Warum ich? von x_miyuchan_x ================================================================================ Kapitel 2: Ein Genie? --------------------- „Hatschi!!“ Na toll, Jeremy hat sich mal wieder erkältet. Ich sollte wohl besser nach ihm schauen… Miesmutig und müde drehe ich mich im Bett um und zufällig streift mein Blick etwas, bei dem meine Müdigkeit sofort verfliegt – den Wecker! „Mist, verdammter!“, fluche ich lauthals, als ich versuche mich aus meiner Bettdecke zu schälen, mit der ich mich – wie jede Nacht – fest eingewickelt habe. Prompt falle ich auf die Nase – war ja klar. „Mutter, warum hast du mich nicht geweckt?!“, brülle ich durch das Haus, während ich mich strampelnd von meiner Decke befreie. Als ich den alltäglichen Kampf mit ihr endlich gewonnen habe, springe ich auf und streife mir im Laufen meinen Pyjama vom Körper. Rasch springe ich unter die Dusche, wobei ich darauf achte, dass meine Haare nicht nass werden. Keine 10 Minuten später stehe ich vollkommen angezogen, gewaschen und für den ersten Schultag gerüstet im Vorzimmer. „Ach, Ann, du bist schon wach?“, fragt mich meine Mutter mit einem spöttischen Grinsen im Gesicht. Mit genau so einem Lächeln antworte ich ihr unfreundlich: „Natürlich, und das auch OHNE dass du mich geweckt hast… Wo bleibt denn Kirsten?“ Das hässliche Grinsen in Mutters Gesicht wird noch breiter – falls das überhaupt möglich ist – als sie mir meine Frage beantwortet: „Na, wo wird sie wohl sein? Im Bett, wie auch sonst jeder normale Mensch um diese Zeit! Es ist gerade mal 6 Uhr.“ Als ich sie verständnislos anstarre, fährt Mutter fort: „Dummkopf! Wir sind umgezogen, schon vergessen? Hier ist die Schule nur etwa 10 Minuten entfernt, also müsst ihr nicht so früh aufstehen, um den Bus zu erwischen. Außerdem beginnt die Schule nicht wie früher um dreiviertel 8, sondern um punkt 8 Uhr. Also, was machst du jetzt noch? Nicht, dass mich das wirklich interessieren würde, ….“ Während sie spricht werden meine Augen immer größer. Natürlich! Wie konnte ich das nur vergessen? Ja, ich bin wirklich ein Dummkopf, Mutter, aber du brauchst mich nicht ständig daran zu erinnern! Ohne sie eines weiteren Wortes zu würdigen, drehe ich mich auf dem Absatz um und gehe zurück in mein Zimmer. Dort ziehe ich mir einen Jogginganzug an, stopfe mir meinen Mp3-Player in die Hosentasche, laufe zurück zur Eingangstür – Mutter ist anscheinend wieder zurück in ihr Bett gekrochen - , ziehe meine Sportschuhe an und schon beginnt für mich eine einstündige Erholpause. Ja, ich mag das Laufen ziemlich gerne. Es ist so… entspannend. Man kann seinen Gedanken freien Lauf lassen und gesund ist es auch. Aber das beste daran ist, dass ich ungestört Musik hören kann. Sobald ich aus der Tür getreten bin, fühle ich mich erleichtert. In Gegenwart meiner Mutter kann ich mich einfach nicht entspannen. Sie mag mich nicht…Ha, das ist die Untertreibung des Jahres! Sie hasst mich! Warum, weiß ich nicht. Auch das ist mir mal wieder ziemlich egal, solange sie mich nur machen lässt, was ich will. Der Park, in dem ich jetzt Laufen gehen will, liegt gleich gegenüber. Er ist wunderbar groß und einfach umwerfend schön. Richtig gepflegt! Die Bäume sind riesig und die Blumen blühen um die Wette. Ich mag diesen Ort sehr gerne. Ich sehe mich noch kurz um, bevor ich dann langsam anfange zu Laufen. Schon bald habe ich meine gewöhnliche Laufgeschwindigkeit erreicht. Nun mache ich auch den Mp3-Player an. