für einen Moment. Thea sah bedrückt zu Boden. Sie kannte die Geschichte um Hollys Großmutter auswendig. Holly hatte ihr alles erzählt, um ihr eigenes Herz zu erleichtern. Ihre Großmutter war vor fünf Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. "Naja, jedenfalls wollen wir einen langgezogenen Urlaub machen. Drei Wochen, Thea, ist das nicht krass! In den Sommerferien, um genau zu sein", sagte Holly wieder fröhlich und ließ sich zurück aufs Bett sinken. "In knapp zwei Monaten", ergänzte Thea und freute sich für ihre Freundin, schließlich war sie ebenfalls der Meinung, dass Mr. Summers seine Tochter ziemlich vernachlässigte. Er war so sehr mit seiner Arbeit beschäftigt, dass er Holly ganz vergessen hatte. Immer war er auf Geschäftsreisen gewesen und kam meist sehr spät nach Hause, sodass sie sich kaum sahen. Meist nur zu den Malzeiten. "Und wohin geht die Reise?", wollte Thea neugierig wissen und setzte sich neben Holly aufs Bett. "Du wirst es kaum glauben, nach Ägypten!!!!", schrie Holly fast und hüpfte erneut vom Bett, um auf dem Teppich einen Freudentanz zu veranstalten. "Und weißt du was, ich möchte gern, dass du mitkommst", fügte Holly fröhlich hinzu. Thea hingegen war steif wie ein Brett und sah ihre Freundin ungläubig an. Holly hielt inne und sah Thea besorgt an. "Hast du was? Freust du dich etwa nicht?", fragte Holly besorgt und etwas geknickt, dass sich ihre Freundin nicht neben sie gestellt und denselben peinlichen Tanz veranstaltet hatte. "Schon", sagte Thea und dachte im selben Moment beunruhigt in sich hinein: Aber ich glaub nicht, dass ich mit gehen sollte. "Aber ...?", stachelte Holly und setzte sich zu Thea. "Ist es wegen dem Geld? Oder meiner Mutter? Meinem Vater? Da brauchst du dir echt keinen Kopf zu machen, er hat mich sogar auf die Idee gebracht. Schließlich hast du kurz vorher, das ist mein, unser, Geschenk für dich. Also, du siehst, uns liegt nichts im Weg ... Oh, deine Eltern!", sagte Holly prompt vorwurfsvoll zu sich selbst, nachdem sie endlich ihre runtergerasselten Sätze abgeschlossen hatte. "Aber weißt du was, das kriegen wir auch noch hin." Mit diesen Worten sprang sie zum x-ten mal vom Bettrand auf den Teppich und schwang triumphierend ihre rechte Hand gen Zimmerdecke und schrie fast: "Das wäre ja gelacht!" So blieb sie einige Sekunden verharrt und wartete anscheinend, was als nächstes passieren würde. Während sie noch so völlig starr dastand und über ihre eigenen Worte im nachhinein noch mal nachdachte, hörte sie im Hintergrund ein Grunzen, was sich immer mehr zu steigern drohte. Als würde jemand krampfhaft versuchen die Öffnung an einem Luftballon zuzuhalten, damit die Luft darin nicht entwich. Plötzlich sprudelte, als sich Holly, immer noch die Hand in der Luft, umzudrehen versuchte, ein Schwall Gelächter auf dem Bett über. Ein Knall und sie landete auf dem Boden. Thea lag da, mit dem Oberkörper und Armen sich krampfhaft in der Tagesdecke verheddert, die sie an sich gerissen hatte, und den Kopf darin vergraben, strampelte sie mit den Beinen in der Luft. Dabei gab sie seltsame Geräusche von sich, die sehr nahe an einem wilden Tier waren. Einen Moment lang war Stille, Thea lugte mit kleinen Augen unter der Decke vorsichtig hervor. Holly, die nun ihren Arm runtergenommen hatte, stand nur noch grinsend da und machte sich zum Sprung bereit. Thea quietschte und sprang, eingehüllt in die Decke, aufs Bett zurück. Ein lauter Schrei ertönte, es könnte sie gewesen sein, als sich Holly auf ihre Freundin stürzte, um sie in eine wilde Kissen- und Kuscheltierschlacht zu verwickeln. Es flogen die Fetzen, als plötzlich die Tür aufsprang. Beide Mädchen erschraken und ließen zur selben Zeit die Enden der Decke los, woraufhin auch beide das Gleichgewicht verloren und beidseitig vom Bett krachten. Thea, die rechts vor dem Bett gelandet war, hörte Holly, die sich auf der anderen Seite befand, noch leicht stöhnend lachen und sah aus den Augenwinkel, wie sie sich die vom Aufprall auf den Boden schmerzende Stirn hielt. Ihre Aufmerksamkeit jedoch galt nun mehr der Tür. Oder besser der Person, die jetzt durch den Türrahmen glitt. Es war nicht einfach zu verstehen, aber das war nicht Hollys Vater. Thea konnte es nicht glauben, nicht mal verstehen, doch vor ihr stand eine Mumie ... Sie fühlte sich wie in Trance. Als würde ihr jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, wie ein Gefühl, was sie schon sehr lange nicht mehr gespürt hatte. Bruchstückhafte Erinnerungen stiegen in ihr hoch, die sie vergessen zu haben schien. Doch so schnell dieser Gedanke gekommen war, umso schneller war er auch schon wieder verschwunden. Nur ein Hauch dieses seltsamen Gefühls blieb noch eine Weile, bis alles endgültig verpuffte. Wie durch einen Schleier sah sie nach vorn. Total erstarrt hockte sie noch auf dem Teppich und sah der Mumie zu, wie sie ihren Kopf abnahm und ihn sich unter die Arme klemmte. Thea blinzelte schwer atmend. "Hey, alles klar, Thea?", fragte Holly mit besorgter Stimme und schnipste vor Theas Augen herum. "Was is los mit der Braut?", hörte Thea eine verächtliche Stimme fragen, die sie sehr gut kannte. Noch etwas verwirrt sah sie auf Jake, Hollys älteren Bruder, der eingewickelt in hier und da lose hängenden Bandagen im Türrahmen stand und Thea mit einer Mischung aus verächtlichem Grinsen und triumphalem Augenspiel ansah. Unterm Arm hielt er eine groteske Mumienmaske. "Hab ich dich erschre - eckt?", fragte er an Thea gerichtet, was das Fass nun endlich zum kochen brachte. Thea sprang wutentbrannt auf und stürzte sich auf Jake, packte ihn an den Schulter und schmiss ihn rückwärtsstolpernd aus dem Zimmer. "Verschwinde du Idiot!", rief Thea und schmiss die Tür zu. Hinter dem Holz blieb sie noch einige Sekunden stehen und holte mit geschlossenen Augen tief Luft. "Hey, nur meine liebe Schwester darf mich rauswerfen!", brüllte Jake scheinbar noch begeisterter durch die Tür. "Halt die Klappe!", schrie Holly. "Such dir jemand andern zum verarschen. Wieso hast du überhaupt so ein blödes Kostüm an?" Jake lehnte sich von außen gegen die Tür, sein Ohr dicht an das Holz gedrückt, damit ihm keine Kleinigkeit entging. "Ich dacht, ich führ´s euch mal vor." Nach einer kurzen Pause und einem vernehmbaren Schnaufen, knallte plötzlich etwas hartes gegen die Tür, was diese erzittern ließ. "Tut mir leid, Thea", hörte Jake, gefolgt von einem: "Verschwinde endlich, hast du nix besseres zu tun?" Die Stimme seiner Schwester klang sehr wütend, was ihn zwar amüsierte, aber auch etwas müde machte. "Okay, okay", murmelte Jake und zog von dannen. Wieder drinnen in Hollys Zimmer schüttelte diese den Kopf. "Neunzehn Jahre und man sollte doch denken, dass er langsam erwachsen sein sollte", sagte sie und ließ ihren Blick nun auf ihre Freundin fallen. "Alles okay bei dir? Ich wollt dich nicht wirklich treffen." "Knapp vorbei, hab nur Bobbys Fuß ins Auge bekommen", sagte das Mädchen, während sie den Plüschelefanten vom Boden aufhob und sich gleichzeitig das linke rötliche Auge rieb. Sie setzte das Plüschtier akkurat ans Kopfende von Hollys Bett und begann dann auf dem Boden kniend in ihrer kleinen Tasche zu wühlen. Eigentlich suchte sie nichts bestimmtes, vielleicht wollte sie sich nur beschäftigen, an andere Sachen denken. Nicht an gewisse seltsame Dinge, die sie neuerdings zu sehen glaubte. Deren Bilder, ihre Erinnerungen, sich ständig entfernten, sobald sie versuchte, darüber nachzudenken. "Was ist los?" Trotzdem war da jedes mal dieses Gefühl, was ihr so vertraut war. Selbst diese Gedanken begannen bereits zu verblassen. "Hey!" Es war fast, als würde sie langsam verrückt werden. Alzheimer käme auch in Betracht, aber war sie dafür nicht noch ein wenig jung? Gedankenverloren kramte sie weiter in der Tasche. Im Hintergrund stieg ein Geräusch die Tonleiter hoch. Etwas verwirrt sah sie auf und mitten in Hollys wütend verzerrtes Gesicht. "Sag mal, was ist los mit dir?", schrie sie ihr fast ins Ohr. "Ich mach mir echt Sorgen, Thea", sagte sie kurz darauf unsicher, denn sie wusste nicht so recht was mit Theas Verhalten anzufangen. Thea hingegen schien endlich aus ihrem Tagtraum zu erwachen und ihre Umgebung wieder wahr zu nehmen. "Ich muss dir was sagen ...", flüsterte sie, doch Holly schien es nicht gehört zu haben, denn sie hatte gerade das Fenster mit einem lauten Knarren aufgerissen. "ESSEN!!", rief Jake, um die Nachricht seiner Eltern von unten weiterzuleiten. Kapitel 3: Familienbande ------------------------ In dieser Nacht schlief Thea sehr unruhig. Hollys Bett stand auf der gegenüberliegenden Seite vom Zimmer in der Dunkelheit der Nacht. Doch ihr eigenes Klappbett, was Holly immer unter Krämpfen vom Dachboden schleppen musste, wenn Thea bei ihr übernachtete, stand im fahlen Licht des Mondes, was mit breiten Streifen durch das Fenster auf sie herab schien. Sie wälzte sich unruhig im Bett hin und her, bis sie mit einem schrillen und angsterfüllten Schrei erwachte. Erschrocken saß sie aufrecht im Bett und umklammerte mit den Händen ihre Decke. Kalter Schweiß perlte von ihrer Stirn. Besorgt sah sie auf Hollys Bett, doch die hatte sich nicht stören lassen. Mit noch pochenden Herzen stand sie auf und lief einige Male auf dem Teppich unruhig umher. Sie wusste gar nicht mehr genau, warum sie aufgewacht war, oder was sie so schlimmes geträumt hatte, aber irgendetwas machte ihr Angst. Doch sie konnte sich nicht erinnern was es war. Langsam und Gedankenverloren ging sie zum Fenster und öffnete es. Der kühlende Nachtwind umhüllte ihre Gedanken und machten sie frei, was Thea sehr willkommen war. Ständig diese Albträume, wo sie sich am Ende nicht einmal mehr erinnern konnte, was überhaupt so schrecklich gewesen war, gingen ihr so was von auf die Nerven. Und beschäftigten sie viel zu sehr. Aber sie konnte aus irgendeinem Grund selbst nicht herausfinden, was sie zu bedeuten hatten. Sie stützte ihre Ellenbogen auf den Fenstersims, um besser sehen zu können.Verstohlen betrachtete sie den großen Halbmond am Firmament und ließ ihren Kopf verträumt in ihre Arme sinken. Die Nacht war klar und der Wind spielte in ihrem langen dunkelbraunem Haar. In der Dunkelheit hob sich etwas kleines dunkleres ab, was durch die Büsche und Gräser hüpfte. Ein Tier vielleicht. Thea sah es sofort und verfolgte es mit den Augen. Den Kopf immer noch in ihre Arme gestützt, aber es kam ihr völlig normal vor und verschwendete keinen Gedanken daran. Ihre Augenlieder wurden immer schwerer, bis ein Geräusch sie wieder aufschreckte. Hinter ihr. Erschrocken fuhr sie herum und starrte in zwei rote leuchtende Augen, die mit der Dunkelheit verschmolzen und sie triumphierend ansahen. Thea wollte schreien, doch sie konnte nicht. Sie konnte nicht atmen, zumindest nicht mehr lange. Verzweifelt versuchte sie Luft zu holen, es ging nicht. Es war dunkel um sie herum und still, totenstill. Da waren Wände, sie lag in etwas. Ein Sarg. Sie war eingeschlossen. Ein Gefühl der Todesangst durchfuhr ihren Geist und Körper und ließ ihn erstarren. Oder war es das Gift, was sich langsam seinen Weg durch ihre Materie suchte? Verzweifelt gegen das Würgegefühl des Erstickens ankämpfend, versuchte sie sich zu bewegen, doch sie war gefesselt. Bandagen waren viel zu straff um ihren Körper und Kopf gewickelt und diese würden bald den Rest Sauerstoff der sich noch in ihren Lungen befunden hatte, aufnehmen. Sie wünschte sich so sehr, dass das Gift endlich wirkte, damit es vorbei war, doch es schien sich mit Absicht Zeit zu nehmen. Von hier an konnte Thea nur abwarten, bis sie der Tod ereilte, wenn nicht plötzlich jemand ihre Schultern herumgerissen und sie wach gerüttelt hätte. Schlaftrunken und sich selbst schwer atmen hörend, lag Thea auf ihrem Klappbett und sah über sich Hollys blaue weit aufgerissene Augen vor Angst funkeln. Plötzlich war sie hell wach, als ihr Verstand ratternd wieder anlief. "Was is los?", hustete sie heraus. Im nächsten Moment fragte sie sich, weswegen ihr Hals so schmerzte. "Ich dacht, du nippelst mir ab, Mädel", zischte Holly mit einer Mischung aus Wut und Erleichterung. "Wieso...?", murmelte Thea heiser. "Du hast komische Geräusche von dir gegeben, so röcheln, als würdest du ersticken. Ich bin dadurch wachgeworden und hab versucht, dich wach zu bekommen. Das war schlimm, ich sags dir, ich dacht echt, ich seh dich nich wieder...", schluchzte Holly plötzlich. "Holly ... Tut mir leid, ich hab wohl schlecht geträumt. Hab sicher das Kopfkissen im Gesicht gehabt und ...", Thea stockte. In Gedanken lief alles noch mal ab, angefangen von dem Mondlicht, dem seltsamen kleinen Schatten und ihrem Erstickungskampf in dem Sarg, bis hin zu Hollys Versuch, sie zu wecken. Das seltsame an dieser Überlegung war nur, dass sie sich an alles erinnern konnte. Kein Schleier, der sich erbarmungslos auf alles legte. Diesmal konnte sie sich an jedes ach so kleinste Detail erinnern. "Schlecht geträumt?", fragte Holly zaghaft. "Ich war eingeschlossen, in einem Sarg, glaub ich. Ich war so was wie mumifiziert", murmelte Thea verbissen in ihren Gedanken wühlend. "Mumifiziert sagst du?" Holly setzte urplötzlich einen mörderischen Blick auf. "Ich wusste es, mein blöder Bruder wird es irgendwann noch mal schaffen, dass einer dieser Familie den Löffel abgibt, nur weil er Scheiße im Kopf hat." Wütend schwang sie die bebende Faust. "Danke, dass du mich zu deiner Familie zählst", sagte Thea nun wieder etwas fröhlicher und total gerührt. "Na klar, was hast du denn gedacht, schließlich sind wir fast so was wie Schwestern", sagte Holly und knuffte Thea in die Seite. Thea lächelte süß, doch schweifte im nächsten Moment wieder zurück zu ihrem Traum und der Tatsache, dass sie noch dessen Inhalt wusste. Das war neu, denn sonst musste sie sich immer dieses frustrierende Gefühl antun, wenn sie versucht war, ihren Albträumen auf den Grund zu gehen. Manchmal hatte sie regelrecht das Gefühl, als wäre da eine Blockade in ihrem Kopf. Eine Blockade, die jeden Zugriff verweigerte. Beim morgendlichen Frühstück saß die ganze Familie Summers, plus Thea, am rechteckigen Tisch und machten sich eifrig über Toast, Eier und Orangensaft her, der reichlich vorhanden war. Thea saß zu ihren Ungunsten am Fenster neben Jake, aber gegenüber von Holly, was der Sache wieder einen kleinen Sonnenstrahl entlockte. Sie mochte Jake nicht sonderlich. Gut, er war der Bruder ihrer besten Freundin, daher konnte sie sich nicht beschweren, auch wenn Holly das nur zu gern erwartete. Diese Genugtuung wollte sie der Freundin nicht geben, denn so wäre Thea mal wieder dran Schuld, wenn sich die Geschwister bis aufs Blut stritten. Wegen Kleinigkeiten. Ihretwegen. Das war schon so oft passiert, dass sich Thea in letzter Zeit stark zurück zu halten versuchte. Das mit dem Blut war übrigens ernsthaft gemeint. Holly konnte ganz schön austeilen! Jake war jedoch ein Mensch, der es anscheinend darauf anlegte, verachtet zu werden. Zumindest von Thea und Holly und sicher einigen anderen Leuten, den er auf die Nerven ging. Er war ein gutaussehender Junge, das musste Thea schon eingestehen, trotzdem spiegelte sich in seinem Inneren das Wesen eines kleinen frechen Jungen, der es liebte, die Thea zur Weißglut zu bringen. Daher war es sehr ... sehr schwer für sie, manchmal die Nerven zu behalten. Aber sie gab sich Mühe. Mrs. Summers, die gegenüber Jake saß, hätte ihrer Tochter gerade fast mit dem Ellbogen ein Feilchen verpasst, doch hatte ihre Bewegung noch rechtzeitig stoppen können. Der Herr des Hauses saß natürlich an der Spitze und sah von seinem Platz aus ans andere Ende des Tisches an der Wand entlang aus dem Fenster, wo ein sehr schöner Tag seinen Anfang nahm. Jake war mal wieder sehr übermütig und krallte sich gleich drei von Mrs. Summers weltberühmten Frühstückseierkuchen, worauf er böse Blicke von Holly abfing, was er aber gekonnt ignorierte. Holly stand auf und angelte sich quer über den Tisch ein paar Toast. Dabei sah sie Jake aus den Augenwinkeln finster an. Doch als er auch noch völlig ungeniert das vierte gekochte Ei aus dem Korb klaubte, lief das Fass für Holly über. Ihre Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. Sie fing permanent an, ihren Bruder unter dem Tisch gegen die Schienbeine zu treten, verfehlte ihn aber dauernd und rutschte jedes Mal fast vom Stuhl, weil sie sich soweit dehnen musste, um an ihn ran zu kommen. Doch das ermutigte sie nur noch mehr, ihrem lieben Bruder eine zu verpassen. Endlich hatte sie es geschafft, doch statt Jake stießen Thea nun die Tränen in die Augen und ließ ein nicht zu überhörendes, aber gedämpftes, "Autsch", hören. "Ups! Sorry, ich meint IHN!", sagte Holly schwer atmend und holte nur noch mehr aus und traf den nichts ahnenden Jake genau ins Schwarze. Mit einem Jaulen wäre er fast vom Stuhl gefallen, er konnte sich gerade noch an der Lehne festkrallen. "Hastse noch alle?", stöhnte Jake und sah seine Schwester wütend an, dabei hielt er unter dem Tisch sein schmerzendes Bein. Zu Theas nicht wirklicher Verwunderung, sich den Schmerz im rechten Bein verdrängend, reagierten Hollys Eltern gar nicht. Ihre Mom saß da und schlurfte mit geschlossenen Augen ihren Kaffee, doch hätte Thea schwören können, auf ihrer Stirn eine Vene unruhig pochen zu sehen. Mr. Summers stöberte vertieft in seiner Zeitung, die er vor sich hielt, wie ein Schild. Beide schienen sich durch nichts stören zu lassen, als wäre das alles reinste Routine für sie. Es war normal. Ja, selbst Thea, die jahrelang