Golden Sun von abgemeldet (The golden Age) ================================================================================ Kapitel 1: Der Aufbruch ----------------------- Der Aufbruch Es war lange her, seitdem Takeru das letzte Mal die Sonne so strahlend gesehen hatte. Er hatte sieben Tage in seinem Zimmer im Bett gelegen, da er eine unbekannte Krankheit bekommen hatte, doch nun konnte er wieder im Freien sein. Er liebte die Natur, liebte den Schatten des Mikage-Berges, der auf seinem Dorf lag. Seine Eltern sagten immer wieder, dass er nicht in dessen Nähe gehen solle, aber er hatte die gleiche Abenteuerlust, wie sein Vater Sasu, und konnte es nicht sein lassen. Sein Leben hätte nicht besser verlaufen können, aber er hatte auch eine Pflicht, eine Pflicht vor der er am Liebsten davonlaufen würde, was er allerdings nicht tun konnte. Schon am Tage seiner Geburt stand es fest, dass er eines Tages der Anführer des Dorfes Izumo werden sollte, und in der letzten Woche wurde dieser Albtraum zur Realität, denn seine Tante, Uzume, war gestorben. Bevor er Anführer sein würde, sollte er jedoch seine Volljährigkeit erreicht haben und bis dahin dauerte es noch fast ein ganzes Jahr, aber er wusste, dass dies sein Schicksal bleiben würde und dieses unaufhaltbar war. "Takeru!", rief ihm eine weibliche Stimme vom Dorfkern zu, "Du sollst doch nicht einfach so weggehen, ohne Vater und Mutter Bescheid zu sagen." Es war seine, um ein Jahr jüngere Schwester Tamiko. Sie war ebenso hübsch, wie ihre Mutter und mit ihrem Festtagskleid war sie noch schöner. Wäre sie nicht seine Schwester, würde er sie glatt heiraten. Aber dies ging natürlich nicht nur deshalb nicht, denn sie war bereits verlobt, mit einem jungen Mann, der Takerus bester Freund war. "Mensch! Kann man nicht einen Moment seine Ruhe haben? Und außerdem, wieso trägst du schon dein Festtagsgewand, Tami?" "Nun ja, heute ist doch das Fest zu Ehren des ehrenwerten Felix. Und ich finde mein Gewand so hübsch. Vater möchte, dass du zu ihm kommst, immerhin hältst du heute zum ersten Mal die Festtagsrede. Also geh!" Immer wenn es um dieses Fest ging, wurde sei Vater sehr ernst, er konnte sich auch gut vorstellen warum, schließlich war es Felix, der damals seiner Mutter und seinem Vater das Leben und somit das ganze Dorf gerettet hatte. Dieses Mal sollte Felix Höchstselbst zum Fest kommen, mit ihm seine Frau und ihre gemeinsamen Zwillinge. Takeru wusste nicht viel von ihnen, weil ihn das nicht sonderlich interessierte. Tamiko war da anders, sie interessierte sich wohl für die Traditionen und Geschichten der Menschen. Vielleicht war das der Grund, warum sie im Dorf besser Kontakte knüpfen konnte, Takeru fühlte sich schon als kleiner Junge dazu berufen etwas Weltbewegendes zu unternehmen. Trotzdem musste er nun tun, was ihm aufgetragen wurde. Sein Vater stand schon in der Eingangshalle ihres Hauses mit vier Fremden, als Takeru ankam. Es war ein hoch gewachsener, braunhaariger Mann, an seiner Seite stand eine anmutige, langhaarige Frau. Vor den beiden standen noch zwei Gestalten, von denen Takeru dachte, dass sie aus dem Himmel kommen würden. Es waren zwei Mädchen mit blondem, gewelltem Haar, ihre Statur war engelsgleich, aber ihre Flügel fehlten. "Takeru!", schrie sein Vater ihn aus seinen Gedanken, "Wo hast du dich wieder herumgetrieben? Ich habe dir doch gesagt, dass sie heute Nachmittag ankommen." "Ach! Sasu, lass ihn doch, immerhin warst du in seinem Alter auch so. Ich bin Felix, freut mich dich kennen zu lernen!" "Guten Tag, ich bin Takeru. Darf ich erfahren, wer mit Ihnen reist?" Diese Frage stellte er, weil seine Neugier geweckt worden war, er wollte unbedingt wissen, wer diese Engel waren. "Dies hier sind unsere Töchter Avil und Liva. Ich bin Cosma aus Lalivero.", sagte die anmutige Frau. "Sasu, wir müssen etwas besprechen.", sagte Felix. "Nun gut, Cosma, wenn du willst kannst du nach oben zu Kushinada gehen und außerdem kannst du dann auch unseren kleinen Tamaron sehen. Du, Takeru, kannst Avil und Liva das Dorf zeigen!", bemerkte Sasu. Es stimmte, dass Takeru noch einen kleinen Bruder hatte, der Tamaron hieß. Takeru beneidete ihn darum, der Zweitgeborene zu sein, was er nur allzu gern sein würde. "Gut, dann kommt mit!", entgegnete Takeru mit einem hasserfülltem Unterton. Die Zwillinge schraken zurück, und er merkte gleich, dass es wegen seines Untertons war. "Entschuldigung, mein Hass war nicht an euch gerichtet, sondern an meinen Vater." Liva sprach ihn an: "Takeru, bitte zeige uns die Stadt." Sie zogen los und trafen gegen Abend wieder zu Hause ein. "Takeru!", schrie sein Vater, als er die Haustür erreichte, "Wo warst du so lange? Du musst dich doch auf die Rede vorbereiten und außerdem wollen sich Avil und Liva vielleicht noch hübsch machen. Wie du weißt brauchen Damen immer länger als Männer." Nun brach Takeru aus: "Vater, wieso kümmerst du dich nicht selbst um dieses absolut hirnrissige Fest, an dem ich überhaupt nicht teilnehmen will. Ich wurde von Tante Uzume dazu gezwungen, ich hasse dich!" Mit diesen Worten verschwand Takeru in seinem Zimmer. In seinem Zimmer legte sich Takeru auf sein Bett, er dachte nach und schlief plötzlich ein. Vor ihm erschienen acht Säulen, über diesen war die Sonne, unter ihnen der Mond. Dort, ein Mädchen mit himmelblauen Haaren, gefesselt an ein Kreuz. Dann ein Klopfen, Schritte, die auf ihn zukamen, ein weiteres Klopfen... "Takeru, wach auf, Takeru!", seine Mutter stand neben seinem Bett, "Was ist mit der Festtagsrede?" Takeru setzte sich mit einem Mal kerzengerade auf, er war bleich und verschwitzt: "Hab' ich sie verpasst?" "Nein. Ich bin hier um dich zu holen. Was hast du mein Junge? Geht es dir nicht gut?", fragte seine Mutter besorgt. "Es ist alles in Ordnung Mutter. Wir müssen gehen." Takeru stand auf und zog sich sein Festtagsgewand an, er hatte den Entschluss gefasst sich bei seinem Vater zu entschuldigen. Auf dem Fest stand der traditionelle Tanz von Lady Okuni auf dem Plan, Tamiko tanzte auch, ihr schönes braunes Haar schwang durch die Luft und ihr Kleid wirbelte. Als nächstes würde seine Rede kommen. Neben ihm ertönte ein Klatschen, der Tanz war vorbei, Takeru war gerade in Gedanken gewesen und hatte es nicht mitbekommen. "Guten Abend, liebe Bürger von Izumo! Heute, genau vor zwanzig Jahren, kam ein junger Mann mit seinen drei Mitstreitern in unser Dorf. Bei dem jungen Mann handelte es sich um Felix aus Vale, zu seinen Mitstreitern gehörten Jenna, seine Schwester, Cosma, ein Mädchen aus Lalivero und Aaron, ein rätselhafter Mann. Sie bezwangen den riesigen Drachen vom Mikage-Berg, darum feiern wir heute dieses Fest, und erinnern uns an die Freiheit, die uns wiedergegeben wurde." Nach seiner Ansprache setzte Takeru sich zu seiner Familie, Garem war auch da, er war der Verlobte seiner Schwester. Er kam aus gutem Hause und war so ziemlich das Gegenteil von allen anderen Menschen in Izumo, er hatte blonde, lange Haare, seine Statur war sehr anmutig und auch sonst sah er aus wie ein perfekter Gentleman. Takeru selbst hatte braune, kurze und zerzauste Haare, doch er war sehr durchtrainiert und sein Erscheinungsbild war das eines Abenteurers. "Takeru, deine Ansprache war kurz und knapp, aber gut.", sagte Garem mit einem unwiderstehlichen Lächeln auf dem Gesicht. Seine Schwester, die in Garems Armen saß, fügte hinzu: "Ja, ich fand' sie auch gut, für deine erste Rede überhaupt, hast du dich gut geschlagen." Das was sie sagte machte Takeru ein kleines bisschen sauer, aber er wollte den anderen das Fest nicht verderben und blieb deshalb ruhig. "Vater, ich muss mit dir reden, es ist wichtig. Aber nicht hier." "In Ordnung Takeru! Ich komme mit, aber raste nicht mehr aus." Sein Vater und er waren ein kleines Stück gegangen, bis hin zum Strand. "Vater...", fing Takeru an, aber er wurde unterbrochen. Ein plötzliches, dumpfes Geräusch erschallte und im nächsten Augenblick erschien ein heller Lichtstrahl vom Mikage-Berg. Takeru fühlte sich auf einmal ganz schwach, und er hatte entsetzliche Schmerzen in seinem Körper, er brach zusammen. Sein Vater war von Panik zerfressen: erstens was war passiert und zweitens, was war mit seinem Sohn los? "Takeru! Takeru!", rief er mit Tränen in den Augen, aber sein Sohn wollte nicht aufwachen. Erst am nächsten Morgen, wachte Takeru noch völlig erschöpft wieder auf. Er wusste nicht so recht was geschehen war. "Sasu! Komm schnell, Takeru ist wieder wach!", sagte Kushinada mit einer ziemlich matten Stimme. Sein Vater kam zu ihnen, wie auch seine Mutter hatte er ein bleiches Gesicht. Sasu ging auf Takeru zu und nahm ihn in den Arm. Takeru bemerkte, dass Tamaron neben seinem Bett spielte und der einzige Unbesorgte war. "Vater, wo ist Tamiko? Was ist gestern passiert?", fragte Takeru seinen Vater, doch er bekam keine Antwort. Er merkte jedoch gleich, dass irgendetwas anders war als sonst. "Sasu, ist dein Sohn schon wach? Ich muss dringend mit ihm reden!", erschallte Felix Stimme aus dem Nebenraum. "Ja, ist er!" Felix kam durch die Tür in Takerus Zimmer. "Takeru! Ich muss mit dir sprechen, du fragst dich doch bestimmt was los ist? Es geht um deine Schwester Tamiko, sie wurde entführt von einer Kreatur, von der ich dachte, dass sie schon tot sei. Es ist die Schlange vom Mikage-Berg, die ich selbst erlegt habe. Sie nahm deine Schwester mit ihren Klauen und verbrannte so etwa die halbe Stadt, aber irgendwie war sie anders als sonst. Sie hatte nicht ihre fleischige Hülle, sondern war umgeben von Knochen.", leise murmelnd fügte er hinzu, "Hätte ich doch nur auf Gilbert gehört." In diesem Augenblick kam Garem durch die Tür. Er sah völlig anders aus als sonst. Sein Gesicht war bleich, sein Haar strubbelig und seine Augen rot geschwollen. "Wie geht es dir, Takeru?" "Mir ganz gut, nur etwas schwach, aber was ist mit dir? Du siehst furchtbar aus." Bevor Garem antworten konnte sprach Felix weiter: "Also, da Garem jetzt da ist, kann ich euch das erzählen, was ich gestern schon Sasu sagte. Vor etwa zwanzig Jahren wurde ich von meinem Heimatdorf Vale weggespült, es fanden mich zwei mir immer noch rätselhafte Gestalten, namens Saturos und Menardi. Sie nahmen mich mit auf ihre Reise, bei der sie versuchten die vier Leuchttürme zu entfachen. Nach ihrem Tod setzte ich die Aufgabe fort, so kam ich auch nach Izumo. Nachdem ich mich mit meinem besten Freund verbündet habe, haben wir es geschafft die Leuchttürme zu entzünden. Was wir allerdings nicht wussten war, dass Alex, der Auftragsgeber von Saturos und Menardi, seine eigenen Pläne hatte. Er wollte die Macht des Steins der Weisen. Ob er diese erlangte, wissen wir bis heute nicht." "Ja, ja, ist schon gut, aber was hat das alles mit unserer Situation zu tun? Ich möchte diese alten Schinken nicht mehr hören, ich will meine Schwester retten! Sie ist bestimmt in Gefahr!" "Nun hör mir doch erst einmal zu! Die Leuchttürme wurden entfacht, aber was wir nicht wussten war, dass es statt vier Türmen acht gab. Sie waren nicht für uns sichtbar, aber nun sind sie wieder aufgetaucht. Gilbert hat mir erzählt, dass er eine Vision von einer dunklen Macht gehabt hat, die das Gleichgewicht beeinträchtigt. Ich bin selbst auf Reisen gegangen, da das Leuchtfeuer von Lalivero nicht mehr brannte, habe ich mich also vergewissert, ob die anderen noch brannten. Aber sie taten es nicht mehr! Zu dieser Zeit wurden meine Töchter und Gilbert sehr krank, eine ärztliche Behandlung war ausgeschlossen, denn unser Arzt kannte diese Art von Krankheit nicht. Und ihr habt dasselbe erlebt, oder?" "Ja!", sagten beide wie aus einem Munde. "Habe ich mir doch gedacht, in einem Buch, das ich einmal bei Gilbert gesehen habe, stand etwas von den Symptomen die ihr gezeigt habt. Die Kinder, die diese Krankheit hatten, werden als Schicksalskinder bezeichnet. >Wenn das Gleichgewicht aus den Fugen gerät, wird der Weise die Elementar-Sterne aus den Leuchttürmen verbannen, um sie geteilt, in sechzehn Lebensformen, wieder erstarken zu lassen. < So lautet die Prophezeiung. Also müsst ihr euch auf den Weg machen, um die anderen Schicksalskinder zu finden." "Und was wird aus meiner Verlobten? Sollen wir sie nicht zuerst retten?", fragte Garem. "Genau, Felix, was wird aus meiner Schwester?" "Ihr ist ein anderes Schicksal auferlegt, hörte ich Gilbert einst sagen, aber sie ist in keiner größeren Gefahr.", sagte Felix. Takeru war sich nicht sicher, ob er dem glauben konnte, aber irgendwie war es so, dass er Gilbert vertraute und wusste was zu tun war. "Wann sollen wir aufbrechen?", fragte Garem. Nicht Felix, sondern Takeru antwortete: "Am besten sofort." Alle waren sich einig, also packten Takeru, Garem, Avil und Liva ihre Sachen, die sie für die Reise brauchten. Sie nahmen das Schiff, das Garem als Hochzeitsgeschenk bekommen sollte. Auf dem Schiff waren außer ihnen noch ihre Eltern, die sich verabschieden wollten. Felix und Cosma verließen das Schiff, obwohl die Schicksalskinder nach Tolbi fahren würden, um Gilbert abzuholen. Die beiden wollten den Bürgern von Izumo helfen. Sie setzten Segel. Takeru steuerte und sah, dass Garem gedankenverloren auf seine Hand guckte. Garem hatte immer noch starke Schmerzen und noch etwas anderes war für in unerträglich. Er konnte sein zu Hause einfach nicht vergessen. Dies war das erste Mal, dass er von zu Hause weg war. Er guckte auf seine Hand, in der das Familienmedaillon lag. Er wusste noch wie seine Mutter ihm erzählt hatte, dass das Medaillon eine schützende Funktion hatte. Er dachte an Tamiko. Obwohl es eine arrangierte Ehe war, hatte er sich in sie verliebt und er wusste, dass sie dasselbe für ihn empfand. Takeru fragte sich wer Gilbert überhaupt sein könnte, er schätzte, dass er ein Wind-Adept sei, da er so gut die Zukunft voraussehen konnte. Kapitel 2: Gilbert ------------------ Gilbert Sie fuhren einige Stunden lang, bis in die tiefe Nacht hinein. Sie warfen den Anker aus und verbrachten die Nacht auf hoher See. "Garem, geht es dir gut?", fragte Liva besorgt, denn zu seiner anfänglichen Bleichheit war ein grüner Unterton hinzugekommen. "Ja, mir geht es gut, ich bin es nicht gewohnt auf dem Meer zu fahren. Ich habe auch keine Ahnung warum meine Eltern mir dieses Schiff schenken wollten." Avil und Liva waren nicht so geschwächt wie Takeru und Garem. Liva ging es schon wieder richtig gut und sah aus wie vorher. Sie war um alle besorgt und versorgte ihre Mitreisenden mit einer guten Suppe. Avil, die stillere von beiden, musste sich ständig übergeben, war aber nicht wie Garem grün im Gesicht. "Avil, darf ich dich etwas fragen?", endlich kam Takeru dazu mit ihr zu reden, über ein Thema, das ihn sehr neugierig gemacht hatte. "Ja, Takeru, darfst du, immerhin müssen wir uns gegenseitig helfen und gut miteinander auskommen." "Schön. Avil, kannst du mir sagen wer Gilbert ist?" Avil wurde sehr rot als sie den Namen Gilbert hörte: "Also gut, Gilbert ist ein Wind-Adept mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, schon als Kind konnte er den meisten Leuten aus Tolbi ihre Zukunft vorhersagen und außerdem..." "Avil, sag es nicht!", unterbrach ihre Zwillingsschwester sie. Avil und Liva wussten wie sehr Gilbert es hasste, dass man in seiner Abwesenheit über ihn redete. Takeru war ein bisschen verdutzt, aber fragte nicht weiter nach, da weder Avil noch Liva etwas hinzufügen wollten. Plötzlich ertönte ein Geräusch und Garem sagte, dass er auf das Deck gehen würde, um nachzuschauen was es war. "Takeru, Avil und Liva kommt nach oben, hier ist ein Monster!", schrie Garem aus Leibeskräften. Die drei stürmten sogleich aufs Deck. Takeru analysierte die Situation genau. Er sah so etwas wie eine riesige Krabbe und hinter ihr lag etwas Blaues. Garem hatte sein Schutzmedaillon um und in seiner Hand war sein Schwert. Die anderen griffen auch nach ihren Waffen. Sie versuchten mit Hilfe von diesen die Krabbe zu besiegen, aber sie mussten feststellen, dass die Krabbe eine zu dicke und gepanzerte Außenhülle besaß, die man ohne Psynergie nicht durchdringen konnte. Die Krabbe setzte zum Schlag auf Garem an, aber bevor sie ihn erreichte, baute sich eine Wand aus Wasser vor ihm auf. "Könnte jemand die Krabbe schnell besiegen, ich kann die Wasserwand nicht ewig aufrechterhalten.", sagte die blaue Gestalt. Takeru versetzte das Schiff in einen Erdbeben ähnlichen Zustand und die Krabbe war besiegt. Liva ging zu der Krabbe hin und guckte, ob etwas Brauchbares zu Essen an ihr war, sie wurde tatsächlich fündig und schnitt es mit ihren kleinen Handmesser aus der Hülle hinaus. Takeru starrte auf die blaue Gestalt. "Tami, bist du das?", fragte er als er sie ansah. Das blauhaarige Mädchen starrte ihn an, nun bemerkte Takeru, dass sie nicht nur so aussah wie Tamiko, sondern auch ihre Mimik besaß. "Nein, diese Tami bin ich gewiss nicht, mein Name ist Dajavela. Aber mir ist Daja lieber. Puh, bin ich müde, es geht doch klar, wenn ich hier bleibe?!" Niemand sagte etwas, alle waren nur allzu verdutzt. Nach einer Weile stellte sich Takeru vor: "Mein Name ist Takeru und ich komme aus Izumo. Ihr fragt euch sicherlich wer Tami ist. Tami, besser gesagt Tamiko, ist meine jüngere Schwester. Ihr seht ihr zu verwechseln ähnlich, nur dass sie braune Augen und braune Haare besitzt." "Du brauchst mich nicht zu siezen! Ich hasse so etwas, viel zu vornehm, außerdem ist dies eine Anrede für adlige Schwachköpfe!" Avil wandte sich ab und ging wieder unters Deck, davor warf sie Daja noch einen hasserfüllten Blick zu. Liva stand noch vor kurzem in der Küche des Schiffes und zauberte ihnen ein leckeres Essen. Nun saßen alle beisammen und aßen, dabei redeten sie. "Morgen werden wir also in Tolbi ankommen, dann werden wir auch Gilbert kennen lernen", sagte Garem. Garem ging es beim Essen schon viel besser als vorher, er hatte seine Seekrankheit überwunden und in seinem Gesicht war die Farbe wiedereingekehrt. Er wünschte sich, dass Tamiko beim ihm wäre und dass sie schon geheiratet hätten, aber sein Gefühl verriet ihm, dass sie in Sicherheit war. "Was war denn vorhin mit dir los, Avil?", flüsterte Liva. "Ach gar nichts. Ich fühlte mich nur beleidigt, aber nun nicht mehr. So...", schrie sie in mitten ihres Satzes auf, "...ich werde dann mal zu Bett gehen. Gute und angenehme Nacht." "Gute Nacht!", sagten auch alle Anderen und so gingen auch sie ins Bett. Der Morgen graute und schon setzten Takeru und seine Mitreisenden die Segel. Es war ein friedlicher Tag, deshalb erreichten die Fünf den Hafen von Tolbi schon am Mittag. Sie warfen den Anker aus und machten sich auf dem Weg ins örtliche Wirtshaus. Alle außer Avil setzten sich an einen großen Tisch. "Ihr solltet schon mal etwas essen, ich komme gleich wieder und bringe jemanden mit!", sagte sie und verschwand. Avil verließ das Wirtshaus. Sie vermutete, dass Gilbert in der Nähe sein müsste, und sie sollte Recht behalten. "Wen haben wir denn da? Die Tochter des ersten Ministers?" Avil fuhr erschrocken um und sah in den Himmel. Es waren Gilberts Augen. Immer machte er sich einen Spaß daraus Avil zu erschrecken. Er ging auf sie zu und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund. "Gilbert, nicht hier. Du musst jetzt mitkommen und später muss ich dir etwas sagen!" Sie nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her. Sie gingen ins Wirtshaus. Gilbert stellte sich vor und erzählte ihnen viel von Tolbi und seinen Attraktionen, vor allem Colosso, an dem er jedes Jahr teilnehmen musste, aber dies ziemlich unsinnig fand. Takeru fiel auf, dass Gilbert eine große Kapuze trug, so dass man ihn nicht erkennen konnte. Der Wirt brachte ihnen ihre Getränke, außer Avil tranken alle etwas alkoholisches, er fragte Avil, ob sie nichts wolle und legte ihr unabsichtlich die Hand auf ihre Schulter. Das machte Gilbert rasend, er sprang von seinen Platz auf und zettelte eine Prügelei an. Er schlug dem Wirt mitten ins Gesicht, als plötzlich die Königsgarde hereinkam, welche die Straftat bemerkt hatte. "Alle mitkommen!", befahl der Hauptmann. Alle folgten, ein paar widerwillig und andere hatten Angst, was jetzt passieren würde. Plötzlich sprach Gilbert den Hauptmann an: "Es ist nicht notwendig, dass alle mitkommen! Dies war eine Sache zwischen dem Wirt, Lady Avil und mir!" Der Hauptmann guckte verdutzt: "Hast du tatsächlich gerade Lady Avil gesagt? Ist sie hier?" "Ja, das bin ich und mit mir meine Schwester." Der Hauptmann war nicht gerade erfreut über diese Neuigkeit, denn es war verboten Adelige gefangen zu nehmen. "Wohlan, dann lasst alle gehen. Aber du und der Wirt ihr kommt mit. Myladies, sie werden uns doch sicherlich auch begleiten?" "Aber natürlich und unsere Begleiter kommen auch mit.", antwortete Liva. Sie kamen zum Schloss, in dem früher der große Herrscher Babi gelebt hatte, der aber dann starb und als Thronfolger Isaac, einen jungen Mann aus Vale, ernannte, der seiner Zeit sehr gut bei Colosso gewesen war. An seiner Seite lebte nun Jenna, die Frau, die Isaac schon seit seiner Kindheit liebte. Gemeinsam hatten sie einen Sohn. Sie wurden sogleich in den Thronsaal geführt. "Mein König, ich bin hier wegen einer Straftat, die heute begangen wurde. Die Schuldigen sind dieser Junge und der Wirt aus den örtlichen Wirtshaus." "Dann lasst sie vortreten. Hey! Junge nimm deine Kapuze ab, was legst du für ein Benehmen an den Tag?", hörte man Isaacs Stimme im ganzen Saal. Im nächsten Augenblick stürmte Jenna in den Saal: "Isaac ich muss dir etwas mitteilen!" "Hat das nicht bis später Zeit?" "Nein, es ist dringend, Mia bekommt ihr Baby!" Bei den Wort Baby wurde Avil ganz rot, Gilbert bemerkte dies und sagte: "Wenn Mia ihr Baby bekommt, solltest du auch zu ihr hinfahren." "Das ist eine Unverschämtheit! So mit deinen König zu reden.", Isaac war empört. "Vielleicht darf ein Sohn so zu seinem Vater sprechen?" "Das dürfte er, aber du bist nicht mein Sohn, er ist verschwunden vor zehn Tagen!" Gilbert nahm langsam seine Kapuze ab. Isaac, Jenna und der Hauptmann starrten ihn an. Der Hauptmann sprach als erstes: "Sir Gilbert, es tut mir unendlich