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Eine schöne Melodie! Ich muss grinsen. Eigentlich ist es ja nicht meine Art, mich selbst zu loben, aber ich muss echt sagen, dass ich dieses Instrumentalstück sehr gut hinbekommen habe. Der Klavierteil unterstreicht das Gitarrensolo wirklich hervorragend! Wenn mir jetzt noch der passende Text dazu einfallen würde…. Nachdem ich mir das Lied immer und immer wieder angehört habe und mir trotzdem kein Text dazu eingefallen ist, will ich schon den nächsten Song spielen, als ich auf einmal einen kleinen See sehe. Wie von selbst bewegen sich meine Füße darauf zu. Ohne nachzudenken fange ich an, leise vor mich hin zu singen: Das Flüstern des Winds, weist dir den Weg, nur du kannst es hören, tief in dir. Das Flüstern des Winds, begleitet dich, wohin du auch gehst, er ist da. Das Flüstern des Winds, ist nun hier, frag was du willst, er antwortet dir. Das Flüstern des Winds, ist nicht weit, wenn deine Seele nach ihm schreit. Das Flüstern des Winds… Das Flüstern des Winds… Das Flüstern des Winds… Das Flüstern des Winds lebt in dir. Hm, ja, der Text gefällt mir. Vielleicht noch etwas überarbeitungsbedürftig, aber sonst ganz passabel, würd ich mal sagen. Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät mir, dass es schon kurz nach 7 Uhr ist. Unbemerkt ist die Zeit verronnen. Dieser See hat wirklich etwas magisches. Ich fange an, den Weg nach Hause zu sprinten. Schließlich muss ich noch mal duschen und nach Jeremy sehen. Unser Haus sehe ich schon von weitem. Es ist eigentlich ganz hübsch, nur die Farbe – blasses Rosa – ist nicht so mein Ding. Aber von der Architektur her ist es wirklich großartig. Als ich die Wohnungstür öffne, strömt mir schon Kaffeegeruch in die Nase, Kirsten muss also schon wach sein. Ihre Kaffeesucht ist fast schon krankhaft. Wie kann man nur so ekelhaftes Zeug trinken? Und dann auch noch gleich am Morgen? Bäh! „Na, kleines Schwesterchen, warst du mal wieder Joggen? Wann lässt du diesen Blödsinn endlich sein und kümmerst dich mehr um dein Aussehen als um deine Fitness?“, fängt sie auch sofort zu nörgeln an, als sie mich erblickt. Da ich ihr nur ein undeutbares Lächeln schenke, fährt sie fort: „Hm, ja, bleib so! Lächle doch öfters, dann ist dein Gesicht ganz passabel anzusehen – immerhin bist du meine Schwester – deshalb solltest du dich etwas Schminken! Dann würden dich vielleicht auch ein paar Jungs ansehen. Aber neben mir darfst du da nicht stehen, sonst wirkst du wie ein Mauerblümchen. Ich könnte natürlich auch so nett sein und dich mit den Jungs verkuppeln, die ich nicht will! Na, wäre das nicht total lieb von mir?“ Mit jedem weiteren Wort von ihr, verdunkelt sich mein Gesicht. Zähneknirschend antworte ich ihr: „Ja, total lieb! Was hab ich nur für eine wunderbare Schwester! Jedoch muss ich dein Angebot ablehnen. Ich halte weder etwas vom Schminken und noch weniger was von deinen Playboys! So, ich geh jetzt duschen, bis nachher dann, Kirsten!“ Verdammt! Diese Schnepfe beleidigt mich bis aufs Letzte und ich kann nicht anders als trotzdem einigermaßen freundlich zu sein! Wieso kann ich ihr nicht endlich mal die Meinung sagen? Warum ist es mir nicht möglich, auch sie zu demütigen? Vielleicht hat Jason ja recht – mir fehlt einfach Mut. Oder… ist es doch etwas … anderes? Seufzend drehe ich mich um und betrete zum zweiten Mal an diesem Morgen das Badezimmer. Als ich diesmal hinaustrete und nur mit einem Handtuch umwickelt in mein Zimmer huschen will, höre ich es erneut – mein kleiner Bruder hustet sich die Seele aus dem Leib. Schnell schlüpfe ich in Unterwäsche, etwas zu große blaue Jeans – hey, ich hab tatsächlich wieder abgenommen! – und streife mir ein grünes T-Shirt über. Ein Paar Socken schnappe ich mir im vorbeigehen und schon sitze ich auf Jeremys Bettkante. Dieser hat mich natürlich sofort bemerkt. Langsam dreht er sein Gesicht zu mir und lächelt mich an. „Morgen, Schwesterchen! Wieso bist du denn schon angezogen?