im Hause Summers ein und aus gegangen war, kannte alles auswendig. Doch war es jedes Mal ein Erlebnis, da sie so was von Zuhause nicht kannte. Als Einzelkind war es schon etwas langweilig. Niemand da, mit dem man sich streiten konnte und etwas Schwung in den immer identischen Alltag brachte ... Thea sah dem wütenden Streit der beiden Geschwister amüsiert zu und duckte sich, damit sie keinen herumfuchtelnden Arm von Holly oder Jake abbekam. Sie ließ ihre Blicke immer wieder zwischen sie und deren Eltern schweifen, was sie nur noch mehr belustigte. Holly sehr motiviert, warf nun ein paar Brotkrumen gegen die Stirn ihres Bruders, der sofort mit einigen seiner parierte, woraufhin Holly nun noch wütender wurde und Jake einen besonders gekonnten Tritt verpasste. Im Moment seines Schmerzes, blickte Mr. Summers etwas verkrampft über den Rand seiner Zeitung, die merklich bebte. Sein Gesicht war um die Wangen herum rötlich angelaufen und schien gerade angestaute Luft aus diesen zu pressen. Plötzlich war alles still. Mrs. Summers blickte auch auf und musste sich das Lachen verkneifen, was nicht einfach war, denn das Gesicht des Vaters war einfach zu köstlich. Wie er hinter seiner Zeitung vorlugte und mehr als verkrampft versuchte sein schmerzendes Bein von sich zu strecken. Was nicht leicht war, denn er war groß, dementsprechend seine Beine relativ lang. Holly wurde von Sekunde zu Sekunde immer kreidebleicher, ihr schadenfroher Gesichtsausdruck wich dem des Entsetzens. "Uuhh, das tut mir leid, Dad, ich wollte nicht ...", versuchte Holly zu erklären, während ihre Mom neben ihr aufprustete. Sie konnte sich nicht mehr halten und fing herzhaft an zu lachen, während der Rest der Familie, und Thea natürlich, sie erstaunt und andere etwas geknickt ansahen. Als hätte sie drauf gewartet, fing erst Thea und dann der Rest an ebenfalls zu lachen. Keiner wollte und konnte mit Sicherheit so richtig aufhören, es war wie ein Zwang, doch es war schön. Einfach mal zwanglos und aus dem Herzen heraus zu lachen, dieses Gefühl hatte Thea schon lange nicht mehr gehabt. Nicht, dass ihre eigenen Eltern ihr dieses Gefühl nicht geben konnten, nein, es war einfach anders. Schon von Anfang an hatten Hollys Eltern sie wie eine Tochter behandelt, sie wollte sich dieses Gefühl einfach bewahren. Was sehr wichtig war, denn was im Verlauf ihres kommenden Lebens passieren sollte, würde genug Schatten auf sie legen, daher war abzuwarten, ob sie solche Momente noch öfters erleben durfte ... ******************************************************************************* Soviel sei gesagt: Wenn Thea das kommende überstehen sollte, wird nichts mehr so sein, wie es früher einmal war - Wenn sie es übersteht ... ^^ Nur her mit den Kommis!! LG, Phoebe ******************************************************************************* Kapitel 4: Die Ausstellung -------------------------- "Eure letzte Woche vor den Sommerferien solltet ihr dafür nutzen, euch auf kommendes Jahr und die Prüfungen vorzubereiten, denn dann ist Schluss mit euren Albernheiten, dann geht die Wirklichkeit für euch los. Ihr habt selbst zu entscheiden, ob ihr aufs College geht und euch von uns nervigen Lehrern weiter zur Schnecke machen lasst, oder ob ihr gleich ins Berufsleben eintretet. Das ist eine schwere Entscheidung, aber ich denke, dass ihr alt und reif genug seid, um selbst zu wählen, was gut für eure Zukunft ist. Mit diesen Worten, leite ich die letzte Woche ein, euer Schulleiter", ertönte eine relativ junge Stimme durch die Lautsprecher jedes Klassenzimmers und Flurs der Sunnyside High School. Zumindest beim letzten Satz hatten alle zugehört und jubelten nun lauthals, was bis in die Flure zu hören war. In einem Klassenzimmer im oberen Stockwerk lehnte sich die schon seit der letzten zwanzig Minuten gelangweilte Holly zur Seite und tippte ihrer Freundin Thea, die schräg vor ihr in ihrem Pult immer weiter nach unten sank, mit ihrem Bleistift auf die Schulter. Diese fuhr erschrocken zusammen und drehte sich eilig um. "Sorry, wollt dich nich erschrecken. Hör mal, hast du endlich mit deinen Eltern geredet?", flüsterte Holly. "Später!", zischte Thea und widmete sich wieder dem Stoff. Holly, leicht gesäuert, tat dasselbe. Oder auch nicht. Sie tippte Thea wieder an. Die fuhr genervt herum. "Was?", flüsterte sie und sah ihre Freundin strafend an. "Happy Birthday, noch mal!" Thea verdrehte die Augen und sah wieder nach vorn. Später saß sie im Schulhof auf einer Bank und kramte ihr Sandwich hervor und biss herzhaft hinein. Holly schien sich zu verspäten. Es war ein heißer Tag, das hatte Thea schon geahnt, als sie aus der Wohnungstür getreten war. Die große alte Eiche neben der Bank spendete ihr glücklicherweise genügend Schatten. Sie hatte keine Lust noch mal einen Sonnenstich zu bekommen und rum zu laufen, als wäre sie total irre. In den letzten drei Monaten war zwar nichts aufregendes passiert, also hatte sie es schon fast verdrängt. Gerade wollte sie erneut in ihr Sandwich beißen, da packte sie jemand unsanft an den Schultern und schüttelte sie heftig, dass sie Sterne sah. Sie konnte sich gerade so befreien und taumelte entsetzt von der Bank zurück. "Holly, ich find das nicht witzig", rief Thea und blinzelte. Alles drehte sich. Sie konnte vor sich nur eine schemenhafte Gestalt ausmachen. Langsam wurde ihr Blick klarer und sie erkannte einen Jungen. Jake. Sofort stieg die Wut in ihr hoch und das Verlangen, auf der Stelle die Augen zu rollen, was sie auch tat. Wie jedes Mal, wenn sie auf Hollys Bruder stieß. "Geht's noch? Was machst du hier?", kreischte Thea vor Empörung. Wie konnte er es wagen! "Du saßt da gerad so süß verträumt, das konnt ich mir doch nicht entgehen lassen", grinste Jake. "Du bist unmöglich, weißt du das?", rief Thea und schüttelte heftig den Kopf, nachdem sie eine abwertende Bewegung mit der rechten Hand gemacht hatte. Trotzdem glättete sie unbewusst ihre cremefarbene, fast bis zu den Kniekehlen reichende und mit großen Löchern sehr Luftdurchlässige, Strickjacke. Darunter trug sie wie immer ein hellbraunes Top und dunkle Jeans. "Klar, deswegen bin ich auch so liebenswert. Ja, das bin ich, JAKE!", sagte Jake überschwänglich, als wäre alles nur ein großer Film, in dem er die Hauptrolle spielte. Er kam sich wohl unwiderstehlich vor. "Hör auf und verschwinde endlich", sagte Thea nun etwas ruhiger und lächelte im stillen. Sie entschloss sich, wieder auf der Bank platz zu nehmen. Blöderweise tat es ihr Jake gleich und ging um die Bank herum, um sich cool, mit ausgebreiteten Armen an der Lehne hängend, darauf zu setzen. Oh Mann ..., dachte Thea und bekam fast Angst, gleich loszulachen. "Wieso denn, hör mal, es ist doch so ein schönes Wetter", sagte er und sah in den blauen fast wolkenlosen Himmel. Thea, der das alles etwas zu unangenehm wurde, rutschte leicht von Jake weg, denn sie wusste genau, wie aufdringlich er sein konnte. Doch er blieb fest an seinem Platz. Seine kurzen braunen Haare schimmerten im Sonnenlicht, was Thea fasziniert beobachtete. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie ihn anstarrte, also drehte sie sich schnell weg. Nach einer Weile legte auch Thea schweigend ihren Kopf zurück und betrachtete verträumt den Himmel und vereinzelte Wölkchen, die sich am Horizont leicht auftürmten. Dies veranlasste sie mal wieder zu träumen. Gerade entdeckte sie eine besonders dicke und flauschige Wolke mit zwei abstehenden Höckern, die Ähnlichkeit mit einem Häschen hatte. Daher bemerkte sie gar nicht, dass sich Jakes Augen für einen kurzen Moment gen ihrem Gesicht ziehen ließen, doch plötzlich und blitzschnell wieder in den Himmel schossen, weil sich jemand neben ihnen räusperte. Thea schoss erschrocken hoch und sah sich ihrer Freundin Holly gegenüber. Auch Jake war etwas zusammengezuckt und sah seine Schwester breit lächelnd an. "Spar dir dein Grinsen, du arroganter Mistkerl!", schnaubte Holly. "Was machst du hier, schwänzt du etwa?" Bei diesem Gedanken stieg in Holly die Wut hoch. Das würde ihm ähnlich sehen. "Oh mein Gott, du hast mich ertappt, Schwesterchen. Was willst du tun, mich verpetzen?", spottete Jake und funkelte seine Schwester durch seine blauen Augen triumphierend an. "Zum Beispiel, ja!", sagte Holly knapp und stellte sich Armüberkreuzt demonstrativ direkt vor ihn. "Mom wird sicher begeistert sein." Thea konnte fast eine Drohung in den Worten ihrer Freundin hören. Die Augenpaare der Geschwister trafen sich und Thea hätte schwören können, eine negative Energie zu verspüren. In Gedanken erinnerte sie sich an einen Film und in ihrer Fantasie sah sie nun Holly und Jake Feuerbälle durch ihre Augen gegeneinander abschießen. Schmunzelnd machte sich Genugtuung in ihr breit. "Dann viel Spaß", sagte Jake und sprang auf, entschlossen zu gehen. "Wo gedenkst du hinzugehen?", wütete Holly ihm nach und packte ihn an der Schulter. "Zurück zur Schule natürlich, oder denkst du, ich hab ewig Mittagspause?", sagte er trocken und ließ die völlig verdatterte Holly stehen. "Ach ja, den soll ich dir geben", sagte Jake und warf ihr im Rückwärtslaufen einen großen Umschlag entgegen. Sie fing ihn gerade noch so, da sie etwas perplex drein schaute. "Ach Thea, Happy Birthday!" Thea sah ihm verblüfft nach. Jakes College, auf das er ging, war nicht weit von ihrer Schule und Zuhause entfernt, was es frühs sehr einfach machte, wenigstens relativ pünktlich zu kommen. "Der hat Nerven", murmelte Holly und ging noch etwas durcheinander zu Thea und setzte sich neben sie. Verstohlen betrachtete sie den Umschlag, er war geöffnet. Vorsichtig lugte sie in die Öffnung und entdeckte mehrere Blätter, die identisch zu sein schienen. Auch Thea wurde etwas neugierig und beugte sich vor. "Ich glaub, ich weiß, das sind die Flyer für die Ausstellung deiner Mom. Meine Mom hat doch das Design der Dinger entworfen", sagte Holly und strahlte Thea an. "Ja, sie war zu sehr mit den Vorbereitungsarbeiten beschäftigt, das hat sie nicht auch noch geschafft", sagte sie und sah Holly auffordernd an. "Nun zeig schon!" Die Freundin zog eines der Blätter heraus und studierte es innig. Im Hintergrund in Wasserfarben des Blattes thronte eine sandgelbe Pyramide, die fast das ganze Blatt bedeckte. Im Vordergrund in zentrierter Schrift, die Ankündigung der Ausstellung, dessen Buchstaben, den Pyramidenhintergrund nicht verließen: Große Ausstellung. Ägypten-pur, ... In jeder der vier noch freien Ecken des Zettels fanden sich übliche Bilder Ägyptens, noch einmal eingerahmt in ein verschnörkeltes Viereck: die Pyramiden von Giseh mit der Sphinx ganz oben in der rechten Ecke, leicht überlappend mit dem Pyramidenhintergrundbild; rechts unten ein Ankh-Symbol; links unten eine Statue von Anubis in Form eines liegend, wachenden Kojoten; zuletzt oben links eine Papyrusrolle mit Hieroglyphen. Alles in allem sehr schön anzuschauen und informativ. "Nicht schlecht", flüsterte Holly. "Ja, ich glaub, dass wird der Event in Sunnyside. Ich mein, mal was anderes, da werden sicher einige kommen", stimmte Thea zu. "Aber was mich interessieren würde ist die Tatsache ... na ja, Sunnyside halt. Wieso ausgerechnet in Sunnyside. Ist nicht gerad ne Großstadt, verstehst du was ich mein?", versuchte Holly sich zu artikulieren. "Vielleicht wollen die Stadträte uns etwas belebter machen, je mehr hier los ist, desto mehr Investoren werden aufmerksam, denk ich mir", versuchte Thea eine Erklärung zu finden. "Hm, wär möglich. Am Samstag, Ferienbeginn und Eröffnung. Aber jetzt -", holte Holly tief Luft, "- jetzt sagst du mir bitte, was ich heut Abend anziehen soll!" Sie hängte sich bei Thea ein und beide gingen zurück auf das Portal ihrer Schule zu. "Es ist doch nur mein Geburtstag. Mir ist alles recht, von mir aus komm in deinem niedlichen Häschenpyjama", lachte Thea und verspottete ihre Freundin gleichzeitig. "Hör auf, sonst mach ich das wirklich", protestierte Holly, musste aber selbst bei dem Gedanken schmunzeln. Einige Tage später sollte an einem Samstag Nachmittag das Museum, beziehungsweise die Ausstellung eröffnet werden. Dafür wurde in der ganzen Stadt und darüber hinaus mächtig Reklame gemacht, damit auch viele Leute kamen. Diese Veranstaltung war etwas besonderes, da verschiedene, unschätzbar wertvolle ägyptische Gegenstände aus verschiedenen Museen der Welt sich hier in Sunnyside wiedertrafen. Gut, sie waren nur nachgemachte Gipsstatuen, aber einige wenige echte Artefakte waren schon darunter, was die Ausstellung sehenswert machte. Die Studenten des ganzen Landes waren für die bewundernswerten Arbeiten verantwortlich. Thea und Holly staunten nicht schlecht. Sie betraten den ovalen großen Saal, nach dem noch viele weitere Räume kamen. Seine Decke befand sich sehr weit oben und war mit Bildern aus dem sechszehnten Jahrhundert bemalt. Alles sah so uralt, aber auch total interessant aus. Die Mitarbeiter von Mrs. Reymond hatten gute Arbeit mit der Dekoration geleistet. Alles sah wie in einem uralten ägyptischen Tempel aus. Überall standen künstliche Säulen, aufwendig bearbeitet, dass es den Anschein hatte, sie wären echt, was dem Gesamtbild noch mehr zusagte. Wenn man jedoch an die Säulen klopfte, bekam man sehr schnell mit, dass sie aus Pappe und innen hohl waren. Bemalt mit ägyptischen Hieroglyphen und Zeichnungen aus dem alten Ägypten. Dazu war das gedämmte Lichtverhältnis einfach super, weil es der Atmosphäre einen gewissen Tatsch gab und alles nur noch authentischer machte, fast als wäre man wirklich in einem Palast in Ägypten. Als Thea den Eingangsbereich betrat, der mit dem kommenden Flur eine Alle aus Säulen bildete, überfluteten längst vergessene Erinnerungen ihre Sinne. Ein seltsames Gefühl erfüllte ihren Geist. Ein Gefühl, was sie noch nie zuvor gespürt hatte. Jedenfalls nicht so intensiv. Erinnerungen an eine fremde Zeit. Eine Zeit, in der sie nicht existierte und doch existiert hatte. Sie erinnerte sich an einen ähnlichen Tempel, dessen Säulenbesetzter Gang sie einst entlanggelaufen war. Die Erinnerung war ganz stark, als würde sie in diesem Moment in die Zeiten eintauchen und selbst den Gang entlang laufen. Was sie teilweise auch tat, ihre Gedanken führten sie in eine längst vergangene Zeit, in der Realität, lief Thea gerade diesen Flur entlang und tauchte im nächsten Augenblick in die Gestalt einer jungen Frau, bekleidet in ein Gewand, was nur aus einem knappen lederartigen Rock und einem goldenen Brustschutz bestand. Ihr Gesicht war vor allem um die Augen mit sonderbarer dunkler Schminke bemalt, die ihre Augen und ihre langen Wimpern zur Geltung brachte. Sie spürte die Wärme der ägyptischen Sonne auf ihrer Haut, doch etwas hielt sie davon ab, sich weiter in diese Welt vorzubeugen. Thea blinzelte kurz und kehrte wieder in die ihre zurück. Sie spürte noch immer das warme Klima Ägyptens auf ihrer Haut. Ägypten, dachte Thea geschockt. Nie wieder wollte sie dort hin. Eine Hälfte in ihr bestätigte das fest, aber eine andere stellte sich gegen diese Behauptung und sehnte sich zurück in dieses wunderbare Land. Das verwirrte Thea ein wenig, aber sie musste sich blöderweise selbst eingestehen, dass sie Sehnsucht hatte. Warum, wusste sie nicht genau. Sie ging zurück in den ovalen Eingangsbereich und begann sich geschäftig umzusehen. Holly war verschwunden. Viele Menschen tummelten sich um unterschiedliche Glasvitrinen. Daneben prangten Zettel, auf dem die Namen der Hersteller und der des Originals standen. Das Museum war schon sehr alt, existierte praktisch schon ewig. Genau das, zog Thea immer wieder dort hinein. Dabei war es von Vorteil, wenn man ein Elternteil hatte, das dort arbeitete und einem Freikarten und ähnliches besorgte. Thea hatte schon viele Ausstellungen miterlebt und war immer wieder begeistert vom organisatorischen Talent ihrer Mom und was sie mit ihren Ideen machte, um das Museum für spezielle Ausstellungen zu gestalten. Die Phantasie hatte Thea ganz sicher von ihrer Mom geerbt. Sollte sie sich eigentlich beschweren? Thea schmunzelte und bestätigte, dass sich ihre Mom hiermit wirklich selbst übertroffen hatte. Holly hatte ihre Freundin gerade entdeckt und zog sie mit sich, durch die Menge. Einige Erwachsene hielten Sektgläser vor sich, während sie sich mit anderen unterhielten. Begeistert bestaunten die Freundinnen die Vielzahl der ägyptischen Artefakte, von unbezahlbaren und uralten Schmuckstücken, Urnen und anderem hinter Vitrinen, bis zu mumifizierten Körpern von Menschen, die schon seit Ewigkeiten Tod waren. Mumien. Thea fröstelte. Mindestens zwei davon waren echt, Thea kannte sie von früheren Besuchen im Museum. Ihre Gedanken trugen sie zurück zu der alten Pyramide ihres Großvaters, die sie vor ein paar Jahren besucht hatten. Blöd nur, dass ihre Erinnerungen an diese Zeit sehr verschwommen war, als wäre sie nicht wirklich dort bewesen. Sie konnte sich nur bruchstückhaft erinnern, doch was sollten diese Augen bedeuten, die nun plötzlich vor ihren innerem Auge aufschossen? Sie fiel fast über einen kleinen Jungen, der sich gerade ausgerechnet vor sie stellen musste. Jedoch kam das Bild der seltsamen Augen so schnell und unerwartet, dass sie für Sekunden nur diese sehen konnte. Was um sie herum geschah, konnte sie hören, doch sehen tat sie nur diese zwei glühenden Augen, umhüllt von Dunkelheit. Alles schien wie in Zeitlupe zu geschehen, denn ein beklemmendes Gefühl streifte ihr Bewusstsein, was eine sehr dicke Gänsehaut erzeugte. Leuchtende, blaugrüne Augen. Augen, die sie einst