Leid sie gefangen genommen zu haben." "Gilbert, was fällt dir ein? Wir haben uns Sorgen gemacht! Wo warst du?", Isaac war neugierig und sauer zugleich. Gilbert antwortete darauf: " Ich war in der Wildnis, ich bevorzuge sie mehr, als das Leben im Schloss! Aber ich bereue es zutiefst euch nicht davon unterrichtet zu haben. Ich weiß doch, was meine Bürde ist. Die Bürde Thronfolger zu sein. Ich werde so etwas nie wieder tun!" Takeru, Garem und Daja waren ziemlich erstaunt, dass Gilbert der Thronfolger war, denn er sah aus wie ein Landstreicher, der immer in der Wildnis lebte. "Also, was ist geschehen, dass dich meine Garde hier herführte?" fragte Isaac. Anstatt Gilbert antwortete Avil: "Onkel, Gilbert wollte mich nur beschützen. Der Wirt hat seine Hand auf meine Schulter gelegt, natürlich hat Gilbert ein bisschen überreagiert, aber bitte bestrafe niemanden, bitte!" Isaac schickte den Wirt fort, überreichte ihn noch ein kleines Präsent, als Wiedergutmachung und er war frei von jeder Schuld, da er nichts Unrechtes getan hatte. Aber zu Gilbert sagte er, dass er für den heuten Tag nicht mehr aus dem Schloss hinaus dürfe, dies war nicht wegen seiner Tat im Wirtshaus, sondern wegen seiner ständigen Ausflüge in die Wildnis. Diese Bestrafung war eigentlich nicht besonders schlimm, aber für Gilbert schwer zu erfüllen, denn er ging jeden Tag aus dem wohlbehüteten Schloss hinein in die gefährliche Wildnis. Als sie den Raum verließen, befahl Isaac: "Heute Abend erwarten wir euch sechs zum Dinner!" Anschließend führte Gilbert sie in die Gemächer, in denen sie die Nacht verbringen sollten. Kapitel 3: Gefühle ------------------ Gefühle Daja saß alleine in ihrem zugeteilten Zimmer. Es war ein sehr großes Zimmer und im Mittelpunkt von diesem stand ein großes Himmelbett. Sie dachte nach, sie hatte den Namen Tamiko schon einmal gehört, sie erinnerte sich daran, dass ihr Vater ihn schon einmal erwähnt hatte. Plötzlich hörte sie ein Klopfen, sie bat den Unbekannten herein, und sah, dass es Takeru war. "Was willst du? Musst du mich stören? Ich war gerade in Gedanken!", sagte Daja wutentbrannt. Takeru war ziemlich erschrocken, er hätte nicht gedacht, dass sie ihn so hassen würde. "Ich wollte mit dir sprechen, aber ich glaube das war keine gute Idee. Ich gehe dann wieder!", sagte Takeru ziemlich nervös. "Du brauchst nicht zu gehen. Ich war nicht ganz bei mir und wirkte daher gereizt, ich fühle mich im Moment nicht so wohl, denn ich hatte vor zehn Tagen einen Schwächeanfall. Seit diesem Tage bin ich von meinen Vater getrennt auf Reisen." Auf einmal war ihr Gesichtsausdruck ganz anders, traurig nicht verbittert. Takeru wusste nun das ihr Vater ihr alles bedeutete, wahrscheinlich, weil er ihr noch einzig lebender Verwandter war und sie in ihrem bisherigen Leben noch nie getrennt von ihm gewesen war. Es musste ein Leben voller Traurigkeiten gewesen sein. Er ging aufs Bett zu, auf dem Daja saß, und setzte sich neben sie. Plötzlich hörte er ein Schluchzen und sah dass sie anfing zu weinen. Sie lehnte sich an seine Schulter, Takeru wusste nicht so recht wie er sich in dieser Situation verhalten sollte. Er hatte noch nie einer Frau eine solche Beachtung geschenkt, doch bei Daja war das anders. Ihre Schönheit war schon verblüffend, aber da war noch etwas anderes, tief in ihr ruhte ein noch zu öffnendes Geheimnis. Nun da er ihr blaues Haar sah, wurde ihm eins klar, nämlich dass sie es war, von der Takeru damals geträumt hatte. Aber dessen Bedeutung war ihm noch nicht ganz klar. Er glaubte aber zu wissen, dass er sie beschützen musste. Sie hatte immer noch nicht aufgehört zu weinen, deshalb legte er einen Arm um sie. Daja war ziemlich überrascht und schreckte auf. Nun sah sie Takeru in die Augen, seine grünen Augen waren sanft und verständnisvoll, nun hatte sie keine Angst mehr. "Daja, geht...?", fing Takeru an, aber Daja legte ihren Zeigefinger auf seinen Mund und nahm ihn wieder weg, um ihm einen Kuss zu geben. Garem saß in dem Zimmer, das für ihn und Takeru vorbereitet war. Noch immer hatte er Schmerzen, aber diese waren nicht schmerzvoller als die Trennung von seiner geliebten Tamiko. Obwohl er acht Jahre älter war, kam es ihm so vor, als wären sie schon immer zusammen gewesen. Er dachte an das Frühlingsfest, bei dem sie einen wunderschönen Blumenkranz in den Haaren getragen hatte. An diesem Tag waren sie offiziell verlobt worden. Er wurde aus den Gedanken an die Vergangenheit entrissen, als Takeru das Zimmer betrat. Er sah noch zerstrubelter als sonst aus und irgendwie kam es ihm vor, als ob etwas an ihm fehlen würde, ein Kleidungsstück oder Ähnliches. "Ich habe gerade den Prinzen gesehen und er meinte, dass bald diniert wird, also machen wir uns besser ein wenig zurecht.", sagte Takeru, heiter wie immer. "Du hast Recht, immerhin sind wir bei dem König und seiner Gemahlin. Soll ich dir irgendwie helfen?", fragte Garem Takeru, als er bemerkte, dass er etwas suchte. "Nein, das ist nicht nötig", entgegnete Takeru, "Ich muss es wohl bei Daja gelassen haben." Garem guckte ein bisschen seltsam und murmelte: "Daja ... mh!" Als Avil wieder vom Baden zurück war und ihr Zimmer betrat, bemerkte sie sofort, dass etwas anders war, als vor ihrem Aufbruch. Sie sah sich genau um und entdeckte eine kleine Schatulle auf ihrem Himmelbett. Sie setzte sich auf dieses und nahm die Schatulle in die Hand. Eine Nachricht befand sich darunter: "Gib mir die Antwort nach dem Essen, in Liebe Gilbert." Nun war sie neugierig und verwirrt zugleich, also öffnete Avil die Schatulle, so fand sie einen goldenen Ring mit einem Smaragd vor. Nun war sie mehr als überrascht. Sie hätte nie von Gilbert gedacht, dass er ihr einen Antrag machen würde, denn sie waren verwandt und durften nichts miteinander haben. Ist ihm sein Königreich egal, oder soll Gabriel neuer König werden? Oder hatte er in ihre Zukunft gesehen? Hoffentlich nicht. Sie war sich nicht sicher, was sie antworten sollte, einerseits liebten sie sich, aber auf der anderen Seite waren ihre Eltern, Freunde und die Gesellschaft, die sie immer anstarren würden. "Avil, bist du fertig?", erklang Livas sanfte Stimme von der anderen Türseite. Avil ging zur Tür und wollte sie öffnen, als sie sah, dass sie halbnackt im Raum stand. "Ähm, Liva, geh' schon mal vor, ich komme in einigen Minuten nach!" "Gut, Avil, aber beeile dich!!!" Avil brauchte wirklich nicht lange um sich fertig zu machen, so kam sie zehn Minuten später. Erst als sie am Tisch saß fühlte sie etwas in ihrer Hand, den Ring von Gilbert. "Vater, Mutter, ich muss euch leider mitteilen, dass ich heute wieder aufbrechen muss und somit meine Verurteilung nicht erfüllen kann. Aber ich verspreche euch, dass ich, wenn ich wieder zurückkomme, alles tun werde, was ihr verlangt!", sagte Gilbert. "Aber warum, Gilbert, wieso musst du uns verlassen?", fragte Jenna besorgt. "Es muss sein, Mutter, ich bin ein Schicksalskind und bin dafür verantwortlich, dass die Zukunft dieser Welt gesichert wird. Für uns und unsere Nachkommen." "Nun schön, aber gibt es nicht noch weitere Schicksalskinder, die diese Aufgabe für dich übernehmen könnten?", fragte Isaac, der die ganze Sache für Blödsinn hielt. "Vater, du magst meinen, dass ich mir das alles nur einbilde und ausdenke, damit ich euch so schnell wie möglich loswerde, aber das stimmt nicht. Ich liebe euch, meine Ausflüge in die Wildnis waren nur eine Abwechslung zu dem Leben hier. Ich werde sie nicht weiter unternehmen, wenn ihr es nicht wünscht, aber diese Aufgabe muss ich noch ausführen, da ich ein unersetzbarer Teil bin, genauso wie Takeru, Garem, Avil, Liva und Daja. Bitte gebe mir die Erlaubnis sie zu begleiten, bitte Vater.", Gilbert war schon den Tränen nahe, er wusste er würde nach einer Reise mit den Anderen seine Freiheit verlieren, aber bestimmt nicht seine Liebe. "Isaac, warum gibst du ihm nicht die Erlaubnis? Du warst doch genauso, du hättest dir doch auch nicht die Gelegenheit entgehen lassen. Und seine Fähigkeit, die Zukunft vorauszusagen ist so gut wie legendär." "Nun gut, Jenna, du hast mich überzeugt. Du darfst gehen, Gilbert, aber erst wenn du mich nach Vale begleitet hast, um Mias Baby zu begrüßen. Und sei am Tag der Jahreswende wieder hier." Gilbert nickte nur mit dem Kopf und sah erleichtert auf Avil, die rot wurde. Takeru bemerkte, dass sich Gilbert in der gleichen Situation befand wie er. Nun gut, er musste sich nicht um die Erhaltung seines Dorfes kümmern, denn wenn ihm etwas widerfahren würde, dann würde Tamaron seinen Platz als Anführer einnehmen, aber Gilbert hatte keine Geschwister. Takeru starrte Daja an, das Kleid, das Gilbert ihr gegeben hatte, sah wirklich schön aus. Es war silbrig und mit Meeresperlen verziert. Sie trug auch ihre Haare anders, hoch gebunden und gelockt. Nun wusste er, was die wahre Liebe, die auch Garem und Tamiko erlebt hatten, war. "Wo kommt Ihr her, Fräulein Daja?", fragte der Berater, der neben Isaac stand. "Ihr seht mir aus als wäret Ihr aus Imil oder gar aus Lemuria!" "Hmh, wie soll ich's am besten erklären? Ich habe keine Heimat mehr, mein Vater reiste mit mir um die Welt, als meine Muter starb. Er kam aus Imil, meine Mutter aus Contigo!", sagte Daja entschlossen. Daja bemerkte, dass ihr langsam aber sicher ein kleines bisschen schlecht wurde und sie wusste woran das lag, sie hatte heute zuviel getrunken. Plötzlich hatte sie ein kleines Stechen in ihrer Brust und fühlte sich so leer. Takeru, der gebannt auf Daja sah, erkannte, dass es ihr nicht gut ging: "Daja, was ist mit dir, fühlst du dich nicht?" "Nein, es ist alles in Ordnung, sei beruhigt." "Takeru", flüsterte Garem, der an seiner rechten Seite saß, "was ist zwischen dir und Daja vorgefallen? Ihr wirkt ziemlich vertraut." Bei diesen Worten kam Takeru sich ertappt vor und sprang von seinem Platz auf, um etwas zu sagen, aber er wurde wieder der Situation Herr. "Entschuldigen Sie, ich wollte nicht unhöflich erscheinen!" Alle guckten Takeru merkwürdig an, es war sehr still, aber plötzlich fing jemand zu lachen an. Es war Liva, heute hatte sie einmal nicht die gleiche Kleidung an wie ihre Schwester, als sie anfing zu lachen, mussten ihre fünf Mitreisenden auch anfangen, die Situation war einfach zu komisch. Takeru setzte sich wieder und aß weiter. "Nun erzählt mal ein bisschen von euch, ich möchte gerne über alles Bescheid wissen.", sagte Jenna. Garem fing an zu erzählen: "Ich bin der Garem und wie Takeru komme ich aus Izumo. Bloß habe ich nicht so eine wichtige Stellung im Dorf wie Takeru, er soll Anführer werden, wie es zuvor seine Tante gewesen ist. Meine Stellung ist die des Dorfschönlings, hahaha, nur ein Witz. Meine Eltern haben mich sehr traditionell erzogen und so werde ich die Tanzschule meiner Eltern weiterleiten und nebenbei noch Handel betreiben. Eigentlich ist die Tanzschule nicht für mich, sondern für Tamiko, meine Verlobte. Unsere Dajavela hier sieht ihr zum verwechseln ähnlich, aber Tamiko hat braune Haare und eine bräunliche Augenfarbe, sie ist auch Takerus Schwester. Damals, als der ehrenwerte Felix Lady Kushinada rettete, war ich noch sehr klein und meine Psynergie-Fähigkeiten waren ungewöhnlich. Sicherlich sind nach dem Vorfall vor zwanzig Jahren noch andere Saturn-Adepten geboren worden.", er brach ab, weil man vom anderen Tischende ein dumpfes Geräusch hörte und wo Gilbert gewesen war, war nur noch ein leerer Platz vorzufinden. Aber Gilbert war nicht verschwunden, nein, er lag auf dem Boden und krümmte sich. Alle standen auf und guckten, ob man Gilbert helfen könnte, Isaac beschloss jedoch, dass Gilbert auf sein Zimmer gebracht werden sollte und das Essen damit beendet sei. Gilbert erwachte in seinem Zimmer und sah sogleich, dass er nicht alleine war. Auf seinem Bett saß Avil, und Takeru, Garem und Liva standen um sein Bett herum. Daja hatte sich hingelegt, da es ihr nicht gut ging. "Geht es wieder, Gilbert?", fragte Avil besorgt. "Ja, mir ging es nicht schlecht, ich hatte eine Vision!", begann Gilbert zu erzählen, während er sich aufsetzte. "Ich habe geträumt, dass ich in einem dunklen Raum eingeschlossen war, konnte mich nicht bewegen, nicht entfliehen, die Wände kamen näher und immer näher und drohten mich zu töten, dann sah ich etwas Grünes, ich hoffte meine geliebte Wildnis, aber ein Junge war zu sehen, er bat, er bat mich ihm zu helfen, hinter ihm war eine schwarze Gestalt, eine Gestalt des Bösen." Avil bemerkte, dass diese Gestalt sehr Angst einflössend war, als sie seine Hand nahm zitterte er immer noch. Gilbert beruhigte sich, nachdem Avil seine Hand genommen hatte, er realisierte etwas an ihrer Hand, es war sein Ring, er war überglücklich und nahm sie in den Arm. Alle starrten sie an. "Ähm, Gilbert...", sagte Avil nervös. "Wir können es ihnen ruhig sagen, sie sind unsere Gefährten und Freunde. Außerdem wird Liva es ohnehin bald erkennen, denn ihre Fähigkeiten werden in nächster Zeit drastisch zunehmen. Wir sind nun... wir... sind... verlobt!" "Verlobt?" Liva war entsetzt. "Wie stellt ihr euch das vor? Cousin und Cousine, das geht nicht gut!" "Ich weiß, Liva, meine Schwester, aber ich denke unsere Liebe hat dennoch eine Zukunft, denn ich werde Gilberts Sohn gebären." Noch mehr Entsetzen machte sich breit. Plötzlich erschallte die Stimme von Iodems Sohn Eodem von draußen: "Majestät, ich habe einen Gast für Euch, sie heißt Folore und kommt aus dem Lama-Tempel." "Lasst sie eintreten." Eine kleine Gestalt huschte ins Zimmer, dabei sah sie aus wie ein Geist, kaum wahrzunehmen. "Hey! Ich bin Folore aus dem Lama-Tempel, weiß zwar nicht, was ich hier soll, aber na ja, meine Eltern brachten mich her, sind jetzt bei Isaac oder so, ich glaub die kennen sich von früher." Ihr Blick schweifte durch die Menge. So jemanden jungen hätten die anderen nicht erwartet, eher jemand alten und weisen. Nun sah sie Garem, ging zu ihm hin und verbeugte sich. "Du musst Gilbert sein, Papa sagte, dass du ein Prinz seiest, denn wie sollte es anders sein, die zwei Mädchen können es nicht sein, der Junge da drüben wirkt abenteuerlich, nicht wie ein Prinz, und dieser Kerl im Bett sieht aus wie ein Schurke und du, du bist so schön!" Garem war schon ein bisschen geschmeichelt: "Ähm, da muss ein Missverständnis vorliegen, ich bin kein Prinz, ich bin der Garem aus Izumo. Der ,Kerl' ist der Prinz!" "Na so was, auch egal, du wirst mein Prinz bleiben und der andere ein Schurke!" Gilbert wollte schon aufstehen und ihr die Meinung sagen, aber Avil hielt ihn fest. Sie dachte daran, dass sie den Ring nur umgenommen hatte, weil sie nicht wusste wohin damit, aber letztendlich war es ihr egal, sie hätte auf jeden Fall ,Ja' gesagt. Liva kam es sehr merkwürdig vor, dass ihre Zwillingsschwester und ihr Cousin heiraten wollten und sogar ein Kind bekamen, allerdings hatte sie das Gefühl, dass irgendetwas mit diesem sein würde, als hätte es ein schweres Schicksal. Sie wusste, dass sie nicht in die Zukunft sehen konnte, aber wenn Gilbert Recht hatte, hatte sie eine Metamorphose vor sich. Dennoch wünschte sie sich keine allzu große Kraft, wollte nicht wie Gilbert sein, er quälte sich Tag um Tag, das wusste sie. Aber sie wunderte sich selbst, wieso sie bis jetzt noch nichts von der Liebesbeziehung zwischen ihrem Cousin und ihrer Schwester geahnt hatte. Liva und Avil waren zwar Zwillinge, aber dennoch waren sie sehr unterschiedlich. Liva hörte stets auf ihr Gewissen, Avil dagegen auf ihr Gefühl. Plötzlich klopfte es wieder an Gilberts Zimmertür. "Herein!", befahl Gilbert. Es waren sein Vater und ein blondhaariger Mann der um etwas kleiner war als sein Vater. "Papa, da bist du ja, wo ist Mama?", fragte Folore. " Feizhi, sie ist noch bei Jenna! Aha, da ist unser kleiner Gilbert, als ich dich das letzte Mal sah warst du noch ein kleiner Knirps, jetzt bist du ein Mann, ah und Avil und Liva sind auch da, großartig seht ihr aus!" Ivan war ziemlich aus dem Häuschen alle zu sehen, es war für ihn wie der Beginn einer neuen Reise. "Folore, deine Mutter und ich werden wieder zum Lama-Tempel zurückkehren, du bleibst bei Isaac, dein Schicksal wird sich bald erfüllen." Er wandte sich Gilbert zu: "Hast du gesehen, wie ihr die Schicksalskinder erkennt?" Gilbert nickte: "Sie sind erkennbar durch das Zeichen auf dem linken Oberschenkel. Ein grünes ,C'!" Folore hob auf einmal den Kopf, überlegte einen Augenblick und schlug ihre Handflächen gegeneinander. Danach machte sie sich daran ihren kurzen Rock hochzuziehen, sie drehte sich zu ihrem Vater und zeigte auf ein grünes ,C'. "Folore, benimm dich doch mal! Vor allem vor Isaac." Ivan war es schon ein bisschen peinlich, wie sich seine Tochter benahm. Nun schaltete sich Isaac ein: "So, es ist Zeit zu Bett zugehen, ich habe noch mit Gilbert zu reden!" Alle gingen aus dem Zimmer und sie hörten, dass Isaac Gilbert geradezu anschrie. So verbrachten sie ihre Nacht im Schloss von Tolbi. Daja wachte am nächsten Morgen früh auf, ihr Übelkeitsgefühl war weg. Sie machte sich auf, sich anzuziehen, als es klopfte: "Fräulein Daja!", ertönte die Stimme des Beraters Desiderius, der sie gefragt hatte, woher sie komme, "Darf ich hereinkommen?" Daja sagte, dass er gleich reinkommen könne und zog sich nur noch ihren ausgeliehenen Bademantel an. Sie öffnete ihre Tür. "Fräulein Daja, wollen sie baden gehen? Ich könnte sie zum Bad führen." "Es wäre schön ein angenehmes Bad zu nehmen. Ja, ich will baden gehen!" "Sicher, ich führe Sie dorthin." Sie gingen einen langen Flur entlang, bis sie schließlich zum Bad kamen. Er zeigte ihr alle Badeutensilien und entzog sich aus ihrer Sichtweite, aber er sah ihr beim Baden zu. Nach etwa einer halben Stunde war Daja fertig. Sie kehrte zu ihrem Zimmer zurück und war in Gedanken versunken, so dass sie sie Schritte hinter sich nicht hörte. Als sie in ihrem Zimmer stand, hörte sie das Geräusch ihrer sich öffnenden Tür. Desiderius stürmte auf sie zu und drückte sie auf ihr Bett. Gerade als er versuchte sie zu küssen, stand Takeru in der Tür: "Lass sie in Ruhe! Rühr sie nicht an!" Takeru kam auf die beiden zu. Desiderius erhob sich, drückte Takeru zur Seite und verschwand. Takeru wollte ihm hinterher, aber Daja sagte mit verweintem Gesicht: "Nicht, Takeru, ich will jetzt nicht alleine sein. Ich möchte nie mehr alleine sein!" Sie fing wieder an zu weinen. Takeru setzte sich neben sie und versuchte sie, indem er sie in den Arm nahm und streichelte, zu trösten. So saßen sie eine Weile zusammen und Daja hörte allmählich auf zu weinen. "Ach, Daja! Ich muss dir noch alles erzählen, was gestern geschehen ist. Also erstens haben wir ein neues Mitglied. Sie heißt Folore und kommt aus dem Lama-Tempel. Sie ist sehr kindlich und spontan, deshalb schätze ich sie auf dreizehn Jahre. Und zweitens haben Avil und Gilbert uns erzählt, dass sie verlobt sind und zusammen ein Kind erwarten." Daja war keinesfalls überrascht von dem, was Takeru ihr erzählte, denn im Gegensatz zu allen anderen hatte sie die Liebesbeziehung schon vorher bemerkt. Als Garem diesen Morgen aufwachte war seine ganze Eleganz wieder zurückgekehrt. Er nahm seinen Kamm und kämmte sich damit seine blonden Locken. Danach band er sich diese mit einer blauen Schnurr zusammen. Er packte seine Sachen zusammen und bereitete sich auf die Abreise vor. Seine Gedanken hingen immer noch Tamiko nach, er vermisste sie schrecklich und plötzlich waren alle um in herum verliebt. Er konnte es nicht aushalten, er wollte Tamiko spüren und berühren, sie sollte bei ihm sein. Einige Zeit später kam Takeru herein. "Wo warst du?", fragte Garem neugierig. "Bei Daja, sie brauchte meine Hilfe!" "Hilfe? Wobei?" "Das geht dich gar nichts an, ich geh packen!", schrie Takeru wutentbrannt. Garem wich ein Stück zurück und ging aus dem Zimmer. Er war ziemlich verwirrt wegen seines Freundes, er hatte ihn noch nie so erlebt. Takeru war immer wie ein kleiner Bruder für ihn gewesen. Er hätte ihm immer alles sagen können, doch er spürte tief in seinem Inneren, dass Takeru eine Veränderung durchlebte. Gegen zehn Uhr trafen sich alle auf dem Vorplatz des Schlosses. Sie würden als erstes nach Vale fahren, zu Mia, einer Merkur-Adeptin mit heilenden Kräften, die ein Baby erwartete. Nur Folore verhielt sich normal, die anderen wirkten ziemlich angespannt. Sie hatten drei Kutschen, in der ersten saß die königliche Familie, in der zweiten die Mädchen und in der letzten Garem, Takeru und Desiderius. Sie fuhren los. Eine lange Reise begann für die sieben Schicksalkinder. Eine Reise voller Abenteuer und schicksalhafter Begegnungen. Kapitel 4: Vakal ---------------- Vakal Es war ein langer Weg, den sie zurücklegen mussten um nach Vale zu kommen. Sie würden etwa drei Tage brauchen. "Avil, du bist also mit Gilbert verlobt?", fragte Daja neckisch. Avil nickte nur, da Liva sie sehr finster ansah. "Was ist mit deinen und seinen Eltern, sind sie einverstanden? Ich meine immerhin..." Liva unterbrach Daja: "Genau, was ist mit ihnen? Es muss ein Schock für sie sein!" Avil sah traurig zu Boden, innerlich wusste sie, dass ihre Liebe keine Zukunft hatte. Aber sie gab die Hoffnung nicht auf. Daja wusste, was Avil jetzt dachte: "Es tut mir Leid, Avil! Ich wollte dich nicht traurig machen!" Avil sah wieder auf und setzte ein gespieltes Lächeln auf: "Mach dir keine Vorwürfe. Ich bin doch an der Situation schuld." "Nein, das stimmt nicht! An dieser Situation bist du nicht allein Schuld, Schwester, sondern auch Gilbert. Aber sag mir, wie lange geht das schon mit euch zwei?" "Na ja, vor drei Jahren haben wir gespürt, dass uns mehr verbindet, als das Band zwischen Cousine und Cousin. Vor zwei Jahren haben wir uns das erste Mal geküsst. Und vor etwa drei Monaten haben wir...nun ihr wisst schon." Sie deutete mit einem Finger auf Folore, die das ganze Gespräch aufmerksam verfolgte. "Hey! Ihr müsst nicht so tun als wäre ich ein Kind. Ich bin schon zwölf! Übrigens wer ist Gilbert noch mal? Der Abenteurer oder der Schurke? Mein Prinzchen doch wohl nicht?", fragte Folore. "Deiner Meinung nach wäre es der Schurke! Aber er ist der Prinz und nicht Garem!", meinte