“, fragt er mich verwirrt. Ich muss ein paar mal blinzeln, bevor ich ihm antworte: „Ähm, das liegt vielleicht daran, dass ich gleich zur Schule muss?“ Ein Grinsen breitet sich auf meinen Gesicht aus, als Jeremy plötzlich hochfährt und den Wecker auf seinem Nachttisch ungläubig anstarrt. „WAS?! Schon so spät? Wie soll ich denn jetzt rechtzeitig für die Schule fertig werden?“, kommt es heiser über seine Lippen. Ich greife nach seinen Schultern und drücke ihn zurück auf die Matratze. Unwillig sieht er mich an und murmelt so was wie „Aber ich muss mich doch jetzt schnell fertig machen!“ „Nix da! Du hast doch erst um 9 Uhr Schule. Es ist immerhin der erste Schultag und bei euch Kindern fängt der Unterricht da später an. Ach, habt ihrs gut! Ich muss heute schon eine Prüfung ablegen!“ Bei jedem weiteren meiner Worte entspannt sich Jeremy sichtlich. Schon bald liegt wieder ein Lächeln auf seinen Lippen und seine sonnenfarbenen Augen sehen mich lieb an. „Du~hu, Annie? Muss Kirsten auch eine Prüfung machen?“, will er von mir wissen. Bei der Erwähnung dieses Namens ziehen sich für Sekundenbruchteile meine Augenbrauen zusammen, bevor ich monoton antworte: „Ja, muss sie. Und ich muss jetzt los! Sonst komm ich noch zu spät, Kleiner!“ Mit diesen Worten erhebe ich mich, aber nicht ohne meinem Bruder zuvor noch einen Kuss auf die Wange zu drücken. Dieser kichert belustigt und murmelt noch: „Schönen Tag, Schwesterchen…“ bevor auch schon wieder eingeschlafen ist. Seufzend verlasse ich sein Zimmer und schließe leise die Tür hinter mir. Jeremy hat Fieber. Bei dem flüchtigen Kuss habe ich bemerkt, dass seine Wange glüht. Ich sag besser Mutter bescheid. Aber dazu muss ich sie erst mal finden. Im ihrem Schlafzimmer ist sie nicht, auch das Bad steht leer. Vielleicht ist sie schon in der Küche? Ich öffne die Tür zu unserer sehr modern und technisch ausgezeichnet eingerichteten Küche. Dort erblicke ich nicht nur meine Mutter sondern auch ihr jüngeres Abbild – meine Schwester. Beide drehen sich synchron zu mir um und ich tue mir wirklich sehr schwer damit, zu sagen, wer von den beiden mich mit einem kälteren Blick mustert. Innerlich seufzend fange ich an zu sprechen: „Mum, Jeremy ist schon wieder krank. Kannst du ihn zur Schule fahren und ihn wieder abholen? Es wäre besser, wenn er sich nicht so lange anzustrengen bräuchte und mit dem Bus fahren müsste. Ich habe angst, dass er vielleicht irgendwo auf halber Strecke umkippt und ihm etwas passiert. Also, könntest du das bitte machen?“ Mutter schnaubt nur und erwidert mit schneidender Stimme: „Machs doch du, wenn du dir solche sorgen um den Kleinen machst. Ich habe immerhin einen Beruf, den ich nachgehen muss.“ „Ja, und ich muss in die Schule! Dann sollte er besser zu Hause bleiben!“ Meine Stimme klingt leicht gereizt. Das ist nicht gut, gar nicht gut… „Ts, schon gut. Ich fahr ihn ja. Immerhin ist er mein Sohn und ich hab ihn lieb“, gibt sie mit gefährlich sanfter Stimme nach. Ich warte noch, bevor ich mich bedanke. Da kommt bestimmt noch ein „Aber“… Und wie als hätte sie meine Gedanken gelesen, fährt Mutter fort: „Aber dann wirst DU auch Lebensmittel einkaufen und Abendessen machen. ICH habe dann ja keine Zeit dafür. Haben wir uns verstanden?