so magisch angezogen hatten. Augen, die sie geblendet hatten. Sari. "Thea?" Thea erwachte schlagartig aus ihrem Tagtraum. "Schau lieber und träum nicht!", befahl Holly grinsend. "Hast du so was schon mal gesehen?" Sie sah Thea fragend an, doch die reagierte nicht. Wer ist Sari?, fragte sich Thea selbst, ohne Holly wirklich zuzuhören. Diese wurde nun doch etwas sauer und baute sich schnaufend vor ihrer Freundin auf. Holly überragte Thea absichtlich mehr als sonst und sah wütend auf sie hinab. Thea bemerkte die Veränderung und die Tatsache, dass jemand dicht vor ihr stand und sah nach oben. "Du bist richtig gemein, weißt du das?", meinte sie, als Anspielung auf ihre Größe. "Wieso? Weil ich um ein bisschen Aufmerksamkeit betteln muss? Danke auch ...", schmollte Holly und drehte sich mit verschränkten Armen von Thea weg. Mehr theatralisch, als ernst gemeint, doch sehr überzeugend rüber gebracht. "So war das nicht gemeint", rief Thea und folgte ihrer Freundin und stellte sich vor sie. Holly drehte sich abrupt um neunzig Grad weiter, um Thea zu entkommen und grinste sich einen ab. "Hey, find ich nicht mehr witzig", sagte Thea ernst, blieb jedoch fest auf ihrem Standort. "Ich auch nicht", meinte Holly nur und drehte sich zurück, um sie anzustrahlen. "Du bist ein sehr seltsamer Mensch, hat dir das schon mal jemand gesagt?" "Ständig, was meinst du, woher mein Selbstbewusstsein stammt. Ich strotze vor Seltsamkeit." "Okay, komm wieder runter Blondie", zischte Thea argwöhnisch. "Wenn meine Haarfarbe nicht Braun wäre, würde ich dich jetzt für sehr unhöflich halten", sagte Holly mit einem gespielt skeptischen Blick auf ihre Freundin. "Alles klar. Was wolltest du mir vorhin zeigen?", lenkte Thea schnell ab, damit Holly nicht weiter solchen Blödsinn quatschen konnte. "Das Teil da!", erwiderte sie, zog Thea am Arm weiter, und deutete auf das Innere einer Glasvitrine, in dem auf einem roten Samtsockel ein sehr alt aussehender goldener, breiter Armreif lag. Mit vielen Verzierungen in Form von Hieroglyphen und abwechselnd mit kleinen und großen Edelsteinen verziert. "Wow, ne, hast du so was schon mal gesehen?", wiederholte Holly begeistert. Thea hingegen war nicht unbedingt begeistert, viel mehr beängstigt. Denn sie kannte diesen Armreif. Nein, sie kannte ihn nicht direkt. Jedenfalls schoss ihr das gerade durch den Kopf. Sie hatte nur so ein seltsames Gefühl, dass sie diesen Armreif schon einmal gesehen hatte. Zumindest in ähnlicher Form. Ein tiefes Gefühl der Geborgenheit durchströmte ihren Körper, was Thea zwar nicht unangenehm war, aber trotzdem fand sie es äußerst merkwürdig. Ihre Blicke wurden jedoch auf etwas anderes gelenkt. Gerade trat eine Person durch das Museumsportal und sah sich um. Die Menge teilte sich, er kam auf sie zu. Das Mädchen konnte nicht anders, sie musste ihn anstarren. Ihre Blicke trafen sich, doch er sah weiter an ihr vorbei in die andere Richtung, wohin er auch verschwand. Da war etwas an ihm, was sie faszinierte. Vielleicht seine orientalische Kleidung oder die Tatsache, dass sie sich unwillkürlich zu ihm hingezogen fühlte. Thea löste sich von Holly, die noch immer über den Vitrinen hing und wühlte sich durch die Menge. Er war nicht weit von ihr entfernt, ein paar Meter, dann wäre sie bei ihm und - "Na!" Thea hielt abrupt an und sah ihrer Mom ins strahlende Gesicht. "Wie gefällt´s dir?" Das Mädchen sah an ihr vorbei, während sie antwortete: "Super, Mom." Ihre Blicke huschten über die Köpfe der Menschen. Sie meinte einen Restblick auf sein langes schwarzes Haar geworfen zu haben, bis es zwischen den vielen Leuten verschwand. Sicher war sie sich jedoch nicht. Selbst als sie sich auf Zehenspitzen stellte, fand sie den Mann nicht wieder. Er blieb verschwunden ... Kapitel 5: Das schwarze Nichts ------------------------------ Ein junger Mann, vielleicht Mitte zwanzig, dunkler Anzug, mit einer unbeschreiblichen Präsenz. Er strahlte etwas aus, was schwer zu beschreiben war. Vielleicht war es die Art wie er sich bewegte, völlig ruhig, nicht überhastet, mit einer seltsamen autoritären Ausstrahlung. Sein Gesicht strahlte etwas erhabenes aus, eine jugendliche Schönheit, die alles zu überstrahlen schien. Jedoch auf eine seltsame Weise, dass es fast unheimlich war. Thea war wie gefesselt, als einige Tage später dieser Mann auf der anderen Straßenseite an ihr vorbei lief. Sie erkannte ihn an seinem langen schwarzen Haar. Der Mann, den sie im Museum gesehen hatte, sie war sich völlig sicher, doch warum konnte sie die Augen nicht von ihm lassen? Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, ein Zwinkern, woraufhin durch Thea ein seltsamer Ruck ging. Ein Schwindelgefühl durchflutete ihren Körper. Sie taumelte zurück und lief in jemanden hinein. Ihr wurde so schwindelig, dass sie kraftlos in sich zusammen sackte. Arme griffen nach ihren Schultern und hielten ihren Fall gerade noch auf. Langsam wurde sie wieder auf die Beine gehoben. Noch etwas benommen schlug sie endlich die Augen auf und sah in das Gesicht eines anderen jungen Mannes, vielleicht nur vier Jahre älter. Seine Augen, eben noch besorgt, strahlten nun erleichtert so blau wie der Ozean, was Thea etwas von ihrer eigenen Verwirrung ablenkte. Die Erinnerungen kehrten langsam zurück, da ihr Gehirn wieder richtig zu arbeiten begann. Suchend sah sie sich um. Auf der anderen Straßenseite war niemand zu sehen. Einige Leute liefen gerade genau an der Stelle vorbei, wo der seltsame Mann gestanden hatte, doch da war nichts mehr. Frustriert und sich selbst für verrückt erklärend, wendete sie sich wieder ihrem Retter zu. Leider dauerte es etwas, bis sie ihre Sprache wieder fand, da sie zu sehr von seinem Gesicht abgelenkt war. Wenn sie nicht aufpasste, hing gleich die Zunge draußen, doch sie konnte sich beherrschen. Ein recht hübscher und stattlicher Mann, den sich jede Mutter zum Schwiegersohn wünschte. Mit Sicherheit auch ihre Mom, aber daran wollte Thea gar nicht denken. Mittlerweile war sie wieder auf den Beinen, er half ihr auf. Mehr als interessiert sah sie an ihm herab, untersuchte jede jugendfreie Region seines Körpers mit ihren Augen, doch schien sie sich nicht satt sehen zu können. Vielleicht lag es auch an seiner sonnengebräunten Haut, was sehr den Anschein erweckte, dass er aus einem sehr heißem Land kam. Vielleicht sogar – Er war auf jeden Fall einen ganzen Kopf größer als sie, gekleidet in helle, luftige Stoffhosen und T-Shirt. Sein schulterlanges, gelocktes, dunkles Haar wehte im Spiel des Windes. Thea lächelte verlegen, doch sein Lächeln, was darauf folgte, schrieb Bände, in das man sich verlieben könnte. Ruhe bewaren!, versuchte sie sich zu beruhigen und gleichzeitig den Klang ihres heftig klopfenden Herzens zu unterdrücken. „Hallo!“, schall es plötzlich durch ihren Kopf. Bis sie realisierte, dass es seine Stimme war, dauerte es noch einige Momente, wofür sie sich im nachhinein sehr schämte. Selbst seine Hände, die noch immer auf ihren Schultern ruhten, hatte sie völlig vergessen. Er fürchtete wohl, dass sie jeden Augenblick wieder umkippte. Gar nicht so dumm, denn sie fühlte, dass ihre Knie noch immer etwas schlotterten. „Hallo“, stammelte sie verlegen, dabei sahen sich beide direkt in die Augen. Thea hatte das Gefühl dahinzuschmelzen, doch sie musste sich sofort wieder fangen, sonst würde es noch peinlicher enden. Reiß dich zusammen, du kennst ihn doch nicht, dachte sie und nahm blitzartig Abstand und rückte ihre Kleidung zurecht. „Geht es Ihnen gut?“, sagte der Mann und sah Thea fragend an. „J-ja, danke“, sagte sie mit schüchternem Blick. „Ist wirklich alles in Ordnung, soll ich Sie nach Hause begleiten?“ „Nein, nein, dass ist wirklich nicht nötig“, stammelte Thea, bevor ihr wieder schwummrig im Kopf wurde und sie halb die Füße unter dem Boden verlor. Der Mann bewahrte sie glücklicherweise abermals vorm Sturz, was ihr langsam wirklich ziemlich peinlich war. Was war denn los mit ihr? „Ich glaub, es wäre besser, wenn ich Sie begleite, wenn ich darf?“, fragte er und deutete auf ihren Arm. Thea folgte seinem Blick. Es dauerte einige Sekunden, bis sie kapierte, was er meinte. „Oh, ja, ja, natürlich. Ich glaub, das wär besser.“ Behutsam packte er sie unter dem linken Arm. Seine Berührungen waren sanft, als fürchte er, er könnte ihr weh tun. Fast schon führsorglich. Auf dem Weg zurück zu Theas Haus lotste sie ihn durch einige verwinkelte Straßen. Während der ganzen Zeit redete sie fast kaum. Es war wie ein stiller Marsch, voller innerlich lauter und nervöser Gedanken, zumindest von Seiten Theas. Kurz vor den Treppenstufen zu ihrer Haustür blieb sie stehen. Es war ein Mehrfamilienhaus, in den obersten zwei Stockwerken lebte die Familie Reymond, darunter eine andere, mit denen sie nicht viel zu tun hatten, da sie das Jahr über kaum zu Hause waren. „Also, hm, hier sind wir“, sagte Thea überschwänglich und deutete mit einer ausholenden Handbewegung auf die Haustür. Sie sprang im Schwung ihrer Bewegung um fünfundvierzig Grad nach rechts und strafte sich sekundenspäter in Gedanken selbst für diese unnötige und unangepasste Rumhüpferei. Selbst wenn sich der junge Mann Gedanken gemacht haben sollte, weshalb dieses Mädchen vor ihm sich scheinbar aufführte, als wäre sie acht, ließ er sich zumindest nichts anmerken. Thea sah ihm kurz in die Augen, bemerkte seine Aufmerksamkeit und drehte sich sofort wieder gen Treppe. „Ein schönes Haus“, sagte er höflich und streckte ihr seinen Arm auffordernd entgegen. Thea überlegte, was sie jetzt tun sollte, was er von ihr erwartete, doch er nahm schon ihre Hand und küsste sie. Hilfe!, krächzte sie in ihrem Inneren. Total überrascht sah sie ihn nun genauer an. Da war etwas an ihm, was sie irgendwie im Bann hielt, doch sie konnte nicht beschreiben, was es war. „Danke schön – glaub ich“, brachte Thea doch hervor und schwieg wieder. Soviel Schüchternheit auf einmal kann doch nicht dein Ernst sein, Thea!! Red endlich mit ihm, er scheint nett zu sein und wann triffst du schon wieder nen Typen, der dir die Hand küsst ..., strafte sich Thea in Gedanken und sah schließlich auf. „Ich -“, wollte sie sagen, doch da surrte etwas in der Nähe. Verwirrt suchte Thea nach der Ursache des Geräusches und beobachtete, wie der junge Mann ein Mobiltelefon aus seiner Hosentasche zog. „Entschuldigen Sie mich einen Moment“, sagte er, klappte das Verdeck des Handys auf und ging einige Schritte weiter auf den Bürgersteig. „Ja, ja natürlich.“ Sie lachte leicht dümmlich, wie eine sechsjährige, die vom Vater ein Bonbon bekommen hatte. „Junge, reiß dich zusammen“, flüsterte sie und spielte dabei nervös an einer ihrer Haarsträhnen herum. Er schien angeregt mit jemanden zu streiten und beendete ganz plötzlich das Gespräch. „Kann doch wirklich nicht wahr sein“, hörte ihn Thea in seinem wunderbaren Dialekt murmeln, als er wieder zu ihr zurückkehrte. „Tut mir wirklich leid, dass ich Sie habe warten lassen“, sagte er und umfasste nochmals Theas Hände, dass ihr ganz warm um die Wangen wurde. „Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie mir einige Wege gezeigt haben, die ich nie gegangen wäre oder sie je gefunden hätte.“ Thea sah ihn verdattert an. Will der mich verarschen? „Habe ich etwas falsches gesagt?“, fragte er verwirrt, da Thea ihn plötzlich etwas skeptisch anstarrte. Aber mehr unbewusst, dass sie gerade innerlich vor Scharm zusammenschmolz und es nur fertig brachte, hektisch den Kopf zu schütteln. Aber das genügte ihm. „Gut, Sie können es ja nicht wissen. Ich bin vor ein paar Tagen in dieser schönen Stadt angekommen, um mir unter anderem das Museum und die Ausstellung anzusehen.“ Thea wurde hellhörig. „Das Museum? Sie sind den ganzen weiten Weg hierher gekommen, nur um sich das Museum anzusehen?“ Sie war buff. „Nicht ganz, mein Vater ist einer der Sponsoren, die dieses Museum und viele andere in den Vereinten Staaten und Europa finanziell unterstützt.“ „Im Ernst? Das ist ja super, weißt du, meine Mom ... Oh tut mir leid, ich meine natürlich Sie - also -“, verbesserte sie sich ganz schnell und brach verschämt ab, was aber die Röte in ihrem Gesicht nicht verhindern konnte. „Nein, nein, ist schon in Ordnung“, sagte er beschwichtigend und lächelte süß. „Ich bin es leid, dieses ganze vornehme Gehabe. Wenn ich Sie duzen darf -“, begann er. Thea nickte heftig. „Na klar - ich mein, natürlich.“ „Was ist nun mit deiner Mutter?“, fragte er weiter und sah Thea aufmerksam an. Thea seufzte und ließ sich vorsichtig auf die vorletzte Stufe der Treppe fallen und begann zu erzählen. „Ja, meine Mom leitet momentan das Museum, zumindest hat sie die Aktion mit den ägyptischen Nachbildungen der Schätze des alten Ägyptens in die Welt gerufen. Es war nicht einfach, aber es hat geklappt“, sprudelte Thea nun unaufhaltsam redselig hervor. „Das finde ich einen Zufall“, sagte er und setzte sich neben sie. Aber ließ einen anständigen Abstand dazwischen. „Sag mal, wie ist eigentlich dein Name?“, fragte Thea leicht zögernd. „Wie heißt du denn?“ „Thea Reymond“, sagte sie und lächelte verschmitzt. „Mein Name ist Maximilian Tuttep“, sagte er und sah dabei mit verträumten Augen auf die andere Straßenseite, als wären seine Gedanken gerade woanders. Thea jedoch rührte sich nicht, in ihr war etwas gerissen, was ihrem Herz zu schaffen machte. Unfähig sich zu bewegen starrte sie ebenfalls auf die andere Straßenseite. Ein seltsamer Schmerz zog sich durch ihren ganzen Körper. Sie wusste nicht was es war, doch es war eingetreten in dem Moment, als er seinen Namen nannte. Was hatte das zu bedeuten? „Alles in Ordnung, Thea Reymond?“, fragte er, was sie plötzlich aus ihren Gedanken riss. Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren wo sie war. „Mir war nur gerad so komisch, kommt öfters vor, keine Sorge“, sagte Thea noch etwas schwindelig. „Ich glaub, ich sollt lieber rein gehen.“ Mit diesen Worten stand sie auf. „Geht es wirklich? Ich meine, du siehst genauso bleich aus, wie vorhin, als ich dich vor dem Sturz bewahrte?“, sagte er. „Vor dem Sturz bewahrte!“, lächelte Thea. „Reden bei euch alle so? Du kommst doch aus Tunesien oder Ägypten, oder?“ Sie deutete auf seine Kleidung und die braungebrannte Haut. „Nur in bestimmten Bevölkerungsschichten. Ich wurde in Ägypten geboren, ja. Warst du schon einmal dort?“ „Kairo, ist aber schon ein paar Jahre her. Ich hab auch die großen Pyramiden gesehen und -“ Thea brach ab, ein Gedankenblitz durchfuhr ihren Kopf. Sie sah direkt auf eine Pyramide, die sich in einer riesigen Sandkuhle befand. Sie raste in ihrem inneren Auge immer weiter darauf zu, während Maximilian versuchte mit Thea zu sprechen. Doch die hörte ihn gar nicht, sie war wie weggetreten. Sah sich selbst noch immer auf diese Pyramide zufliegen, bis das Bild wechselte und es stockduster wurde. Einige Momente blieb es so, bis plötzlich und völlig unerwartet ein Feuer vor ihrem inneren Auge aufloderte und dahinter einen dunklen Raum mit einer goldenen Wand enthüllte. Hieroglyphen prangten daran und erzählten eine Geschichte. Eine Geschichte, die sie seltsamerweise verstand, obgleich sie diese alte Schrift nicht lesen konnte. Niemals vermocht hatte. Das Wissen war so fest in ihrem Unterbewusstsein verankert, dass es an der Echtheit keinen Zweifel gab. Doch woher hatte sie diese Informationen? Was war das für ein Raum? Und warum hatte sie das Gefühl dort schon einmal gewesen zu sein, sich daran aber keineswegs erinnern konnte ...? Diese Fragen und noch viele mehr taumelten in Theas Kopf herum, sodass sie nicht mitbekam, wie sie jemand sanft rüttelte. Thea, zurück auf den Stufen zu ihrem Haus, drehte ihren Kopf nur sehr langsam zur Seite. Alles drehte sich und ein heißes Gefühl prickelte auf ihrer Haut. Dort saß Maximilian Tuttep aus Ägypten und sah sie sehr beunruhigt an. Was sich jedoch hinter seinem Rücken abspielte, brachte das Fass beinahe zum überlaufen. Dort, wo sich normalerweise der große Busch und der Baum, der bis über ihr Zimmerfenster reichte, befunden hätte, klaffte plötzlich ein riesiges schwarzes Nichts ... Thea blinzelte und glaubte, den Verstand verloren zu haben. Anders war es nicht zu erklären, schließlich gab es so etwas nicht in ihrem Vorgarten. Sie starrte noch immer über Maximilians Schulter zum schwarzen Loch, was sich dort aufgetan hatte. Jedoch war dem äußeren Rand Dessen nichts von der Veränderung anzumerken. Das Licht verlor sich an seinen Rändern und schien alles Übrige in sich zu verschlingen, das nur noch die Finsternis blieb. Eine beklemmende Düsternis, die Thea merkwürdig bekannt vor kam. Selbst diese kleinen rötlich schimmernden Augen rührten in ihr eine gewisse Urangst, dass sie unwillkürlich zusammen zuckte, als sie sie entdeckte. Indes war der junge Mann ihrem Blick gefolgt, doch er wandte seine Augen wieder Thea zu und sagte etwas. Doch es kam nicht zu ihr durch. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie nur die Bewegungen seiner Lippen. Diese Augen. Warum kamen sie ihr so bekannt vor? Selbige hatte sie schon vor Wochen auf dem Hof ihrer Schule gesehen. Doch da hatte sie einen Sonnenstich. War es nun dasselbe? Vernebelte die Sonne ihr den Verstand? Eine schnelle Bewegung. Weitere Augen tauchten aus der Dunkelheit auf und sprangen ihr entgegen. Reflexartig duckte sie sich zur Seite und zog den verdatterten Maximilian mit hinunter. Stille. Ein leises Plopp, gefolgt von einem bekannten Laut. Beide lagen quer auf den Stufen und starrten auf ein kleines Etwas, was sich genüsslich an Theas Bein rieb. „Eine Katze“, hauchte Thea erleichtert. Ihr Blick huschte zum Baum, auf der Suche nach dem schwarzen Loch. Es war verschwunden. Dafür war nun diese schwarze Katze dabei, sich gemütlich die Pfote zu lecken und schnurrte leise vor sich hin. „Meine Güte, sind die Katzen in Amerika immer so angriffslustig?