Avil empört. "Was für eine Mischung! Ein Engel und ein Dämon! Vielleicht werden die Kinder von euch normale Menschen!" Als Folore dies zu Ende gesagt hatte, fing sie an zu lachen. Doch dieses sollte ihr schnell vergehen. Im nächsten Augenblick bekam sie von Liva eine Ohrfeige, denn Avil hatte angefangen zu weinen. Liva nahm sie in den Arm und begann zu singen. Es war ,Das Rad des Schicksals', ein Lied aus ihrer Kindheit, welches sie ihrer kleinen Schwester schön öfters vorgesungen hatte. Die Tage werden kürzer die Dunkelheit kommt Viele werden sterben die Dunkelheit kommt Ein Held wird geboren Er wird leuchten wie das Licht Er wird die Schatten verjagen Die goldene Zeit beginnt Die Tage werden kürzer die Dunkelheit kommt Viele werden sterben die Dunkelheit kommt Doch das goldene Zeitalter Ist nur ein Traum In Wahrheit gibt es noch Schatten Im Inneren der Welt Die Tage werden kürzer die Dunkelheit kommt Viele werden sterben die Dunkelheit kommt Die Menschheit soll hoffen Dass irgendwann die Schatten Vertrieben werden und Eine neue Zeit anbricht Die Tage werden kürzer die Dunkelheit kommt Viele werden sterben die Dunkelheit kommt Die Tage werden kürzer die Dunkelheit kommt Viele werden sterben die Dunkelheit kommt Ein Held wird geboren die Dunkelheit geht Die goldene Zeit beginnt die Dunkelheit geht Doch irgendwann wird sich Der Schatten neu erheben die Dunkelheit kommt Diese Tragödie wird sich wiederholen Wie ein Teil des Rades des Schicksals Daja erinnerte sich daraufhin an ihre Kindheit, als sie dreizehn war, war ihre Mutter umgebracht worden. Sie hätte eigentlich zu Verwandten nach Izumo ziehen sollen, aber ihr Vater war gekommen und hatte sie zu sich geholt. Sie hatten sich stets verstecken müssen, aber Daja liebte ihren Vater. Takeru wirkte sehr angespannt. Schon seit sie losfuhren, guckte er Desiderius finster an. Garem empfand das alles für äußerst merkwürdig. "Sag mal Takeru, was ist mit dir los?", fragte Garem. "Ich mag diesen Kerl nicht!" Er starrte den Berater mit bohrendem Blick an. Aber dieser schlief tief und fest, weshalb er nichts bemerkte. "Was ist jetzt mit dir und Daja?" "Wieso fragst du immer dasselbe, wenn ich mich mal mit einem Mädchen gut verstehe?" "Wie meinst du das mit ,immer'?" "Das hast du mich auch gefragt, als ich mich mit Oka gut verstanden habe." Garem und Takeru wurden ganz still, als der Name Oka fiel. Sie war Garems jüngste Schwester. Außerdem war Takeru gut mit ihr befreundet gewesen und hatte schon an die Liebe gedacht, aber vor drei Jahren war sie plötzlich verschwunden. Niemand hatte sie danach gesehen, oder ihre Leiche entdeckt. Alle hatten gedacht, dass sie tot sei, nur Garem nicht. Er glaubte an ihr Leben. Seit er von den Schicksalskindern gehört hatte, vermutete er, dass sie auch eins sei und dass sie wieder zu ihm zurückkehren würde. "Tut mir leid Garem!", entschuldigte Takeru sich. "Du bist nicht an ihrem Verschwinden Schuld." Es wurde wieder still. Es ertönte Musik von der Straße. Sie sahen jemanden mit kurzen, blauen Haaren, wahrscheinlich ein Merkur-Adept. Sie war nicht wie ein typisches Mädchen gekleidet, denn sie trug eine Hose. Aber ihr Körperbau war sehr feminin. Isaacs Kutsche hielt an. Alle stiegen aus und beschlossen eine kurze Rast einzulegen. "Würden Sie uns ein Stück vorspielen?", fragte Isaac die verdutzte Flötenspielerin. "Ja, natürlich werde ich Ihnen etwas vorspielen!", sagte sie. Nun hatten sie Zeit um zu reden. Sie machten ein Feuer. Takeru sah, dass Desiderius sich Daja schon wieder näherte. So machte er sich auf zu Daja, setzte sich neben sie und guckte den Berater böse an. "Und Daja, wie geht es dir?" Takeru versuchte so ein Gespräch anzufangen. "Ja, mir geht es gut. Warum fragst du?" "Ach, nicht so wichtig!", sagte Takeru nur nebenbei, weil er die ganze Zeit über den Berater beobachtete. Plötzlich bemerkte er, dass Daja zitterte. Ihr musste kalt sein, aber damit hatte er nicht Recht. Daja erinnerte sich an den Tod ihrer Mutter, er war schrecklich gewesen. Sie beide waren gefangen genommen worden. Daja hatte hart arbeiten müssen und ihre Mutter war weggebracht worden, nun verstand sie auch warum. Irgendwann war ein seltsamer Mann zu ihnen gekommen und hatte sie, Daja, mitnehmen wollen. Ihre Mutter war somit nutzlos geworden und war vor Dajas Augen gevierteilt worden. Daja zitterte bei dem Gedanken daran. Sie spürte, dass Takeru ihr eine Decke umlegte, sie guckte Takeru hoffnungsvoll an. Er war der erste Mann, dem sie vertraute, er war zärtlich, verständnisvoll und nett. Sie nahm seine Hand und streichelte sie. Takeru war ziemlich verwirrt. "Ich vertraue dir.", sagte sie. Diese Aussage war für ihn noch verwirrender. "Oh Mann, hier sieht man ja nur noch Verliebte! Wie das nervt!", sagte Garem sichtlich gelangweilt, "Dajavela, könntest du kurz gehen, ich möchte mich mit Takeru unterhalten." Daja nickte und verschwand in die Dunkelheit. "Was willst du Garem?" "Ich frage mich schon die ganze Zeit, was Tamiko wohl für eine Rolle spielt. Was denkst du?" "Nun ja, eigentlich habe ich gar nicht mehr an Tami gedacht." "Das ist ja mal wieder typisch, dass sich niemand anderes für Tamiko interessiert. Ich dachte du würdest an sie denken, aber sobald jemand kommt, der genauso aussieht... Ich habe das Gefühl, das wir uns immer weiter voneinander distanzieren." Garem ging beleidigt weg. Takeru hatte nicht mitbekommen, dass er seinem besten Freund nicht mehr so viel Beachtung schenkte. Er beschloss dies zu ändern. Daja ging auf Gilbert zu, weil sie eine Frage quälte: "Gilbert, wo sind die Elementar-Sterne in unserem Körper?" "Die Sterne sind in unserem Herzen, das heißt, dass wir sterben, wenn sie zersplittern und wir somit unsere psychische Schwäche zeigen." Für Daja war die Antwort ein Schock. Sie hatte nicht gedacht, dass das Scheitern ihrer Mission für sie tödlich enden könnte. Avil und Liva saßen dicht aneinander gekuschelt vor der Flötenspielerin. "Findest du nicht auch, dass sie wunderbar spielt?", fragte Liva Avil. Diese nickte. "Wie ist dein Name?" Dieses Mal wendete sich ihre Frage an die Flötenspielerin. "Mein Name ist Adreanna, ich bin aus Imil und Merkur-Adeptin!" "Mmh, ich weiß nicht, ob das zu weit geht, aber du hast nicht zufällig ein ,C' auf deinem Oberschenkel?" Adreanna guckte ungläubig, sie dachte es sollte ein Scherz sein. Doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, sie hatte ein ,C' auf ihrem Oberschenkel. "Ja, habe ich! Wieso fragst du?" "Hab ich mir gedacht!", schrie Liva laut aus sich heraus, währenddessen bemerkte sie, dass Avil neben ihr eingeschlafen war. Sie legte ihr eine Decke um und Adreanna spielte ein beruhigendes Lied. "Nun, Adreanna, es ist eine lange Geschichte. Du kennst bestimmt die Legende von der Entzündung der Leuchttürme, allerdings wurden nicht alle entzündet, sondern nur die Hälfte. Nun wurden die acht Elementar-Sterne in menschliche Körper verbannt, um sie irgendwie wieder stark werden zu lassen. Diese Menschen sind die Schicksalskinder und sind gekennzeichnet durch ein grünes ,C' auf dem linken Oberschenkel. Wie müssen die Welt retten!" "Welt retten? Das heißt, dass ich mit euch kommen muss? Wieso nicht? Ich habe ja sonst nichts zu tun!", Adreanna lächelte glücklich. Garem, Takeru und Gilbert saßen am Feuer. "Takeru, erzähl mir etwas von Izumo. Garem kann mir auch etwas erzählen, wenn er mag." "Izumo ist eine wunderbare Stadt, sie erblüht dank meines Vaters. Er ist Händler!" Garem erzählte eine ganze Weile, Takeru hörte ihm nicht zu, sein Interesse galt nur der Reise und vielleicht auch Daja. "Gilbert, was ist mit dir und Avil? Glaubst du wirklich, dass dein Kind ein Sohn wird?", fragte Garem neugierig. "Ich weiß nicht, ob es jemals etwas mit uns wird. Aber gewiss weiß ich, dass ich einen Sohn bekomme." Gilbert guckte traurig, sprach aber dennoch weiter: "Takeru, du solltest dich um Daja kümmern. Sie durchlebt eine schwere Zeit. Und du Garem, verzweifle nicht, du wirst Tamiko früher wieder sehen als du denkst." "Gilbert, kennst du unsere Zukunft?", fragte Garem. Gilbert nickte. Alle waren müde, aber dennoch sollten sie weiterreisen. Sie setzten sich wieder in ihre Kutschen. Adreanna setzte sich mit zu den Mädchen. In den Kutschen schliefen alle, nur die Kutscher und Takeru, der Desiderius nicht aus den Augen lassen wollte, waren wach. Der nächste Morgen brach an und man konnte schon aus der Ferne einen Turm sehen. Es war Mias Turm, der Turm von der Heilerin von Vale. Nach einer Weile sagte der Kutscher zu Isaac: "Mylord, wir haben soeben das Stadttor von Vale durchquert." Jenna war ziemlich aus dem Häuschen, ihre beste Freundin Mia wieder zu sehen. Sie stiegen aus und Isaac wurde schon im nächsten Augenblick von einem breit gebauten Mann begrüßt, es war der Bürgermeister, Garet. "Schön dich wieder zu sehen, alter Freund!" Seine roten Haare standen wie immer zu Berge und sein Lächeln war dasselbe wie in Kindertagen. "Nun kommt mit!" Erst jetzt bemerkte Garet, das sie mit drei Kutschen reisten. "Reist ihr alle allein, oder was?" "Nein Garet, wir haben Begleitung!", sagte Isaac. Nacheinander stiegen alle aus. Garet guckte sehr verwundert, da er nicht so viele Besucher erwartet hatte. Es begannen sich alle vorzustellen. "Ich bin Takeru aus Izumo!" "Ich, der Garem, komme auch aus Izumo." "Folore aus dem Lama-Tempel, habe schon eine Menge über dich erfahren, siehst aus wie'n Holzfäller!" Bei Lama-Tempel dachte Garet an Ivan. Er hatte seit drei Jahren nichts mehr von ihm gehört. "Ich heiße Adreanna, ich bin die Flötenspielerin des Nordens." Garet hatte von ihr gehört, von der Truppe, die sich ,Die Stimmen der Himmelsrichtung' nannte. "Ich bin Daja, Tochter von Alex!" "Alex?", fragte Isaac ungläubig. "Ja Alex! Kennt Ihr meinen Vater?" "Ja, wo ist er? Wo ist er?" Isaac drängte Daja dazu ihm zu antworten. "Ich weiß es nicht. Ich bin vor achtzehn Tagen von ihm getrennt worden." "So ein..." Isaac wagte es nicht auszusprechen. Er wusste jetzt, dass Alex noch lebte. Er hegte einen solchen Groll gegen ihn, weil er seinen Vater entführt hatte. Und er war verantwortlich dafür, dass er gegen seinen besten Freund gekämpft hatte. Garet spürte Isaacs Zorn und sagte schließlich: "Wollen wir nicht zu Mia gehen?" Und so machten sie sich auf zu Mia. An der Eingangstür zum Haus trafen sie Gabriel, Isaacs jüngeren Bruder. Nachdem Kyle und Dora wieder zusammen gekommen waren, war er geboren worden. "Hallo Isaac, lang ist's her! Jenna und mein kleiner Neffe sind auch dabei!" Gabriel machte sich immer über Gilbert lustig. Gabriel war nur zwei Jahre früher geboren worden und außerdem war Gilbert größer als er selbst. "Nun, ihr seid leider zu spät. Mutter und Kind sind tot!" Er lachte los. Isaac und Jenna hatten kein Verständnis dafür, für sie war dies eine grauenvolle Nachricht. "Isaac, hör nicht auf diesen Bengel, er redet Unsinn, Mia und meinem Sohn geht es gut!" "Du hast einen Sohn Garet?", fragte Jenna, die den Tränen nahe war. "Nicht nur einen Sohn, auch eine Tochter!" Garet machte die Tür zu ihrem Haus auf und führte sie in Mias Zimmer. Sie lag im Bett und hatte zwei Kinder in den Armen. Garet ging zum Bett und küsste Mia sanft auf die Stirn. Er zeigte auf das rechte Baby: "Das ist Vakaya." Danach zeigte er auf das andere: "Sein Name ist Vakal!" Kapitel 5: Eine schicksalhafte Reise ------------------------------------ Eine schicksalhafte Reise Alle Schicksalskinder saßen auf der Wiese vor Mias Turm. Der Turm war fünfundzwanzig Meter hoch, hatte einen Durchmesser von sieben Metern und die Außenfassade glänzte blau. Es war ein herrlicher Tag und alle Schicksalskinder waren in bester Stimmung. "Wir sollten entscheiden, wo wir als nächstes hingehen.", sagte Takeru ernst. "Wie wäre es wenn wir zuerst zum Jupiter-Leuchtturm gehen würden? Immerhin haben wir zwei Jupiter-Adepten.", erwiderte Liva. Gilbert fing an zu zittern, seine Augen wurden glasig. "Ich finde wir sollten zurück nach Tolbi fahren und zum Venus-Leuchtturm gehen. Schließlich haben wir auch zwei Venus-Adepten!", sagte Gilbert trotz seines Zitterns bestimmt. "Aber der Seeweg ist von Vale aus leichter zu erreichen. Die Route von Vale nach Contigo hätte durchaus ihre Vorteile. Die westliche See ist frühlingsstill und es sollte kein Problem sein mit einem ordentlichen Schiff dorthin zu kommen.", erwiderte Garem fachmännisch. "Ich stimme Prinz Garem zu! Wir sollten zum... wohin auch immer gehen!" Folore hatte die Unterhaltung nur beiläufig mitbekommen. Sie stand auf, ging zu Garem und machte sich daran seine Haare zu flechten. Alle starrten ihn und Folore an, so dass er ganz nervös wurde. "Ich habe eine Idee. Lasst uns abstimmen.", schlug Adreanna vor. Sie fragte, wer für den Jupiter-Leuchtturm war. Es hoben alle außer Avil, Liva und Gilbert die Hand. So war es beschlossen, dass sie sich auf den Weg nach Contigo machen würden. Am nächsten Morgen brachen sie auf, sie versammelten sich am Stadttor. "Pass ja auf dich auf, mein Schatz!", sagte Jenna zu Gilbert, als sie ihn umarmte. "Vergiss dein Versprechen nicht!", fügte Isaac hinzu, der sich aber nicht weiter um seinen Sohn kümmerte. Nun waren sie bereit auf eine Reise zu gehen, deren Abschluss ihnen, mit Ausnahme von Gilbert, nicht bekannt war. Ihre Gruppe bestand aus: Takeru, Anführer von Izumo, Garem, einem galanten Mann, Avil und Liva, den Töchter des ersten Ministers, Prinz Gilbert von Tolbi, Daja, Tochter von Alex, Folore aus dem Lama-Tempel und Adreanna, der Flötenspielerin des Nordens. "Bruder, du wirst doch nicht diesen Bengel alleine ziehen lassen?", fragte Gabriel, der aus der Menge auf sie zukam. Er hatte seine Reisesachen gepackt, um mitreisen zu können, und erwartete keinen Widerspruch. Isaac antwortete darauf: "Du hast Recht, begleite sie auf ihrer Reise." Und so geschah es, dass sie sich zu neunt auf den Weg zum Hafen von Vale machten. Sie fuhren nicht mit Kutschen, da der Weg durch viele Wälder führte. "Wieso kommst du mit? Ich brauche keinen Aufpasser, Gabriel!" "Ach was, Gilbert, du bist noch so jung und kannst doch gar nicht auf dich Acht geben." Gilbert hatte es allmählich satt von allen ständig beobachtet zu werden, erst von seinem Vater, dann von seinem Onkel und später von seinem Volk. Wahrscheinlich hatte sein Vater Gabriel alles erzählt, deshalb sollte er möglicherweise mitkommen. Hätte Ivan doch seinen Vater nicht die Wahrheit über Avil und ihn erzählt. Avil und Liva gingen abseits der anderen. Liva verlor Avils Bauch nicht aus den Augen. Sie konnte nicht glauben, dass ihre eigene Schwester schwanger war und sie somit Tante wurde. Ob Avil und Gilbert wirklich heiraten würden? Es war so viel geschehen seit ihrer Kindheit. Sie hatten immer im Schlosshof gespielt, sie waren glücklich gewesen und ihr Leben war unbeschwert verlaufen. Doch als Gilbert sechs geworden war, hatte sich alles geändert. Gilbert hatte gelernt seinen Verpflichtungen als König nachzugehen, Avil und sie selbst hatten lernen müssen, wie man sich als Dame am Hofe benahm. Sie trauerte ihrer Kindheit nach, alles war so schön gewesen. Wieso musste sich so vieles ändern? War es Schicksal? "Garem, es tut mir Leid, ich habe alles um mich herum vergessen, als ich Daja begegnete, auch deine Gefühle. Ich kann verstehen, dass du traurig bist, aber denkst du nicht, dass du Gilbert ein bisschen mehr vertrauen kannst, wegen Tamiko meine ich?" "Vielleicht hast du Recht, aber ich habe so ein Gefühl, dass etwas Schlimmes auf unserer Reise passieren wird!" Gilbert riss sich von Gabriel los und ging zu Garem, der dicht gefolgt von Folore begleitet wurde, und Takeru. Er wollte allem möglichst schnell entfliehen doch er wusste, dass er das Ziel nicht erreichen würde. "Da magst du Recht haben, Garem. Ich sehe auch Schlimmes voraus, aber auch Glück und neues Leben.", mischte sich Gilbert ein. "Weiche von ihm, Dämon!", zischte Folore, als Gilbert Garem ansprach. Gilbert erschrak und wich noch weiter nach hinten. "Das war sehr unhöflich von dir, Folore! Was würdest du sagen, wenn zu dir jemand ,Dämon' sagen würde?", fragte Garem. "Ich musste es sagen, er sieht zum Fürchten aus, das kann kein anständiger Mann sein!" Garem reagierte nicht weiter auf Folore, sondern sprach weiter mit Takeru: "Was ist jetzt eigentlich mit dir und Dajavela? Ich bemerke doch, dass etwas gelaufen ist. Du guckst sie immerzu an!" Takeru kratzte sich verlegen am Kopf: "Nun ja, vor dir kann ich es nicht geheim halten. Ich habe mit ihr geschlafen." Takeru war peinlich berührt über so etwas zu sprechen. Folore hatte genau aufgepasst und wollte diese Erkenntnis zu ihrem Vorteil nutzen. Sie hatte keine schlechte Meinung von Takeru und wollte ihm nicht schaden, sie wollte ihn lediglich aufziehen. "Adreanna, darf ich etwas fragen?", fragte Daja, die neben Adreanna herlief. "Natürlich!", antwortete diese. "Wie ist Imil? Mein Vater Alex ist von dort, ich würde gerne mehr über den Ort erfahren!" "Imil ist ein kleines Dorf, welches am Fuße des Merkur-Leuchtturmes liegt. Meistens liegt Schnee und es ist ziemlich kalt. Manchmal spürt man ein kleines Beben der Erde, was bedeutet, dass auch Imil sich den Gaia-Fällen nähert. Ansonsten gibt es nichts Weiteres darüber zu sagen. Es ist ein Dorf wie jedes andere. Keine Außergewöhnlichkeiten, seitdem Mia und Alex fort sind. Sie waren die Helden unseres Dorfes! Sie sind losgezogen, um die Leuchttürme wieder zu entzünden und die Welt zu retten!" Was Adreanna nicht wusste war, dass die Bewohner von Imil nicht die Wahrheit sagten. Mia zog los, um Felix davon abzuhalten, die Leuchttürme zu entfachen und Alex hatte nur seine Machtvergrößerung im Sinn, er hatte kein Interesse an der Welt. Sein einziges Ziel war der Stein der Weisen. "Danke, dass du mir das erzählt hast!", sagte Daja. Spät am Abend kamen sie zum Hafen von Vale. Sie sahen ein großes, prachtvolles Schiff im Hafen liegen, welches wohl seit einigen Jahren nicht mehr in Betrieb war. Sie suchten das Gasthaus auf, wo sie drei Zimmer nahmen. Eines teilten sich Takeru, Garem und Gabriel, das andere Adreanna, Daja und Folore, das letzte Gilbert, Avil und Liva. Es war nicht ungewöhnlich, dass die drei in einem Raum schliefen, denn dies hatten sie schon seit ihrer frühen Kindheit getan. Avil und Liva hatten ziemliche Angst vor Gewittern, deshalb waren sie schon immer über Nacht bei ihm geblieben. "Puh! Bin ich fertig! So lange bin ich noch nie unterwegs gewesen.", sagte Liva, als sie erschöpft auf ihr Bett sank. "Du hast Recht, ich glaube wir sind zu bequem geworden. Ich fühle mich richtig schlapp!", erwiderte Avil darauf. "Ihr beide könnt euch ausruhen, ich gehe mit Takeru und Garem etwas trinken. Wenn irgendetwas passiert, sagt Bescheid!" "Was sollte denn passieren?", fragte Liva spöttisch, dann schoss es ihr durch den Kopf. "Wird etwas passieren?" Gilbert schüttelte den Kopf und sagte: "Nein! Seid beruhigt." Er ging mit diesen Worten durch die Tür. Nun waren Avil und Liva allein. Avil ging zum Bett ihrer Schwester und setzte sich neben sie. "Tut mir Leid, dass ich dir nichts von Gilbert und mir erzählt habe. Ich dachte du würdest es Vater und Mutter sagen, ich hatte Angst!" "Ich hätte es ihnen gesagt, aber ich hätte dabei natürlich auf deine Gefühle geachtet und sie respektiert. Avil, vertraue mir ein bisschen mehr. Ich liebe dich doch. Ich würde dir nie Schaden zufügen." "Ich weiß, Liva. Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann. Es ist nur so, Gilbert und ich wollten es so lange wie möglich geheim halten, damit uns niemand trennen kann." Avil guckte glücklich auf ihren Verlobungsring. "Er wird dich glücklich machen, nicht wahr?" "Ja, dass wird er ganz bestimmt. Niemand kann uns trennen, nicht einmal unsere Eltern. Wir sind für einander bestimmt." Avil sah nun nicht mehr so glücklich aus. Auch Liva, die ihren Arm sanft um Avils Schultern legte wurde traurig. Sie wusste, wenn die beiden heiraten würden, wäre nichts mehr so wie es einmal gewesen war. Im unteren Teil des Gasthauses ging es anders zu, laute Musik und viel Rederei erfüllten den Raum. Gilbert kam an, als sich Takeru und Garem gerade hinsetzten. Zu seiner Enttäuschung saß Gabriel auch bei ihnen. "Gabriel, wieso bist du hier?" "Na ja, ich kann doch nicht meinen kleinen, süßen Gilbert alleine lassen!" "Lass mich doch in Ruhe!" Er setzte sich hin, ohne Gabriel weiter zu beachten. "Der Wein hier ist ausgesprochen gut, so guten kenne ich nur von dem Apojii-Archipel.", sagte Garem, der sich wegen seines Vaters so gut auskannte, er war Händler und ein Teil seiner Ware kam nach Izumo. Garem holte sich immer gleich acht Flaschen von dem Apojii-Wein. "Du hast Recht, Garem!", stimmte Takeru ihm zu. Plötzlich wurden sie in ihrem Gespräch unterbrochen, am Nebentisch sprach ein bärtiger Mann. "Ich habe gehört, dass sich in der westlichen See Piraten aus Champa herumtreiben. Sie plündern, brandschatzen und versenken Schiffe! Ihr Kapitän ist der gefürchtete Feuerhaar!" "Wer ist dieser Feuerhaar?", fragten seine Matrosen. "Er ist ein Mann von unglaublicher Stärke, seine Hände sind so scharf wie die Klauen eines Wolfes, seine Zähne sind lang und spitz, wie die eines Vampirs, seine Größe ist extrem! Schwingen sprießen aus seinem Rücken. Er ist ein Monstrum!" Seine Matrosen guckten verschreckt. "Kapitän, Sie wollen wirklich noch auf der westlichen See herumsegeln?" "Natürlich, ich werde dieses Monster erlegen!" "Das ist doch totaler Quatsch!", sagte Adreanna, die zu ihnen kam. Sie setzte sich zwischen Gabriel und Gilbert. "Ich glaube wir wurden noch nicht miteinander bekannt gemacht.", bemerkte Gabriel. Er legte seine Hand auf ihren Oberschenkel. Dies gefiel Adreanna überhaupt nicht, sie nahm die Hand angewidert hoch und schlug diese. Nun setzte sie sich rüber zu Takeru und Garem. "Ich bin Adreanna, das müsste dir reichen.", sagte sie kalt. "Wieso so kaltherzig? Ich bin Gabriel, Onkel von Gilbert." "Da ist Gilbert besser als du!" "Na, na. Du wirst deine Meinung über mich ändern, wenn ich dich erstmal rum..." Er konnte nicht zu Ende sprechen, denn Adreanna verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Dann stand sie auf, schmiss seinen Krug um, so dass sein Bier über ihn floss und ging wieder auf ihr Zimmer. "Was sollte das? Ich dachte du liebst Nabiva!", sagte Gilbert. "Ich liebe alle Frauen, nicht nur Nabiva!" "Aber sie liebt dich bestimmt über alles! Und sie wartet sehnsüchtig auf deine Rückkehr, am besten ist es, wenn du sofort zurückgehst!" "Meinst du wirklich das wäre am besten? Wo ich doch ein grünes ,C' trage?" "Was? Du bist auch ein Schicksalskind?", fragte Garem neugierig. Auch Takeru hob den Kopf. "Ganz richtig, ich bin eines! Also, seid ja nett zu mir, sonst haue ich wieder ab! Und das wollt ihr doch nicht, oder?" "Ich will es mit eigenen Augen sehen!", verlangte Gilbert. "Weißt du es nicht schon? Ich meine du als großer Wahrsager." Gilbert erwiderte nichts, denn er wusste, dass sein Onkel Recht hatte. "Glaubt ihr wir können uns vor Feuerhaar schützen?", fragte Garem. "Ja, wenn wir zusammenhalten sind wir stark genug, wir werden uns gegenseitig beschützen!", meinte Takeru. Sie tranken alle noch einen Krug und wollten danach schlafen gehen. Doch Daja kam herunter und wollte mit Takeru einen Spaziergang machen. Er stimmte zu und so gingen sie zusammen nach draußen. "Endlich frische Luft, im Gasthaus war es so stickig!", sagte Takeru. "Mhm, Takeru, was war los vorhin? Adreanna war so aufgewühlt!" "Gabriel, nun, hat sich um sie bemüht, aber Adre wollte dies nicht." Takeru fand für fast alle Menschen Spitznamen. "Ich denke sie ist nicht der Typ für eine feste Bindung!", fügte Takeru hinzu. "Und, bist du der Typ für eine feste Bindung?" "Nun, weiß nicht. Irgendwann muss ich heiraten, möchte allerdings noch frei sein!" "Würdest du mich heiraten, wenn ich wie Avil schwanger wäre?" "Ja, auf jeden Fall! ... Moment mal, du bist doch nicht etwa schwanger?" "Nein, keine Panik, ich kann dir ganz genau sagen, dass ich nicht schwanger bin." "Da bin ich beruhigt." "Möchtest du etwa keine Kinder von mir?" "So war das nicht gemeint, Daja." "Ich weiß. Takeru, guck mal dort, die Sterne auf dem Meer, sie erinnern mich an einen Ort, von dem ich geträumt habe." Sie nahm seine Hand und beide sahen auf die Wasserspiegelung. Gabriel machte sich auf den Weg zu dem Zimmer der Mädchen. Er erreichte dieses und klopfte an die Tür. "Adreanna, bist du noch wach? Ich würde mich gerne bei dir entschuldigen!" Es regte sich nichts. Nach ein paar Minuten wollte Gabriel wieder gehen, als sich plötzlich die Tür öffnete und die völlig verschlafene Adreanna heraus trat. "Was willst du?", fragte sie müde, währenddessen rieb sie sich die Augen. Sie hatte neben ihrem Nachtgewand nur noch einen durchsichtigen Mantel an. "Ich wollte mich entschuldigen. Tut mir wirklich sehr Leid, ich wollte dich nicht unsittlich berühren." Er setzte seinen Hundeblick auf, mit dem er schon immer alles bekommen hatte. "Schön, ich verzeihe dir und hoffe, dass die heutige Aktion eine Ausnahme war." "Natürlich!" Adreanna wollte gerade zurück in ihr Zimmer gehen, als Gabriel sie am Arm packte. Er zog sie an sich heran und drückte sie an die Wand. Erst jetzt bemerkte Adreanna, wie stark Gabriel war, denn sie konnte sich nicht einmal ansatzweise aus seinem Griff befreien. "Gabriel! Was machst du? Ich will hier weg! Ich bin müde!" Adreanna versuchte ihn abzulenken, aber es half nichts. Sein Gesicht kam immer näher an ihres, sie hatte Angst, sie machte die Augen zu und hoffte, dass dies nur ein Alptraum war. Doch sie wurde eines besseren belehrt, als seine Lippen die ihren berührten. Ruckartig öffnete sie die Augen. Sie hob ihr Bein und wollte ihm in den Bauch treten, aber seine Reflexe waren zu gut. Er wandte sich von ihr ab und sagte: "Ich hoffe du weißt jetzt, dass ich alles bekommen kann, was ich will. Du wirst dich auch irgendwann an mich gewöhnen." Gabriel verließ den Ort des Geschehens. Adreanna stand unter Schock. Sie hatte keine Chance gegen ihn. Nun hatte sie richtige Angst, denn er könnte sie immer noch in der Nacht überfallen. "Adreanna, geht es dir gut?" Liva riss sie aus ihrer Erstarrung. Sie wollte nicht, dass irgendjemand etwas erfuhr. "Ja, Liva. Es geht schon. Was machst du hier?" "Ich wollte nach unten, möchtest du mitkommen?" "Ja, gerne!" Sie gingen die Treppe hinunter und setzten sich an einen der Tische. Adreanna fiel sehr schnell auf, dass die Männer sie anstarrten. Dann realisierte sie, dass sie nur ihre Nachtgewänder anhatte. "Ich gehe mir etwas anderes anziehen!" "Verstehe, ich warte hier auf dich." Adreanna verschwand nach oben und kam nach zehn Minuten wieder nach unten. Sie sah, dass sich zu Liva jemand mit einer großen Kapuze gesetzt hatte. "Liva, wer ist das?" "Seinen richtigen Namen kenne ich nicht, aber er sagte, ich solle ihn Senor E nennen." Sie wandte sich an Señor E. "Das ist Adreanna, sie ist eine gute und wichtige Freundin." Er stand auf und reichte Adreanna die Hand zur Begrüßung. "Schön Sie kennen zu lernen.", sagte er. "Was machen Sie hier im Hafen, wollen Sie auch morgen lossegeln? Wir schon, unser Schiff liegt draußen, es ist dieses prachtvolle mit den Flügeln.", sagte Liva. "Aber, das kann doch gar nicht euer Schiff sein, es gehörte einmal jemanden namens Felix, oder täusche ich mich?", fragte Señor E. "Nein, Sie täuschen sich nicht, es gehört meinem Vater, ein Geschenk von Aaron aus Lemuria." "Ihr Vater war Felix!" Señor E sprang auf, er wollte so schnell wie möglich fliehen. Doch Liva griff nach seinem Mantel: "Was ist los, habe ich etwas Falsches gesagt?" Er versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien und so geschah es, dass seine Kapuze auf seine Schultern fiel. Alle schauten auf den rothaarigen Mann. Der bärtige Kapitän sagte zu seiner Mannschaft: "Das ist er, das ist Feuerhaar!" Er nahm sein Schwert zur Hand und stürmte auf ihn zu, Feuerhaar konnte noch gerade so ausweichen, aber das Schwert fand ein anderes Ziel, es streifte Livas Arm. Liva sank zu Boden und drückte die Hand gegen die offene Wunde. Feuerhaar bückte sich: "Tut mir Leid, ich muss fort. Aber dich werde ich niemals vergessen." Er holte einen an einer Kette hängenden Kristall heraus, legte diese um Livas Hals und küsste sie auf die Stirn, bevor er verschwand. Adreanna kam gleich zu ihr. "Das ist nicht so schlimm, aber bewege dich nicht, ich werde dir helfen." Es war allgemein bekannt, dass Merkur-Adepten heilende Kräfte besaßen. Sie nahm Livas Hand von der Wunde und presste ihre eigenen Hände auf diese. "Heilige Kräfte des Wassers, erhört mich! Helft meine Freundin in der Not! Erhöret mich!" Die Wunde fing an sich zu schließen. Kleinere Wunden waren nicht das Problem, aber lebensbedrohliche konnte selbst ein erfahrener Wasser-Adept nicht heilen. "Danke!", sagte Liva und fiel Adreanna um den Hals. Avil und Gilbert saßen auf einem Bett. "Wie lange glaubst du wird Gabriel bei uns bleiben?", fragte Avil. "Ich denke für immer, er ist nämlich ein Schicksalskind! Aber lass uns nicht über ihn reden, er ist für uns nicht wichtig." "Meinst du er wird nicht versuchen uns auseinander zu reißen?" "Avil, hörst du mir nicht zu? Ich will nicht über ihn reden!" Gilbert stand wütend auf und ging zum Fenster. Er sah, dass Takeru und Daja am Wasser saßen. "Gilbert, sei nicht sauer, es ist nur so, dass ich wahnsinnige Angst habe! Angst davor, dass wir getrennt werden und du eine andere heiraten wirst." "Sei nicht albern, ich würde niemals eine andere Frau als dich lieben und heiraten! Ich lasse nicht zu, dass uns jemand trennt. Eher sterbe ich!" "Wären wir doch nur nicht verwandt!" Sie stand ebenfalls auf und ging zu Gilbert. Ihre Hände legten sich auf seine Schultern. Er drehte sich um und küsste sie. "Wieso wolltest du nicht, dass wir zum Jupiter-Leuchtturm fahren?", fragte Avil neugierig. "Ach, eigentlich war es mir egal, aber wir hatten auch die andere Option, die bestimmt genauso gut gewesen wäre." Avil traute dem nicht ganz, er würde so etwas nie ohne eine Absicht machen. Irgendetwas würde am Jupiter-Leuchtturm geschehen, aber Avil wusste nicht was. "Avil, wollen wir nicht auch zum Meer gehen?", fragte Gilbert um vom Thema abzulenken. "Ja, wieso nicht?" Er nahm ihre Hand und zog sie hinter sich her. "Gilbert, nicht so schnell!" Doch er hörte nicht auf sie, er raste die Treppe hinunter, beinahe hätte er Adreanna umgeworfen, die gerade die Treppe herauf kam. "Gilbert, pass auf!" Er zog sie weiterhin quer durch die Schänke. Aus den Augenwinkeln sah Avil, dass sich jemand zu Liva setzte. Nun waren sie draußen. Gilbert wirbelte herum, hob Avil in seine Arme und lachte dabei. "Ich liebe dich, Avil!" Er setzte sie wieder auf den Boden und streichelte sie über ihre Wange. "Ich weiß, Gilbert. Ich liebe dich auch!" Gerade als sie sich küssen wollten hörten sie ein seltsames Geräusch aus dem Gasthaus. Im nächsten Moment sahen sie, wie ein mysteriöser Mann aus diesem stürmte. "Gilbert, hast du das auch gehört?", fragte Takeru, der mit Daja zu ihnen kam. Gilbert nickte. "Avil, was hast du?" Daja sah als Erste, dass Avil auf dem Boden lag und sich völlig grundlos den Arm festhielt. Avil antwortete ihr: "Es ist nichts, aber was ist mit Liva? Ihr muss etwas passiert sein!" Sie deutete auf das Wirtshaus. Takeru und Gilbert rannten los, doch Daja blieb bei Avil. Takeru machte die Tür auf, aber Gilbert schrie: "Liva, was ist passiert?" Liva stand mit Adreanna in Mitten der Schänke. "Ihr kennt Feuerfuß?", fragte einer der Matrosen. "Der heißt nicht Feuerfuß, sondern Feuerzahn!", sagte ein anderer. Ein dritter meinte: "Nein, er heißt Langfinger!" Das ganze brach in eine heftige Diskussion aus. Avil und Daja kamen herein. Die sechs entschlossen sich nach oben schlafen zu gehen. Es wurde trotz allem eine angenehme Nacht. Am nächsten Morgen wollten sie früh aufbrechen. Die Schicksalskinder packten alle ihre sieben Sachen und wollten losfahren, als sie eine Überraschung erlebten. Sie sahen ein allzu vertrautes Gesicht, es war Isaac. "Bruder, was willst du hier?" "Meine Frau wollte, dass ich noch einmal mit meinem Sohn rede." Isaac packte seinen Sohn am Arm und zog ihn von den anderen weg. "Vater...", versuchte Gilbert anzufangen. "Hör mir zu! Ich bin nicht damit einverstanden, dass du Avil heiratest! Aber ich weiß, dass du sie liebst und sie trotzdem heiraten willst. Ich denke, ich würde dasselbe tun, wenn ich meine Cousine lieben würde. Also stelle ich nur eine Bedingung! Wenn Avil nun einen Sohn bekommt, kannst du sie heiraten! Und nimm diesen Ring mit!" Er zog einen Ring von seinem linken Finger ab, es war der Ring der Königsfamilie aus Tolbi. "Vater...", auch ein erneuter Versuch scheiterte. "Gilbert, denk an das Versprechen!" Isaac gab Gilbert zum Abschied die Hand. Was Isaac nicht wusste war, dass er Gilbert zum letzten Mal sehen sollte. Gilbert war glücklich über die Worte seines Vaters, er war sich sicher, dass dies ein Wink des Himmels war. Adreanna kam aus dem Wirtshaus. Sie sah Gabriel drüben am Schiff stehen und ihr ganzer Körper zuckte zusammen. Gabriel sah, wie Adreanna versuchte sich unauffällig aus dem Staub zu machen. Aber dies konnte sie nicht, denn Gabriel rannte schnell zu ihr herüber und blockierte die Tür zum Gasthaus. "Bin ich dir etwa unangenehm?", fragte Gabriel. Adreanna ging nun in die andere Richtung, wurde allerdings von Gabriel festgehalten. Er umschlang ihren Bauch mit beiden Armen, dabei streichelte er ihre linke Hüfte mit seiner rechten Hand. Sein Mund war dicht neben ihrem Ohr und flüsterte: "Wir können gerne dort weitermachen, wo wir gestern aufgehört haben." Sie war wie eingefroren, konnte sich weder rühren, noch etwas sagen. "Gabriel, kannst du mir verraten, was du da schon wieder tust?" Es war Isaac, der sich von seinem Bruder verabschieden wollte. "Tue ich denn etwas Verbotenes?" Er ließ Adreanna frei und umarmte seinen Bruder. Im nächsten Augenblick verließ Garem das Wirtshaus, wie immer dicht gefolgt von Folore. "Folore, könntest du dich nicht mit jemand anderem beschäftigen? Immer rückst du mir auf die Pelle!" "Aber du bist viel hübscher als diese anderen doofen Leute! Warum geben wir uns nur mit denen ab?" "Erstens: Wir sind nicht von ,doofen Leuten' umgeben. Zweitens: Sie sind meine Freunde. Und drittens: Wenn du so weiter machst, wirst du bestimmt bald keine Freunde mehr haben!" "Aber du bist doch bei mir, die doofen Menschen sind mir egal!" "Tolle Einstellung! Ich werde dich bald auch nicht mehr erdulden, wenn du dich nicht änderst. Und solche Aktionen wie heute Nacht kannst du dir auch sparen!" Folore hatte die heutige Nacht bei Garem im Bett verbracht, heute Morgen hatte sich Garem zu Tode erschrocken. Er hatte gar kein Interesse an Folore. Sie war halb so alt wie er selber und war eher wie eine kleine Schwester für ihn, außerdem hatte er doch Tamiko. Die eine, die er nie vergessen würde. "Ich mag dich halt und will jede Minute meines Lebens mit dir verbringen!" "Aber ich bin verlobt! Und wenn meine Verlobte hier wäre, dann würde ich mich nur noch um sie kümmern!" "Nur noch um sie! Das glaub' ich weniger! Du würdest auch alle anderen aus deinem Leben mit einbeziehen. So kaltherzig kann jemand, der so schön ist, gar nicht sein!" Garem wandte sich schnellen Schrittes von Folore ab. Wie konnte sie die Leute nur nach ihrem äußeren Erscheinungsbild beurteilen und nicht nach ihren inneren Werten? Solche Menschen konnte Garem überhaupt nicht leiden. Als er dachte, er wäre allein, seufzte er: "Hach, Tamiko! Ich wünschte du wärest hier!" "Du wirst sie schon bald wieder sehen!" Garem blickte sich um und bemerkte, dass Liva und Avil auf einem Stein saßen. Beide waren eigentlich in ihre eigenen Gedanken versunken. Liva spielte mit ihrer neuen Kette herum, die sie von Feuerhaar bekommen hatte und Avil starrte auf ihren Verlobungsring. "Kann ich mich setzen?", fragte Garem höflich. "Natürlich!", kam es wie aus einem Munde. Nun begann auch Garem in Gedanken zu versinken, er nahm sein Familienmedaillon in die Hand. Seine Gedanken waren ganz nahe bei seiner Familie, dann fiel ihm Oka wieder ein. Sie hatte nur zum Mikage-Berg gehen wollen, um Blumen für Okinos Hochzeit zu pflücken, aber sie war nicht mehr zurückgekommen. Er hatte das Gefühl, dass all die Menschen, die ihm am meisten bedeuteten, verschwanden. Erst Oka, dann Tamiko. Wer würde als nächstes dran sein? "Garem, Avil und Liva, wir wollen los! Kommt ihr?", fragte Takeru ironisch. Er wusste ja, dass sie mitkommen mussten. Kapitel 6: Eine lange Seereise ------------------------------ Eine lange Seereise In Aarons Schiff waren dreizehn Zimmer frei. Alle nahmen eines für sich, außer Avil und Liva, die eins zusammen nahmen. Alle wussten, dass man das Schiff mit Psynergie steuern konnte, das bedeutete wenn sich Personen mit Psynergie-Fähigkeiten an Bord befanden, fuhr das Schiff. "Liva, hast du zufällig meinen Kamm gesehen?", fragte ihre Zwillingsschwester. "Nein, habe ich nicht. Vielleicht ist er bei Gilbert?", entgegnete Liva. Avil zuckte mit den Schultern, sie verließ den Raum um zu Gilbert zu gehen. Liva, die mit auspacken fertig war, nahm wieder die Kette von Feuerhaar zur Hand. Sie hatte noch nicht mal sein Gesicht gesehen, aber sie schwärmte trotzdem für ihn. Er wusste nicht, wie er sie gerettet hatte. Sie war verzweifelt gewesen und sie hatte um ihre Kindheit getrauert, aber jetzt konnte sie wieder nach vorne blicken. Sie malte sich ihre Zukunft mit ihm aus, dabei wusste sie gar nichts über ihn. Wieso war er so gefährlich? War er gut oder böse? Diese Fragen stellten sich von nun an. Plötzlich hörte Liva das Geräusch einer Tür, die aufgemacht und auch wieder geschlossen wurde. Avil stand im Zimmer. "Hab' meinen Kamm wieder, Gilbert hatte ihn.", sagte sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht. "Sag mal, Liva, was meinst du, haben Gilbert und ich eine Chance?" "Ich weiß es nicht, Avil! Ich könnte mir vorstellen, dass dies gegen die Moralvorstellungen unserer Eltern ist. Aber ich würde euch eine Chance geben!" "Danke!" Eine kurze Zeit später hatte Liva ein wunderbares Mahl zubereitet, Kartoffeln mit Krabbenragout. "Liva, du bist eine ausgezeichnete Köchin.", bemerkte Takeru schmatzend. Daja schubste ihn an, da er mit vollen Mund redete. Liva fühlte sich geschmeichelt, im Schloss hatte sie kaum Zeit zum kochen gehabt, obwohl sie dies gerne tat. "Du hast vollkommen Recht.", stimmte Garem Takeru zu. "Sag mal, Adreanna, wieso trägst du eigentlich keine Röcke?" Alle drehten sich zu Gabriel um, als er sprach. "Wieso sollte ich?" "Wieso nicht? Dann sähest du sehr feminin aus, noch mehr als jetzt." "Was ist, wenn ich nicht feminin wirken will?" "Das kann doch nicht sein, jede Frau will für ihren Mann schön aussehen!" "Ich erinnere mich nicht, dass ich einen Mann hätte!" "Aber so meinte ich das doch gar nicht. Du sollst dich für mich schön machen!" "Gabriel, du willst sie doch nur ins Bett kriegen.", schaltete Gilbert sich ein. "Nun, ich habe kein solches Glück bei Frauen wie du! Die eigene Cousine, das ist pervers!" "Misch dich nicht in Sachen ein, die dich nichts angehen. Es war Schicksal, dass ich mich in Gilbert verliebt habe!" "Ach, macht doch was ihr wollt!" Gabriel war beleidigt und ging aus der Küche. "Endlich ist er weg!", sagte Avil, die immer noch wütend war. "Du solltest dich nicht so überanstrengen, denk doch an die Kin... ähm an das Kind in deinem Bauch!" "Was hast du gesagt? Wolltest du irgendwie andeuten, dass ich Zwillinge bekomme?" "Nur ein simpler Versprecher, sonst nichts." Gilbert legte seinen Arm um Avils Schultern und streichelte mit der anderen Hand ihren Bauch. Sie wurde rot. "Liva, ich übernehme den Abwasch!", sagte Adreanna und machte sich daran den Tisch abzuräumen. "Daja, kommst du mit ans Deck?", fragte Takeru. "Natürlich! Ich ziehe mich aber vorher noch um.", antwortete sie. Sie wollte das Kleid anziehen, welches sie von Gilbert bekommen hatte. Sie hatte in Erfahrung bringen können, dass das Kleid einmal Mia gehört hatte. Alle verließen die Küche, alle außer Adreanna. Sie war schon seit zwanzig Minuten am Abwaschen, als Gabriel hereinkam. Er nahm sich ein Messer. Erst jetzt bemerkte Adreanna seine Anwesenheit. "Gabriel? Was machst du mit dem Messer?" Er antwortete nicht, sondern ging auf sie zu. Während er sie immer näher an die Wand zurückdrängte, hob er das Messer und zerschnitt ihre Hose. "Ich bekomme immer was ich will." "Ich denke da irrst du dich, ich reise doch nicht nur mit einer Hose!" "Denkst du, daran hätte ich nicht gedacht? Ich war in deinem Zimmer, hab' die Hosen genommen und über Bord geworfen! Dabei habe ich dies gefunden!" Er hob ein kleines Bild hoch. Es zeigte Adreanna und einen jungen Mann, dieses Bild war ungefähr drei Jahre alt. Gabriel deutete auf den Mann: "Wer ist das?" "Wieso sollte ich dir das sagen?" "Sag's mir, sonst könnte es sein, dass ich mich nicht mehr beherrschen kann!" "Reg dich ab, das ist mein Freund. Das Bild wurde zwei Wochen vor unserer Trennung gezeichnet. Die Zeichnerin war die Stimme des Westens, Ahri. Sie konnte damals nicht bei uns bleiben, da ihr Bruder krank wurde, er ist daran gestorben." "Sehr interessant, kannst du mir mehr erzählen?" "Nun gut. Er war die Stimme des Südens aus Osenia. Ich war die Flötenspielerin, Ahri hatte eine Harfe, Alina spielte Violine und er, Assad, hat zu unserem Spiel gesungen. Irgendwann sagte er, dass er mich lieben würde. Ich war so glücklich! Doch eines Tages hat er mein ,C' gesehen und hat sich daraufhin gleich von mir getrennt. Den Grund kenne ich nicht. Unsere Truppe hat sich drei Monate danach aufgelöst." Adreanna guckte sehr traurig und unglücklich. Gabriel stand auf und entschuldigte sich für die Aktion mit den Hosen. Adreanna nahm die Entschuldigung nicht allzu ernst. Gabriel kam aus der Küche heraus, dies sah Gilbert, der mit Avil aufs Meer hinausschaute. Er wusste sofort, dass er Adreanna etwas angetan hatte. "Gabriel, was hast du getan?" "Ich habe nichts getan!", behauptete Gabriel. "Du weißt, dass ich weiß, dass du Adreanna..." Er konnte nicht zu ende reden, da Gabriel seinen Mund zuhielt. "Gilbert, ich weiß es." Er zog Gilbert von Avil weg. "Entschuldigung, ich borg' ihn mir mal aus!" Er zog ihn bis zum hinteren Teil des Schiffes. "Ich muss unbedingt mit dir reden, es geht um meine Krankheit. Ich weiß, dass ich an ihr sterben werde. Ich möchte von dir wissen, wann es soweit ist!" Gilbert dachte einen Moment nach, ob er es ihm wirklich sagen sollte. "Los, Gilbert, erzähl es mir! Ich möchte mein Leben noch auskosten, ich bitte dich!" Gabriel hielt die Hand von Gilbert mit seinen eigenen umklammert. "Gut, wenn du mich so sehr bittest. Ich habe gesehen, dass du in drei Jahren sterben wirst." Gabriel ließ schockartig Gilberts Hand los. "Gabriel?", fragte er besorgt. "Es ist nichts, rein gar nichts." Er lächelte, wandte sich ab und verschwand in seine Kabine. Avil, die nach seinem Verschwinden zu Gilbert kam, fragte besorgt: "Was wollte er?" "Ich denke, ich sollte dir das nicht sagen, ich glaube dass er das nicht wollen würde. Frag ihn am besten selber, wenn es dich so sehr interessiert." "Werde ich machen!", sagte Avil trotzig. "Avil, sei nicht sauer, ich würde dir alles erzählen, aber ich..." Avil legte ihren Finger auf seinen Mund und nickte. Sie verstand, dass er ihr es nicht sagen wollte. Er legte seien Arme um ihren Körper, dabei bemerkte er, dass ihr Bauch schon etwas runder geworden war. Er lächelte sie an. "Was ist Gilbert? Was hast du?", fragte Avil ihn. "Ich bin nur froh, dass wir endlich ungestört zusammen sein können. Mein Vater ist mit unserer Heirat einverstanden!" Avil strahlte vor Freude, nun konnten sie glücklich werden. Takeru, Daja und Garem, der in Begleitung von Folore war, standen am Bug. "Herrlich ist das Wetter heute!", meinte Garem. "Da hast du Recht, mein Freund.", stimmte Takeru ihm zu. "So ein wolkenloser Himmel!", schwärmte Garem. Am liebsten würde er diesen Tag gemeinsam mit Tamiko verbringen. Er stellte sich vor, wie sie an so einem schönen Tag heiraten würden. "Sag mal, Daja, wieso