“ Keine Zeit dafür? Sie ist doch garantiert schon um 15 Uhr zu Hause. Jeremy hat bestimmt nicht länger Schule. Aber okay. Immerhin fährt sie ihn hin und holt ihn auch wieder ab. Ich nicke nur, um damit zu signalisieren, dass ich sie verstanden habe, werfe einen kurzen Blick auf die Uhr, die kurz nach halb acht anzeigt, und schon bin ich ohne einen Gruß aus dem Haus verschwunden. Zum wiederholten Male an diesem Morgen seufze ich in mich hinein. Irgendwann werde ich noch kirre in dieser „Familie“! Jeden Tag so eine Spannung… Ich glaube nicht, dass diese Atmosphäre für ein aufwachsendes Kind förderlich ist. Ich bin keine 10 Schritte von unserem Haus entfernt, als ich auch schon Kirsten nach mir rufen höre. „Hey, Ann! Warte doch auf mich! Willst du denn nicht gemeinsam mit mir zur Schule gehen?“, fragt sie mich, als die dann endlich zu mir aufgeschlossen hat. Ein undeutbares Lächeln ziert mein Gesicht, als ich mich zu ihr drehe: „Doch, können wir machen. Doch wie du schon richtig gesagt hast: ich gehe zur Schule und fahre nicht mir dem Bus. Magst du mich immer noch begleiten?“ Ein nicht so ganz begeisterter Gesichtsausdruck stiehlt sich auf das Gesicht meiner Schwester. Sie ist die Art von Mädchen, die jeder sportlichen Aktivität aus dem Weg geht. „Ähm, willst du wirklich das alles zu Fuß laufen? Schau, da vorne ist doch schon die Bushaltestelle! Komm, wir fahren zur Schule!“ Ohne auf meinen Protest zu achten, zieht sie mich am Arm hinter sich her. Ergeben lasse ich mit mitschleifen – sich zu wehern, wenn Kirsten sich was in den Kopf gesetzt hat, ist sowieso so gut wie unmöglich. Bei besagter Haltestelle angekommen, sehe ich mich um. Bis auf einige Gleichaltrige, die auf ein paar Gruppen aufgeteilt sind, einer älteren Dame mit Hund und meiner Schwester und mir, ist sonst niemand zu sehen. Als wir noch auf unserer alten Schule waren, standen mindestens dreimal so viele Schüler auf unserer Bushaltestelle herum. Dass hier so wenige Jugendliche auf den Schulbus warten, erstaunt mich. Bedeutet das etwa, dass die Schule nicht ganz so gut ist, wie ich dachte? Oder aber sie war genau das Gegenteil – so gut, dass nicht viele Mädchen und Jungen die Aufnahmeprüfungen schafften. Hm, das wird wirklich sehr interessant… Ich will mich gerade in die Richtung, aus der der Bus kommen müsste, drehen, als mein Blick auf blaue Augen fällt. Azurblau – um genau zu sein. Und sie sehen im meine eigenen Augen. Ein kleines Lächeln bildet sich auf den Lippen des Jungen und gerade, als ich zurücklächeln will – was ja eigentlich so gar nicht meinem Wesen entspricht – bohrt sich ein Ellenbogen unsanft in meine Seite. Besagter gehört natürlich Kirsten, die, sobald sie sich meiner Aufmerksamkeit sicher ist, sofort mit sich fast überschlagender Stimme anfängt loszuplappern. „Siehst du den Jungen da drüben? Den mit den schwarzen Haaren! Der sieht doch einfach umwerfend aus, oder? Und er sieht auch schon die ganze Zeit zu mir rüber! Hach, aber wer kann ihm verdenken? Bei der einer kleinen Stadt hat er bestimmt noch nicht so ein wunderschönes Geschöpf gesehen!