“, meldete sich Maximilians Stimme von rechts. Thea sah ihn an, da sie ihn schon fast vergessen hatte und setzte sich gerade hin. „Sie wird wohl vom Baum gesprungen sein. Vielleicht hat sie sich beim Sprung vertan“, murmelte Thea, mehr zu sich selbst, und stand auf. Dies ziemlich schnell, dass sie wieder zurücksackte. Ihr Kopf brannte, ein wenig übel war ihr auch. Trotzdem breitete sich ein seltsames Gefühl, in Gegenwart dieser Katze, in ihrem Körper aus. „Ich glaube, du legst dich lieber eine Weile hin. Du scheinst zu viel Sonne abbekommen zu haben“, sagte er, stand auf und half ihr ebenfalls dabei. Thea nahm die Hilfe dankend an und schüttelte sich bedächtig, um dieses Gefühl zu verjagen. Wahrscheinlich hatte sie es sich eingebildet. Die Hitze. Unmittelbar vor der Haustür verabschiedeten sie sich. „Wenn du mal wieder in Kairo bist, melde dich doch mal bei mir. Im Stadtzentrum gibt es ein kleines Cafè namens Basket – die Katzengöttin. Es gehört meiner Familie.“ „Gerne“, log Thea nur halbherzig. Holly hatte sie bereits überredet, mit ihr in Urlaub zu fahren, doch hatte sie das Gefühl, ihm nicht alles sagen zu können. Sie sah ihm noch nach, bis er um die nächste Ecke verschwand. Seufzend fischte sie nach ihrem Schlüsselbund, schloss die Tür auf und trat ein. Von innen empfing sie eine kühlende Priese, was ihr sehr gut tat. Gerade wollte sie die Tür wieder schließen, da fiel ihr Blick nach unten. Dort saß die schwarze Katze auf der Pforte und starrte sie auffordernd an. Thea starrte gebannt zurück ... ******************************************************************************* Hi, nach langer Zeit melde ich mich mal wieder zurück ^^ Hatte viel Spass beim Schreiben des Kapitels, ich hoffe, es gefällt dir. Ich glaub, mein Ägypten-Fieber ist wieder ausgebrochen, daher kannst du dich sicher bald auf Fortsetzung freuen (=8 Ich muss nur noch diese eine folgende Lücke stopfen, dann gehts zügiger weiter, da der Rest ja so gut wie fertig ist *lol* LG, Phoebe ******************************************************************************* Kapitel 6: Das Portal --------------------- Thea starrte die Katze noch immer an, unfähig sich zu bewegen. Diese rührte sich ebenfalls nicht vom Fleck. Ihr Schwanz jedoch zuckte hin und her, als erwarte sie Einlass. Das aber war zu viel des Guten. Ihre Mom hätte sie getreten, da sie allergisch auf Katzenhaare reagierte. Was wollte die Katze eigentlich von ihr? Hatte sie Hunger? Plötzlich schoss ihr ein längst verdrängter Gedanke ins Gedächtnis. Dieser führte sie Jahre zurück. Vor ihrer damaligen Ägypten-Reise. In einer besonders stürmischen Nacht, als sie nicht einschlafen konnte und eine Katze gegen ihr Fenster geknallt war ... Aus irgendeinem Grund hatte die Katze auf ihrer Türpforte, die gerade anfing seelenruhig ihr Fell abzuschlecken, unheimliche Ähnlichkeit mit der damals. Unsinn! Thea schüttelte sich, um diesen absurden Gedanken zu verdrängen. Leider war da noch etwas anderes. Etwas, weit weg von ihrem Bewusstsein, was sie nicht fassen konnte. Doch dieses seltsame Gefühl, was sie in Gegenwart dieser Katze überkam, war real. Dasselbe Gefühl wie damals. Es löste wieder dieses Kribbeln unter ihrer Haut aus, als flöße ihr Blut schneller als sonst. Einer Gänsehaut gleich, überzog es ihren Körper und brachte sie zum Frösteln. Doch es war ihr keineswegs unangenehm. Es wurde sogar von einer warmen Welle getragen. Trotzdem war dieses Gefühl sehr eigenartig. Das Tier setzte sich plötzlich in Bewegung und ging auf sie zu. Thea fuhr aus ihren Gedanken und versuchte die Katze, mit ihrem Bein, sanft wieder aus der Tür zu drängen. Leider war diese flinker und huschte um ihre Beine herum. Schon war sie die Treppen hoch gerannt und um die Ecke verschwunden. Thea, der Panik nahe, schmiss die Haustür zu und hastete dem Tier nach. Oben angekommen empfing das kleine schwarze Ding, Thea mit ruhig zuckendem Schwanz. Sie kam neben ihr laut atmend zum Stehen und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. „Du – bist – mir ja – eine“, schnaufte Thea und holte tief Luft. Vielleicht war es keine so gute Idee, sie hineinzubitten, doch in dem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicheres. Thea schloss die hölzerne Wohnungstür auf und trat ein. Die Katze folgte ihr ohne Aufforderung und lief zielsicher den Flur entlang. Sprang die Stufen zum nächsten Stock hoch und blieb vor Theas Zimmer sitzen. Thea folgte ihr und sah sie stirnrunzelnd an. Schon etwas merkwürdig, dass das Tier den genauen Weg zu ihrem Zimmer kannte. Als ob sie Gedankenlesen könnte. Ein winziger Impuls ließ Thea daraufhin zusammenzucken. Dieser Gedanke des gedankenlesenden Kätzchens kam ihr auf einmal gar nicht mehr so absurd vor. Hastig schüttelte sie sich und versuchte an etwas normales zu denken. Warum dachte sie so etwas dummes? Tiere, die Gedanken lasen. Unsinn! Die schwarze Katze saß noch immer vor der Tür und musterte das Mädchen neugierig. Nun stand sie auf und rieb ihren Körper an dem Holz der Tür. Das war die Aufforderung, doch endlich diese zu öffnen. Thea setzte sich fast überhastet in Bewegung und fand sich Sekunden später auf ihrem Bett sitzend wieder. Das Tier wuselte in ihrem Zimmer umher, als hätte es noch nie einen Kleiderschrank, einen Schreibtisch mit PC oder so etwas wie ein Bett gesehen. Oder es roch in allen Ecken anders. Tiere empfanden das ja anders, als wir Menschen. Hieß das, in ihrem Zimmer stank es? So, wie die Katze herum schnüffelte, hätte es fast den Anschein erwecken können. Der Tag wendete sich langsam den Ende, draußen war es schon viel drüber geworden. Wolken hatten die Sonne verdunkelt, außerdem lag viel Feuchtigkeit in der Luft, was ein Unwetter ankündigte. Thea schaute aus ihrem einzigsten Fenster, hinaus zu ihrem Baum, der bei Sturm oft gegen ihr Fenster klopfte. Wieder dieser Gedanke. Und das Gefühl. Fast so, als läge dort etwas in ihrem Kopf, an das sie sich nicht mehr erinnern konnte. Man wusste, das da noch was war, dieses Gefühl verkündete, dass man etwas vergessen hatte. Doch was? Es war zum Verrückt werden. Ihr ganzen Leben war sie normal gewesen, doch seit sie diese vermaledeite Reise ins Land des Nils gemacht hatte, schien nichts mehr so zu sein, wie sie es gewohnt war. Dinge geschahen. Seltsame Dinge, die sie sich nicht erklären konnte. Sachen gingen zu Bruch. Vorahnungen. Nicht, dass sie vorher keine gehabt hatte, doch sie wurden bisher immer wahr. Vorahnungen, die sich erfüllten. Nicht nur dieses Gefühl, seit neusten waren da auch Träume, die ihr etwas mitteilen wollten. Doch was? Während sie sich noch das Gehirn zermarterte, hüpfte die Katze, die Thea schon vergessen hatte, auf ihr Bett und näherte sich ihrem Schoß, dessen Beine sich im Schneidersitz befanden. Das Mädchen sah überrascht auf und hob schon eine Hand, um der Katze übers Fell zu streicheln. Doch sie stockte. Auf der Brust war eine senkrechte weiße längliche Form, die sich bis zur Schnauze, um die Augen zu einem Kreis formte. Um den Hals ging eine waagerechte längliche Form, die mit dem Rest Weiß verschmolz. Sehr vage angedeutet, doch es hatte fast die Form eines ... Von unten kam ein leises Knallen. Die Wohnungstür war geschlossen worden. Thea sah auf und zur geöffneten Tür. Ihre Mutter! Die Katze horchte, indem sie ihre Ohren hin und her gleiten ließ, und sprang plötzlich vom Bett in Richtung Tür. Thea beobachtete die Aktion total entgeistert und sprang verzögert vom Bett. Rannte auf die Tür zu und knallte sie kurz nach dem Tier in den Rahmen. Verdammt! Sie hörte die Stimme ihrer Mom durch das Holz, sie rief nach ihr. Unsicher öffnete sie die Tür wieder und ging langsam nach unten. Gleich gab es Ärger, das war vorprogrammiert. Mit gesenktem Kopf betrat Thea die Küche und wagte es nicht, ihre Mom anzusehen. „Wie war dein Tag?“, fragte Mrs. Reymond und packte dabei die vollgestopften Tüten aus, die auf dem Küchentisch standen. Thea trat näher und half ihr dabei. Gleichzeitig schaute sie sich um, auf der Suche nach etwas Schwarzem. „Hm, könnt besser sein“, antwortete Thea, während sie die zwei Packungen Milch in den Kühlschrank verfrachtete. „Das hört sich nicht so begeistert an, war was los -?“ Mrs. Reymond hielt inne. Thea erstarrte, als sie die schwarze Katze erblickte, im direkten Kurs auf die Beine ihrer Mom, die mit dem Rücken zu ihr stand. Diese nieste just in diesem Moment in ihre Hand. Noch einmal. Ein drittes mal. „Taschentuch!“, nuschelte sie und hielt Thea ihre auffordernde Hand entgegen. Schnell hastete Thea zur Handtasche ihrer Mutter und zog ein Kleenix heraus, um es weiter zu reichen. Mrs. Reymond schnappte es sich dankend und nieste ein viertes mal, diesmal ins Taschentuch. Die Katze war indes stehen geblieben und schaute zu der großen Frau empor, als sehe sie etwas interessantes. Dann machte sie kehrt und lief wieder in den Flur zurück. Das war vielleicht auch Thea zu verdanken, die hinter dem Rücken ihrer Mutter, heftig gestikuliert hatte. „Was machst du da?“ Thea fuhr erschrocken herum. „Nichts.“ Nichts konnte man das zwar nicht nennen, doch eigentlich hätte ihrer Mutter ein Licht aufgehen müssen. Selbst nach dieser Niesattacke. Doch, sei es wegen dem vielem Stress, den sie auf Arbeit ausgesetzt war, oder der Müdigkeit, sie ließ sich nichts anmerken. Es war absurd zu glauben, dass ihre eigene Tochter etwas mit ins Haus schleppte, worauf sie allergisch reagierte. Sei es ein Junge, dessen Gattung Mensch im Leben des Kindes eh Mangelware war, oder ein Tier. Ersteres wünschte sie ihrer Tochter zwar, denn jeder sollte mal glücklich sein, andererseits war Thea in einem Alter, wo man diverse Bedürfnisse verspürte. Sich dies vorzustellen, war für eine Mutter nicht leicht. Selbst ihr Vater sprach ungern darüber. Aufgeklärt war sie, keine Frage, aber es sollte bitte noch ein paar Jährchen dauern. Lieber später als früher. Mrs. Reymond packte gerade die letzte Joghurtpackung in den Kühlschrank und sah sich wieder nach ihrer Tochter um, die sich sehr merkwürdig benahm. „Was suchst du denn eigentlich?“, fragte sie und strich sich eine dunkelbraune Strähne ihres langen Haares aus dem Gesicht. Thea fuhr wieder herum. Sie stand in der Öffnung zum Flur und hatte bis eben verstohlen um die Ecke gespäht. Jetzt sah sie ihre Mutter unschuldig an. „Nichts, ich überleg nur, was ich noch machen könnt“, antwortete sie schnell. „Du kannst mir ja beim Abendessen helfen.“ Schon bereute Thea, überhaupt etwas gesagt zu haben. Kochen war nun wirklich nicht ihre Stärke. „Da fällt mir ein, ich wollt mich noch mit Holly treffen, wegen morgen.“ Typisch Thea, doch ihre Mutter war nicht überrascht, schließlich kannte sie sie lange genug. „Komm aber nicht zu spät, um sieben gibt’s Essen“, ermahnte sie. „Ok“, murmelte Thea und verschwand aus der Küche. Ihr Weg führte sie jedoch ins Wohnzimmer, in die sie das Tier hatte verschwinden sehen. Es war nicht sonderlich groß, da bräuchte sie sicher nicht lange suchen. Ihr Blick fiel auf das kleine Sofa, dort lag sie ausgestreckt und mit geschlossenen Augen auf dem Polster. Als Thea näher kam, sah die Katze auf und miaute zur Begrüßung. „Wolltest du nicht gehen –?“ Thea erschrak, als ihre Mom ins Zimmer platzte und diese Worte regelrecht heraus nieste. Die Katze sprang wieder vom Sofa und verschwand unter den runden Holztisch. „Mein Gott, war hier ne Katze, oder was?“, schniefte Mrs. Reymond in ihr Taschentuch. Thea bibberte in ihrem Inneren und hoffte inständig, dass ihr Gesichtsausdruck nicht zu geschockt aussah. „Nein, wie kommst du darauf?“, erwiderte sie und packte geistesabwesend eine Zeitschrift vom Haufen auf dem Tisch. „Die wollt ich Holly mitbringen.“ Mrs. Reymond trat näher und runzelte die Stirn. „Seit wann interessiert sie sich für das Altertum?“ Theas Blick fiel auf das Cover, auf dem mit großer Schrift ‚Das Mittelalter’ zu lesen war. In Gedanken schall sie sich für diese Dummheit. Nie im Leben würde sie ihr abnehmen, dass ihre Freundin plötzlich konvertiert war. Holly war ein Mensch, nun ja, sie hielt viel vom Äußeren. Ihrem Äußeren. Sie las viel, logisch, doch mit Sicherheit nie solche Sachen, wie es Thea gerne tat. Holly war mehr der Typ Mensch, der sich sein Wissen aus dem Fernseher holte. Lesen, in dem Sinne, war ihr zu anstrengend. Bücher, Romane, kein Problem, aber Wissenschaft in geschriebener Form, ein Einschlafmittel. Thea überlegte hastig, dann fiel es ihr ein. „Da ist ein Bericht über das alte Ägypten drin. Sie meinte, dass sie nicht ins kalte Wasser springen wollte. Etwas Insiderwissen, du verstehst?“ Natürlich war das gelogen. Sie hoffte jedoch inständig, dass sie ihr das abkaufen würde. „Na, dann fängt sie ja einen Tag vor der Abreise, recht früh an“, sagte Mrs. Reymond nur und zuckte mit den Schultern. Thea atmete auf, obgleich sie den Blick nicht von der Türecke abwenden konnte, an welcher das Tier sich gerade nieder gelassen hatte und sich putzte. Dabei sah sie Thea fast zustimmend an. „Was wollt ihr denn noch machen, schließlich geht es doch morgen recht früh los?“, wollte sie wissen und drehte sich schon zum Gehen um. Ein plötzlicher Schrei ließ sie aber in ihrem Vorhaben zusammen zucken. Hastig drehte sie sich zu ihrer Tochter um und musterte sie empört, dann nieste sie erneut. Thea wusste nicht, was sie sagen sollte. Gerade noch hatte sie einen Schrei vorgetäuscht, nur, damit sich ihre Mutter nicht umdrehte und die Katze bemerkte. Schnell, aber bedacht, deutete sie neben sich an die Wand, vor dem das Sofa stand. „Was ist da?“, fragte Mrs. Reymond leicht genervt. „Eine Spinne. Ja, was für ein fettes Ding, bitte mach sie weg!“, flehte Thea, in gespielter Aufregung. Das konnte sie gut, jahrelang erlernt bei ihrer besten Freundin. Mrs. Reymond verdrehte theatralisch die Augen und sah sich die Wand und die Region hinter dem Sofa genauer an. „Du mit deiner Spinnen-Phobie.“ Thea nickte noch zustimmend, dann sauste sie schon leise durchs Zimmer, packte die regungslos dasitzende Katze, und rannte zur Tür. Schnell schob sie das Tier hinaus und schloss hastig die Tür, als ihre Mutter um die Ecke kam. „Da war nichts, hast dich sicher verguckt“, sagte sie und putzte sich noch einmal kräftig die Nase. „Wieso atmest du so schnell?“ Thea verschluckte sich fast an ihrem Speichel und suchte nach einer passenden Antwort, doch ihr fiel absolut nichts ein. Ihre Mutter war jedoch schon in der Küche verschwunden, ohne auf ihre Antwort zu warten. Erleichtert atmete Thea auf und zog sich mit klopfenden Herzen ihre Schuhe an, darauf nahm sie die dünne, braune Regenjacke vom Bügel und öffnete wieder die Tür. Vorsichtig spähte sie hindurch, stellte ich Bein dazwischen, für den Fall, das jemand eindringen wollte. Keine Katze. Sicher wartete sie unten vor der Tür. „Bis später“, rief sie und schloss die Tür hinter sich. Dass sie die Zeitschrift vergessen hatte, fiel ihr nicht mal auf. Auf dem Weg nach unten hörte sie die Haustür zuschlagen, es war später Nachmittag, sicher war das ihr Vater. Oh nein, hoffentlich hatte er die Katze nicht gesehen. „Hallo, mein Schatz“, rief er von der nächsten Treppe. Es war wirklich ihr Vater. Kurzes braunes Haar und die unverkennbare Brille. „Willst du noch weg?“ Blöde Frage, natürlich wollte sie noch weg, warum sonst ging sie hinunter. „Ja, zu Holly“, sagte sie zaghaft, in der Hoffnung, nichts von einer Katze zu erfahren, die ihm entgegen gekommen war. „Dann viel Spaß.“ Draußen angekommen sah sie sich verstohlen um. Der Busch und Baum waren wie immer. Mussten mal wieder gestutzt werden, doch kein schwarzes Loch war zu erkennen. Keine Katze. War sie vielleicht noch drinnen? Nein, sie war extra noch zu den Kellertüren gelaufen. Da war nichts. Sicher hatte sie jemand rausgelassen. Ist zwischen den Beinen nach draußen geschlüpft. Einige Varianten gingen ihr durch den Kopf, während sie die paar Straßen weiter zu Holly lief. Eigentlich war der Besuch nicht angekündigt, aber das hielt Holly nicht mal davon ab, öfters unangemeldet bei ihr aufzutauchen. Von der Katze blieb keine Spur und fiel kein Wort. Es war soweit. Holly und ihre Familie hatten Thea früh am Morgen abgeholt. Schon seit Stunden saßen sie im Flugzeug nach Kairo. Alles wäre super gelaufen, wenn nicht Hollys Bruder, Jake, auch mit von der Partie gewesen wäre. Seit einer geschlagenen Stunde hatte er Thea in ein übel langweiliges Thema verwickelt: Fußball. Sah sie so aus, als würde sie sich auch nur ein Fünkchen dafür interessieren? Fehlanzeige! Doch er war so hartnäckig und unangenehm aufdringlich, dass sie seit einer halben Stunde schon nur einsilbige Antworten, auf seine Einwürfe über die Auswahl seiner Lieblingsspieler, von sich gab. Holly hatte es bereits aufgegeben, ihm den Mund zu stopfen, es half eh nichts. Niemand konnte den Wasserfall des Jungen stoppen, wenn er erst mal angefangen hatte. Es dauerte nicht mehr lange, dass zeigte der Bildschirm weiter vorne über den Sitzen, auf dem die Flugroute angezeigt wurde. Ein kleines Flugzeug folgte einer gezeichneten Linie. Bald waren sie da. Diese Gewissheit ließ Theas Herz höher springen. Ein anderer Teil in ihr hatte ein wenig Unbehaben. Sie hatte einfach ein seltsames Gefühl im Bauch, vielleicht Neugierde, vielleicht Angst. Neugierde auf das, was sie dort, ein paar tausend Meter unter ihr, erwartete. Als sie mit dem Taxi durch die Straßen fuhren, sah Thea alles wie in Trance. Sie erinnerte sich an die Straßen und an das große Museum, an dem sie gerade vorbei fuhren. Verunsichert holte sie ihr Amulett aus ihrem Pulli und hielt es fest umklammert. Als würde ihr so ein Gegenstand auch beistehen oder helfen können, dachte Thea spöttisch. Aber etwas gab ihr wirklich Kraft, sie wusste nicht was, aber sie fühlte sich schon besser und betrachtete weiter mit der staunenden Holly Kairo aus dem Wagenfenster. Holly regte sich ständig auf, wie heiß es doch hier sei. In Kalifornien war es auch heiß! Im Hotel angekommen ging es ans auspacken und später runter in den riesigen Salon zum Abendbrot. Holly staunte über die Vielzahl an Gerichten und leckeren Nachspeisen und schlang alles mögliche in sich hinein, ohne, wie sonst auch, auf ihre Figur zu achten. Nach identisch verlaufenden Tagen am hoteleigenen Strand, beschlossen Thea und Holly, dem Trist ein Ende zu setzen. Museumstag. Natürlich wollte Holly, wenn sie einmal in Ägypten war, eine Führung von Thea, durch ihre geliebte Archäologie und Mythologie. Das ließ sie sich natürlich nicht zwei mal sagen. Leider aber schloss sich Jake mit an, was Holly nicht gerade passte. Thea hingegen vermutete, dass der Ausflug alles werden konnte, nur nicht langweilig. Die Stufen zum Gebäude ging sie jedoch mit Bedacht und sehr langsam, als fürchtete sie, gleich tot umzufallen. Holly war schon durch das Portal, als Thea erst drei Stufen hinter sich hatte. Durch den Türspalt erschien Hollys Kopf. „Kommst du, oder willst du Wurzeln schlagen?