hast du dich umgezogen?", fragte Takeru. "Ich dachte, wir würden alleine sein!", sagte Daja beleidigt. "Wieso alleine? Es ist doch schön mit Freunden zusammen zu sein." "Also sind dir deine Freunde wichtiger als ich." Daja wurde langsam ärgerlich. Daraufhin meinte Takeru: "Du bist doch auch meine Freundin." "Nur deine Freundin!" Daja ging auf Takeru zu und verpasste ihm eine Ohrfeige, danach ging sie beleidigt unter Deck zu ihrem Zimmer. "Was habe ich denn falsch gemacht?", wunderte Takeru sich. "Du hast doch keine Ahnung von Frauen, du bist total blöd. Sie will nicht nur deine Freundin sein, sie denkt an eure gemeinsame Zukunft, vor allem nachdem ihr miteinander geschlafen habt. Vielleicht ist sie wie Avil schwanger!", sagte Folore. Da sie im Lama-Tempel wohnte bekam sie eine Menge Probleme mit, so konnte sie nun die Lage durchschauen. "Ich denke, du solltest das Missverständnis aufklären.", sagte Garem. Takeru nickte und verschwand. "Das war genau das Richtige, Folore! Dieses Mal hast du niemanden beleidigt." "Ich will mich doch nur für dich ändern, so dass du dich in mich verliebst und diese dumme Tamiko vergisst." "Tamiko ist nicht dumm und ich werde sie niemals vergessen!", schrie Garem Folore an. Diese schreckte zusammen und begann zu weinen. Garem wusste für einen Moment nicht, was er tun sollte, doch dann nahm er Folore in die Arme und küsste ihre Wange. In diesem Moment lächelte Folore. Auf dem Weg zu Daja dachte Takeru daran, was Folore ihm gesagt hatte. Vielleicht war sie wirklich schwanger, aber Daja hatte doch gemeint, dass sie hundertprozentig nicht schwanger sei. Das ganze irritierte ihn sehr. Er war an ihrer Tür angekommen, erst zögerte er, aber dann klopfte er dennoch an. "Daja, darf ich reinkommen?" "Nein, ich will dich nicht sehen, ich will niemanden sehen!" Trotzdem trat Takeru ein und bekam gleich ein Kissen ins Gesicht geschleudert. "Daja, sei nicht sauer, lass es mich erklären!" "Nein, ich will nicht!" "Hör mir doch mal zu, ich liebe dich und das weißt du auch! Ich dachte, dass du mir vertraust!", meinte Takeru. "Ich vertraue dir auch, aber du hast mich gekränkt!" "Womit denn? Etwa mit ,Freundin'?" "Ja!" "Daja, Daja, Daja! Wie soll ich dir das erklären? Ich weiß... Als ich noch in Izumo gelebt habe, hatte ich nie viele Freunde, eigentlich nur Garem. Izumo ist eine sehr traditionelle Stadt und da ich nicht so für Bräuche bin, war ich auch nicht so angesehen wie andere. Deshalb bedeutet ,Freunde' für mich etwas anderes, als für alle anderen. Sie haben bei mir eine sehr viel tiefere Verbindung. Deswegen sehe ich dich als Freundin an, aber wenn dir Geliebte lieber ist, dann nenne ich dich so, mein Schatz." Daja war sprachlos und glücklich zugleich. Sie ging auf Takeru zu und küsste ihn. "Ich danke dir! Du gibst mir Geborgenheit. Diese hatte ich bisher nur bei einem anderen Menschen, bei meinem Vater Alex. Ich kenne sonst nur noch Menschen, bei denen ich mich nicht geborgen fühle!" "Wieso fühlst du dich bei anderen nicht geborgen?", fragte Takeru neugierig. "Es ist wegen meiner Mutter und mir, wir wurden entführt, als ich ungefähr dreizehn Jahre alt war. Mich hatten die Räuber dazu gezwungen zu kochen und zu arbeiten, meine Mutter wurde weggebracht, um die Lust der Männer zu befriedigen. Als ich sie nach einem Jahr wieder sah, war es das letzte Mal. Die Räuber haben sie umgebracht und mich wollten sie einem mysteriösen Mann mit grünen Haaren mitgeben. Aber ich wurde von meinem, mir damals unbekannten, Vater gerettet. Ich vertraute ihm, er hat mir ein Bild meiner Mutter gezeigt, dass von Ahri gezeichnet worden war, deshalb glaubte ich ihm." Sie holte das Bild heraus und zeigte es Takeru, dieser erschrak. "Mutter!", sagte er völlig verstört. "Mutter? Das kann nicht sein, das ist meine Mutter!" "Aber sie sieht genauso aus wie meine, warte mal! Ich habe dich doch mit Tami verglichen, als du zu uns kamst. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang zwischen deiner und meiner Familie!" "Nun, ich weiß nicht!" Daja wollte nicht, dass sie durch Verwandtschaft von Takeru getrennt würde. "Nun, es wird nur ein Zufall sein, denke ich.", sagte Takeru, der bemerkt hatte, dass Daja nicht länger über dieses Thema sprechen wollte. Die erste Woche von insgesamt drei Wochen Reise verlief ohne unangenehme Zwischenfälle, die ihre Reise nur unnötig verlängert hätten. Doch während der Nacht, zu Beginn der zweiten Woche, ruckelte ihr ganzes Schiff. Takeru kam zusammen mit Daja aus ihrem Zimmer. "Was war das?", schrie Takeru den Korridor entlang. "Ich weiß nicht!", sagte Garem voller Panik. Gilbert kam zusammen mit Avil und Liva angerannt und hielt bei den Dreien an. "Es ist ein Piratenschiff namens Obaba. Wir müssen aufs Deck. Avil, du bleibst hier!", befahl Gilbert. "Aber ich will kämpfen und ich kann kämpfen!" "Nein, ich möchte, dass du hier bleibst! Denk doch an die ... an das Kind!" "Gilbert, mir geht es gut und dem Kind wird das auch nicht viel Schaden!" Daja wurde schnell bewusst, was Gilbert versuchte: "Ähm, Avil, wäre es für dich in Ordnung, wenn ich mit dir hier unten bleiben würde?" Daja zwinkerte in dem Augenblick, in dem sie sich neben Avil stellte, Gilbert zu. "Was meinst du Avil?", rückte er nach. "Wenn Daja auch hier bleibt, ist es mir Recht." Sie ließen die beiden sechszehnjährigen Mädchen alleine auf dem Korridor. Beide machten sich Sorgen um ihre Freunde. Während die Schicksalskinder gegen die Piraten kämpften, machte sich der Kapitän auf den Weg in den unteren Teil des Schiffes. Er hatte feuerrotes Haar und eine Narbe auf seiner linken Wange, die von einem Kampf mit einem bärtigen Mann vor drei Jahren stammte. Seit diesem Tag kämpfte er gegen den Mann und Feuerhaar wollte, dass dieser Kampf so schnell wie möglich aufhörte. Er schlich sich die Treppe, die morsch war, herunter und sah, dass sich der Weg gabelte. Auf der rechten Seite waren sechs Türen und auf der anderen sieben. Er entschied sich für die linke Seite. Ganz langsam öffnete er die erste Tür und sah zwei junge Mädchen, die gemeinsam auf dem Bett saßen. Die beiden Mädchen, die vorher noch geredet hatten, wurden plötzlich von ihren Redereien abgelenkt. Für Feuerhaar war die Situation mehr als peinlich, wieso hatte er sie nicht reden hören? Wahrscheinlich weil er die ganze Zeit an das Mädchen aus dem Gasthaus hatte denken müssen. Sie war so nett, fand er, denn niemand, der ihn in seiner Verkleidung sah, würde ihn bitten an seinem Tisch platz zu nehmen. Sie war so ohne Vorurteile. Nun, wo er genauer hinguckte, sah er, dass das eine Mädchen Liva war. Er war ziemlich verwirrt, er hatte noch nicht einmal ihr Schiff erkannt, obwohl er wusste, dass ihres diese prächtigen Flügel hatte. "Liva, endlich habe ich dich wieder gefunden!", sagte er freudig. Die beiden Mädchen guckten sich an, beide verstanden kein Wort von dem, was der Fremde erzählte. "Ach so, ich verstehe, du hast mein Gesicht im Wirtshaus nicht gesehen. Ich bin Señor E!" Bei diesen Worten musste Avil erst einmal nachdenken, sie hatte Señor E schon einmal gehört, aber wann und wo? Nach ein paar Sekunden wusste sie es wieder und stand auf. "Liva, du bist schwanger! Du hast eine Mann, und ich dachte du würdest..." Feuerhaar war den Tränen schon nah, als Avil ihre Hand auf seine Schulter legte und sagte: "Kopf hoch! Noch gibt es Hoffnung! Ich bin nicht meine Zwillingsschwester Liva, sondern Avil und ich weiß, dass sie deinen Kristall täglich ansieht. Ich glaube du hast gute Chancen bei ihr!" "Nicht Liva?" "Ja, ich bin nicht Liva, aber wenn du dich nicht beeilst, hast du sie verloren und somit bin auch ich tot. Sie ist obenauf dem Deck." Sie nahm ihre Hand wieder herunter. Feuerhaar nickte und rannte los. "Ich hätte mich für Liva ausgegeben und ihn ein bisschen verwirrt!", bemerkte Daja. "Nein, in dieser Situation hättest du das bestimmt nicht getan. Ich und Liva, wir sind auf magische Weise miteinander verbunden. Wenn einer verletzt wird, dann der andere auch. Und nun kannst du dir denken, warum ich es ihm gesagt habe, wenn Liva stirbt..." "... dann stirbst auch du und mit dir dein Baby. Entschuldige, Avil!" Auf dem Deck tobte eine wilde Schlacht. Natürlich waren die Piraten viel zahlreicher als die Schicksalskinder. Adreanna kämpfte gerade gegen zwei Piraten, der eine näherte sich von vorne, der andere von der Seite. Sie konnte sich nur auf einen konzentrieren, nämlich nur auf den vorderen. Doch gerade wollte der andere sie angreifen, sie wusste keinen Ausweg, aber Gabriel kam und wehrte den von der Seite ab. Kurz danach wehrte sie den Angriff von vorne ab. "Ich hoffe, du hast dir nichts getan!", sagte Gabriel besorgt. "Nein, habe ich nicht. Danke.", sagte Adreanna verwundert. Gabriel, der schon am Weglaufen war, sagte noch zu ihr: "Schön, Adreanna, dass du jetzt Röcke trägst, obwohl sie immer noch zu lang sind." Adreanna machten diese Worte wütend, nun wollte er sogar, dass sie extrem kurze Röcke anzog. Plötzlich ertönte auf dem ganzen Schiff eine Stimme: "Lasst das Kämpfen! Gebt die Sachen zurück und bringt die Verletzten auf die Obaba!" Feuerhaar suchte nach Liva, er fand sie am Bug des Schiffes. "Liva!" Feuerhaar rannte mit einem strahlenden Lächeln zu ihr und umarmte sie. Diese erwiderte die Umarmung nicht, sondern stieß ihn von sich. "Was fällt Ihnen ein, mich einfach zu umarmen? Ich kenne Sie nicht!", sagte Liva sehr bestimmt. "Aber Liva, du trägst doch meinen Kristall!" Er nahm den Kristall, der an einer Kette um ihren Hals baumelte. "Er gehörte meiner Urgroßmutter, sie hat ihn mir gegeben und sagte zu mir, ich solle ihn derjenigen schenken, die ich einmal heiraten würde." Liva wurde ganz rot. Dass der Kristall eine solche Bedeutung hatte, hätte sie nie gedacht. "Nun wird es mir klar, du bist Señor E!" "Nicht Señor E, dies war lediglich ein Deckname. Mein Name ist Eoleo." "Eoleo?", fragte Liva ungläubig. "Ja, Eoleo." "Lass deine Hände von Eoleo!", schrie eine weibliche Stimme. Diese entpuppte sich als eine etwa neunzehnjährige, rothaarige Frau. Eoleo stellte sich vor Liva, denn die junge Frau war schon schussbereit. "Odja-Dja, heute wirst du niemanden verletzen! Sie ist meine zukünftige Frau und heißt Liva." Nun bemerkte Odja-Dja den Kristall, der an Livas Hals baumelte, sie nickte und verschwand. "Das war meine Schwester.", sagte Eoleo. "Liva, wohin reist ihr?" "Wir? Nach Contigo, am Fuße des Jupiter-Leuchtturms." "Habt ihr vor den Leuchtturm zu erklimmen?" "Ja, wir müssen es tun, es ist unsere Aufgabe." "Eure Aufgabe?", fragte Eoleo interessiert. "Ja, wir sind Schicksalskinder und wir haben die heilige Pflicht die Elementar-Sterne an ihren rechten Ort zurück zu bringen." "Schicksalskinder? Heilige Pflicht?" Eoleo war sehr konfus, er konnte es nicht glauben, was Liva ihm da erzählte. "Alle, die sich auf diesem Schiff befinden, sind Schicksalskinder! Wir wurden auserwählt, um die Leuchttürme wieder zu entfachen." "Wieso seid gerade ihr auserwählt?" "Ich weiß nicht, aber wir haben alle ein grünes ,C' auf dem linken Oberschenkel." "Sag das noch einmal! Ein grünes ,C'? Bist du dir da ganz sicher?" Eoleo wurde auf einmal ziemlich nervös und Liva wusste noch nicht einmal warum. "Ich bin mir sehr sicher, mein Cousin hat es mir gesagt und er weiß so gut wie alles." "Dann muss ich dich wohl begleiten. Ich habe auch ein ,C'." "Wirklich?" Liva war freudig überrascht, als sie diese Neuigkeit hörte. Endlich konnte sie mit ihm zusammen sein, vielleicht würde sich ihr Traum doch noch erfüllen. "Ja, ich muss dich begleiten, um auf dich aufzupassen. Ich habe ein Gerücht in Contigo gehört, dass sich ein böser Geist an der Spitze des Leuchtturms befindet!" Liva wurde sichtlich unruhig, da sie nicht daran gedacht hatte, dass sie für die Entzündung würden kämpfen müssen. Sie hatte genauso wie ihre Schwester Avil keine Lust zu kämpfen, sie hatten strikt etwas dagegen, jemanden zu töten oder zu verletzen. "Mach die keine Sorgen, Liva! Ich werde dich beschützen.", sagte Eoleo, als er Livas Unruhe bemerkte. Liva bekam allmählich Angst, nun da sie Eoleo wieder gefunden hatte, wollte sie lieber, dass er sofort wieder ging, da er nicht verletzt werden sollte. "Eoleo, du brauchst mich nicht zu beschützen, ich werde selber auf mich aufpassen! Wir können dich holen, wenn wir dich brauchen.", sagte sie besorgt. "Jetzt hör doch mal auf, ich will euch begleiten!" Eoleo wusste innerlich, dass Liva nur Angst hatte. "Aber was wird aus deinem Schiff und deiner Mannschaft?" Liva versuchte immer noch ihn zu überreden, doch es half alles nichts: "Mein Schiff und meine Mannschaft kann meine Schwester Odja-Dja übernehmen, sie hat die nötigen Qualifikationen dazu. Obwohl... wenn ich es mir richtig überlege... auch egal, ich werde es ihr und meiner Mannschaft sagen, sie werden es verstehen!" Er wandte sich von Liva ab und ging an Bord der Obaba. Gilbert kam erst jetzt zu Liva. "Hat er dir etwas getan?", fragte Gilbert, als er ankam. "Nein, hat er nicht! Du müsstest es doch wissen, er ist übrigens ein Schicksalskind.", sagte Liva genervt. "Liva, ich muss dir etwas sagen, in der letzten Zeit habe ich keine Visionen mehr. Ich weiß nicht, was in Zukunft passieren wird." "Aber du kennst sie doch schon, oder?", fragte Liva. "Schon, aber mit dieser Zukunft bin ich nicht einverstanden! Ich möchte nicht, dass es so endet!" "Wie endet?" "Liva, ich darf es dir nicht erzählen, ich kann es einfach nicht!" Gilbert sah sie traurig an, sie wusste nicht warum, war etwas mit ihr? Würde ihr etwas passieren? Sie hatte Angst, furchtbare Angst. Gegen Abend setzten sie ihre Reise fort. Sie hatten genug Zeit verschwendet und wollten endlich am ersten Leuchtturm ankommen. "Eoleo, möchtest du noch etwas Suppe?", fragte Liva, als sie beim Abendessen saßen. "Nein, danke! Ich möchte nichts mehr.", antwortete er, da Liva ihm schon drei Teller gegeben hatte. "Eoleo, sage mir wo du herkommst!", befahl Gilbert, der sich ohne seine Visionen sehr hilflos vorkam. "Ich komme aus Champa, einer kleinen Stadt südlich auf dem Kontinent von Angara." "Von Champa habe ich schon viel gehört, kommen nicht von dort die Piraten?", ein aggressiver Unterton lag in Gilberts Stimme. "Nicht alle aus Champa sind Piraten, es gibt nur mich und meine Mannschaft auf der Obaba.", sagte Eoleo gereizt. "Ähm, Avil, darf ich dich etwas fragen?" "Natürlich, Liva, was gibt es denn?" "Also, ich frage mich, ob du nicht Lust hast zu Gilbert zu ziehen, ich meine ihr solltet eure kinderlose Zeit genießen und außerdem..." "Ich verstehe dich schon, Liva. Du musst nicht weiterreden. Ich werde natürlich zu Gilbert ziehen." "Hach! Das ist doch schön, ein Engel und sein Schutzengel haben sich gefunden, ineinander verliebt, wie romantisch!", mischte sich Folore ein. "Das ist ja fast genauso wie bei einer Prinzessin und ihrem Prinz, mit anderen Worten, wie bei mir und meinem Garem!" "Folore, wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich bereits mit Tamiko verlobt bin!", sagte Garem. "So, ich werde zu Bett gehen.", sagte Adreanna um die Atmosphäre aufzulockern. "Soll ich dich begleiten, damit du im Schlaf nicht so einsam bist?", fragte Gabriel. "Nein, danke! Ich bin nicht allein, ich habe doch Assad!", lächelte Adreanna. "Assad ist nicht hier!", schrie Gabriel ihr hinterher und fügte so leise hinzu, dass ihn niemand hörte: "Ich hasse ihn!" "Daja, machst du heute mit mir den Abwasch?" "Ja, warum nicht, Avil? Takeru, ich komme später noch mal zu dir!" "Meinetwegen, bis später." Alle standen auf, Daja und Avil machten sich an den Abwasch und Gilbert sprach Garem an: "Hast du einen Moment Zeit? Ich muss mit dir reden!" "In Ordnung. Gute Nacht, Takeru!", sagte Garem und die beiden gingen zum Bug. "Was ist, Gilbert?" "Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll." "Was sagen?", fragte Garem verwundert. "Ich sehe doch, dass du vor Sorgen beinahe umkommst. Du machst dir Sorgen um Oka und Tamiko, stimmt's?" Garem nickte. "Mache dir aber mehr Sorgen um jemand anderen, der dir nahe steht!" "Jemand anderen?" "Ja, genauer um Takeru." "Takeru? Wieso Takeru, dem geht es doch blendend!" "Du wirst es noch früh genug verstehen!" "Und was ist nun mit Oka und Tamiko?" Garem wurde neugierig. "Keine Angst, beide leben noch. Oka wirst du eine ganze Weile nicht zu sehen bekommen, dennoch lebt sie, aber Tamiko..." "Was ist mit Tamiko?" "Sie ist in Contigo!" Kapitel 7: Contigo ------------------ Contigo "Ist das wirklich wahr, Gilbert? Ich kann das nicht glauben! Meine Tamiko, so bald werde ich sie wieder sehen!", sagte Garem überrascht, aber auch freudig. "Ich meine es ernst, du kannst mir vertrauen!" Garem wollte gerade gehen, als Gilbert hinzufügte: "Pass mir bitte auf Takeru auf. Er braucht dich und Daja sehr. Vermittelt ihm das Gefühl geliebt und gebraucht zu werden. Wenn ihr dies nicht tut, so wird Weyard im Schatten versinken." "Nun gut, ich werde so gut wie möglich auf ihn aufpassen, immerhin ist er mein bester Freund." Mit diesen Worten wandte Garem sich ab und verschwand pfeifend in seinem Zimmer. "Ich hoffe, dass alles anders werden wird." Das Schiff brachte sie innerhalb der nächsten Woche nach Contigo. Contigo, die Stadt der Anemos, die am Fuße des Jupiter-Leuchtturms lag. Sie war nicht besonders groß, dafür aber mit Geheimnissen gespickt. Die Bewohner erwarteten sehnsüchtig den Helden der Anemos, von dem sie gedacht hatten, dass es Ivan, Folores Vater sei. Aber dieser war es nicht gewesen, nun hofften alle, dass Yegelos, ein Wind-Adept, die unerfüllte Rolle seines Vaters übernehmen würde. Am Morgen des zweiundzwanzigsten Tages erreichten sie den Hafen von Contigo. Es lag ein grauer Nebel auf den Stegen, das einzige, was man hätte erkennen können, war ein kleines silbernes Licht, welches den Nebel durchschnitt. Beim Aussteigen wurden sie freundlich begrüßt. "Folore, mein Kind, da bist du ja endlich. Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Dein Bruder hat mir schon alles erzählt, als er hier ankam.", sagte eine Frau, die Mitte vierzig war. Ihre violetten Haare waren immer noch sehr lang und ihr Gesicht hatte nur ein paar Falten bekommen. "Tante Hama, Yegelos ist wirklich hier? Also hat Papa ihn endlich dazu bewegen können, seine Bestimmung anzutreten?", fragte Folore. "Ich bitte dich, Folore, mich in Anwesenheit deiner Freunde nicht ,Tante', sondern ,Meisterin' zu nennen." Für Hama war es peinlich ,Tante' oder ,Schwester' genannt zu werden, sie mochte Nähe nicht besonders, es war ihr egal alleine zu sein. "Warum denn nicht, Tante?", fragte Folore entgeistert. Aber ihre Tante reagierte nicht auf diese Frage. So machten sie sich im Morgennebel auf den Weg nach Contigo! Auf ihrem Weg unterhielten sich Daja und Meisterin Hama. Daja hatte ihre Heimatstadt seit drei langen Jahren nicht mehr gesehen. "Meisterin Hama, ist Contigo noch genauso, wie ich es verlassen habe?", fragte Daja gebannt. "Äußerlich schon, die Stadt hat sich nicht weiterentwickelt. Die Menschen aber schon, sie haben schon sehnsüchtig Yegelos erwartet, sie denken schon wegen seines Namens wird er der Held von Contigo sein und somit auch der der Anemos. Auch der Auftritt dieses Mädchens hat Verwirrung mit sich gebracht. Erst dachten alle du wärest es, aber braune Haare hattest du nicht. Ihre Augen konnten wir nicht sehen, da sie seit ihrem Erscheinen nicht aufgewacht ist. Deshalb konnten wir ihren Namen bis jetzt noch nicht in Erfahrung bringen." "Sie heißt Tamiko.", sagte Daja beunruhigt. "Woher willst du dies wissen, du kennst sie nicht einmal!" "Ich weiß es, sie ist die Schwester meines Geliebten Takeru!" "Takeru? Wer unter deinen Reisegefährten ist er?" Daja wusste nicht genau, wieso sich Meisterin Hama so sehr für Takeru interessierte, aber sie zeigte ihr Takeru trotzdem. "Das ist Takeru? In meinen Visionen sah er ganz anders aus! Vielleicht hat der Alte Weise etwas damit zu tun!", sagte sie in einer Mischung aus Verwunderung und Misstrauen. Sie hatte gedacht, sie wäre unabhängig von jeder anderen Macht der Welt, aber im gleichen Moment fragte sie sich, warum jemand ihre Visionen verfälschen sollte. Hier ging irgendetwas Seltsames vor, schon allein der Nebel war seltsam, denn es hatte hier nur ein anderes Mal Nebel gegeben, dies war als der Jupiter-Leuchtturm seine Kraft verloren hatte. Sie sahen die Stadt schon vor sich liegen. Als sie das Stadttor erreichten, schlug Adreanna eine andere Richtung ein als die anderen. "Adreanna, wohin möchtest du?", schrie Gabriel auf. "Ich wollte meine Freundin besuchen, Ahri. Erinnerst du dich noch an sie?" "Natürlich, sie war diejenige, die dieses Bild von dir und diesem abscheulichen Kerl gemalt hat. Er hatte ein verlogenes Lächeln, er hat bestimmt nur mit dir gespielt." "Wenn hier jemand mit mir spielt, dann bist du es! Nur wegen dir muss ich Röcke tragen, die so unpraktisch sind. Man kann damit nicht richtig kämpfen!" "Du gefällst mir so viel besser. Deine Beine sehen schön und schlank aus!" "Gabriel, mich interessiert nicht, was du von mir hältst. Ich hoffe immer noch, dass Assad zu mir zurückkehren wird." "Was sich neckt, das liebt sich!", schrie Folore aus sich heraus. Gabriel guckte Folore lächelnd an, war aber gleichzeitig irritiert. Adreanna schaute in die entgegen gesetzte Richtung und wurde rot. Hatten sie sich wirklich ineinander verliebt? Kaum vorstellbar! Adreanna ging weiter auf Ahris Haus zu und wurde von Gabriel verfolgt. Hama, Folore, Gilbert und Eoleo machten sich auf zu Hamas Haus. Vorher gab Gilbert Avil Geld, damit sie mit Liva und Daja Kleidung für letztere kaufen konnten. Garem und Takeru wurden von Hama angewiesen in ein Haus zu gehen, in dem sich Tamiko aufhielt. Meisterin Hama brachte ihre drei Begleiter zu sich nach Hause. Es war ein kleines Haus auf dem Hügel. Es hatte nur ein Stockwerk, denn Hama brauchte nicht mehr Platz, sie hatte weder Mann, noch Kinder. Jemanden zu sich einladen mochte sie auch nicht. Sie hatte noch nicht einmal ein Zimmer für ihren Neffen Yegelos, der deswegen im Wirtshaus seine Nächte verbringen musste. "So, da