“ Ich folge ihrem Blick und erneut landen meine Augen auf Azurblau. Na toll, dann hat der Junge gar nicht mich, sondern meine Schwester angesehen? Ach, eigentlich auch egal. Ich mach mir nichts aus Jungs. Das Einzige, was mich wirklich interessiert, ist so schnell wie möglich die Schule abzuschließen, einen gut bezahlten Job zu bekommen und mit dem verdienten Geld meine Träume zu erfüllen. Plötzlich werde ich an meiner Hand gepackt und in den vor mir stehenden Bus bugsiert. So sehr war ich also in Gedanken versunken, dass ich nicht einmal mitbekommen haben, wie der Bus vor uns gehalten hat. Als sich dieser wieder in Bewegung setzt, sehe ich zum ersten mal auf die Hand, die meine umschließt und bekomme einen Schock. Dass es nicht Kirstens Hand sein kann, ist mir klar gewesen, denn diese war viel kleiner als die, die meine umschließt. Ein – zugegeben – gutaussehendes, lächelndes Gesicht wendet sich mir zu. Und zum dritten mal an diesem Morgen sehe ich in diese azurfarbenen Augen. Ein amüsiertes Funkeln in ihnen lässt mich aus meiner Erstarrung erwachen. „Was machst du da? Was sollte das?“ Meine Stimme hört sich bissiger an, als ich eigentlich wollte. Erstaunt zieht der Junge eine Augenbraue hoch. „Wie? Ich hab dich gerade noch rechtzeitig in den Bus gezerrt, damit du ihn nicht verpasst, du Tagträumerin! Du solltest mir dankbar sein, dass du nicht zu Fuß laufen musst, und mich nicht für meine Sozialität anschnauzen! Pf, dabei siehst du so süß aus. Dass du so ein großes, flinkes Mundwerk hast, überrascht mich!“, flötete der Schwarzhaarige mit einem immer breiter werdenden Grinsen vor sich hin. Da ich nicht wirklich weiß, was ich darauf erwidern soll, entreiße ich ihm meine Hand und drehe mich um, auf der Suche nach meiner Schwester. Schnell habe ich sie entdeckt und bin schon auf dem Weg zu ihr. Seufzend lasse ich mich neben Kirsten fallen. „Was hast du mit dem Typen da gerade geredet? Wollte er etwas über mich wissen? Hat er dich nach meiner Nummer gefragt? Oh, Gott! Er sieht einfach umwerfend aus! Na, los, sag schon!“, quasselt sie mich voll. Wieso dreht sich bei ihr eigentlich immer nur alles um sich selbst? Ist ja echt das letzte. Und was bitteschön findet sie an diesem Typ? Der ist doch total durchgeknallt! Rennt mit einem Dauergrinser durch die Gegend und spielt Samariter. Ich hab ihn nicht darum gebeten, mich in den Schulbus zu verfrachten. Der soll sich nur nichts darauf einbilden, dieser… dieser… dieser… ach, egal! Heftiger als beabsichtigt sage ich: „Nichts! Nichts hab ich mit diesem Irren geredet! Und, nein, er wollte nicht deine Telefonnummer. Vergiss den Kerl einfach, der ist doch –“ „NEIN!! Ich kann ihn nicht vergessen! Sieh ihn dir doch an, der ist ja so was von…“, werde ich von Kirsten unterbrochen und höre den Rest des Satzes gar nicht mehr. Ich weiß sowieso schon, was jetzt kommt. Sie ist ja nicht das erste Mal an einem Jungen interessiert. Die restliche Fahrt habe ich auf Durchzug geschaltet und komme erst wieder in die Realität zurück, als mich meine Schwester fast vom Sitz schubst. Mit den Worten „Wir sind da“ verlässt sie den Bus, ich dicht hinter ihr. Plötzlich überkommt mich ein merkwürdiges Gefühl. Mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter. Was zur Hölle ist das? Abrupt drehe ich meinen Kopf nach rechts – und da steht er, wie üblich mit einem Lächeln auf den Lippen. Was hat der Kerl für ein Problem? Wieso starrt der mich die ganze Zeit an? Wenn der wirklich Interesse an mir hat, dann killt mich Kirsten! Nie und nimmer würde sie erlauben, dass ich sie aussteche! Aber… vielleicht ist es ja auch so, dass sich dieser Typ nur an mich ranmachen will, um dann meine Schwester näher zu kommen. … Ja, so muss es sein! Immerhin hat Kirsten es doch selbst gesagt – neben ihr sieh ich aus wie ein Mauerblümchen! Ich schicke einen mörderischen Blick zu dem Gaffer hinüber und wende dann demonstrativ meinen Kopf ab. Kirsten ist schon etwas voraus gegangen, also beeile ich mich, um sie einzuholen. Zusammen betreten wir das Schulgebäude. Unwillkürlich halte ich den