“, fragte sie und sah ihre beste Freundin auffordernd an. Kaum etwas hatte sich verändert. Sie kamen in eine große Eingangshalle und konnten in das nächste Stockwerk schauen, was von Geländern abgegrenzt war. Die Führung begann. Die Mumien kamen zum Schluss, da sich Holly besonders davor gegruselt hatte. Trotzdem war sie wie gebannt, da man solches nicht alle Tage zu Gesicht bekam. Jake war in der Zwischenzeit irgendwo zwischen den Sarkophagen und den Statuen verschwunden, was aber keinem besonders auffiel. Als sich Thea an einer besonders schön gefertigten Vase festgeguckt hatte, bemerkte sie, dass auch Holly nicht mehr neben ihr war. Verwundert sah sie sich in der Menschenmenge um. Keine Holly, kein Jake. Nun gut, dann musste sie sich eben allein umschauen. Langweilig würde es auf keinen Fall werden. Sie betrat nach einer Weile einen Teil des Museums, der etwas abgeschirmt von all den anderen Ausstellungsobjekten war. Es handelte sich um einen kleinen Teil Kunstschätze, deren früherer Besitzer nicht bekannt war. Zumindest stand dies auf dem Banner über dem Türeingang, der von zwei mit ägyptischen Hieroglyphen gestalteten Steinsäulen flankiert wurde. Das absolute altertümliche Flair verbreiteten die brennenden Fackeln, umringt von Glas, im Eingang und in dem Raum, was dem ganzen einen Hauch von Erfurcht und Mystischem Tatsch verlieh. Der Raum war nicht besonders groß, aber zog sich in die Länge, wo er am anderen Ende in einem weiteren Ausgang mündete, der zurück in den Raum führte, aus dem Thea gerade kam. Beide Seiten der Wände waren bemalt mit altägyptischen Hieroglyphen und schienen eine Geschichte zu erzählen, die Thea seltsam bekannt vor kam. Auf der linken Seite des Raums lagen und standen in Glasvitrinen diverse Schmuckstücke, reich verzierte Krüge, Kanoben mit den Tierköpfen der alten Götter, Amulette und vieles mehr. Thea wusste, dass sie schon einmal hier gewesen war, auch wenn sich der Ort etwas verändert hatte. „Wow, ist ja stark“, hörte sie eine helle Stimme hinter sich. „Hetz mich nich so!“, ertönte auch eine weitere, aber deutlich tiefere Stimme. Thea drehte sich automatisch um und sah ein kleines rothaariges Mädchen um ein größeres Braunhaariges hüpfen. „Lass den Quatsch, Gin!“, zischte das Größere. Doch das kleine Mädchen, was höchstens elf Jahre war, hörte nicht wirklich, ließ zwar das größere Mädchen stehen, hüpfte aber weiter durch den Raum. Gerade sprang sie an Thea vorbei und rief „Hi!“, während sie sich wie auf einem Trampolin springend weiter durch den Raum bewegte. „Hallo“, sagte Thea verduzt. „Mach bloß nix kaputt!“, rief ihr das andere Mädchen hinterher. Keine Antwort. „Dummes, kleines, Miststück“, murmelte sie verärgert, während sie gemächlich weiter ging. Thea hatte es gehört und schmunzelte. Das Mädchen blieb stehen und sah Thea stirnrunzelnd an. „Hast´n Problem?“, fragte das Mädchen mit bösem Blick aus ihren schwarz umrahmten dunklen braunen Augen. Thea sah sie verdutzt an, nicht wirklich wissend, etwas darauf zu antworten. „Dann ist´s ja gut.“ Etwas überheblich zog sie von dannen. Thea stand wie angewurzelt da und konnte es nicht fassen. Was war denn mit der?, dachte Thea überrascht, doch gleichzeitig verärgert. Noch ein wenig über die Situation eben nachdenkend, lief sie weiter und betrachtete die verschiedenen Schmuckstücke. „Hey, da bist du ja“, hörte sie Hollys Stimme, die eilig auf sie zukam. „Ist das nicht toll hier?“ Sie packte Thea beim vorbeigehen freundschaftlich an den Schultern. „Ich hätte nie gedacht, dass Archäologie hautnah so aufregend sein kann.“ Mit diesen Worten verschwand sie den Raum entlang. Thea lächelte und ging langsam weiter. Ihr Blick fiel auf einen Spiegel aus Gold. Er war ebenfalls von Glas umhüllt. Holly war bereits weiter gelaufen, doch Thea blieb plötzlich stehen. Etwas ging von diesem Spiegel aus. Eine magische Anziehung. Langsam ging sie darauf zu. Sein Rahmen bestand zum größten Teil aus Gold und war reich verziert mit Hieroglyphen und Bannsprüchen und endete oberhalb in einer Rundung. Dieser Spiegel musste einer hohen Person gehört haben, vielleicht sogar einer Königin, dachte selbst Thea bei sich. Sie sah auf das Kärtchen, was auf der Glastür klebte. Es war tatsächlich der Spiegel einer königlichen Person gewesen. Leider wusste man nicht, wer es gewesen sein konnte, da man jüngst diesen Spiegel und andere Kostbarkeiten, in einer unbekannten Pyramide fand. Diese soll die Grabstätte einer ebenfalls unbekannten Prinzessin gewesen sein. Dies ist also dein Vermächtnis, dachte Thea und brachte das ganze irgendwie nmit ihren Träumen in Verbindung. „Was soll ich bloß tun?“, flüsterte sie zu sich selbst. Was ist damals wirklich passiert? Wieso habe ich diese Visionen? Wieso ich? Ich bin doch nur Thea, dachte sie etwas verbittert und faltete ihre rechte Hand zu einer Faust, deren Arm nun angespannt neben ihrem Oberschenkel hing. Der Spiegel war fast blind, da er schon über 5000 Jahre alt war, doch Thea fand noch ein paar Stellen, wo sie sich spiegelte. Verträumt sah sie sich selbst ihr langes gewelltes dunkelbraunes Haar richten. Plötzlich fuhr sie erschrocken zurück, denn im Spiegel kämmte sich nun ein Mädchen, dessen Gesicht von einem hellen Schleier verhängt war, ihr langes dunkles Haar mit einem orientalischen Kamm. Die Sichtweise des Spiegels veränderte sich von einer Sekunde zur anderen. Die erblindeten Flächen zogen sich plötzlich im Mittelpunkt des Spiegels zusammen und verschwanden, als hätte jemand in der Badewanne den Stöpsel gezogen. Die Oberfläche des Spiegels war jetzt völlig klar und deutlich konnte nun Thea das Mädchen auf der anderen Seite sehen. Völlig verstört taumelte Thea zurück und presste sich an die gegenüberliegende Wand. Sie konnte nicht fassen, was da gerade geschah. Sekundenspäter fand sie sich auf dem Boden wieder. Zum Glück war gerade niemand in diesem Gang unterwegs, sonst wäre es sehr peinlich geworden. Das Mädchen schien in ihrem Alter zu sein. Sie konnte ihr Gesicht nicht sehen, wegen des Schleiers, doch aus irgendeinem Grund, kam sie ihr bekannt vor. Durch ihr glattes Haar hindurch sah Thea die Umrisse eines breiten Stirnreifs, ein Diadem aus Gold und Lapislazuli. Plötzlich trafen sich ihre dunkelbraunen Augen. Sie schienen etwas warmes auszustrahlen. Ja, sie schienen Thea zu beruhigen. Mit langsamen Bewegungen kroch sie auf den Spiegel zu und richtete sich vorsichtig auf. Ungläubig, beinahe an sich selbst zweifelnd, stand sie ganz dich vor dem Glas der Umhüllung und versuchte sich selbst im Spiegel zu finden. Doch da war nur dieses Mädchen, was ihre Haare kämmte und der Raum hinter ihr. Plötzlich schien sich etwas zu verändern, einige Männer, gekleidet in dunkle lange Kleider, die wie Roben wirkten, betraten den Raum. Thea durchfuhr wieder eine Art Gedankenblitz, der sie Dinge sehen ließ. Sie war wieder zurück auf ihrer Fahrt zu den Pyramiden. Sie sah den zweiten Reisebegleiter vor ihrem inneren Auge. Der Rauch seiner Zigarette vernebelte Thea die Sicht auf ihren nächsten Gedanken, der sie zum Eingang der Pyramide ihres Großvaters führte. Langsam verflog der Qualm und gab den Blick auf Männer in dunklen Roben wider. Sie erinnerte sich wieder, wie sie in das innere der Pyramide gingen und sie darin eingeschlossen wurden. Mit dem letzten Bild vor Augen, wie die steinerne Tür sich vor die Öffnung schob, kam sie wieder zu sich. Blinzelnd sah sie um sich. Sie blickte wieder auf das Mädchen, was sich nervös von ihr abgewandt hatte. Plötzlich verschwand das ganze Bild und sie sah nur noch sich selbst und ihr erschrockenes Gesicht. Nein! „Scheiße, komm zurück!“, rief Thea und versuchte den Spiegel zu berühren, doch das Glas war dazwischen. Plötzlich klickte etwas und die Tür schob sich, vor Theas erstaunten Augen, einige Zentimeter auf. Etwas unsicher betrachtete sie das ganze und streckte plötzlich die Hand nach dem Glas aus, um es weiter zu öffnen. Es war wie ein innerer Impuls, der ihr mitteilte, dass sie das richtige tat. Vorsichtig legte sie ihre rechte Hand auf die Oberfläche des Spiegels, doch ihre Hand griff ins Leere. Sie ging direkt hindurch und sobald ihr das klar wurde, zog sie erschrocken die Hand zurück. Da, wo zuvor ihre Hand im Spiegel verschwunden war, war nun eine ovale, wellige, wilde Oberfläche. Wie Wasser, auf das ein Regentropfen traf und nun kreisförmig Wellen schlug und wieder still wurde. „Wow! Ist ja Wahnsinn!“, murmelte Thea heimlich fasziniert. Neugierig ging sie wieder auf den Spiegel zu und streckte ihre Hand erneut aus. Vorsichtig tauchte sie mit den Fingerspitzen in den Spiegel ein und spielte mit den Fingern. Das Gefühl war unbeschreiblich. Als würden alle Zellen in ihr tanzen oder aus einem langen Schlaf erwachen. Wie aus heiteren Himmel verklang dieses Gefühl und wechselte in Angst. Angst vor dem, was nun geschah. Wie ein Blitz traf sie die Erkenntnis, dass etwas Seltsames mit ihr geschah. Die Oberfläche schien ihre Finger anzusaugen, bis ihre Hand ganz verschwunden war. Er hielt sie fest, sie konnte sie nicht bewegen. Voller Entsetzen versuchte sie ihren Arm ziehend zu befreien, doch er hing fest. Panik machte sich in ihr breit, worauf sie gar nicht bemerkte, wie der Spiegel zu glühen begann. Sein Licht ging auf Thea über und umhüllte ihren Geist. Ein grelles gleißendes Licht blendete das Mädchen und fing ihren Körper in sich ein. Sie spürte eine durchdringende Energie die ihre Haut zum Prickeln brachte. Ein warmes, angenehmes Gefühl der Geborgenheit durchdrang ihren Körper und Geist. Es war fast so, als würden alle negativen Gedanken und Gefühle aus ihr raus gesogen. Egal was folgte, irgendetwas sagte ihr, dass ihr nichts passieren würde. Doch war da noch etwas. Ein winziger Funke von Angst und Unbehagen. Sehr klein, wage und beinahe ganz unterdrückt, aber trotzdem da. Sie konnte nichts machen, sich nicht wirklich dagegen wehren, sie wollte es geschehen lassen. Ihr letzter Wiederstand war gebrochen. Sie wurde regelrecht vom Licht verschlungen und verschwand im Spiegel. Entschlüpft durch das Netz der Zeit, was so penetrant an ihr gezogen hatte. In eine ungewisse Welt ... ******************************************************************************* Bin ich nicht gemein ?? (=8 LG, Phoebe ******************************************************************************* Kapitel 7: Das Opfer -------------------- Sie befand sich nicht im Spiegel, nicht direkt. Dieser war nur ein Zwischenstopp. Eine Haltestelle in eine Welt, die Thea oder sonst ein Mensch je für möglich gehalten hätte. Zeit, dieses Wort war variabel. Zeit war relativ. Dort, wo sie sich nun befand, oder nicht befand, war Zeit etwas niedriger bestückt. Man richtete sich danach, doch war dort niemand so sehr darauf verfallen, wie es in unserer Welt gang und gebe schien ... Das nächste, an das sich Thea erinnerte, war ein Surren und ein rauer Lappen, der ihr über die Wange strich. Langsam öffnete sie die Augen und sah an eine kahle Decke. Erschrocken sprang sie auf. Neben ihr schmiegte sich eine schwarze Katze an ihre Beine und schnurrte vergnügt. Sie kam ihr unheimlich bekannt vor, doch die Nervosität ließ ihre Aufmerksamkeit durch den Raum schweifen. „Wo bin ich?“, rief Thea und blickte sich in einem großen Raum um. Auf beiden Seiten befanden sich alle paar Meter in die Wände eingearbeiteten Säulen, die anscheinend zur Deckenstabilisation beitrugen. Die hellen Wände waren prachtvoll mit goldener Farbe bemalt. Hieroglyphen und Menschen in Alltagssituationen waren daran dargestellt. Von der Decke hingen die feinsten transparenten Stoffe, in vielen fröhlichen Farben, die auch den Eingang zu der großen Doppeltür hinter ihr verhingen. Auf der anderen Seite dasselbe vor den Türen zum Balkon. Theas Blicke schweiften noch immer ungläubig von den bunt bemalten Säulen, weiter zu dem Schlafplatz der Person, die hier lebte, was mehr wie ein orientalisches Himmelbett aussah, so sehr war es mit hellem Stoff verdeckt. Es stand mit der Front weiter in der Mitte an der Wand, genau zwischen zwei Säulen. Der Boden glänzte, trotzdem konnte sie nicht erraten, aus was er bestand oder mit was er überzogen wurde. Der Raum war zwar groß, trotzdem stand nicht viel mehr darin, einige andere Dinge, die Schränke ähnelten. Fast gegenüber dem Bett, an der anderen Wandseite entdeckte sie eine Art Tisch, worauf ein großer Spiegel stand, der Spiegel aus dem Museum, da war sich Thea sicher. Und davor, auf einem Hocker saß das Mädchen und kämmte noch immer ihr dunkles Haar. Auf ihrer sonnengebräunten Haut, trug sie ein langes, weißes, teils transparentes Kleid, was eine Erhabenheit auszustrahlen suchte. „Hallo? Wo bin ich hier?“, fragte Thea, doch das Mädchen reagierte nicht. „Hey!“ Thea ging auf sie zu, versuchte sie zu berühren, doch ihre Hand ging glatt durch sie hindurch. Kreischend sprang sie zurück und versuchte sich zu sammeln. „Verdammt, was ist das? Hallo kannst du mich hören?“ Keine Reaktion. Plötzlich kamen mehrere Männer in dunklen Roben in den Raum, woraufhin das Mädchen am Spiegel zusammenzuckte und sich nervös umdrehte. Ihr Haar- und Ohrenschmuck klimperte bei der Bewegung. Die Gesichter der Männer waren verborgen unter weiten Kapuzen. Ein Mann sprach in einer anderen Sprache, Thea verstand kein Wort, sie sah nur, wie das Mädchen schweigend aufstand und sich fügte. Doch sie konnte die Angst in ihren Augen sehen, aber auch den Stolz. Sie wandte sich wieder dem Spiegel zu und ergriff eine Phiole, gefüllt mit einer grünlichen Flüssigkeit. Mit einem schnellen Schluck leerte sie das Gefäß und sah sich dabei starr im Spiegel in die Augen. Langsam erhob sie sich, stellte das Gefäß zurück auf den Tisch. Das alles geschah mit solcher Präzision und Eleganz, dass es keinen Zweifel zu geben schien. Sie war eine Prinzessin. Mit aufrechtem Blick, ging sie durch Thea hindurch, die ihr nicht rechtzeitig ausweichen konnte. Es war ein seltsames Kribbeln, verschwand aber sogleich wieder. Die Männer geleiteten das Mädchen hinaus, Thea zog es vor, ihnen zu folgen. Fackeln säumten ihren Weg durch einen langen Flur, der in einer großen, säulenbestückten, Halle mündete. Einige Minuten später verließen sie ein riesiges Gebäude, wahrhaft ein Palast, aus hellem Sandstein, vielleicht auch Lehmziegeln. Darauf folgte die Sicht auf eine grüne Oase. Daneben eine Pyramide. Thea war stumm gefolgt, wissend und gleichzeitig hoffend, dass sie wirklich niemand sah. Der Anblick der Pyramide jedoch löste etwas in ihr aus. Ein Gefühl des Wiedererkennens. Konnte es wirklich die Pyramide ihres Großvaters sein? Diese Dinger sahen doch alle gleich aus, warum sollte sie es sein? Das Gefühl bestätigte sehr genau, dass es seine war, doch wollte sich Thea darauf nicht einlassen. Alles, was gerade geschah, war einfach zu unglaublich, um zu denken, dass es real war. Sie musste eingeschlafen sein. Genau, keinen anderen Gedanken ließ sie gelten. Heißer Wüstensand strich über ihre Turnschuhe, in dem sie fast versank. Es ging auf die Pyramide zu, davor standen bereits Leute. Sicher Priester, in langen Roben und behangen mit goldenem Schmuck. Diese gingen nun voran in den Eingang hinein, das Mädchen und die anderen Männer folgten. Thea tat es ihnen gleich, doch hatte sie ein ungutes Gefühl. Diese Prozession verhieß nichts gutes. Sie schleppten das Mädchen ab, als wäre sie ein Gefangener. Gefangener. Dieses Wort rührte in ihr. Diese Umgebung, sie war schon einmal hier gewesen. Im Inneren des Tunnels wurde es schlagartig kälter, sie begann zu frösteln. Die Hieroglyphen an den Seitenwänden waren deutlicher, nicht so abgetragen, wie bei ihrem letzten Besuch. Ja, sie war schon einmal hier gewesen. In einer anderen Zeit, aber am selben Ort. In dieser Pyramide war sie eingeschlossen