sind wir, setzt euch in den Salon, ich bereite den Tee zu!", sagte Hama und verschwand sogleich in Richtung Küche. Folore ging voran zum Salon, da sie das Haus schon einmal von innen gesehen hatte, kannte sie natürlich auch den Weg dorthin. Im Salon standen eine Sitzbank und ein Sessel, in der Mitte ein kreisrunder Tisch, an den Wänden befanden sich viele Regale, welche voller Pergamentrollen waren. Die meisten von ihnen enthielten Prophezeiungen über Anemos, oder ganz Weyard. An einer anderen Wand befand sich eine Karte von Weyard, die vor zwanzig Jahren die aktuellste gewesen war, nun hatte sich eine kleine Insel in der westlichen See vollkommen aufgelöst, sie war den Gaia-Fällen zum Opfer gefallen. Die Gaia-Fälle waren seitdem noch gefürchteter, sie drohten alles zu verschlingen, auch Angara und Gondowan, welche im zentralen Weyard lagen. "Warum seid ihr zuerst nach Contigo gefahren?", fragte Eoleo plötzlich. "Wir hatten sonst noch die Option nach Lalivero oder Imil zu fahren, aber die Mehrheit war für Contigo." "Warst du in der Mehrheit enthalten, Gilbert?" "Nein, ich war dagegen. Ich wäre lieber nach Lalivero zum Venus-Leuchtturm gegangen." "Wieso sagst du das?" "Ich habe die Gabe die Zukunft voraussehen zu können und ich habe gesehen, dass am Jupiter-Leuchtturm etwas geschehen wird, von dem ich nicht möchte, dass es geschieht." "Was wird geschehen?" "Eoleo, du musst mir versprechen, dass du niemandem etwas erzählen wirst, nicht einmal Liva. Hast du verstanden?" Eoleo nickte. Dann bemerkte Gilbert, dass Folore auch noch anwesend war, sie würde es nie schaffen ein Geheimnis für sich zu behalten. "Folore, kannst du dieses Geheimnis für dich behalten? Du darfst es nicht verraten!" "Folore wird es für sich behalten, immerhin hängt ihr Schicksal an dem von euch anderen.", sagte Meisterin Hama, die mit einem Tablett hereinkam. "Also gut, ich werde es erzählen. Am Jupiter-Leuchtturm wird Daja entführt werden, Takeru, der, obwohl er Tamiko wieder gefunden hat, stärkere Gefühle für Daja hat, wird versuchen sie zu befreien und wird somit etwas Schreckliches erfahren. Am Ende wird er nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Vater umbringen." Alle starrten Gilbert an, aber dieser hielt ihren Blicken nicht stand, er guckte zu Boden und fing an zu weinen, unter Schluchzern sagte er: "Ich möchte nicht, dass jemand stirbt, leidet oder ähnliches! Ich möchte eine andere Zukunft." "Nun beruhige dich, Gilbert. Wir können versuchen die Zukunft zu verändern.", versuchte Eoleo ihn zu beruhigen. "Du weißt doch gar nicht wie das ist, ständig hat man Visionen, und man kann nichts dagegen tun. Man fühlt sich, als wäre man angekettet!" Gilbert stand auf und stürzte wütend aus der Tür heraus, dabei rempelte er fast einen jungen Mann um. "Hey, kannst du nicht aufpassen? Hast du keine Augen im Kopf?", fragte dieser. "Wenn du da so blöd herumstehst, kann ich auch nichts dafür!" "Ich und blöd rumstehen! Ich stehe niemals blöd herum!", schrie der Jüngling. Dann stürmte Hama aus dem Haus, denn sie kannte die Stimme des Jünglings. "Yegelos, benimm dich in Gegenwart des Thronerben von Tolbi!" "Was, dieses...", fing Yegelos an, doch Folore beendete den Satz. "Ja, genau, dieses Scheusal ist der Thronfolger!" "Folore!", fauchte Meisterin Hama bissig. "Was ist denn? Ich sage doch nur die Wahrheit!" "Denkst du nicht es ist besser, die Menschen nach ihren inneren Werten zu beurteilen? Nicht alle Menschen spiegeln mit ihrem Äußeren ihre Werte wider.", sagte Meisterin Hama, die schon oft versucht hatte Folore zu belehren. Indessen begutachtete Gilbert Yegelos eingehend. Yegelos war ein Junge, mit einem seltsamen Erscheinungsbild. Er hatte nicht wie seine Schwester violette Haare, sondern blonde, die hinten zu einem kurzen Zopf zusammengebunden waren. Doch in seinen Augen funkelte der gleiche violette Ton, den er bereits von seiner Schwester her kannte. "Soso! Du bist also der Auserwählte vom Volke der Anemos?", fragte Gilbert mit einem misstrauischen Unterton. "Ja, das bin ich. Hoffe ich zumindest." "Bist du für diese Aufgabe nicht ein bisschen zu jung?" "Nein, ich bin schon fünfzehn!" "War dein Vater nicht genauso alt, als er seine Aufgabe verpatze?" "Er war eben nicht der Auserwählte!" "Denkst du wirklich, dass du es bist?" "Gilbert, nun hör doch endlich damit auf!", sagte Eoleo, der erst jetzt hinzukam. "Wenn du wütend bist, so lass es nicht an Unschuldigen aus!" "Du hast doch keine Ahnung! Ich würde das Schicksal der Welt nicht in die Hände eines Kindes legen! Das Schicksal sollte nur von weisen und erfahrenen Menschen beeinflusst werden!" "Und du hältst dich für weise und erfahren? Und du bist sicher kein Kind mehr? Gilbert, verstehst du nicht, du redest nur Unsinn!" Gilbert begriff erst jetzt, dass Eoleo vollkommen Recht hatte. War es wegen des Verlustes seiner Visionen? Er wusste es nicht. Ohne seine Visionen fühlte er sich nackt und verletzbar. Adreanna stand vor dem Haus, welches Ahris Familie gehörte. Das Haus stand nahe am Dorfeingang und war mehrstöckig. Adreanna seufzte. "Was hast du?", fragte Gabriel, der nur kurz nach ihr an dem Haus ankam. "Ach, es ist so lange her, seitdem ich das letzte Mal hier war! Es war als Ahri neunzehn wurde!" Gabriel nickte beiläufig. Plötzlich bemerkten beide, dass ein Fremder hinter ihnen aufgetaucht war. "Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?", fragte dieser. Doch Adreanna schüttelte den Kopf. "Ich bin hier um meine Freundin zu besuchen." "Und Eure Freundin ist?" "Ahri." "Dann seid Ihr hier richtig. Kommt doch mit herein." Er öffnete die Tür. Adreanna war völlig verwirrt, sie kannte diesen Mann nicht. Was hatte er mit Ahri zu tun? Er trat ein und rief: "Ahri, ich bin da und ich habe jemanden mitgebracht!" Jemand kam mit schnellen Schritten die Treppe herunter. Sie hatte braune Haare, die bis zu ihrem Kinn herabhingen und braune, runde Augen. "Da bist du endlich, Liebling!", sagte sie mit einer klaren, hellen Stimme. Dann lugte sie über seine Schultern, um zu gucken, wer mit ihm gekommen war. Als sie erkannte, wer dies war, machte sie ein freudiges Gesicht. "Adry, wie geht es dir?", schrie sie freudig aus sich heraus. Die Freundlichkeit war schon ein kleines bisschen übertrieben. "Mir geht es ganz gut, aber Ahri, darf ich fragen, wer dieser junge Mann ist, der uns hereingeführt hat?" "Das ist Corbinian, mein Verlobter!" "Verlobter? Warum hast du mir nicht geschrieben, dass du verlobt bist?" Adreanna sprach diesen Satz mit einer Mischung aus Verwunderung und Empörung aus. "Ich habe dir letzten Monat einen Brief geschrieben, aber deine Eltern sagten, du seiest schon weg. Und außerdem hast du mir auch nicht gesagt, dass du verlobt bist!" Sie deutete auf Gabriel. "Aber... Ahri... er ist nicht...", stotterte Adreanna. "Ja, ja. Du brauchst es nicht zu verheimlichen!" "Aber... Ahri..." Gabriel legte seinen Arm um Adreannas Schultern und küsste sie zärtlich auf die Wange. "Siehst du Adry, du brauchst dich nicht zu schämen!" "Aber, Ahri... er ist nicht mein Verlobter, ich will gar nichts von ihm. Er belästigt mich immer." "Bin ich dir so unangenehm?", fragte Gabriel entrüstet. "Ja, bist du, du nervst mich!", schrie Adreanna wütend. Gabriel wich von ihr zurück. "Wenn das so ist! Ich dachte, ich hätte die eine gefunden, aber da habe ich mich wohl geirrt!" Er wandte sich zu Ahri und Corbinian um: "Es freut mich Sie kennen gelernt zu haben!" Dann entfloh er durch die Tür. "Aber, Gabriel..." Adreanna guckte traurig hinter ihm her. "Er wird schon wiederkommen.", sagte Corbinian mit einem Lächeln auf dem Gesicht. "Meinen Sie das wirklich?" "Ja, mach dir keine Sorgen." "Ah, Adry, ich habe etwas für dich. Letzten Monat war Assad hier. Er hat mir eine Kette für dich gegeben!" Ahri lief rüber in den Wohnraum. "Wir sollten ihr folgen!" Corbinian ging ihr schnellen Schrittes nach. Adreanna blieb noch einen kurzen Augenblick in der Einganshalle stehen, dann folgte sie ihnen. "Hier!" Ahri überreichte Adreanna eine Kette mit einem Ankh-Anhänger. Adreanna schaute sie verwirrt an. "Wann hat er dir die Kette noch mal gegeben?" "Mhm... das müsste einen Monat her sein. Er war zur Verlobungsfeier gekommen." "Aber warum hat er sie mir nicht selbst gebracht?" "Er sagte, er wolle dich nicht sehen!" "Aber wieso will er mich nicht sehen? Ich habe ihn doch seit drei Jahren nicht mehr gesehen!" "Ich weiß nicht, Adry, ich kann mir nicht vorstellen, was Assad damit bezweckt!" "Und alles nur wegen diesem ,C' auf meinem Oberschenkel?" "Ein ,C' auf dem Oberschenkel!" Corbinian starrte Adreanna an. "Ahri, wieso hast du mir nichts davon erzählt?" "Ich hielt dies für nicht so wichtig. Ich hatte gedacht, du würdest sie nie sehen, denn wir haben uns auseinander gelebt. Ich habe es nie gewollt." Corbinian ließ seine Hand vom Schwertgriff sinken. Plötzlich hörten alle aus dem Nebenraum ein Geräusch. "Entschuldigung!", ertönte Gabriels tiefe Stimme. "Kein Problem. Ich hatte selbst nicht aufgepasst. Aber sagen Sie, was tun Sie in meinem Haus?", fragte eine weibliche Stimme. "Meine Verlobte ist hier, bei ihrer Freundin." "Du meinst Alina ist hier? Warum hat mir meine Tochter nicht Bescheid gesagt?" "Aber es ist nicht Alina, sondern Adreanna." "Adreanna? So was, ich habe sie ja seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen! Ahri, Adreanna, wo seid ihr?", rief die Frau durchs ganze Haus. "Mutter, wir sind hier, im Wohnraum! Corbinian ist auch da!" Eine etwas dickere Frau kam zusammen mit Gabriel zur Tür hinein. "Adreanna, wie geht es dir, mein Kind?", fragte Ahris Mutter Maya mit der gleichen freudigen Übertriebenheit wie ihre Tochter. "Ganz gut. Und Ihnen?" "Mir geht es ausgezeichnet!" "Ist ihr Mann immer noch bei den Ausgrabungen beschäftigt?", fragte Adreanna neugierig. "Ja, das ist er. Es war so merkwürdig, als wir erfahren haben, dass Ahri eine Adeptin ist. Immerhin können wir Nicht-Adepten die Kräfte nicht sehen. Und das diese Kraft von den Anemos, unseren heiligen Göttern, kommt! Kaum vorstellbar. Deshalb hat mein Mann sich entschlossen, den Ausgrabungen beizuwohnen." Nun setzten sich Gabriel und Maya zu ihnen. Sie redeten noch eine halbe Stunde über die bevorstehende Hochzeit von Corbinian und Ahri, dann plötzlich stand Gabriel wieder auf. "Adreanna, kann ich mit dir einen Augenblick unter vier Augen reden?" "Nun, muss das unbedingt sein?" "Ja, muss es. Mir läuft die Zeit davon." "Gut, dann gehen wir raus." Als sie draußen waren, veränderte sich Gabriels Gesichtsausdruck in einen ernsten. "Adreanna, ich wollte es dir nicht sagen, aber ich kann nicht anders." Er machte eine kurze Pause. "Ich bin krank." Adreanna lachte auf. "Adreanna, es ist mein ernst. Ich bin todkrank, es gibt keine Heilungschancen." Ihr Lachen erstarb, als sie seine Worte vernahm. "Ich will den Rest meines Lebens noch Spaß haben." "Und was hat das mit mir zu tun? Ich kann nichts für dich tun, noch nicht einmal dich heilen!" Tränen stiegen ihr in die Augen. "Doch, das kannst du!" "Aber wie? Wie denn nur, Gabriel?" "Du kannst mich heiraten!" "Heiraten?", sagte Adreanna nun mehr als verwundert. "Ich weiß, es ist viel verlangt. Bloß als ich gehört habe, dass deine Freundin heiraten wird, hatte ich den Wunsch auch verheiratet zu sein, bevor ich sterbe." "Würdest du auch verlangen, dass ich alles tue, was eine Ehefrau tut?" "Nein, Adreanna. Ich will dich zu nichts zwingen, auch nicht zu der Hochzeit." "Also müsste ich noch nicht einmal mit dir..." "Nein, müsstest du nicht, wenn du nicht willst." "Habe ich Bedenkzeit?" "Ja, nehme dir die Zeit, die du brauchst. Falls du dich für die Hochzeit entscheiden solltest, habe ich auch einen Ring für dich." "Du hast schon einen Ring?" "Ja, aber ich will dich damit nicht zwingen." Er wandte sich ab und ging zurück ins Haus. Adreanna dachte nach. Eigentlich hatte sie immer gedacht, dass Assad einmal ihr Mann werden würde. Aber Assad hatte sie vergessen, denn die Ankh-Kette hatte die Bedeutung des ewigen Abschieds, er hatte kein Interesse mehr an ihr. Nun erfuhr sie auch noch, dass Gabriel todkrank war. Die Ereignisse überschlugen sich, aber trotzdem war sie zu einem Entschluss gekommen. Sie ging wieder hinein und fragte, ob Gabriel noch einmal mitkommen könnte. Wieder draußen sprach sie: "Ich bin zu einem Entschluss gekommen. Aber vorher muss ich etwas wissen, deine Antwort hat jedoch keinen Einfluss auf meine Antwort." "In Ordnung, stell mir bitte deine Frage." "Liebst du mich oder nimmst du nur die erstbeste Frau?" "Wenn ich irgendeine wollte, hätte ich kein Problem, aber du bist nicht irgendeine, sondern eine besondere. Du hattest Angst, als ich dir zu nahe kam, hast aber dennoch immer zu mir gehalten, mich angehört, mir deine Vergangenheit erzählt. Du hast Vertrauen zu mir und ich habe dieses auch zu dir. Ich wollte dir nicht schaden, habe dies aber nur zu oft getan. Ja, Adreanna, ich liebe dich!" Adreanna lief rot an. "Ähm, ja... als..." Sie war so verwirrt, dass sie nur noch stottern konnte. "Wie lautet nun deine Antwort?" "Ähm... Ich habe mich entschlossen deine Frau zu werden." Gabriels Gesicht strahlte. "Aber..." "Was ,aber'?" Gabriels Gesicht verfinsterte sich. "Aber ich habe zwei Bedingungen. Die erste wäre, dass du mir einen traditionellen Antrag vor Ahris Familie machst. Und die zweite wäre, dass ich jede Tätigkeit einer Ehefrau machen darf." "Das sind deine Bedingungen?" "Ja, sind sie. Sind sie zu schwer zu erfüllen?" "Nein, ganz im Gegenteil!" "Siehst du." Adreanna lächelte ihn zum ersten Mal an und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Daja, Avil und Liva waren schon in verschiedenen Schneidereien gewesen und tatsächlich hatten sie passende Kleidung für Daja gefunden. Auch Avil hatte sich weitere Kleidung kaufen müssen. Anschließend gingen die Drei in der Stadt herum, so sahen sie ein großes Gebäude im östlichen Teil von Contigo. Das Gebäude war ein Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit, einer Zeit, in der die Anemos noch auf Weyard geweilt hatten. Die Anemos waren eine hoch entwickelte Kultur gewesen, die ebenbürtig mit der Entwicklung der Ankol und der Lemurianer gewesen war. Doch von diesen drei Hochkulturen war nur noch eine einzige übrig geblieben, die der Lemurianer. Die Ankol sollen vor tausenden von Jahren ausgestorben sein und die Anemos sollen zum Himmel gestiegen sein, so hieß es in den Legenden. Nun erforschten die Einwohner von Contigo diese Theorie. "Guten Tag, die Damen! Kann ich Ihnen behilflich sein?", fragte ein etwas älterer Mann mit langem Bart. "Nein, wir schauen uns gerade nur etwas in der Stadt um!", sagte Liva mit einem Lächeln. "Huch! Ich kenne Sie doch, oder?", sagte der etwas kleinwüchsige Mann, als er Daja bemerkte. "Sind Sie nicht Keyas kleine Tochter? Dajavela, wenn ich mich nicht täusche, oder?" "Stimmt, das bin ich!" "Ach, habe ich mir doch gedacht! Ich meinte dieses Gesicht, es ist so als würde Keya wieder vor mir stehen! Es ist einfach schrecklich, das was mit Ihrer Mutter geschehen ist!" Daja guckte traurig auf den Boden. Avil und Liva verstanden es nicht. Was war mit ihrer Mutter geschehen? "Wie laufen die Ausgrabungen, haben sie schon neue Hinweise auf die Theorie gefunden?", fragte Daja neugierig. "Ja, das haben wir in der Tat! Letzten Monat sind wir tiefer in das Heiligtum eingedrungen und haben eine Kammer gefunden, deren Wände voller Symbole, Dreiecke und Vierecke sind. Unsere Forscher konnten diese antike Schrift jedoch nicht identifizieren." "Hat Ahri es schon einmal probiert?" "Natürlich hat unsere Tochter dies schon probiert, immerhin soll sie eine Erbin von Anemos Kräften sein, aber auch sie hat es nicht geschafft. Wir dachten, dass vielleicht Yegelos die Schrift identifizieren könnte, aber auch er ist daran gescheitert." "Können wir die Zeichen einmal sehen? Vielleicht können wir ja weiterhelfen.", sagte Liva, die sich nach diesem Gespräch sehr dafür interessierte. "Natürlich können Sie es, aber seien Sie vorsichtig! Wenn Sie keinen guten Führer haben, könnte es passieren, dass Sie eine Falle auslösen. Erst vor kurzem ist wieder ein Forscher umgekommen, als er eine solche berührte. Schade, dass unser bester Führer zurzeit nicht anwesend ist, es ist der Verlobte meiner Tochter, sein Name ist Corbinian. Also muss ich wohl herhalten, also gut, gehen wir!" Sie betraten das große Gebäude durch einen Seiteneingang. Im Inneren war es ziemlich kalt und dunkel, nur die Fackel des Alten leuchtete ihnen den Weg. Sie wandelte einige Zeit in scheinbarer Dunkelheit und bogen in mehreren Gängen ab, bis sie schließlich zu einer gläsernen Tür kamen. Schon von Außen wirkte die Kammer sehr edel. Der Türrahmen war mit Gold verziert und mit Kristallen gespickt. Schon in der Tür befanden sich seltsame Symbole. Alle gingen durch die Tür, nur Avil stockte. "Moment, ich kann es lesen!", schrie Avil aus sich heraus. "Was? Sie können es lesen? Aber warum?", wunderte sich der Mann. "Ich habe keine Ahnung!", Avil zuckte mit den Schultern. "Was steht dort?" Der Mann stand nun neben Avil und musterte die Symbole. "Begraben unter der schweren Last der Erde, entwichen aus dem Leben der Lebenden, erhoben in die Sphären der Götter...", las Avil vor, als Liva sich einmischte: "Auf ewig soll er ruhen, der letzte und größte König seiner Zeiten. In Gedenken an die Goldene Epoche der Anemos, unser Herrscher Sinoles, Pertils Sohn." Nun musterte der Alte nicht nur die Symbole, sondern auch die Zwillinge. "Das ist die Wahrheit, ihr sagt wirklich die Wahrheit?", der Mann war ganz aus dem Häuschen. "Natürlich können wir das lesen! Ich würde niemals jemanden anlügen!", sagte Liva bestimmt. "Dann müsst ihr unbedingt mit in die Kammer kommen und dort die Symbole identifizieren!" Er nahm von beiden eine Hand und führte sie in die Kammer. Mitten in dieser befand sich der Sarg von Sinoles, König der Anemos, der ebenso prächtig geschmückt war wie die Tür. Der Sarg war aus einem blauen Metall gefertigt, darüber war ein rotes Tuch gelegt worden. An den Seitenkanten befanden sich große Diamanten die jeweils mit Gold umrahmt worden waren, so dass sie aussahen wie Sterne. Als sie genauer hinguckte, bemerkte Avil, dass auf dem Tuch etwas eingenäht worden war. "Ich habe etwas gefunden, auf der Decke befinden sich auch Symbole!" "Bitte lesen Sie diese!" "Derjenige, der vom Schicksal auserkoren wurde, meine Grabkammer zu finden, soll meine Ruhe stören und den Schatz meines Lebens an sich nehmen, um ihn dem Sohn meiner größten Sünde zu geben. Ihr werdet ihn erkennen, wenn ihr ihn seht, sein Haar gleicht dem meinen, es strahlt in der Farbe der Hoffnung, und sein Name lautet Hieronymus. Er lebt dort, wo alle gefallenen Anemos enden, in einer Stadt weit, weit entfernt auf der anderen Erdhälfte. Mit diesem Schatz möge es ihm gelingen seine Bestimmung zu erfüllen und meine Sünde auszulöschen." Alle guckten sich an, dann krempelte Daja ihre Ärmel hoch und machte sich daran den Deckel herunter zu schieben. "Warten Sie, Fräulein Dajavela! Sie können doch nicht einfach...", fing der Mann an. "Aber der gute Mann sagte doch, dass wir seine Ruhe stören sollen und den Schatz nehmen sollen." "Nun hören Sie mal, Dajavela. Der Mann ist schon über zweitausend Jahre tot. Wie sollte der Sohn seiner Sünde noch leben?" "Indem seine Sünde ein oder eine Anemos war, die sicher langlebiger sind als wir und sein beziehungsweise ihr Sohn jetzt unser oder Euer Alter besitzt!" "Schön, ich werde es Euch ausnahmsweise erlauben." "Ah!" Liva, die in einer Ecke stand, schrie plötzlich auf. "Avil, schau mal! Das ist unser Lied. Da steht unser Kinderlied an der Wand! Wie kann das möglich sein? Woher kannte Mutter es, wenn es doch hier steht?" "Liva, hast du schon vergessen, dass Mutter uns erzählt hat, dass sie als Baby nach Lalivero gebracht worden war und dass ihr im Hinterkopf nur das... dieses Lied geblieben ist, welches ihr ihre Mutter immer vorgesungen hatte? Und dann hat sie es uns Dreien... Liva, warte mal!" "Was hast du, Avil? Was ist mit dir?" "Hast du es vergessen? Wir sind gar keine Zwillinge, sondern Drillinge!" "Drillinge... jetzt wo du es mir ins Gesicht sagst, weiß ich es auch wieder! Bloß was ist mit ihr? Wo ist sie?" "Das frage ich mich auch, wo ist sie? Wo ist Lavi?" Vor Takeru und Garem baute sich ein großes Gebäude auf, die Raststätte von Contigo. Hier sollte sich also Takerus Schwester Tamiko befinden? Beide atmeten tief durch und sahen sich gegenseitig an. "Wir sollten reingehen, meinst du nicht auch, Garem?" "Ja, aber ich bin so unsicher, vielleicht wäre es das Beste, wenn du alleine hinein gingest?" "Du bist nur nervös. Ich finde das ist ganz normal, aber du hast keinen Grund dazu!" "Du hast Recht." Beide gingen ins Wirtshaus und fragten nach Tamiko. Doch bevor sie Tamiko sehen durften, mussten sie noch das Zimmer bezahlen, was Garem mit Freuden tat. Sie gingen nach oben ins zweite Stockwerk, wo sie dem Weg nach rechts folgten, bis sie zum Zimmer Nummer sieben kamen. Takeru öffnete die Tür, während Garem versuchte ruhig zu atmen, was ihm aber leider nicht gelingen wollte. Sie erspähten noch eine andere Gestalt außer Tamiko im Zimmer. Die Gestalt trug einen langen, braunen Umhang, der sehr alt und schmutzig wirkte. An diesem Umhang befand sich eine große Kapuze, welche so tief ins Gesicht gezogen worden war, dass man das Gesicht der Gestalt nicht mehr erkennen konnte. Seine Haut war richtig weiß und seine Finger waren lang und dürr. Er sah aus wie eine Leiche. "Verzeihung, wer sind Sie?", fragte Garem in einem aggressiven Ton. "Niemand, nur ein alter Wanderer, der durch die Gegend schleicht.", antwortete die Gestalt mit einer rauen und dunklen Stimme. "Soso, Sie sind ein Niemand. Und was tun Sie dort mit meiner Verlobten?", Garems Stimme war hasserfüllt. "Ich beobachte sie und achte darauf, ob sie erwacht." "Sie haben sie aber nicht angerührt, oder?" "Garem, jetzt reicht es. Er hat sich bestimmt die ganze Zeit um sie gekümmert und du greifst ihn gleich an!" "Du hast wohl Recht. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie auf Tamiko aufgepasst haben." Eigentlich war es gar nicht Garems Art, jemanden so anzuschreien, wie er es gerade getan hatte. "Wer sind Sie?", fragte der Fremde und deutete auf Takeru. "Ich bin der Bruder dieses Mädchens, mein Name ist Takeru." "Seltsam, sie haben die gleiche Ausstrahlung wie mein Sohn." "Ihr Sohn... mhm." "Ja, mein Sohn. Ich meine natürlich einen meiner Söhne, ich habe sehr viele Kinder." "Wie heißt denn dieser Sohn, vielleicht kenne ich ihn?" "Ich denke nicht, aber falls Sie ihn sehen, grüßen Sie ihn von mir. Sein Name lautet Dragan." "Dragan also. Ich werde den Gruß überbringen." Der Fremde wandte sich wieder Tamiko zu. "Sie ist ein schönes Mädchen. Ihre Haut ist so weich. Sie sieht gesund und kräftig aus. Wenn sie lächelt, sieht sie bestimmt aus wie eine erblühte Blume." "Ja, sie ist sehr schön, sie kann wunderbar tanzen und kommt mir dabei immer vor wie ein Orkan. Ihr Herz ist voller Wärme und Leidenschaft.", sagte Garem sehnsüchtig. "Mhm...", machte Tamiko plötzlich. "Tamiko, bist du wach?", schrie Garem und stürmte ans Bett. Doch Tamiko war nicht erwacht, sie hatte nur etwas geträumt und im Schlaf gesprochen. Der Mann erhob sich und ging auf Takeru zu, der immer noch an der Tür stand. "Ich hoffe ihr kümmert euch gut um sie. Nicht dass ihr noch einmal so etwas passiert." Diese Worte kamen eher wie eine Drohung rüber, als wie ein normaler Ratschlag. Trotzdem nickte Takeru. In dem Moment, als der Fremde an Takeru vorbei ging, traf es Takeru wie ein Schlag. Er hatte Okas Anwesenheit gespürt. "Garem, hast du das auch gespürt?" "Was soll ich gespürt haben?" "Oka." "Oka?" "Ja Oka! Als er an mir vorbeiging!" "Nein, habe ich nicht." "Vielleicht hab' ich mich geirrt, muss wohl." Beide saßen nun an Tamikos Bett, Garem hockte auf dem Stuhl des Fremden und Takeru kniete neben ihm. "Takeru, weißt du noch, unser Versprechen?" "Welches Versprechen?" "Du weißt es nicht mehr! Ich meine das, dass Tamiko, Oka, du und ich uns gegeben haben. Wir wollten alle vier glücklich werden. Du wolltest Oka heiraten und ich sollte Tamiko zur Frau nehmen. Du warst sicher verstört, als Oka verschwunden ist?" "Nein, eigentlich war ich nicht verstört. Und ich habe mir auch keine Sorgen gemacht, denn ich habe das Gefühl, dass sie sicher und geborgen ist!" "Geborgen? Meinst du sie ist in vollkommener Sicherheit?" "Ja, das glaube ich. Ich denke sie ist bei einem anderen Teil von mir." In diesem Augenblick drückte Tamiko die Hand von Garem mit ihrer eigenen. Sie schlug langsam die Augen auf. Takeru und Garem starrten sie an. Sie guckte sich nervös um und fing plötzlich an zu schreien. "Beruhige dich, Tami!" Sie beruhigte sich etwas, als sie die Stimme ihres älteren Bruder hörte. "Takeru?" Sie schaute zu Garem hinüber. "Garem? Was ist los? Wo bin ich? Was ist geschehen?" "Du bist in Contigo, die Bewohner haben dich im Wald aufgelesen und zwar bewusstlos! Was mit dir geschehen ist, weiß ich leider nicht. Ich weiß nur, dass dich die todgeglaubte Mikage-Schlange entführt hat.", sagte Garem in einem angenehm ruhigen Tonfall. Er wollte nicht, dass sich Tamiko noch weiter aufregte. "Wie lange war ich nicht bei euch?" "Lange genug. Seitdem du weg warst, ist mir eines klar geworden. Ich habe dich so vermisst, es war eine Zeit des entsetzlichen Leidens. Das Herz wäre mir beinahe zersprungen! Tamiko, ich möchte dich heiraten, und zwar so schnell wie möglich!" Tamiko lächelte. "Auch ich will dich heiraten. Ich habe bloß Angst davor, dass man mich noch einmal entführen könnte und du dann leiden würdest!" "Garem, hast du schon an Folore gedacht, was willst du ihr sagen?" "Folore? Wer ist das?", fragte Tamiko verwirrt. "Das ist Garems kleine Freundin. Natürlich ist sie keine Gefahr für dich. Sie himmelt Garem an und sagt Garem sei ihr Prinz. Aber, Garem, was ist Folore für dich?" "Für mich? Sie ist wie eine weitere kleine Schwester, die ich bekommen habe, aber mehr auch nicht." Sie redeten noch gut eine Stunde, bis jemand an ihre Zimmertür klopfte. "Ja, herein!" Es betraten Liva, Avil und Daja das Zimmer. Takeru ging auf Daja zu und gab ihr einen Kuss. Dann bemerkte er, dass sie ein langes Ding mit sich führte, eingewickelt in ein Tuch. "Was ist das?" "Das ist ein Schwert, wir haben es im Heiligtum von Anemos gefunden. Es gehört einem gewissen Hieronymus!" Nach und nach kamen auch die anderen zurück. Tamiko schien richtig interessiert zu sein, was sie für eine Reise machten. Sie wollte alle genau kennen lernen und etwas über die Traditionen der Städte, aus denen sie kamen, erfahren. Spät am Abend, als endlich alle zusammen saßen, besprachen sie den Plan für den nächsten Tag. "Also, wir werden morgen zum Jupiter-Leuchtturm gehen.", sagte Gilbert und guckte Avil an. "Wenn du willst, werde ich hier bleiben.", meinte sie, weil sie seinen Blick entschlüsseln konnte und setzte anschließend fort: "Dann kann ich mich wenigstens nützlich machen, indem ich den Forschern weiterhelfe!" "Ich habe da eine Frage! Wäre es in Ordnung, wenn ich morgen bei Tamiko bleiben würde?" Niemand hatte etwas gegen Garems Wunsch. Also war es beschlossen, alle bis auf Garem, Avil und Tamiko würden zum Jupiter-Leuchtturm gehen. Nach einer guten Mahlzeit gingen sie früh zu Bett. An einem dunklen Ort stand ein thronähnlicher Stuhl, auf dem eine weiße Gestalt saß. "Ihr habt nach mir geschickt, Meister?", fragte eine Proxianerin. "Ja, Kalaya. Begib dich zum Jupiter-Leuchtturm. Morgen werden dort acht Personen erscheinen. Ich möchte, dass du alle kampfunfähig machst, aber sie nicht tötest. Ich werde zu dir kommen, wenn du meinen Namen rufst. Vergiss nicht, dass sie dein ,C' nicht sehen dürfen!" "Und warum habt Ihr mich hierher bestellt?", fragte ein junger Soldat aus Tolbi. "Ich möchte, dass du Isaac tötest.", befahl der grünhaarige Meister. "Soll ich wirklich? Ich meine er ist Euer..." "Schweig, ich will das nicht hören!" "Wie Ihr befehlt.", sagte der Soldat und wandte sich ab. Auch Kalaya machte sich auf ihren Weg. Der Meister ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen und dachte nach. Plötzlich erschien ein blauhaariger Mann, in dessen Begleitung sich ein blondes Mädchen befand. "War dies wirklich eine weise Entscheidung von dir Cranshaow?", fragte der Mann. "Stellst du meine Person in Frage, Alex? Vergiss nicht, ich habe dir damals vor zwanzig Jahren das Leben gerettet!" "Aber wegen dir wäre ich beinahe umgekommen.", sagte der Mann mit einem smarten Grinsen. Das Mädchen starrte die beiden Männer an, welche herzhaft loslachten. "Ich glaube ich bin ein bisschen fehl am Platz.", murmelte diese und wollte gehen, aber sie drehte sich noch einmal um und fragte Cranshaow: "War Tarek vorhin hier? Ich dachte ich hätte ihn zu dir gehen sehen." "Ja, das war er." "Wieso hast du mir nichts gesagt?", das Mädchen war ziemlich eingeschnappt. "Er war hier, um einen Auftrag abzuholen! Und du weißt doch selbst, dass du ihn niemals haben kannst." "Man wird doch noch hoffen können!", sagte sie und ging beleidigt weg. "Ja, die Hoffnung gibt den Menschen Kraft. Bloß was machen diese, wenn die Hoffnung verloren ist?" Kapitel 8: Der Jupiter-Leuchtturm --------------------------------- Der Jupiter-Leuchtturm "Kalaya!", rief ihr eine schwarzhaarige Frau zu. "Wie hast du vor in den Leuchtturm zu kommen? Schließlich bist du nur eine Feuer-Adeptin und sonst nichts!" "Ich denke mal du wirst mir helfen, immerhin bist du eine Wind-Adeptin." "Genau, das bin ich! Aber denke nicht, dass ich dir umsonst helfen werde, ich möchte, dass du diesen Brief zum Uranus-Adepten bringst. Aber wehe du liest ihn!" Kalaya nahm den Brief entgegen und nickte, um ihr Einverständnis zu erklären. Dann brachen die beiden Damen auf. Avil stand in ihrem Zimmer, als Gilbert hereinkam. "Guten morgen, hast du gut geschlafen?", fragte Avil. "Ja, habe ich. Du auch?" "Ich ebenfalls." Gilbert und Avil setzten sich auf das Bett. "Avil, sei mir nicht böse! Ich habe nur Angst. Angst dich zu verlieren." "Ich bin dir doch gar nicht böse! Ich komme mir nur unnütz vor. Ich sitze hier allein, während ihr euer Leben für Weyard riskiert. Und das alles nur, weil ich schwanger geworden bin! Sonst könnte ich mit um den Erhalt der Welt kämpfen. Ich fühle mich so nutzlos!" Tränen kullerten über ihr Gesicht. Gilbert legte seinen Arm beschützend um ihre Schultern. "Ich weiß, wie du dich fühlen musst, aber ich weiß auch, dass ich dich nicht beschützen kann, wenn es zum Kampf kommen sollte. Ich bin nicht stark! Wenn ich nicht wüsste, was in der Zukunft passieren wird, würde ich meine Augen vor alldem verschließen. Ich würde mich in einer dunklen Ecke verstecken, wo mich niemand finden kann." "Gilbert, sag so etwas nicht, so jemand bist du nicht. Du bist stark, zwar nicht körperlich, aber geistig! Deinen Willen kann keiner so leicht brechen, bei mir ist das anders." Gilbert und Avil saßen nachdenklich beieinander. "Ich glaube ich muss los." Gilbert stand auf und wollte gerade aus ihrem Zimmer gehen, aber dann sagte er noch zu Avil: "Ich möchte dir noch etwas geben." Er streifte den Ring, den er von Isaac erhalten hatte ab und gab ihn Avil. "Behalte ihn bis wir uns wieder sehen, dann gib ihn mir zurück." Avil nickte und nahm den Ring um. Vor dem Gasthaus waren schon alle bereit aufzubrechen, als Gilbert und Avil zu ihnen stießen. Er gab ihr einen Kuss. "Mach es gut, pass auf dich und unsere Kinder auf!" Dann wandte er sich Garem zu, der neben Takeru stand. "Ich passe auf ihn auf. Ich werde nicht zulassen, dass er es erfährt!" "Über wen sprecht ihr?" "Ach, Takeru, mach dir keine Gedanken darüber, ich werde es nicht soweit kommen lassen." Alle nahmen Abschied von Avil und Garem. Liva weinte sogar, als sie ging. "Also, Avil, ich gehe wieder zu Tamiko. Holt dich Meister Goran ab, oder gehst du selbst zu den Ruinen?" "Ich gehe selber, ich bin schließlich kein kleines Kind mehr." "Da hast du Recht. Dafür hast du aber bald ein kleines Kind!", sagte Garem und lachte dabei. Nach wenigen Sekunden hatte er sich wieder gefasst und ging zurück ins Wirtshaus. Avil wollte gerade losgehen, als sie bemerkte wie ein junger Mann zu ihr gelaufen kam. "Verzeihung, sind Sie zufällig Lady Avil?", fragte dieser. "Ja, das bin ich! Was wollen Sie von mir?", wunderte Avil sich, da sie den Jüngling nicht kannte. "Puh! Bin ich froh! Ich bin Corbinian, Führer durch das Heiligtum von Anemos. Ich hole Sie in Auftrag meines Schwiegervaters ab." Es war nicht gerade ein langer Weg bis zum Jupiter-Leuchtturm. Der ganze Leuchtturm funkelte lila und sah traumhaft schön aus. Schon am Eingang sahen sie Statuen von geflügelten Mädchen, welche einen Lorbeerkranz trugen. Sie waren aus Marmor gefertigt. "Meine Mutter hat mir einmal erzählt, dass der Leuchtturm von einer Frau erbaut wurde, die einen Seemann liebte und ihn mit Hilfe des Leuchtfeuers vor Gefahren bewahren und zu ihr lenken wollte. Sie liebten sich sehr, die Frau und der Seemann, also heirateten sie auf der Spitze des Turmes, doch es geschah ein Unglück. Eine böse Kraft in Form eines Blitzes soll sie getroffen und getötet haben. Als Überbleibsel blieben nur noch ihre leblosen Körper und ein kleines rundes Juwel, der Jupiter-Stern. So manifestierte sich ihre Liebe für immer in dem Stern.", erzählte Liva stolz. Drinnen sahen sie eine lange Treppe, die nach oben führte. "Ähm... Ich möchte euch noch etwas sagen.", sagte Gabriel, der noch zögernd am Eingang stand, und winkte Adreanna zu sich. Sie kam zu ihm und nahm seine Hand. "Ich und Adreanna, wir werden heiraten." Alle guckten sie merkwürdig an, doch Liva ging zu ihnen: "Das ist toll, wann werdet ihr denn heiraten?" "Morgen, in Contigo. Ahri bereitet alles vor.", sagte Adreanna und wirkte dabei traurig. "Morgen? Seid ihr euch da auch sicher?", fragte Takeru. Gabriel nickte und fügte hinzu: "Mir läuft die Zeit davon. Ich muss handeln, bevor es zu spät ist!" "Findet ihr nicht, ihr solltet damit noch warten, bis unsere Reise beendet ist?", fragte Eoleo. Gabriel schüttelte seinen Kopf. "Morgen also...", murmelte Gilbert, der abseits der anderen stand. "Eine Hochzeit, wie schön! Ich hoffe ich werde auch bald heiraten.", fügte Daja hinzu. Dann bemerkten sie erst, dass ein blödes Kommentar von Folore fehlte. Und nicht nur das, Folore war gar nicht bei ihnen. Folore erwachte schweißgebadet aus einem wunderschönen Traum auf. Sie fühlte sich überhaupt nicht wohl, ihr ganzer Bauch schmerzte. Sie stand trotzdem auf und versuchte sich ein wenig frisch zu machen, aber es wurde nicht besser. Zwar gelang es ihr, den Schweiß aus ihrem Gesicht zu waschen, aber die Bauchschmerzen bleiben. Sie ließ sich auf ihr Bett sinken und lehnte sich an die Wand. Mit ihren Händen stützte sie sich auf dem Bett ab und griff in etwas Feuchtes. Es war Blut, ihr Blut. Plötzlich schrie sie laut auf. Kurze Zeit später kam Garem in ihr Zimmer und fand sie ganz verstört vor. "Folore, was ist? Was hast du?", fragte er ganz erschrocken. "Blut! In meinem Bett ist Blut!" "Bist du verletzt?" "Nein, bin ich nicht." "Aha... dann verstehe ich es. Nun Folore, ab heute bist du eine Frau!" Garem verstand etwas davon, denn er hatte drei kleine Geschwister, bei denen er diese Phase schon miterlebt hatte. Sie hatten schon eine Stunde im Jupiter-Leuchtturm verbracht. In manchen Ecken lauerten Monster, die ihnen allerdings nicht den Weg versperrten. Sie waren einfach zu besiegen. Doch dann, als sie schon fast an der Spitze waren, begegnete ihnen eine riesige Echse, die zur Gattung der Riesensalamander gehörte. Sie wussten, dass gegen Echsen dieser Art nur Mars-Psynergie half, doch sie hatten keinen Feuer-Adepten unter sich. Dies verschlimmerte ihre Lage erheblich. Sie konnten nichts anderes tun, als sich ihr mutig entgegen zu stellen. Aber nichts half, sie konnten ihr nicht den geringsten Schaden zufügen, weder mit Waffen, noch mit Psynergie. Doch als sie schon fast aufgegeben hatten, kam eine rote Spirale aus dem Dunkeln des Turmes auf die Echse zu und tötete diese. Zuerst guckten sie auf die verbrannte Echse, dann auf den Fleck, woher die Feuerspirale gekommen war. Eine kleine Gestalt trat aus dem Schatten, es war ein kleines Mädchen mit rotem Haar. Ihr Gesicht hatte eine merkwürdige Farbe und sie hatte zwei schwarze Streifen unter ihren Augen. Auch ihre Ohren waren anders, sie waren spitz. Aber was noch erschreckender war, waren ihre vor Hass glühenden roten Augen. Im Gegensatz zu ihren Augen stand ihr zu einem breiten Grinsen geformter Mund. "Puh! Bin ich froh jemanden gefunden zu haben. Ich bin von meiner Gefährtin getrennt worden. Und ich als Mars-Adeptin komme hier nicht weit... Ach! Ich bin Kalaya!", sagte das rothaarige Mädchen. Sie gab allen ihre Hand zur Begrüßung. Dann gingen sie weiter bis zur Spitze des Turmes. Auf ihrem Weg mussten sie noch ein paar Mal Enthüller einsetzen, denn es wimmelte hier von versteckten Fallen, die man nur durch Enthüller entdecken konnte. Avil war entwischen schon mehr als eine Dreiviertelstunde in den Ruinen, als plötzlich Corbinian zu ihr kam. "Lady Avil, wir haben soeben eine zweite Grabkammer entdeckt! Kommen Sie bitte mit.", sagte er und nahm sie bei der Hand, damit sie nicht Gefahr lief in eine der zahlreichen Fallen zu treten. In der zweiten Grabkammer sah es schon anders aus. Bei Sinoles Grab war alles in blauen Farben gehalten, hier war jedoch alles in rot. Auf der Tür stand: "Hier ruht die weiseste Priesterin unserer Zeit, Vanadis, Frau von Sinoles, dem großen Herrscher." Corbinian und Avil betraten die Kammer. Der Aufbau der Grabkammer war genauso, wie der von Sinoles. Auch an diesen Wänden war ihr Kinderlied zu finden. Auch das Tuch war vorhanden, dieses war natürlich in blau und nicht in rot. Im ganzen Raum entstand die Atmosphäre eines Sonnenunterganges. "Lady Avil, könnten Sie bitte alles vorlesen?" Avil nickte. "Auf dem Tisch steht: Mögen die vier Göttinnen meine Enkelin beschützen, welche auf mein Geheiß unsere Gefilde verlassen musste. Sie soll eine große Bürde tragen, eine Bürde, die sie bei uns nicht ertragen könnte. Nachdem unsere Sünde ihre Mutter, unsere Tochter, auslöschte, war sie ihm hilflos ausgeliefert. Ich hoffe sie hatte Glück in ihrer neuen Umwelt und traf auf ,ihn'! Möge ,er' in der Lage sein unsere Enkelin zu beschützen und auch ihre Töchter.", las Avil erneut vor. Die Schicksalskinder standen an der Spitze des Leuchtturmes. Der Himmel war strahlend klar. Die Engelsstatuen traten auch hier auf, es waren zwei große Statuen, die etwas Ähnliches wie ein Deckel trugen. Sie traten an das Loch, in welchem der Jupiter-Stern früher gelegen hatte. Liva und Gilbert traten vor. Liva hatte keine Ahnung, wie der Stern aus ihrem Körper kommen sollte, also vertraute sie auf Gilbert, der es ja wissen musste. Gilbert hatte mächtige Angst, ein Gefühl der Tatenlosigkeit stieg aus seinem Unterbewusstsein hoch. Er hatte Angst, Angst um Takeru, um das Leben dieses jungen Adepten. Kalaya, die im dunklen Eingang stand, schaute auf die Schicksalskinder, sie hatte sich die ganze Zeit mit Adreanna und Gabriel unterhalten. Sie waren so nett. Wieso musste sie das nur tun? Sie wollte nicht, dass diese netten Leute starben, wie ihre Eltern. Sie hatte nur noch ihren Bruder Kep, und auch dessen Sicherheit war nicht garantiert. Am liebsten würde sie Cranshaow verlassen und mit den Schicksalskindern gehen. Sie wollte ihnen keinen Schaden zufügen. Adreanna kam lächelnd auf sie zu. "Kalaya, wieso stehst du noch hier, willst du nicht zugucken?", fragte sie besorgt. Kalaya konnte ihr nicht in die Augen sehen. Wieso nur sie? "Ich komme gleich nach, fangt schon einmal an. Ich werde bestimmt gleich nachkommen." Liva bemerkte, dass Gilbert neben ihr anfing nervös zu werden. Was hatte er nur? Je länger sie darüber nachdachte, desto nervöser wurde sie selber. Sie schwitzte richtig, vielleicht kam es daher, dass die Sonne gerade im Zenit stand. Es war unerträglich. Garem kehrte zurück in Tamikos Zimmer, in Begleitung von Folore. Tamiko lag immer noch im Bett. Garem wollte nicht, dass sie aufstand. "Tamiko, darf ich dir Folore vorstellen?", fragte Garem. Tamiko nickte. "Garem, ich kann mich auch alleine vorstellen. Guten Tag, ich bin Folore aus dem Lama-Tempel.", sagte Folore stolz. "Freut mich. Ich bin Tamiko, ich komme aus Izumo." "Ich weiß, dass du aus Izumo bist." Tamiko guckte Folore komisch an, dann lachte sie. "Du bist witzig. Ich hoffe wir werden gute Freundinnen.", sagte sie mit Tränen in den Augen. Jetzt war Folore verblüfft, sie hatte nie gedacht, dass Garems Verlobte so nett sein würde. Es fühlte sich an, als hätte sie eine große Schwester bekommen. "Garem, hast du etwas dagegen, wenn wir nach draußen gehen?", fragte Tamiko. "Nein, ich denke das würde dir gut tun. Dajavela hat Kleidung für dich dagelassen, dein Festtagsgewand hat ja auch schon viel miterleben müssen. Soll ich dir beim Umziehen helfen?" "Ja, gerne." Für Garem und Tamiko war es nicht ungewöhnliches, sich gegenseitig zu helfen. Garem machte sich daran, die Blumen aus ihrem Haar zu lösen, währenddessen legte Tamiko ihren Schmuck ab. Dann schlupfte sie aus dem Gewand. Als Tamiko nur noch in Unterkleidung da saß, war Garem wie erstarrt. Sie hatte ein ,C' auf dem rechten Oberschenkel, aber es war nicht grün wie seines, sondern rot. Blutrot. "Seit wann hast du das?", fragte Garem, der auf das ,C' deutete. "Ich weiß nicht, mir fällt es jetzt zum ersten Mal auf. Wieso fragst du?" "Na ja, ich habe auch ein solches ,C', doch meines ist grün und auf dem linken Oberschenkel, nicht so wie deines! Alle die mit mir reisen, werden als Schicksalskinder bezeichnet. Aber wir haben schon unsere zwei Erd-Adepten, Takeru und Avil." "Was hat das zu bedeuten?", wunderte Folore sich, die sich über Tamikos ,C' beugte. "Papa meinte Tamiko sei kein Schicksalskind!" Avil räumte gerade ein paar kleinere Steine aus dem Weg, um eine Inschrift lesen zu können. Sie hatte am heutigen Tag schon viel herausgefunden. Sinoles und Vanadis waren zwei der ,Großen Neun', wie man sie genannt hatte, gewesen. Vanadis war eine Jupiter-Adeptin gewesen und Sinoles schien alle Elemente in sich zu vereinet gehabt zu haben, er war der Wächter der Elementare gewesen. Sie hatten herausgefunden, dass die beiden zwei Kinder gehabt hatten: Celeste und ihren jüngeren Bruder Cranshaow. Über Cranshaow hatten sie nichts Weiteres herausfinden können, Celeste hingegen wurde wie ihre Mutter als eine weise Priesterin beschrieben. Sie war mit Frayne verheiratet gewesen, einem angesehenen Mann. Die beiden hatten eine Tochter gehabt, deren Name nicht aufgeschrieben worden war, da es wohl zu gefährlich für sie gewesen war. "Soll ich Ihnen helfen, Lady Avil?", fragte Corbinian, der gerade ankam. "Nein, das ist nicht nötig!" "Ich meine doch wegen ihres Kindes." "Ach so, nun, vielleicht bin ich doch etwas zu sorglos." "Ich wäre auch gerne Vater. Ich hoffe Ahri und ich werden viele Kinder bekommen." "Ich hoffe Sie werden glücklich. Wann heiraten Sie denn?" "Wir werden in einem halben Jahr heiraten." "In einem halben Jahr werde ich schon Mutter sein! Ich hoffe ich kann Gilbert bis dahin noch heiraten." "Lieben Sie ihn, oder ist es nur wegen des Kindes?" "Ich liebe ihn, mehr noch als alles andere auf der Welt!" Avil legte ihre Hand an die Wand. Dieser Ort gab ihr Geborgenheit. Sie fühlte sich als wäre sie zu Hause. Sie ging ein paar Schritte weiter nach vorne, dann plötzlich hörte sie ein Klirren. Sie guckte auf den Boden. Auf diesem lagen tausend kleine, grüne Steine. Sie bückte sich, um sich diese näher anzusehen. Ein ungutes Gefühl durchströmte ihren Körper. Sie schaute auf ihren Verlobungsring. Der Smaragd war nicht mehr da. Er lag auf dem Boden, zerbrochen. "Gilbert!", schrie sie aus sich heraus. In ihren Augen standen die Tränen. Eine innere Leere machte sich breit. "Lady Avil, was haben Sie?" "Es ist Gilbert, ich habe eine schlimme Vorahnung! Er wird nicht zurückkommen." Liva und Gilbert waren nun ganz nahe an das Stern-Loch heran getreten. Sie guckten sich