Atem an. Oh, Mann… Von Außen sieht dieses Institut ja schon mehr als beeindruckend aus, aber von Innen… da bin ich echt sprachlos! Und das soll was heißen! Diese riesige Aula ist ausgestattet mit Marmorfliesen, enorm teuer aussehende Teppiche führen in verschiede Richtungen. An den Wänden hängen bekannte Gemälde (ob das wirklich Originale sind?) und bis zum Boden reichende Fenster lassen diesen Raum in hellem Licht erstrahlen. Wenn es nicht so untypisch für mich wäre, meinen Emotionen freien Lauf zu lassen, dann würde ich jetzt wohl mit offenem Mund da stehen. „Mund zu, es zieht“, raunt eine Stimme dicht an meinem Ohr. Mit einem leisen Aufschrei wende ich mich um – und erblicke azurfarbene Augen. Wie? Warum gebe ich mir bitte die Mühe und nenne diese Farbe – wenn auch nur in Gedanken – azurblau? Blau! Ist doch egal, welche Art von Blau. Blau ist Blau! Aus, Schluss, basta! Ohne auf seine Bemerkung einzugehen, wende ich mich von dem Jungen mit den blauen Augen ab und steige die Treppe nach oben. Kirsten wartet dort schon auf mich und als sie sieht, wer da hinter mir steht, fängt sie gleich an laut zu rufen: „Hey, Schwesterchen! Ann, hier bin ich! Komm schon, du willst doch nicht zu spät kommen!“ Na toll, jetzt kennt dieser Typ auch noch meinen Namen! Und das alles nur, damit er bemerkt, dass ich ihre Schwester bin. Seufz, na ja, was soll’s. Ich sehe ihn sowieso nicht wieder. Denn schon nach dem ersten Wortwechsel mit ihm, ist mir klar gewesen, dass ich von nun an zu Fuß zur Schule gehen werde. Und da er älter zu sein scheint als ich, werde ich ihn auch nicht in der Klasse sehen. Wenn ich mich jetzt noch geschickt in den Pausen verkrümeln kann, ist das eben unser erstes und letztes Zusammentreffen gewesen. Im ersten Stock angekommen, drehe ich noch einmal leicht meinen Kopf zur Seite, um… um, um mir die Gemälde noch einmal anzusehen! Genau! Sie sind ja auch zu schön! Und dieses Azurblau… Äh, ja, ähm, dieses Blau als Farbe für den Himmel ist wirklich gut gewählt worden! Hehehe… Unwillig über meine sich selbstständig machenden Gedanken schüttle ich den Kopf und sehe – Ja, ich sehe (!) wie dieser Bastard meinen Hintern beobachtet! WAS soll das bitteschön? „Hey!“, rufe ich ihm entgegen. Er sieht auf und grinst mich frech an. Och, komm schon! Wieso ist ihm nicht einmal peinlich, dass ich ihn beim Spannen erwischt habe? Dieser Kerl treibt mich noch in den Wahnsinn! … Aber wenn ich’s mir recht überlege – damit hat er ja keine Gelegenheit mehr! Immerhin bin ich fest entschlossen, ihn nicht mehr wiederzusehen! Aber ich will nicht, dass er meinen Po als letztes von mir zu Gesicht bekommt und ihm womöglich genau das in Erinnerung bleibt! Mit einem „Ha“ drehe ich mich ganz zu ihm herum, schaue auf ihn hinab und strecke die Zunge raus. Da hast du was zum Erinnern, du Spinner! Hehe, jetzt wird er bestimmt sauer! Sieht nicht so aus, als ob er oft von Mädchen eine Abfuhr erteilt bekommt. Doch wider Erwarten nehmen seine azurfar- ähm, blauen Augen einen sanften Ausdruck an und auch sein Lächeln wirkt weicher. Erstaunt weiten sich meine Augen und eine leichte Röte steigt mir ins Gesicht. Was-? Wieso-? Warum-? Hilfe? Ich kann nicht mal mehr einen vernünftigen Gedanken zu ende denken! Was soll das bitteschön? Wieso wechselt meine Gesichtsfarbe? DING DONG DONG Die Schulglocke, welche zum Stundenanfang läutet, reißt mich aus meinem Tagtraum. Schnell drehe ich den Kopf weg von diesem ….diesem Jungen und laufe in Windeseile die Gänge entlang. Meine Schwester gibt einen überraschten Laut von sich, doch bemüht