worden. Allein? Weiter kam sie mit ihren Überlegungen nicht, denn sie betraten einen kleinen Raum. Dieser war mit leuchtenden Fackeln besetzt, die an den Wänden an Halterungen befestigt waren. Thea spähte um die seltsamen Leute herum und entdeckte, unmittelbar vor ihnen, drei Durchgänge. Sie nahmen den rechten, der wiederum in unzählige weitere Gänge kreuzte. Es ging stumm immer weiter hinab in das Labyrinth der Pyramide, niemand sprach ein Wort. Die Zeit verging für Theas Geschmack viel zu langsam, nach einer halben Stunde des endlos vor ihnen liegenden Tunnelgewirrs, fragte sie sich ernsthaft, ob sie wirklich hätte mitgehen sollen. War es nicht viel besser, sich in den Arm zu kneifen, damit sie wieder erwachte? Aus einem Albtraum, und das musste es wahrhaft sein. Doch etwas anderes in ihr wollte, dass sie weiter ging, wie unangenehm dies auch für sie werden sollte. Sie musste einfach sehen, was passierte. Um zu verstehen. Nach weiteren zwanzig Minuten wurde der Gang zunehmend breiter. Licht quoll ihnen entgegen, so hell, dass es blendete. Stimmengemurmel und alter Gesang drang zu ihnen. Das Mädchen, zwischen den Männern eingekeilt, als fürchteten sie, dass sie fliehen könnte, ballte ihre Hände zu Fäusten. Mehr aus Furcht, so glaubte Thea, doch ließ sie sich sonst nichts anmerken. Dies bewies wahre Größe. Thea betrachtete sie, ihren Gang, ihre Bewegungen, die ihr ein Gefühl vermittelten, was sie seit neusten zu unterdrücken versuchte. Das Gefühl des Erkennens. Trotzdem so vage, dass es sofort wieder verklang. Das Licht drang von einem weiteren Raum zu ihnen hindurch. Thea konnte noch nichts erkennen, doch zwei Sekunden später blieb ihr die Spucke weg. Während die anderen schon weiter gelaufen waren, blieb sie stumm staunend zurück. Wie angewurzelt starrte sie mit offenem Mund in einen riesigen Raum, vielmehr eine Kathedrale. Aus dem Felsen gehauen, der sich wohl weit unterhalb der Pyramide befinden musste. Der Gewölbehimmel war weit über ihrem Kopf, dass sie sich fast den Hals verrenkte. Die Männer und das Mädchen stiegen soeben eine, in das Gestein gehauene, Treppe hinunter. Dort empfingen weitere vermummte Leute das Mädchen und führten sie weiter in die Mitte des Gewölbes. Andere standen und knieten in einem Kreis, um einen Sarkophag, murmelten seltsame Bannsprüche und sangen schaurige Melodien, die Thea eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Das Licht der meisten Fackeln, thronend auf hohen Podesten, ebenfalls aus dem Stein geschlagen, zentrierte sich um die versammelten Leute und den Sarkophag. Er war teils mit purem Gold verziert, Hieroglyphen säumten seine Ränder. Seine Oberfläche war glatt und eben, doch strahlte er etwas erhabenes aus. Gleichzeitig aber auch etwas bedrückendes. Thea hatte schon so ihre Vorahnungen, was als nächstes passieren würde. Als würde sich der Schleier um ihren Verstand zurückziehen, entriegelte er auch ihr Gedächtnis. Einige Bruchstückhafte Erinnerungen ihrer längst vergessenen Träume drangen zu ihr hindurch. Schreckliche Träume, bei dem sie gestorben war. Als sie erstickte und sich nicht rühren konnte, weil etwas um sie gewickelt war, was sie daran hinderte, auszubrechen. All das war nicht mal so schlimm wie das, was nun geschah. Plötzliches Geschrei schall durchs Gewölbe. Mehr konnte sie nicht mehr vernehmen oder erkennen, den plötzlich lief alles um sie herum viel zu schnell ab. Das Licht flackerte viel zu schnell und übermütig. Die Leute wuselten in rasantem Tempo umher, die meisten um den Steintisch, neben dem Sarkophag, worauf sie anscheinend begannen, jemanden zu mumifizieren. Soweit sie wusste, wurde dem Toten alle Organe rausgenommen, die wichtigsten wurden in heilige Gefäße gepackt und sollten als Grabbeigabe den Weg in das nächste Leben sichern. Doch in ihren Träumen hatte sie gelebt. Thea hatte gelebt, doch was hatte das mit dem Mädchen zu tun? Verwirrt schloss sie die Augen, da die Bilder zu schnell abliefen, als betätigte jemand am Videorecorder die Vorspultaste. Plötzlich setzten die Stimmen wieder ein. Thea sah auf und entdeckte auf der Steinplatte voller Entsetzen, eine sich windende Mumie. Nein, es war das Mädchen, die Prinzessin. Sie lebte. Sie wollten sie lebend begraben. Diese Erkenntnis bestürzte sie mehr als die Tatsache, dass sie gar nicht hier sein konnte. Das alles ein Traum war. Es war doch ein Traum, oder? Sie setzte sich in Bewegung und rannte die Treppe hinab, in der Hoffnung, dem ganzen ein Ende zu setzen. Das Mädchen zu retten, denn aus irgendeinem Grund fühlte sie sich ihr so nah wie sie sich noch niemandem gefühlt hatte, nicht mal Holly. Als wären sie Schwestern. Ja das traf ihre Gefühle perfekt. Sie wollte es beenden und mit ihr fliehen, doch die Stufen zogen sich plötzlich in die Länge, der Steintisch mit dem Sarkophag in der unmittelbaren Nähe entfernte sich in rasanter Geschwindigkeit. Sie versuchte schneller zu laufen, doch der Boden verschwand plötzlich unter ihren Füßen. Dort klaffte ein schwarzes Nichts. Panik breitete sich nicht zum ersten mal in ihr aus, doch sie fiel nicht, doch fühlte sie keinen Boden unter ihren Füßen. Würde sie jetzt sterben? Oder aufwachen? Plötzlich wurde ihr schwummrig, ihre Gedanken kreisten wie in einem Wirbelsturm in ihrem Kopf. Verunsichert fasste sie sich an die Stirn und wurde recht unsanft von hinten weggerissen. „Neeein!“, schrie Thea mit flehend ausgestrecktem Arm. Der Raum und die Personen darin verschwammen und wurden immer kleiner. Es wurde schwärzer um sie herum, während sie weiter hinein in die Dunkelheit gezogen wurde, bis schließlich nur noch ein Lichtpunkt übrig blieb, der nun gänzlich verschwand. Der goldene Spiegel begann im langen abgelegenen Flur des Museums zu leuchten. Ein grelles Licht spuckte Thea aus seinem Inneren wieder aus. Sie landete unsanft auf den Knien, mit dem Gesicht zum Spiegel gewandt, war aber noch immer getaucht in Licht, was langsam verlosch. Verwirrt öffnete sie die Augen und sah sich suchend um. Sie war zurück. „Wow!“, hauchte Thea und richtete sich auf. Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen, doch gelang es ihr nicht. Die Ereignisse waren einfach zu unglaublich, trotzdem schoss ihr ein bedeutend beunruhigender Gedanke durch den Kopf: Alle anderen konnten sie nicht sehen, die Katze schon ... Noch etwas zittrig auf den Beinen stehend, kam auch schon Holly um die Ecke geschossen. „Na da bist du!“, rief sie empört. „Wir suchen dich schon ne Ewigkeit. - Was ist denn mit dir passiert?“, fragte sie nach einer kurzen Pause, auf ihr zerzotteltes Haar deutend. Thea sah verlegen drein und richtete es sofort. Gleich darauf entschloss sie sich das erste mal, die Wahrheit zu sagen. „Du wirst es mir nicht glauben, aber ich war im Spiegel!“, sagte Thea aufgeregt. Darauf folgte Stille. „Du warst - was?“, fragte Holly vorsichtig und fasste Thea an die Stirn. „Geht’s dir gut?“ „Ach, hör auf!“, zischte Thea und entfernte Hollys Hand aus ihrem Gesicht. „Ich war wirklich da drin“, sagte sie und deutete auf den goldenen Spiegel. Die Glastür war wieder verschlossen. Oder war sie nie geöffnet gewesen? „Verarsch mich nicht, Schätzchen“, drohte Holly mit geballter Faust. „Das is kein Witz, Holly, ich war in dem Ding.“ Thea sah zurück auf den Spiegel, während Holly nur Thea anstarrte. „Ich kann es nicht beschreiben, es war unglaublich. Ich wurde einfach reingezogen und das Mädchen, Holly, sie haben sie geopfert“, flüsterte Thea energisch an ihre Freundin gewandt. „Du meinst, getötet?“, fragte Holly nur aus Neugier nach. „Natürlich getötet! Nicht sofort getötet, sie wurde lebendig begraben. Holly, bitte, du musst mir glauben, ich denk mir das nicht aus“, versuchte sie zu erklären. Holly sah Thea lange an. Sie spürte, dass Thea nicht flunkerte, denn sie kannte ihre Freundin sehr genau. Schließlich waren sie schon seit einer Ewigkeit befreundet. Sie sah es in ihren Augen. In ihren klaren braunen Augen, die sie nun flehend mit weit aufgerissenen Lidern ansah. „Hör mal, ich denke, dass du dich erst mal beruhigen solltest.“ „Aber ...“, begann Thea. „Kommt ihr nun?“, hörten sie Jakes Stimme, dessen Kopf gerade im Türeingang erschien. „Ja, wir kommen“, sagte Holly. Jake sah beide an. „Alles klar oder habt ihr nen Geist geseh`n?“, fragte er, nachdem er die bleichen Gesichter der Mädchen begutachtet hatte, wonach Theas am weißesten erschien. „Alles in Ordnung, mein Bruder“, sagte Holly und nahm Thea freundschaftlich am Arm. „Ach, du verleugnest nicht, dass wir verwandt sind, Schwesterlein?“ „Nein, wieso, ich weiß, dass du ein Idiot bist, das reicht doch“, konterte Holly und lachte. „Im Übrigen, ich glaube dir“, flüsterte Holly Thea zu, drückte ihren Arm fester und tänzelte mit ihrer Freundin im Schlepptau aus dem Gang heraus. Als sie das Museum verließen, entdeckte Thea die zwei Mädchen von vorhin am linken Ende der Treppen an der Mauer stehen. Die kleine hüpfte wieder an der Hand der Größeren. Beide verschwanden im Gewühl der Menschen. Mit einem komischen Kribbeln im Bauch, sah sie ihnen nach. ******************************************************************************* Hi, ok, jetzt weiß man etwas mehr, doch auch wieder nicht so ganz mehr ^^ Fortsetzung folgt :-) LG, Phoebe ******************************************************************************* Kapitel 8: Neue Freunde, alte Feinde ------------------------------------ Thea betrat gerade den Frühstückssaal. Es war schon viel los, der Saal war fast gefüllt, doch hatte Thea nicht den Wunsch, sich in der Menge niederzulassen. Zu viele Leute auf einem Platz machten sie irgendwie nervös. Sie nahm sich ein Tablett, packte es voll, mit dem was sie mochte und ging Richtung Garten. Keinen schien es zu interessieren, dass sie den Saal und die Terrasse verließ. Es schien auch keiner zu bemerken, dass ihr jemand folgte. Verträumt sah sie sich suchend nach einem geeigneten Platz für ein frühmorgendliches Picknick um. Sie erwartete Holly, ihren Bruder oder deren Eltern nicht all zu früh zum Frühstück, da sie gern länger schliefen. Doch Thea war früh aufgewacht und konnte nicht länger herumdösen. Also hatte sie sich gedacht, dass ihr ein wenig frische Luft nicht schaden könnte und sich klamm heimlich aus dem Hotelzimmer geschlichen, um Holly nicht zu wecken. Vor ihr erstreckte sich eine große Rasenfläche mit einigen Bäumen. Der alte Baum, weiter abgelegen von allen anderen und den exotischen Palmenpflanzen, sah sehr vielversprechend aus. Sein Schatten würde ihr gut tun, da die Sonne schon sehr heiß auf ihrer Haut brannte. Gemütlich ging sie über die große, gut gepflegte Wiese auf den dicken Baum zu. Gerade wollte sie schneller laufen, da entdeckte sie jemanden schon unter ihm sitzend. Ein Mädchen mit langen, glatten, braunem Haar. Sie wollte schon abdrehen, da zupfte ihr jemand am T-Shirt. Verdutzt sah sie auf eine kleine Hand, auf die ein Arm folgte, der einem kleinen Mädchen gehörte, die sie nun mit einem aufmerksamen Ausdruck aus ihren hellbraunen Augen ansah. „Hi!“, sagte das Mädchen, was ihr rotes, vielleicht schulterlanges, Haar zu einem Zopf glatt zurückgebunden trug. „Hi!“, erwiderte Thea überrascht und erkannte das kleine Mädchen von ihrem Museumsbesuch wieder. „Willst du dich zu uns setzen?“, fragte das sie und deutete auf das Mädchen, deren Rücken ihnen zugewandt war. Sie hatte ein schwarzes Top an, fast dasselbe wie Theas, nur das ihres dunkelblau war. Thea runzelte die Stirn. „Das ist nur meine Schwester, keine Sorge, sie ist etwas merkwürdig, aber manchmal kann sie richtig nett sein.“ Thea zögerte noch etwas, da sie noch die Reaktion von dem Mädchen in Erinnerung hatte, die nicht sehr einladend gewirkt hatte. „Och, bitte! Komm, ich stell sie dir vor“, sagte die Rothaarige, nahm Theas Arm und schleppte sie hinter den dicken Stamm des Baums. „Nein wirklich, das ist nicht nötig“, versuchte Thea zu sagen und gleichzeitig ihr Tablett zu balancieren. „Elizabeth, guck mal!“, rief das Mädchen. „Soll ich es dir eindreschen, nenn mich nicht so!“, fluchte das größere Mädchen und drehte sich wütend um. Ihr Blick blieb an Thea haften und wurde zugleich finsterer. „Was will die hier?“ Das kleine Mädchen hüpfte auf ihre Schwester zu und blieb, mit einem gekonnten Hopser, vor ihr stehen. „Darf ich vorstellen - Elizabeth“, sagte sie und deutete mit einer weiten Handbewegung auf die Genannte. „Hör auf, mich so zu nennen!“, zischte Elizabeth ihre Schwester böse an. „Elizabeth Parker“, betonte das kleine Mädchen nun deutlich kampflustiger, „darf ich vorstellen -“, sie räusperte sich und flüsterte Thea, unter ihrer Handfläche geheimnisvoll, zu: „Wie heißt du?“ „Äh, Thea. Thea Reymond“, sagte Thea amüsiert. „- Thea Reymond!“, sagte das kleine Mädchen nun zu ihrer großen Schwester und setzte sich zufrieden im Schneidersitz vor Elizabeth auf den Rasen. „Setz dich!“, sagte sie und sah Thea auffordernd an. Elizabeth wollte sich gerade negativ gebärden, doch ihre Schwester trat sie mit einer schnellen Bewegung gegen den Knöchel. Elizabeth stöhnte schmerzerfüllt auf und funkelte die Kleine böse an. An dem Punkt wurde es Thea etwas zu unangenehm. Dieses Mädchen, was Elizabeth hieß, schien keine Gesellschaft zu wollen. Warum sie dazu zwingen? „Also ich will euch wirklich nicht stören“, sagte Thea nervös und schon im Begriff sich umzudrehen und zu gehen. „Nein, das tust du nicht, ehrlich. Ich finde, du siehst sehr nett aus. Es ist toll, auch mal in Gesellschaft von netten Leuten zu sein“, sagte die Rothaarige mit einem bedeutenden Blick auf ihre Schwester, die gelangweilt die Augen verdrehte und weiter schwieg, während sie in sich hineingrummelte. „Bitte, tu mir den Gefallen“, sagte sie erneut auffordernd und pochte mit der rechten Handfläche auf den Rasen neben sich. Thea nahm sich ein Herz und tat der Aufforderung folge und nahm im Schneidersitz platz. Sie stellte ihr Tablett ab und drückte es ins Gras, um besseren Stand zu bekommen. „Mein Name ist übrigens Ginny, Ginny Parker, ich bin gerad elf geworden, wie alt bist du?“ „Ich werde nächstes Jahr achtzehn“, antwortete Thea gewitzt und ein wenig stolz. „Wow, ganz schön alt, dann bekommst du auch bald solche altersbedingte Falten wie Lizzy hier, hm. Sie ist siebzehn“, meinte Ginny. „Liz! Nur Liz, du kleines Scheusal“, sagte die Große und stürzte sich mit wildem Geschrei auf ihre Blutsverwandte. Ein heftiger Kampf entstand zwischen den beiden Geschwistern, der in einer Lachorgie endete, denn beide versuchten sich gegenseitig zu kitzeln. Da aber Liz die größere und stärkere war, hatte Ginny in dem Sinne nicht wirklich viel zu lachen. Liz nagelte Ginnys Arme über ihrem Kopf im Gras fest und setzte sich prompt auf die Oberschenkel ihrer süßen kleinen Schwester. „Hast du genug?“, rief Liz außer Atem und funkelte sie fordernd an. Ginny wand sich verzweifelt, doch sie hatte im Gegensatz zu ihrer Schwester nicht genug Kraft. Außerdem konnte sie schon gar nicht mehr richtig lachen, ihr stiegen die Tränen in die Augen, da Liz erneut begann, sie zu kitzeln. „Hör auf, NEIN, Hör auf, ...!“, quälte Ginny, vor nicht gut unterdrücktem Gelächter, heraus. Thea saß still daneben und lächelte vor Vergnügen. Liz gab mit ihrer Tortur an Ginny nach und ließ sich mit einem breiten Grinsen, neben ihr, auf den Rasen fallen. Ginny blieb auch liegen und atmete sehr schnell. „Blöde Kuh!“, flüsterte Ginny außer Atem und spürte sofort einen harten Schmerz in der Seite, als Antwort. „Dito!“, erwiderte Liz und atmete tief durch. Ginny hob geschwächt den Kopf ein Stück und lugte auf Thea, die noch immer schmunzelte. „Hast du Geschwister? Woher kommst du? Hast du nen Freund?“, fragte sie sehr direkt. „Nein, bin Einzelkind!“ „Du Glückliche!“, kam es von Liz. „Ich komm aus Amerika, aus ...“ „Nein - lass mich raten: USA!“, murmelte Liz mit einem gelangweilten Unterton. „Richtig, Kalifornien“, sagte Thea höflicher. „Woher denn auch sonst“, meldete sich Liz erneut und setzte sich wieder aufrecht. Ginny tat es ihr gleich und sah sie provozierend an. „Was ist dein Problem? Wieso bist du immer so übellaunig?“, schimpfte Ginny. „Weil du in meiner Nähe bist, Schwesterherz!“ „Naa“, hauchte Ginny wütend und stand auf, „dann werd ich halt gehen und mir was zu futtern holen.“ Dies sagte sie mit einer gewissen Genugtuung und ging von dannen. Nee, bitte lass mich nicht zurück mit der!, versuchte Thea mit ihren Augen an Ginny zu vermitteln. Ginny ging. Verlegen saß Thea einige Sekunden nur da und starrte ins Gras. Liz dagegen kramte in ihrem Rucksack herum und schien zu finden, was sie gesucht hatte. Sie zog ein paar Strippen heraus, die an einem tragbaren Mp3-Player hingen, drehte die Lautstärke bis zum Anschluss und drückte auf play. Eine rockige Melodie ertönte aus den Stöpseln, die nun neben dem Gerät lagen. Liz bewegte sich im sitzen tänzerisch im Takt der Melodie. „Woher kommt ihr eigentlich?“, versuchte Thea Konservation zu betreiben. Liz sah auf. „New York, Manhattan“, antwortete diese kurz und knapp und schob sich einen Kaugummi in den Mund. Sie sah Thea kurz an und verdrehte die Augen. „Auch?“, fragte sie schließlich und hielt Thea die Kaugummipackung entgegen. „Gern“, sagte sie doch etwas überrascht und zog sich einen heraus. „Erzähl, was verschlägt dich hierher, und erzähl nicht, dass du nur Urlaub machst?“, rief Liz, auf ihrem Kaugummi kauend, und deutete auf etwas, was um Theas Hals hing. Sie folgte ihrem Finger und umfasste ihr Amulett. „Wenn du so was trägst, muss es einen Grund haben“, stellte Liz fest. „Woher hast du´s, sieht nicht aus wie ne billige Imitation?“ „Von meinem Großvater, er war Archäologe.“ „Mit anderen Worten, er hat´s geklaut!“ Thea sah Liz mit großen Augen fragend an. „Na ganz einfach, findest du was, dann nimm es an dich, was andere nicht wissen, dass man die nicht heiß“, lachte Liz. „Dasselbe hat mein Großvater auch oft gesagt“, erinnerte sich Thea und lächelte, in Erinnerungen schwelgend. Dieser Satz machte das Mädchen nun doch etwas sympathischer, als Thea voreilig angenommen hatte. Schließlich sagt man nicht umsonst, der erste Schein trügt meist. Aber anderenfalls kann dieser erste Eindruck auch manchmal mehr als genau stimmen. Thea hoffte stark, dass sie mit ihrem jetzigen Gefühl auch Recht behalten würde. Während Hollys Eltern an diesem Tag geschäftlich unterwegs waren, saßen ihr Bruder und ihre beste Freundin in einem Cafe und schlürften genüsslich an Eisschokolade mit extra viel Sahne und einem Schokomilchshake, was sich Jake schmecken ließ. Mr. Summers hatte hoch und heilig versprochen, den Urlaub nicht zur Arbeit zu machen, doch unerwartet war dennoch ein Anruf eingeflattert, der einen neuen Auftrag verkündete. Jakes Vater war unter anderem in der Energie-Branche, was soviel hieß, dass er billigen Strom verkaufte, alternativen Strom, wie zum Beispiel Solarenergie. Dazu leitete er den Bau riesiger Solarfelder und ähnliches. Er war es unter anderem, der sich mit potentiellen Käufern, Kunden oder Bauherren beriet und ihnen Angebote unterbreitete. Ein solcher hatte seinen Wohnsitz in Kairo, was sehr praktisch war, da Mr. Summers sonst hierher hätte fliegen müssen, um das Meeting abzuhalten. Den Kindern machte es nicht viel aus, sie waren oft allein unterwegs, schließlich waren sie alt genug. Holly quasselte mal wieder zu viel, daher hörte Thea schon lange nicht mehr richtig zu, viel zu sehr abgelenkt. Das Cafe befand sich nahe einer gut befahrenen Straße. Auf der anderen Seite, etwas weiter den Gehweg entlang, entdeckte sie ein weiteres Cafe mit Namen ... „Basket“, hauchte sie. Holly verstummte und drehte ihren Kopf zu ihrer Freundin. „Hörst du überhaupt zu?“ Als keine Antwort kam, folgte sie Theas glasigen Augen. Ihre Mundwinkel kräuselten sich plötzlich zunehmend und begannen, im Takt ihres unheilverkündenden Kicherns, zu beben. Dieses bekannte Geräusch ließ Thea aus ihren Gedanken aufschrecken und sah ihre Freundin verständnislos an. Sie wusste ganz genau, was gerade in deren Kopf vorging. „Vergiss es!“, rief Thea und ignorierte Jakes fragenden Gesichtsausdruck. Holly hörte nicht auf leise zu kichern und begann sich bereits zu erheben. „Vergiss es!!“, zischte Thea nun beinahe. „Erklärt mir mal einer was los ist?“, meldete sich nun Jake. „Erzähl du´s ihm!“ „Nein“, protestierte Thea. „Dann tu ich´s!“ „Untersteh dich!“ Thea langte über den kleinen runden Tisch und zog ihre Freundin heftig auf den Stuhl zurück. Jake schüttelte indes nur den Kopf. „Mädchen!“, murmelte er nicht verstehend. Die Mädchen hatten es aber sehr genau gehört. „Was heißt hier, Mädchen?“, riefen beide empört, sodass er unwillkürlich zusammenzuckte. „Ihr Kerle seid doch auch nicht besser“, prustete Holly. Thea nickte zustimmend. Holly reagierte schnell und sah Thea schelmisch an. „Nein!“, rief diese. „Ich werde da nicht hin gehen.“ „Warum denn nicht? Muss ich dich erst zu deinem Glück zwingen?“, polterte Holly. „Er ist doch eh nicht da. Seine Familie soll viel unterwegs sein, warum soll er ausgerechnet heute und jetzt dort sein, hm?“ „Finde es heraus!“ „Bitte lasst mich nicht dumm sterben!“ „Nein ... Ich trau mich nicht ... Wir sind noch zweieinhalb Wochen hier, da hab ich genug Möglichkeiten“, sagte Thea beschwichtigend. „Ist das Wetter nicht toll.“ „Lenk nicht ab!“ „Bitte um Aufklärung!“ Jake trommelte entnervt auf der Tischoberfläche herum und sah beide Mädchen abwechselnd an, die sich gerade angestrengt musterten. Es sah nach Schwerstarbeit aus. Er fragte sich, wer wohl als erstes die Fassade fallen ließ. Dieser Gedanke wurde sogleich von Holly bestätigt, denn ihr steinharter Blick, der auf Thea gehaftet war, begann bereits zu bröckeln. Ein leichtes Zucken überflog Hollys Gesicht und breitete sich über die Wangen bis zu ihren Augen aus, die bis eben noch zu bissigen Schlitzen geformt waren. Im nächsten Moment brach erst sie, dann Thea in lautes Gelächter aus, dass sie fast von den Stühlen kippten. Thea hielt sich krampfhaft an der Lehne fest, während Holly gerade versuchte, sich zu beruhigen. Jake saß nur da und starrte beide an. „Ich bin sicher, dass ich Humor habe, aber euren werde ich nie verstehen“, sagte er und winkte ab. „Du bist halt nen Kerl“, lachte Holly. „Genau“, stimmte Thea kichernd hinzu und verstummte urplötzlich. Auf der anderen Straßenseite lief ein Mann an einigen Passanten vorbei. Zielsicher lief er durch die Menge, die Augen nach vorne gerichtet. Dunkles Haar, kurz, schwarzer Anzug. Doch dies war nicht das einzige, was Theas Blicke auf ihn haften ließ. Es war etwas, dass er in der Hand hielt und in diesem Moment an seinen Mund führte, um daran zu ziehen – eine Zigarette. Selbst den bläulichen Rauch konnte sie aus der Entfernung ausmachen, was sie wieder zurück führte. Zurück in eine Zeit ihres Lebens, die mit Erinnerungsfetzen durchlöchert war. Ein plötzliches Bild tauchte vor ihren inneren Augen auf. So schnell, dass sie es nicht unterdrücken konnte. Das Cafe, die Straße, alles verschwand und machte dem schwarzen Nichts ihres Gedächtnisses platz. Aus der Dunkelheit schob sich das Gebäude des Kairoer Museums in den Vordergrund und öffnete seine Türen, um hineinzufahren. Die Eingangshalle schien viel heller, als es Thea in Erinnerung hatte. Alles war getaucht in grelles Licht, was sich in der Dunkelheit drum rum verlor. Das Bild drehte sich und fuhr wieder durch das Portal, um auf eine Säule zu schwenken. In dessen Schatten, indem sich ein Dunklerer abhob. Eine Zigarette, bläulicher Rauch, der die Umrisse eines Gesichts nur leicht verdeckte. Plötzlich wurde es wieder schwarz, gleich darauf wieder hell, als wechselte man ein Dia im Projektor. Das nächste Bild zeigte einen Bus, der über Dünen fuhr. Nun das Innere des Busses, weit hinten der Mittelgang. Ein Mann kam nach hinten, jemand duckte sich in die Sitze hinein. – Es war Thea, mit 13 Jahren. Der Bus verschwand, eine Pyramide tauchte auf. Überall Sand. Heiß. Der Eingang der Pyramide. Eine Gruppe Kinder. Sie liefen auf den Eingang zu. Die kleine Thea zuletzt. Sie drehte sich noch einmal um. Das Bild folgte Theas Blicken. Souvenirstände. Ein Mann, er starrte zurück und zog dabei an seiner Zigarette, dessen bläulicher Rauch seinen Körper vernebelte und ihn verschwinden ließ. Der Umgebung ging es ähnlich, denn es wurde wieder Schwarz. Die Gruppe der Kinder lief in einen Fackelbestückten Raum hinein, er war unangenehm und kalt. Drei Gänge gingen von ihm ab und führten in den Untergrund. Ein Labyrinth. Ein mulmiges Gefühl machte sich in Theas Magen breit. Stein, der vor eine Öffnung geschoben wurde. Ein klickendes Geräusch. Sie waren eingeschlossen. Unterdrückte Angst. Neue Freundschaften. Und neue Feinde. Eine Gestallt, die sie verfolgte – eine Mumie, erweckt von ihnen allen, um Rache zu üben. Plötzlich wurde es langsam wieder heller. Ihr Verstand erwachte zu neuem Leben, doch waren so viele Fragen, die nun auf sie eindrangen, dessen Antworten sie nicht verstand oder wusste. Thea versuchte sich die Gesichter oder wenigstens die Namen der Kinder wieder ins Gedächtnis zu drängen. Doch jedes Mal, wenn sie es versuchte, verschwamm alles vor ihren inneren Augen. Diese Informationen waren absolut nicht zugreifbar, was sie mehr als wurmte und verunsicherte. Es war also wahr. Alles? Damals vor vier Jahren war sie in dieser Pyramide gewesen. Die Pyramide ihres Großvaters. Aber warum konnte sie sich nun erst erinnern und weshalb nicht vollständig? Fest stand jedoch ohne Frage, dass sie dort drin eingeschlossen wurde. Von diesem Mann! Theas Augen waren mit einem Schlag wieder klar. Diese gedankliche Rückführung musste nur Sekunden gedauert haben, denn Holly und Jake starrten ihrem Blick immer noch nach. Der Mann lief weiter die Straße entlang, die sich langsam mit Menschen füllte. Wenn er erst einmal die Kreuzung erreicht hatte, war er über die Ampel und weg. Mit einem raschen Entschluss sprang sie auf und versetzte Holly einen Hieb mit ihrer herumschwingenden Umhängetasche. Jake polterte fast der Milchshake auf den Boden, da durch Theas schnelle Bewegung, der Tisch ins Wanken geraten war. Er bewahrte das Glas noch rechtzeitig vorm Sturz. „Hey!“, schimpfte Holly und rieb sich ihre linke Wange, die leicht errötet war. Doch Thea reagierte gar nicht, da sie schon auf halbem Weg über die Straße war. Jake rief ihr noch hinterher, doch da war sie schon auf der anderen Straßenseite angelangt. Holly schnaubte vor Empörung laut auf, während Jake sich ebenfalls in Bewegung gesetzt hatte, um zur Straße zu laufen. Verwirrt kramte das Mädchen einige Geldscheine aus ihrem Geldbeutel und warf sie auf den Tisch, um Jake folgen zu können. Gemeinsam liefen sie, links und rechts schauend, über die gut befahrene Straße, um ihrer Freundin folgen zu können. Die stand an der roten Ampel und schaute sich hektisch nach irgendetwas um. Vielleicht stand sogar Panik in ihrem Gesicht ... ******************************************************************************* Hey, eigentlich war dieses Kapitel mit dem folgenden als ein einziges gedacht gewesen, da der Titel gut passt. Aber ich habe es dann doch gesplittet. Ich hoffe, du hattest Spass beim lesen. LG, Phoebe ******************************************************************************* Kapitel 9: Verfolgungsjagd -------------------------- Als Holly ihre Freundin erreicht hatte, knallte sie ihr erst mal eine Handfläche auf die Schulter, dass diese zusammenzuckte. Überrascht fuhr sie herum und sah Holly wütend an. „Hast du nen Knall, oder was?“, zischte Holly. Theas identische Worte folgten fast zeitgleich. „Wieso?“, echoten die beiden. „Ich muss ihn finden“, rief Thea nun grinsend, um Hollys Gelächter zu übertrumpfen, was das Mädchen vor einigen Sekunden übermannt hatte. „Wen denn, Seth? Hast du ihn gesehen?“, fragte Holly aufgeregt, während sie sich Tränen aus den Augenwinkeln strich. „Nein.“ „Wer ist Seth?“, fragte Jake neugierig. „Der Typ, der uns in die Pyramide eingeschlossen hat.“ „Der Typ, der Thea vor den Sommerferien nach Hause gebracht hat, er war zur Eröffnung der Ausstellung -“, warf Holly ihrem Bruder als Antwort zu, da er schon sehr auffällig penetrant an ihrem kleinen Rucksack gezogen hatte. „- WAS?“ „Einer hat Thea nach Hause gebracht?“, harkte Jake nach, bekam jedoch keine Antwort, da Holly ihre Freundin sehr eindringlich anstarrte. „Was war das für nen Typ?“, fragte Jake, erneut zu interessiert, um Antworten zu bekommen. „Ich war in der Pyramide, da waren noch andere. Die meines Großvaters. Da war der Mann. Er war mit im Bus und auch bei den Männern, die uns eingeschlossen haben“, sprudelte es aus Thea heraus, ohne auf Hollys überraschten Gesichtsausdruck zu achten. „Nein, der Typ der dich nach Hause ... – Was?“ Jake begann, seiner Schwester gleich, Thea anzustarren. Es wurde Grün, eine Menschenglocke setzte sich in Bewegung und lief an den erstarrten Kindern vorbei über die Straße. „Wiederhol das!“, murmelte Jake verblüfft. „Genau ...“, hauchte Holly geistesabwesend. Thea drehte sich abrupt um. „Dafür ist keine Zeit.“ Sie lief über die nun leere Straße, gefolgt von Holly und Jake, die sie noch immer entgeistert musterten, als hofften sie, sie hätten sich verhört. „Du warst in ner Pyramide?“, wiederholte Holly Theas Worte. Die lief schneller und sah sich suchend in der Menge um. Die Häuser wurden ab hier immer höher. Bürogebäude kamen in Sicht, auf die Thea nun zusteuerte. Die Geschwister folgten ihr noch immer, diesmal stumm. Ein Hubkonzert ließ Thea aus ihren Gedanken gleiten und blieb nun stehen, da sie keinen Sinn sah, in dieser Masse einen einzigen Menschen zu finden, den sie nicht einmal richtig beschreiben konnte. Alle drei standen sich nun schweigend gegenüber und tauschten unsichere Blicke. „Ich hab´s dir nicht gesagt, tut mir leid, Holly“, begann sie. „Was nicht gesagt? Du machst mir Angst“, sagte Holly und sah Thea vorsichtig an. „Ich kann mich wieder erinnern. Nicht wirklich, aber ich weiß zumindest, dass ich dort gewesen bin.“ „Wo denn?“, mischte sich Jake mit ins Gespräch. „Mein letzter Ägypten-Besuch, vor 4 Jahren, mehr oder weniger. Ich weiß, dass ich diese Pyramide besichtigt habe. Die mein Großvater entdeckt hat.“ Unwillkürlich tastete sie nach ihrem Amulett, was die Form eines goldenen Ankh hatte. „Ich hab dir erzählt, dass ich den Unfall hatte und das deshalb sicherlich meine Erinnerungen an den letzten Teil meines Urlaubs verschwunden ist. Aber es war kein Unfall. Ich erinnere mich!“ Thea machte den Eindruck, gleich durchzudrehen, doch Holly packte sie freundschaftlich an den Armen und zog sie zu sich heran, um sie zu umarmen. Thea wehrte sich nicht und ließ es mit sich geschehen. Ihre Gefühle überschlugen sich, da diese Erinnerungen so frisch waren, doch gleichzeitig so alt, als hätte sie diese nie verloren. Irgendwo in ihr waren sie verankert gewesen, es hatte nur einem Impuls gebraucht, um abgerufen zu werden. Dieser Mann hatte den entscheidenden Schalter in ihrem Kopf herumgedreht, damit der Erinnerungsfluss wieder in Bewegung kam. Trotzdem wusste sie tief in sich drin, dass das noch nicht alles gewesen war. Da war noch etwas in ihrem Kopf. Antworten. Auf Fragen, die sie sich schon so oft gestellt hatte. Doch wie bekam sie diese da heraus? „Es ist gut“, murmelte Holly und klopfte ihr sanft auf den Rücken, da sie merkte, dass ihre Freundin zu schluchzen begann. „Komm!“ Sie löste sich wieder von ihr und führte sie zu einer niedrigen Mauer, um sich setzen zu können. Jake nahm in gebührendem Abstand neben Holly platz. „Erzähl!“, flüsterte die Freundin sanft und nahm Theas Hand in die ihre, ließ sie aber auf ihrem Schoss ruhen. „Träume. Ich habe seit längerem Alpträume in dem ich sterbe. Ich liege in einem Sarg, umwickelt von irgendwas und ersticke. Doch die verfolgen mich auch, wenn ich wach bin. Augen, rote Augen. Zuerst sah ich die im Schulpark, nachdem ich später im Krankenzimmer aufgewacht war. Das war eine Mumie!“ „Bitte?“, meldete sich Jake. Holly drehte sich zur Seite und funkelte ihn böse an, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Thea zu. „Später war dann ein schwarzes Loch in unserem Vorgarten, aus der mich diese roten Augen anfunkelten. Dann diese Katze -“ „Katze?“ Diesmal unterbrach sie Holly. „Eine schwarze Katze, doch ich weiß, dass ich sie schon einmal gesehen habe, aber ich weiß nicht wo.“ „Es gibt viele Katzen, besonders schwarze“, sagte Jake stirnrunzelnd. „Das weiß ich, vielleicht irre ich mich auch und das war nur Zufall. Aber sie kam mir gar nicht, wie eine normale Katze vor. Genau das hat mich an etwas erinnert -“ Thea griff sich an den Kopf und raufte sich die Haare. Holly griff wieder nach ihren Händen und sah sie strafend an. „Ich glaube dir!“ Thea sah überrascht in ihre blauen Augen und lächelte dankend. „Das hast du auch gesagt, als ich dir von dem Spiegel erzählt hatte. Hast du mir wirklich geglaubt?“ „Natürlich“, rief Holly empört, sodass Jake, wie Thea, zusammenzuckten. „Was wäre ich für´ne Freundin, wenn ich dir nicht glauben würde.“ Holly würde Jake später die Geschichte erzählen, die Thea ihr über die Erlebnisse in dem Spiegel berichtet hatte. „Das kann kein Zufall sein“, sagte Thea schließlich. „Warum konnte ich mich nicht erinnern?“ „Nach Kopfverletzungen kann es schon vorkommen, dass das Gedächtnis, besonders das Kurzzeitgedächtnis gestört werden kann. Vielleicht hast du aber auch etwas schreckliches erlebt, was dein Bewusstsein nicht verkraften konnte, da hat es diese Erlebnisse einfach verdrängt. Durch visuelle oder auch akustische Reize kann sich etwas hervor heben. Du siehst etwas und das Gehirn sucht Gemeinsamkeiten in deinen Erinnerungen. Wenn du zum Beispiel einen Musikclip siehst, der am Strand spielt, dann erinnert sich dein Gehirn an eine ähnliche Situation, die du am Strand erlebt hast. Diese ganzen Sachen, die Erinnerungen und Gedanken sind miteinander verknüpft. Erinnerst du dich an das eine, sucht es sich andere ähnliche Begebenheiten aus deinem Gedächtnis.“ Holly drehte sich langsam zu ihrem Bruder um und starrte ihn lange fassungslos an. „Was?“ „Du bist ja gar nicht so dumm ...“ „Hab ich nie behauptet“, sagte er leicht gekränkt, lächelte aber trotzdem verschmitzt. „Kann sein“, sagte Thea plötzlich. „da muss was passiert sein, schließlich war ich nicht allein. Da waren noch andere Kinder, vielleicht vier weitere, ich weiß nicht genau. Immer, wenn ich versuche mich zu erinnern, verschwinden die Bilder -“ „Da ist er wieder!“, zischte Holly und traf Jake mit dem Ellenbogen in die Seite, was er etwas zu laut zu erkennen gab. „Wo?“, flüsterte Thea und rempelte Holly zur Seite, um auch Jake weg zu schupsen. „Pass doch auf, du Tollpatsch!