sie sich mich nicht aus den Augen zu verlieren. Ich laufen immer den Schildern nach, die den Weg zum Sekretariat kennzeichnen und bin in wenigen Sekunden vor einer Tür mit der gesuchten Aufschrift angelangt. Ich nutze den Moment, den ich auf Kirsten warten muss, um meine Gedanken zu ordnen und tief durchzuatmen. Dann klopfe ich. Nach dreistündiger Prüfung werde ich nun endlich entlassen. Kirsten hat schon nach einer dreiviertel Stunde in ihre neue Klasse gehen dürfen, ich hingegen habe noch weitere Tests absolvieren müssen. Zuerst habe ich ja angenommen, dass ich so schlecht wäre, da immer mehr Professoren hinzugeholt worden sind und alle so ein ernstes Gesicht gemacht haben. Aber dann habe ich mich selbst beruhigt, denn ich habe die Aufgaben ziemlich einfach gefunden. Also kann es ja gar nicht so schlecht sein! ….Oder? Als ich die Sekretariatstür hinter mir schließe, atme ich erleichtert auf. Die Prüfung ist zwar nicht schwer gewesen, doch drei Stunden lang diese Anspannung, ob ich nun aufgenommen werde oder nicht… Das schafft ganz schön! Langsam schreite ich die Gänge entlang, erneut den Schildern folgend, die mir den Weg weisen. Wenn es für alle Klassenräume eigene Schilder gibt, wie groß ist dann bitte diese Schule?! Ich erreiche den Gang in dem sich die 4. Jahrgänge befinden – und stutze. Wieso 4. Jahrgänge? Ich sehe auf den Zettel in meiner Hand, den mir die Sekretärin gegeben hat, und meine Augenbrauen ziehen sich zusammen. Da steht doch tatsächlich „Ann Wondery, Klasse 4B“. Aber müsste ich nicht eigentlich im 3. Jahr sein? Oder zählen die hier anders? Hm, na ja, egal. Ich suche die Tür mit der Schild „4B“ und klopfe. Ich warte geduldig auf ein „Herein“, bevor ich die Tür öffne. Ein Mann Mitte dreißig mit pechschwarzem Haar und Brille sieht mich abwartend an. Na gut, dann mal los. „Guten Morgen! Mein Name ist Ann Wondery. Ich habe gerade die Aufnahmeprüfung abgeschlossen und wurde hier her geschickt.“ Mit diesen Worten übergebe ich meinem neuen Professor den Zettel. Während dieser besagtes Stück Papier betrachtet, wandert mein Blick in die Runde. Wie ich sehe, werde ich aufmerksam beobachtet. Ein plötzliches Rufen lenkt meine Aufmerksamkeit auf sich. „Schwesterchen! Was machst du denn hier? Müsstest du nicht in dem Stockwerk der 3. Jahrgänge sein?“ Irritiert sehe ich Kirsten an. Der Professor räuspert sich und erhebt die Stimme: „Nein, das ist schon richtig so, Miss Wondery. Ihre Schwester gehört hier her. Die Schulleitung hat nämlich beschlossen, sie aufgrund ihrer überragenden Intelligenz eine Schulstufe überspringen zu lassen. Also dann, herzlich willkommen, Miss Wondery! Bitte, nehmen Sie doch neben ihrer Schwester Platz!“ Vollkommen verdattert sehe ich den Lehrer an. Wie? Ich soll eine Klasse übersprungen haben? Echt? Ist ja cool! So kann ich viel schneller die Schule abschließen und dann Geld verdienen! Finde ich super! Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, nur ein ganz Kleines, doch eine mir nur zu wohl bekannte Stimme lässt mich erstarren. „Hey, Träumerin! Setz dich doch zu mir! Professor? Sie erlauben das doch sicher? Ann und ich kennen uns bereits. Ich werde gut auf sie aufpassen.“ Mit vor Schreck geweiteten Augen drehe ich mich zu dem Redner. Und erneut treffen meine Augen auf Azurblau und ein freches Lächeln. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ FERTIG! Mann, oh Mann, das hat gedauert! aber nun ist das kappi endlich fertig! ihr wollt euren senf dazu geben? bitte, immer her damit! ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)