“, murmelte Holly schmerzverzerrt ihre Schulter reibend, da sie gerade gegen einen Mast geknallt war. Da lief ein Mann, kurzes Haar und mit demselben dunklen Anzug, die Querstraße entlag, direkt auf die Ampel zu, die über die Straße auf die Position der Kinder traf. Es wurde Grün und er, begleitet von einer Menschenmasse, setzte sich in Bewegung. Die Kinder hasteten über die niedrige Mauer und flogen quasi darüber, um sich hinter ihr in Sicherheit zu wiegen. Jake war von seiner Schwester mitgezogen wurden, sodass er etwas unsanft auf dem erdigen Boden aufgeschlagen war. Der Mann musste wohl oder übel an ihnen vorbei, was er Minuten später auch tat. Thea setzte sich als erstes in Bewegung, Jake oder Holly wagten es gar nicht, sie davon abzuhalten und folgten ihr. Geduckt liefen sie ihm nach, immer darauf bedacht, nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Was aber nicht besonders leicht war, da sie sich ziemlich ungeschickt anstellten. Er erreichte ein großes Glasgebäude und bog nach rechts zum Eingang. Die Tür schwang auf und er verschwand im Inneren. Die Kinder hasteten die Stufen zum Portal hinauf und vergewisserten sich durch das Glas, dass er nicht nach hinten schaute, da ging die Tür schon automatisch auf. Alle drei erstarrten leicht, fingen sich aber schnell wieder, nachdem sie ihn durch die große Lobby gehen sahen und folgten ihm. Der Boden war mit Marmor gepflastert, der Himmel der Lobby reichte bis in den vierten Stock. Alles was sich darunter befand, die Büro- und Konferenzräume, waren von der Lobby ausgehend, mit Glas ausgefüllt. „Wow“, staunte Holly nicht schlecht und löste sich von dem hohen Deckenhimmel. „Er geht ins Treppenhaus. Los!“, sagte Thea und wollte los laufen. Holly hielt sie am Arm fest und zog sie zurück, woraufhin ihr Bein in der Luft segelte. „Was?“, protestierte Thea. „Was hast du vor, Kind?“, fragte Holly mit strengen, fixiertem Blick. „Was meinst du wohl? Und nenn mich nicht Kind! Na kommt schon, sonst verlieren wir ihn.“ „Sonst verlieren wir ihn!“, murmelte Holly mit einem unüberhörbaren sarkastischen Unterton. „Ich schwöre dir, irgendwann bringst du mich noch ins Grab.“ Holly gab Thea einen Klaps auf die Schulter und lief los. Thea und Jake hinterher, quer durch die Lobby, an den Fahrstühlen vorbei und auf direkten Weg zur Tür, die ins Treppenhaus führte. Vorsichtig öffnete Holly die Tür und lugte hinein. „Kommt!“, flüsterte sie geheimnisvoll, alle folgten ihrem Beispiel und schlüpften durch die Tür. Im Treppenhaus war es still, keine Regung. Jake trat an das Geländer, lehnte sich vor und sah hinauf. Endlos schienen die Treppen sich Stockwerk für Stockwerk nach oben zu erheben. Ihm wurde schwindelig. Er stieß sich wieder zurück. „Toll, und was jetzt? Hoch oder runter?“, sagte Holly missmutig. „Keine Ahnung“, sagte Thea ratlos und sah selbst noch einmal, am Geländer stehend, nach oben und unten. „Keine Ahnung, er kann schon überall sein. Weil ihr euch nicht ausgekekst habt!“, schimpfte Thea und sah Holly und Jake nacheinander vorwurfsvoll an. „Na klar, jetzt schieb uns nicht die Schuld zu“, regte sich Holly über ihre Freundin auf. „Das kann nicht wahr sein, ich steh hier mit zwei irren, paranoiden Leuten im Treppenhaus rum und rede mit mir selbst“, stellte Holly frustriert fest und schüttelte den Kopf. „Eine irre, paranoide Person, wenn ich bitten darf“, protestierte Jake. „Ach, jetzt willst du wieder den Macho raushängen lassen, ja. Kümmere du dich doch um deinen Kram“, sagte Holly und versetzte ihrem Bruder mit der Faust einen wütenden Stoß gegen die Brust. Der prustete, doch nicht wirklich vor Schmerz, eher vor Belustigung. Seine kleine Schwester hielt sich gerade für so schlau, bemerkte aber nicht, wie selbstsüchtig und naiv sie doch war. Das war Jakes Meinung, doch das konnte er ihr unmöglich sagen, noch nicht. Also ließ er es dabei und klopfte Holly nur freundschaftlich überlegen auf die Schulter und sagte: „Du hast ja so Recht, Schwesterchen“, und wandte sich Thea zu, die seit Anfang des Streits unablässig auf und ab ging. Dabei knabberte sie nervös an ihren Fingern herum. „Wenn du mich fragst, er ist nach unten gelaufen.“ Thea sah ihn verdutzt an. Jake begann sofort, ihr und Holly seinen plötzlichen Gedankenblitz zu erläutern. „Wir hätten ihn hören müssen, wenn er nach oben gegangen wär, selbst wenn´s nur ein Stock war. Die zuschlagende Tür auf jeden Fall. Wenn ich irgendwo die Treppe hoch rennen würde, dann halt ich mich am Geländer fest, um nen besseren Schwung zu bekommen, dass ich mehrere Stufen auf einmal schaff, verstehst du? Und das Geländer hat nicht gewackelt oder vibriert, oder? Zumindest hab ich nichts gemerkt.“ Thea sah ihn ungläubig an. Holly grinste nur. „Natürlich kann er sich beim runtergehen auch am Geländer festgehalten haben, aber das glaub ich nicht. Was ich damit sagen will, wenn er hoch gegangen wär, hätten wir ihn noch hören müssen, weil er für den Aufstieg mehr Zeit gebraucht hätte, weil er zwei Treppen gehen müsste, aber bis nach unten ist es nur eine Treppe“, endete Jake mit seinen Ermittlungen. „Klugscheißer!“, murmelte Holly. Doch sie musste sich selbst eingestehen, dass es sehr wahrscheinlich so gewesen sein musste. „Kann mir mal einer sagen, warum wir hier eigentlich rumstehen?“, fragte sie trotzdem und sah sich nach Thea um. Sie war weg. „Thea?“ „Wo ist sie?“, fragte sich jetzt auch Jake und sah sich verdutzt um. „Das könn wir vergessen, sie ist zu“, kam von unten die Antwort. Holly hastete vor und sah erleichtert ihre Freundin aus dem Dunkel unter der Treppe auftauchen. Verärgert trabte Thea die Stufen nach oben. „Und was jetzt? Ist er doch hoch?“, fragte Holly und wurde kreidebleich. „Was ist?“, fragte Thea und sah Holly irritiert an und auch Jake, dessen Gesichtszüge plötzlich von einem Moment zum anderen völlig in sich zusammenfielen. Ein Geräusch lenkte Thea von ihren Überlegungen ab. Es war deutlich zu hören, sie fragte sich, warum sie es nicht gleich wahrgenommen hatte. Holly und Jake taten es. „Komm her!“, flüsterte Holly mit vor Angst aufgerissenen Augenlidern. „Komm schon!“ Thea rührte sich nicht. Sie war wie festgewachsen. Der Schlüssel im Schloss wurde noch einmal gewechselt. Ein kratzendes Geräusch. Jetzt passte er und wurde herumgedreht. „Thea!“, zischte Holly angsterfüllt, während sie die Treppen leise hoch rannte. Was nicht besonders schlau gewesen war, denn am Ausgang rannte sie vorbei. Vielleicht hatte sie gedacht, dass das Öffnen der Tür sie verraten hätte. Sicherlich, aber die Person, die unten gerade die Kellertür aufschloss, hätte das von da unten nie mitbekommen. Egal, jetzt war es zu spät. Die Verriegelung fiel aus dem Schloss, knarrend ging sie auf. „Thea“, flüsterte Holly über das Geländer, auf halbem Weg ins nächste Stockwerk, leise. Thea jedoch stand noch immer starr auf dem Absatz der letzten Stufe. Plötzlich kam Jake angeschossen und riss sie aus ihrer Starre. Schnell und auf Samtfüßen huschte Holly, dicht gefolgt von Thea und Jake die Treppen hoch. Im dritten Stock blieben sie stehen und horchten. Alle drei hielten den Atem an. Da ging doch wahrhaftig ein Stockwerk tiefer jemand langsam die Stufen hoch. Keiner wagte zu atmen. Jake gab ein Zeichen, dass sie noch eine Treppe höher gehen sollten, was sie auch taten. Sie drückten sich dicht gegen die Wand. Holly zitterte am ganzen Leib. Wieder folgte ihnen ein monotones TAP TAP der Schritte. Die Person ging so langsam, als würde sie nichts eilen. Diesmal ging Thea weiter voran, Hollys schwitzige Hand fest in ihrer. Als sie das sechste Stockwerk erreicht hatten, dessen Zahl deutlich auf der Wand neben der Tür stand, hielt sie inne. Sie lauschte, Jake tat es ihr gleich. Holly stand noch immer gegen die Wand geheftet, völlig außerstande auch nur einen ihrer Sinne zu aktivieren. Selbst wenn sie das täte, würde es sie nicht wirklich von ihrer Angst ablenken, mehr noch, ihre momentane psychische Situation würde sich entscheidend verschlechtern. Thea hörte keinen Laut mehr. Jake schien auch nichts auffälliges mehr wahrzunehmen. „Er muss meinen Schatten an der Wand gesehen haben, ganz sicher“, flüsterte Thea, nicht weniger ängstlich wie ihre Freundin. „Was hast du vor?“ Jake versuchte sie zurückzuhalten, aber Thea wehrte ihn ab und deutete auf ihre Lippen, er solle still sein. Langsam und darauf bedacht, keinen Mucks von sich zu geben, ließ sie sich auf den kalten Boden gleiten. Vorsichtig rutschte sie auf das Geländer zu. Einen Moment hielt sie inne. Nun lugte sie vorsichtig nach unten, sah die leere Treppe auf der anderen Seite, aber konnte die unter sich nicht erkennen. Sie begann sich allmählich zu erheben. Langsam und vorsichtig, als hätte sie Übung im Anschleichen. „Nein!“, flüsterte Holly im Piepston. Jake hielt ihr sofort den Mund zu und drückte sie fest an sich. Auch er hatte sichtlich Angst. Vielleicht nicht unbedingt um sich selbst, denn sein Blick war starr auf Thea gerichtet. Thea hatte sich in der Zwischenzeit auf die Beine gestellt. Noch unsicher sah sie zu Jake und Holly zurück. Hoffte aus ihren Gesichtern etwas zu lesen, was ihr helfen könnte. Aber wie sollten sie ihr schon helfen, schließlich hatte sie sie alle in diese Situation gebracht. Sie hatte die Pflicht, sie sicher wieder hinaus zu bringen. Entschlossen drehte sie sich zurück. Immer horchend auf das kleinste Geräusch. Doch da war rein gar nichts. War er endlich verschwunden? Vielleicht wollte er in den fünften und war schon durch die Tür verschwunden. Holly krallte sich mittlerweile in dem Arm ihres Bruders fest, der verzerrte nicht mal das Gesicht, so angespannt war er. Beide starrten wie gebannt auf Thea, die sich langsam wieder in Bewegung setzte und nun gänzlich zum Stehen gekommen war. Vorsichtig beugte sich Thea über das Geländer und sah auf die Treppen unter sich. Nichts zu sehen. Schnell zog sie ihren Kopf zurück und atmete tief durch. „Nichts“, flüsterte Thea. „Er ist weg.“ Sie ging zurück zur Wand. Von Holly kam ein erleichterter Seufzer, auch Jake lockerte seinen Griff um Holly. Thea sah ihre Freunde wieder fröhlich an und versuchte sich zu entspannen. Doch irgendetwas wurmte sie. Sie hatte ein verdammt schlechtes Gefühl. Es kam völlig überraschend und eindringlich. Aber da war noch ein anderes Gefühl. Ein Gefühl, was sie schon mehr als genug verspürt hatte. Ein Gefühl der Vorahnung, was jetzt ihren Körper durchdrang und ihr eine Gänsehaut versetzte. Sie schüttelte sich heftig. Dieses seltsame, penetrante Gefühl begleitete sie auf dem Weg zurück zum Geländer, den sie völlig hypnotisiert beschritt. Wieder schaute sie nach unten und konnte niemanden entdecken. Mehr als deutlich spürte sie jedoch den Blick in ihrem Nacken. Doch der kam nicht von Jake oder Holly. Es war seltsam, sie spürte, wie etwas nach ihr griff, es war keine Hand, es war etwas anderes. Etwas unsichtbares und ein Geruch von Verbranntem. Thea traute für einen Moment nicht, sich zu bewegen. Langsam schritt sie vom Geländer zurück, als wäre nichts geschehen. Genauso langsam ging sie zu ihren Freunden zurück, doch der Ausdruck in ihrem Gesicht schrieb Bände. Sie war mehr als kreidebleich. Holly begann zu frösteln, Jake ging es ähnlich. „Was ...“, fing Holly an, doch Jake schien zu verstehen und hielt ihr wieder den Mund zu. Thea sah Jake voller Angst an und deutete ihm mit wedelnden Händen, dass sie zu ihr kommen sollten. Was sie auch taten und folgten Thea, die auf die Tür zum sechsten Stock zu ging und ihre Hand auf der Türklinke ruhen ließ. Einen Moment noch versuchte sie auch nur irgendein Geräusch zu filtern. Nichts. Thea hielt abrupt inne, als sie ein leises Quietschen von Schuhsohlen hörte. Ohne weiter zu überlegen riss sie die Tür auf, bemerkte aber nur nebenbei, dass sie alle drei gleichzeitig die Türklinke in der Hand hielten. Als wäre der Teufel hinter ihnen her, schlüpften sie hindurch und rannten einen langen Gang entlang, und um eine Ecke und noch eine bis wieder ein langer ihren Weg besiegelte. Thea meinte, dass sie jemand verfolgen würde, war sich aber nicht sicher. Schnell bogen sie um noch eine Ecke und erreichten mit knapper Mühe den Fahrstuhl. Thea rutschte fast auf dem glatten Packet aus. Jake wäre fast am Fahrstuhl vorbei gelaufen. Holly dagegen tippte wie besessen auf den Schalter, damit der Fahrstuhl zu ihnen kam. Dabei hielt Jake nervös Ausschau nach einem Verfolger. Thea trippelte auf einer Stelle und betete, dass der Fahrstuhl endlich kam. Und er kam Sekunden später mit einem Rattern zum stehen. Alle drei drängten sich hinein, denn sie hatte Schritte gehört. Jake trommelte auf „Erdgeschoss“ und war sichtlich erleichtert, als sich die Tür endlich schloss. Der Fahrstuhl setzte sich abwärts in Bewegung. Holly sackte an der Wand rutschend Richtung Boden zusammen. Thea versuchte wieder normal zu atmen, doch schaffte es nicht so ganz. Sie war viel zu aufgeregt. Ihr Herz wummerte so stark, dass sie sich gegen die Fahrstuhlwand drücken musste. Der Fahrstuhl sackte weiter nach unten und blieb im dritten stehen. Alle hielten den Atem an, als sich die Tür zur Seite schob. Keiner stieg ein, was die Sache verdächtig machte. Hollys Hand krallte sich um Jakes Hosenbein. Einige schreckliche Sekunden vergingen, bis die Tür wieder zum Schließen ansetzte. Im letzten Moment schnellte eine Hand dazwischen, was alle zusammenzucken ließ. „Nein, Jake!“, rief Holly und umklammerte auch Theas blaues T-Shirt. Die Hand drückte die Tür zur Seite, bis eine zweite Hand hervorschnellte und der ersten half. „Danke!!“, ertönte eine Stimme, die alle noch mehr zusammenzucken ließ. Gebannt drückten sie sich gegen die hinterste Wand. Hinter der Tür kam ein Mädchen hereingehuscht. Es war Liz Parker, wie Thea erleichtert feststellte. Diese starrte Jake, Holly und auch Thea nun böse und gleichzeitig überrascht an. Die Tür schloss sich hinter ihr und es ging wieder abwärts „Seid ihr auf nem Tripp? Wieso sitzt die auf dem Boden?“, fragte Liz an Thea gerichtet und meinte damit Holly. „Übrigens danke, dass mir einer geholfen hat, die Tür aufzustemmen!“, sagte sie mit erneut böse aufblitzenden Augen. „War fast, als hättet ihr die Tür von drinnen nicht aufmachen wollen.“ Als wäre dies sein Stichwort gewesen, nahm Jake den Finger, der noch vorm Knopf verharrt war, der die Tür schließen sollte. „Stellst du mich vor?“, fragte Liz mit aufforderndem Blick. Thea versuchte sich indes zu sammeln. „Ja, klar, das ist meine Freundin Holly und Jake“, sagte sie sehr monoton. „Ah, Jake, sehr erfreut dich kennen zu lernen“, sagte Liz und schüttelte Jakes Hand. Thea grummelte etwas vor sich hin. „Was ist eigentlich los, habt ihr nen Geist geseh´n?“ „So was in der Art“, meinte Holly, die sich scheinbar wieder gefasst hatte und stand mit noch immer zitternden Beinen auf. Der Fahrstuhl öffnete sich und gab den Blick auf die Lobby frei. Vorsichtig traten Holly, Thea und Jake, gefolgt von Liz Parker aus dem Fahrstuhl und liefen eilig durch den Eingangsbereich Richtung Ausgang. Draußen angelangt und die paar Treppen hinab gelaufen, setzten sie sich auf die letzten Stufen und atmeten erst einmal die frische Luft ein und aus, um sich zu beruhigen. „Oh Mann, ich hör nie wieder auf dich, Thea!“, stöhnte Holly. „Du hast ganz schön Angst gehabt“, meinte Thea und lachte heiser. „Du aber auch“, stimmte Holly mit ein. „Stimmt nicht ganz. Ich bin wirklich beeindruckt, Reymond. Du warst richtig mutig und taff“, sagte Jake und grinste. Thea wurde rot. „Das sagst du nur, um mich zu ärgern.“ „Nein wirklich, so ein Trampel wie du hat auch mal nen lichten Moment“, lachte Jake. „Du bist ein richtiger Idiot!“, rief Thea von einem zum nächsten Moment verärgert. „Danke“, lachte Jake nur noch mehr. „Was ist denn eigentlich los?“, fragte Liz etwas ungehalten. „Das ist eine lange Geschichte“, sagte Holly. Thea musterte Liz. „So lang ist sie gar nicht. Was machst du eigentlich hier?“, fragte Thea und sah Liz genau an. „Wieso? Was interessiert´s dich?“, ärgerte sie sich, was aber typisch für sie war. „Mein Vater arbeitet hier, und?“ „Was soll das, was willst du damit andeuten?“, fragte Holly. „Ich dacht nur“, meinte Thea verlegen. Keiner außer ihr wusste bescheid, was damals geschehen war. Das etwas Besitz von ihren Freunden ergriffen hatte. Keiner von ihnen ahnte, was sie schon alles schreckliches erlebt hatte, woran sie sich nun teils wieder erinnern konnte. Holly wusste nur einen Teil, denn alles wagte Thea nicht zu berichten, da es einfach zu schrecklich und unwahrscheinlich war. Die Erinnerungen an die Geschehnisse vor ein paar Jahren, waren noch sehr frisch, als wären sie erst gestern passiert, doch auch sehr vage und verschwommen. Wer weiß was noch alles in ihrem Kopf verborgen lag ... ******************************************************************************* So, jetzt wissen Holly und Jake das meiste, aber noch nicht alles, denn Thea kann sich ja daran erinnern, dass eine fremde Macht von den damaligen Kindern Besitz ergriffen hatte. Zumindest hat sie die vage Ahnung. Na, was meinst du, wird als nächstes passieren? Schafft es Jake noch, seinen inneren Schweinehund zu überwinden u Thea seine Gefühle zu offenbaren? Was ist mit Thea, hat sie Gefühle für ihn oder sieht sie ihn nur als Hollys Bruder? Was ist mit diesem Mann? War es wirklich der von damals? Der Mann, der den Auftrag erteilte, Thea u die anderen in der Pyramide einzusperren, wo das DRama seinen Anfang nahm? All das und viel mehr, klärt sich viiielleicht in den nächsten Kapiteln. ^^ Ich versuch, die Lücken zu stopfen. Kann nicht mehr lange dauern (=8 Der Titel kann sich noch ändern, fällt dir was besseres ein als "Verfolgungsjagd"? LG, Phoebe ******************************************************************************* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)