an. Dann erschien eine über dem Loch schwebende geisterhafte Frauengestalt. "Ich bin Vanadis. Ihr seid hier um den Elementar-Stern des Windes wieder an seinen rechtmäßigen Platz zu bringen.", sprach die blondhaarige Erscheinung. "Ich muss euch jedoch warnen, eure Entscheidung wird euer Leben beeinflussen!" Beide nickten, sie waren bereit ihre Antworten zu geben. "Dann fangen wir bei dir, Liva, meiner Urenkelin, an." Liva staunte, eine so engelsgleiche Frau war ihre Urgroßmutter? Sie war ein bisschen verwirrt. "Also, Liva, wähle mit Bedacht, an deine Antwort sind noch drei andere Personen gebunden. Was ist dir wichtiger? Sicherheit in deinem eigenen Leben oder das Leben deiner Schwestern zu schützen?" "Die Antwort fällt mir leicht. Natürlich ist es mir wichtiger das Leben meiner Schwestern zu schützen, sie sind die Welt für mich!" "Dann soll es so sein. Ich wusste, dass du so antworten würdest." Plötzlich wurde es ganz heiß in ihrem Inneren, sie schloss die Augen. Als sie diese wieder öffnete, schwebte ein halber Elementar-Stern vor ihr! "Liva, pass auf deine kleinen Schwestern auf, vor allem auf Avil. Kommen wir nun zu dir, Gilbert." Gilbert nickte. "Wenn du die Wahl zwischen einem Leben in freier Natur und einem Leben im Schloss hättest, welches würdest du bevorzugen?" "Ich würde mich für ein Leben in freier Natur entscheiden, aber dies würde ich nicht mein ganzes Leben lang ertragen können, ich würde mich schuldig gegenüber meinem Volke fühlen. Also entscheide ich mich für ein Leben im Schloss." "Ich hätte nicht gedacht, dass du dies wirklich sagen würdest. Auch du pass auf meine Urenkelinnen auf, aber auch auf dich, du gehörst schließlich zur Familie." Vanadis verschwand und der Jupiter-Leuchtturm erstrahlte wieder in seinem Glanz. Liva und Gilbert drehten sich um und gingen wieder zu den anderen zurück. Und dann gingen sie gemeinsam Richtung Eingang. Doch Kalaya stellte sich ihnen in den Weg. "Ich möchte euch zwar durchlassen, aber ich kann es nicht." Sie murmelte einige Worte, die niemand verstand. Plötzlich merkten die Schicksalskinder, dass sie sich nicht mehr bewegen konnten. "Ihr habt bestimmt schon einmal von Erstarrung gehört. Sie ist eine der mächtigsten Psynergien auf ganz Weyard. Meister, Ihr könnt nun kommen!", schrie Kalaya in den Himmel. Es wurde auf einmal dunkel und ein schwarzer Schatten erschien. "Gut gemacht, Kalaya! Dein Bruder wird also noch etwas länger leben." Er wandte sich an die Schicksalskinder. "So, da haben wir ja die kleine Dajavela, erkennst du mich nicht mehr? Ich wollte dich schon immer haben, ich brauche dich, um Alex in Schach zu halten. Er überdreht mit seinen Kräften. Wäre ich damals nur eher da gewesen! Aber ich musste mich noch mit euren Eltern auseinander setzten, Gilbert und Liva. Wie groß ihr doch geworden seid! Ich habe euch als letztes als Babys gesehen, ich war schließlich gespannt auf die Enkelinen meiner Schwester und auf meinen eigenen! Takeru, bei dir bin ich mir noch nicht sicher, aber diese Ausstrahlung, wie Dragan. Gabriel und Adreanna, darf ich morgen anwesend sein, auf eurer Hochzeit? Gabriel, ich hoffe du weißt, warum sie dich heiratet, nicht aus Liebe, sondern aus Mitleid. Eoleo, ich hätte dich nicht für so gefährlich gehalten, du hättest mir beinahe alles versaut." Er ging zu Kalaya und flüsterte ihr etwas zu. Gilbert merkte, wie sich seine Erstarrung langsam löste. Er bemerkte, dass Cranshaow auf Daja zuging. Dann lief er los. Er stellte sich genau zwischen die beiden. "Was willst du, Gilbert?" "Was willst du? Nimm mich, nicht Daja!", sagte Gilbert entschlossen. "Meinst du? Na gut, ich werde dich nehmen." Er flüsterte ihm ins Ohr: "Du bist reingefallen, ich wollte dich, nicht Dajavela. Ich habe deine Visionen verfälscht! Er wird es noch erfahren, aber nicht heute." Cranshaow schnipste mit seinen Fingern. Er war mit Kalaya und Gilbert verschwunden. Zurück blieben nur die verwirrten Schicksalskinder. Kapitel 9: Zwei Tode -------------------- Zwei Tode Der Himmel klarte auf. Die Sonne war wieder strahlend am Himmel zu sehen. Es war so, als wäre niemals etwas passiert. Den Schicksalskindern war nichts geschehen, mit Ausnahme von Gilbert. Gilbert, der bis zu jenem Zeitpunkt seiner Entführung ein wertvolles und unersätzliches Mitglied der Gruppe gewesen war. "Warum? Warum hat er es nur getan?", sagte Liva, die am Boden lag und heulte. "Was soll jetzt aus meiner Schwester werden?" Gabriel legte Liva die Hand auf die Schulter. "Hör auf zu weinen, Liva. Er hätte das nicht gewollt, vielleicht ist er nicht..." Bei diesen Worten schreckte Daja auf. "Das alles nur meinetwegen! Er wollte doch mich, wieso hat Gilbert das getan? Es ist meine Schuld!" "Gib dir nicht selbst die Schuld! Du konntest doch nichts dagegen tun. Es war seine eigene Entscheidung!", sagte Takeru, um sie zu beruhigen. "Nein, Takeru! Es ist meine Schuld! Wäre ich nicht bei euch gewesen, wäre ich bloß in Contigo geblieben, dann hätte er sich nicht opfern müssen." Daja war außer sich. Plötzlich stand Eoleo vor ihr und gab ihr eine Ohrfeige. Alle waren wie erstarrt und Daja hielt sich ihre Wange. "Daja, rede keinen Unsinn. Ich weiß, dass es für alle Beteiligten nicht einfach ist, aber es war seine eigene Wahl. Er wollte die Zukunft ändern, die Zukunft zum besseren wenden, auch wenn er dafür sein Leben lassen müsste. Er wusste bestimmt, wen er damit unglücklich machen würde, aber es war ihm wichtiger die Welt zu retten, uns eine lebenswerte Zukunft zu geben. Niemand hätte ihn davon abhalten können, noch nicht einmal seine geliebte Avil. Wir dürfen deshalb nicht aufgeben, wir müssen weiter machen. Wir müssen weiterreisen, zum Saturn-Leuchtturm auf Hesperia!", schrie Eoleo, sodass jeder seine Worte mitbekam. "Ich glaube du hast Recht. Gilbert soll sich nicht umsonst geopfert haben!", stimmte Takeru entschlossen zu. Gabriel half der immer noch am Boden liegenden Liva auf und stützte sie. Ihre Tränen wollten gar nicht mehr aufhören zu fließen. Sie verließen den Ort des Schreckens. Erst als sie aus dem Turm herausgekommen waren, wagte Adreanna Gabriel anzusprechen. "Gabriel, was ist mit der Hochzeit?" Gabriel antwortete ihr nicht und mied ihren Blick. "Versuchst du mir auszuweichen? Was diese Person gesagt hat stimmt nicht! Ich liebe dich!" Gabriel starrte Adreanna nur an und sagte nichts. "Es ist wahr, anfangs habe ich nur gedacht, wie Leid es mir tut, dass du in drei Jahren sterben wirst und hatte deshalb Mitleid mit dir. Doch auf dem Leuchtturm ist mir eines klar geworden. Ich hätte niemals einfach so weiterleben können, wenn du verschwunden wärest! Aber das bist du nicht und ich danke den Göttern dafür! Ich liebe dich, Gabriel." Plötzlich musste Gabriel grinsen, er drehte sich weg, damit niemand etwas mitbekam. Eine Viertelstunde später kamen die Schicksalskinder wieder in Contigo an. Sie gingen zum Wirtshaus zurück. Takeru erinnerte sich daran, als sie Gilbert das erste Mal gesehen hatten. Damals hatte keiner von ihnen gedacht, dass er so bald nicht mehr da sein würde. Sie betraten das Wirtshaus. An der Bar saß Garem, der gerade eine Flasche Apojii-Wein bestellt hatte, danach lief er zurück zu einem Tisch in der Ecke. Liva deutete an, dass sie keine Lust und keinen Nerv hatte, die anderen zu sehen und ging somit nach oben auf ihr Zimmer. Auch Adreanna und Gabriel verabschiedeten sich, um zu Corbinian und Ahri zu gehen. Nun blieben nur noch Takeru, Daja und Eoleo, die Garem an den Tisch folgten. Sie setzten sich zu ihnen und blickten auf den Tisch. "Na, wie ist es gelaufen?", fragte Tamiko neugierig. "Na, weißt du, Tami, der Jupiter-Leuchtturm brennt wieder." "Das ist ja toll!", warf Garem ein. "Aber das war noch nicht alles, wir haben einen treuen Gefährten verloren.", erwiderte Eoleo. "Und das alles nur meinetwegen!", fügte Daja hinzu. "Deinetwegen? Ich denke nicht! Ich denke daran hat jemand anderes Schuld, nämlich..." "Folore, sei ruhig!", schrie Eoleo sie an. "Aber um Daja ging es doch gar nicht!" "Ich weiß, Folore.", sagte Eoleo traurig. "Wen hat es erwischt?", fragte Garem. "Wen glaubst du denn? Natürlich Gilbert! Er hat sich geopfert!", sagte Takeru bestimmt. "Gilbert! Ich glaub' das nicht! Was hat er sich dabei gedacht? Wieso hat er sich selbst geopfert? Was wird aus Avil und ihrem Baby? Wieso ist er nur gestorben?" Garem war total verzweifelt. "Ähm, Garem, du hast da etwas falsch verstanden. Gilbert ist nicht tot. Er wurde entführt! Es besteht also noch die Hoffnung, dass er am Leben ist. Er ist immerhin der Enkel des Entführers!", sagte Takeru, der nicht dermaßen geschockt war. "Der Enkel? Dann muss es Kyle, Gabriels Vater gewesen sein!", bemerkte Garem. "Nein, das kann unmöglich sein. Gabriels Vater ist tot und wurde nach seinem Tode verbrannt, hat Gabriel mir erzählt!", sagte Eoleo. Plötzlich brach großer Radau aus. "Das kann nicht wahr sein! Meinen sie das Ernst?", fragte ein Mann. "Doch, es ist mein Ernst!", sagte ein Reisender. Der Wirt kam zu ihnen. "Was ist hier los?", fragte dieser. "Haben Sie es noch nicht mitbekommen? Der König von Tolbi, er wurde umgebracht!", antwortete der Reisende. "Was? Wirklich?", der Wirt war ganz erschrocken. "Und der potentielle Thronfolger ist nicht anwesend! Er befindet sich gerade auf wichtigen politischen Reisen!", ergänzte der Reisende. "Auf wichtigen politischen Reisen?", der Wirt zitterte. "Ja, wenn ich's doch sage! Seine Mutter, Königin Jenna, wird sich zunächst um die Staatsgeschäfte kümmern. Die friedlichen Zeiten sind vorbei! Ein Sturm braut sich zusammen!" In diesem Moment betrat Yegelos das Wirtshaus. Eine ältere Dame lief zu ihm und flehte: "Bitte, Meister Yegelos, Beschützt uns!" Yegelos guckte verwirrt, sah aber dann seine Schwester aus einer Ecke winken. "Folore, was ist hier los?" "Die Bewohner, sie haben Angst. Jemand soll Isaac umgebracht haben!" "Isaac, der Freund von Vater?" "Genau der." "Was ist mit Gilbert, weiß er es schon?" "Yegelos, das ist gerade die Sache. Wir wissen nicht, wo Gilbert ist. Er wurde entführt, als wir auf der Spitze des Jupiter-Leuchtturmes waren!", sagte Eoleo. "Das ist doch ein Scherz, oder?", Avil stand hinter Yegelos, mit weit geöffneten Augen. "Nein, Avil. Es tut mir Leid." Eoleo starrte sie fassungslos an. So hätte sie es nie erfahren dürfen. Daja stand auf und ging zu Avil: "Setz dich, wir werden dir alles erzählen." "Ich will das nicht hören! Ich möchte alleine sein!" "Du solltest dir das anhören. Wenn Gilbert nicht zurückkommt, dann..." "Nicht zurückkommt? Wie meinst du das?" "Ist doch erst einmal egal, wie ich das meinte. Du trägst vielleicht die Hoffnung Tolbis in dir. König Isaac ist tot!" "Onkel Isaac ist tot?" Für Avil waren diese Nachrichten schwer zu verkraften. Es war so, als würde sie in ein schwarzes Loch ohne Boden fallen. "Was ist mit Liva? Geht es ihr gut?", erkundigte sie sich. Eoleo stand auf und ging zu ihr hin. Er nahm sie in den Arm. "Liva geht es gut, ich werde sie für den Rest meines Lebens beschützen! Ich werde auch für dich da sein, wenn du mich brauchst. Solange Gilbert nicht da ist und noch weiter. Solange du willst." Avil nickte und begann zu weinen. "Weine dich ruhig aus." Er löste die Umarmung, stütze sie aber dennoch weiter. "Ich gehe mit ihr nach oben, sie sollte sich jetzt erst einmal ausruhen." Gabriel und Adreanna kamen bei Ahri zu Hause an. "Meinst du, es ist wirklich in Ordnung zu heiraten? Immerhin ist dein Neffe verschwunden.", fragte Adreanna. "Ich weiß, dass es vielleicht nicht der richtige Augenblick ist, um zu heiraten. Aber ich frage mich, ob es jemals wieder eine neue Gelegenheit geben wird. Ich denke auch, dass Gilbert wieder zurückkehren wird. Er ist sehr stark, er weiß bloß nicht, wie stark er wirklich ist. Jetzt mache ich mir mehr Sorgen um Avil und ihre Kinder. Ich hoffe sie hält durch, bis er zurückkommt.", sagte Gabriel mit einer so matten Stimme wie noch nie. "Ihre Kinder?", wunderte Adreanna sich. "Ja, ihre Kinder!" Gabriel grinste matt. Adreanna war sehr verwirrt. Sie wusste nicht so recht, was sie denken sollte. "Ich denke wir sollten ohne Bedenken heiraten! Ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Ich will dich nicht missen." Gabriel umarmte Adreanna. "Ich habe Angst! Angst davor alleine zu sterben. Du weißt ja gar nicht, wie glücklich du mich machst. Und diese Reise, ich kann noch einmal alles von Weyard sehen. In diesem Moment bin ich trotz gewisser Umstände sehr glücklich!" "Ich bin auch glücklich. Glücklich euch alle getroffen zu haben. Dich getroffen zu haben. Wie du mich aus meiner Lage befreit hast. Ich dachte schon, mich würde niemand mehr mögen! Nach der Auflösung unserer Gruppe habe ich alle Fremden gemieden und wollte mich auf niemanden einlassen. Nur noch zu Ahri hatte ich Briefkontakt. Ich war sie nie besuchen und zu mir kam sie auch nicht. Doch vor etwa einem Monat habe ich mich entschlossen, einen neuen Anfang zu machen. Nachdem ich auf die anderen Schicksalskinder getroffen bin, stand mein Entschluss eindeutig fest. Ich glaube an uns, unsere Gruppe wird länger und fester zusammenhalten, auch wenn Zeiten der Hoffnungslosigkeit kommen werden. Wir müssen uns gegenseitig stützen, uns vertrauen und einander Hoffnung geben. Haben wir keine Hoffnung mehr, sind wir verloren und unsere Aufgabe wird zum Scheitern verurteilt sein.", sagte Adreanna stolz. "Du hast Recht, ohne Hoffnung kommt man nicht weit." Plötzlich tippte jemand Adreanna auf die Schulter. Eine grinsende Ahri sah sie an. "Wieso kommt ihr nicht ins Haus?", fragte diese und ging pfeifend hinein. Adreanna und Gabriel folgten. Corbinian saß im Wohnraum und trank mit Goran eine heiße Tasse Tee. Ahri wies Adreanna und Gabriel an sich zu ihm zu setzten. "Wie ist es gelaufen?", fragte Corbinian neugierig. "Nun, der Leuchtturm brennt wieder. Alle sind unverletzt. Wir sind wieder hier. Alle, bis auf meinen kleinen Neffen." "Deinen Neffen? Du hast einen Neffen?", wunderte Corbinian sich. "Ja, habe ich. Einen sehr bedeutenden sogar. Er ist Prinz Gilbert aus Tolbi." "Was? Prinz Gilbert aus Tolbi? Er ist verschwunden? Was in aller Welt geht in Weyard nur vor sich?" "Wieso, was ist passiert?" "Habt ihr es noch nicht gehört? Isaac, der König von Tolbi ist umgebracht worden!", sagte Goran. Gabriel ließ die Tasse aus seiner Hand fallen. Er starrte mit weit aufgerissenen Augen Goran an. Er fing an zu weinen. "Er ist tot. Wieso nur? Ich verstehe die Welt nicht mehr. Mein armer Bruder! Wie ist er gestorben, habt ihr das erfahren können?" "Es ist das Gerücht im Umlauf, dass er von einem schwarzen Schatten im Schlaf umgebracht worden ist. Tut mir Leid, Gabriel. Ich wusste nicht, dass er dein Bruder war.", sagte Corbinian. "Was ist mit seiner Frau Jenna, geht es ihr gut?" "Sie ist wohlauf. Sie soll neben ihm aufgewacht sein, doch für ihn gab es keine Hoffnung mehr." "Ich will es nicht glauben und ich kann es auch nicht. Vielleicht sollten wir die Hochzeit doch verschieben. Der Augenblick scheint mir nicht mehr der richtige zu sein. Vielleicht wäre es besser, wenn ich auch einfach tot wäre! Ich habe nur noch meine Mutter, die auch schon alt und schwach ist." "Was wird dann aus mir? Ich dachte, du und ich, wir gehören zusammen. Ich werde deine Familie sein und außerdem ist Gilbert auch noch da. Was würdest du ihm antun, wenn du plötzlich nicht mehr da sein würdest? Denkst du nicht er wäre verletzt? Du kannst doch nicht die Hoffnung auf bessere Tage aufgeben! Das geht doch nicht! Ich will dich nicht verlieren." Gabriel guckte Adreanna an und sagte: "Mach dir keine Sorgen. Ich werde dich nicht alleine lassen, niemals." "Das hoffe ich auch." Adreanna legte ihre Hand auf Gabriels. Sie sahen sich an. "Was wird jetzt aus der Hochzeit, wollt ihr sie ausfallen lassen? Wo ich mir doch eine so große Mühe gegeben habe?", meinte Ahri. In ihrer Stimme lag ein beleidigter Unterton. Sie wollte nicht, dass ihre ganze Mühe umsonst gewesen war. "Nein, Ahri. Wir machen jetzt keinen Rückzieher. Wir werden heiraten!", sagte Adreanna. "Seid ihr wirklich sicher? Ich meine, was ist mit eurer Aufgabe die Leuchttürme zu entfachen? Müsst ihr wirklich morgen heiraten, könnt ihr nicht nach der Beendigung eurer Reise heiraten?", Corbinian war äußerst nervös. "Warum so nervös? Du möchtest doch nur vor uns heiraten. Ich habe dich genau durchschaut!", lächelte Gabriel. "Ach, Adry! Willst du nicht dein Kleid sehen? Ich habe dir eines mit echtem Contigo-Schnitt ausgesucht! Corbinian war für Gabriel etwas aussuchen, ich weiß also nicht, wie dein Gewand aussieht.", sagte Ahri und nahm Adreanna bei der Hand, so dass sie Adreanna gut hinter sich herziehen konnte. Sie gingen in Ahris Zimmer und dort sah Adreanna das Brautkleid. In diesem Moment war ihr so richtig bewusst geworden, dass sie heiraten würde. Liva stand am Fenster und guckte in die volle Stadt, als Eoleo eintrat. "Liva, wie geht es dir?", fragte dieser besorgt. "Gut, ganz gut. Mir ist doch nichts passiert. Er hat ja nur Gilbert entführt. Nur Gilbert, kannst du dir überhaupt vorstellen, was das bedeutet? Der einzige Thronfolger von Tolbi ist verschwunden, mein liebster Cousin, die Hoffnung von ganz Tolbi, wenn nicht von ganz Weyard. Ich wüsste nur zu gerne, ob er noch zu retten ist. Ich würde mein Leben im Austausch geben. Ich möchte, dass niemand leidet!" "Liva, denkst du nicht, dass du jemanden zum Leiden bringen würdest, wenn du verschwinden würdest? Deine Schwester Avil würde sich um dich sorgen und ich..." Er nahm ihre Hand und führte sie zu seinem Herzen. "Dieses Herz, es schlägt nur für dich. Wenn du weg sein würdest, würde es zerbrechen, wie ein Kristall aus Glas." "Ach, Eoleo. Ich kann vor meiner Vergangenheit fliehen, aber nicht vor meiner Zukunft, oder?", sagte sie und seufzte laut. "So ist es. Du kannst jedenfalls vor deiner Vergangenheit fliehen. Wenn ich dies könnte, wäre ich den Göttern dankbar. Leute aus Champa werden schon seit geraumen Jahren für Piraten gehalten. Ich konnte nicht anders und wurde zum Pirat. Eines Tages nahm ich meine Schwester mit an Bord, doch ich konnte wirklich nicht ahnen, was sie tun würde. Als wir auf Plünderung waren, trafen wir auf ein Passagierschiff. Dort war eine Frau mit einem kleinen Baby, sie waren hilflos ausgeliefert. Sie hätten sich nicht wehren können und waren viel zu ängstlich. Aber was tat Odja-Dja? Sie nahm das kleine, wehrlose Geschöpf, packte dies an den Beinen und warf es einfach über Bord! Die Mutter, die erbost zugesehen hatte, sprang ihrem kleinen Baby hinterher. Seit diesem Tag habe ich Odja-Dja immer an Bord der Obaba gelassen, wenn wir Plünderungen durchführten. Ich wollte, dass sich dieser Vorfall nicht wiederholt.", sagte Eoleo schweren Herzens. "So etwas tut deine Schwester? Sieh sah doch so lieb und hilfsbereit aus! Ich kann es nicht glauben!", Liva war entsetzt, so etwas hatte sie Odja-Dja gar nicht zugetraut. "Es ist wahr, Liva. Nicht alle Menschen sind gut. Manche hecken in der Dunkelheit der Nacht ihre Pläne aus. Sie fressen den Hass in sich hinein. Sie lieben es zu töten, zu quälen und sonstige schlimme Dinge zu machen und achten dabei gar nicht auf die Gefühle derer, die sie zurücklassen." "Ich weiß, Eoleo. Aber kann man nicht das Böse vernichten, so dass nur noch die gute Seite existiert? Ich möchte nicht kämpfen, das führt doch zu nichts. Es wird immer eine dunkle Seite geben. Aber ich möchte nicht, dass jemand leidet! Ich will, dass niemand unglücklich ist. Doch ich weiß, dass mein Traum von einer friedvollen Ewigkeit niemals wahr werden kann." "Liva, man kann vielleicht nicht erreichen, dass alle Menschen glücklich sind, aber man kann versuchen, sein eigenes Glück zu finden, so dass man nichts bereuen muss!" "Vielleicht hast du Recht, aber dennoch halte ich an meinem Traum fest. Ich werde ihn nicht loslassen." Liva wandte sich von Eoleo ab und ging zum Fenster. Sie hatte einen Entschluss gefasst, von dem sie niemand mehr abbringen konnte. Sie wollte sich für ihren Traum einsetzten, mit Leib und Seele. "Adreanna, kommst du? Es wird Zeit. Du solltest dich für deine Hochzeit fertig machen!", sagte Ahri. Adreanna hatte nicht wie alle anderen im Wirtshaus geschlafen, sondern bei Ahri. "Du hattest Glück, dass Meisterin Hama an diesem Tag keine anderen Verpflichtungen hatte. Sonst hättet ihr von Cahia getraut werden müssen. Sie ist noch jung und deshalb unerfahren in ihrem Amt als Priesterin, obwohl sie die einzige Schülerin von Meisterin Hama ist, die sie seit langem hatte.", sagte Ahri beiläufig, als sie Adreanna in ihr Kleid half. Es war ein weißes Kleid aus Baumwolle, welches so lang war, dass es über die Füße der 1.76 Meter großen Adreanna fiel, dies war in Contigo üblich. Auch die Ärmel des Kleides waren lang, am Ende wurden sie weiter und waren mit Rüschen verziert, welche wiederum mit Mondsteinen bestickt waren. Die Rüschen, aber diesmal ohne Steine, waren über den ganzen weiten Rock des Kleides zu sehen. Das Oberteil war überwiegend aus der gleichen Farbe wie weiter unten, doch stellenweise war auch ein beiger Ton zu finden. Die unterschiedlichen Farbtöne bildeten ein senkrecht verlaufendes Streifenmuster. Der Schleier war aus Tüll und etwa drei Meter lang. Es klopfte an der Tür. "Wer ist da?", fragte Ahri. "Ich bin es, Avil. Ich möchte zu Adreanna!" Ahri hüpfte zur Tür und öffnete diese. Avils Augen waren geschwollen und rot. "Avil, geht es dir gut?", fragte Adreanna besorgt. "Abgesehen davon, dass Gilbert fort ist, könnte es mir nie besser gehen! Mir geht es spitze! Sag mal Adreanna, warum musst du jetzt heiraten? Jetzt, wo man mir alles genommen hat, was ich liebte? Jetzt, da Gilbert tot ist? Er wird nicht zu mir zurückkommen. Ich habe keine Hoffnung mehr.", sagte Avil und brach zusammen. Es war alles zu viel für sie, zuerst hatte sie Gilbert verloren, dann hatte sie erfahren müssen, dass ihr Onkel tot war und zur Krönung heiratete Adreanna in einer solchen Situation. Sie konnte nichts mehr verstehen. "Avil, was ist mit dir?", schrie Adreanna, während sie auf Avil zulief. Sie fühlte ihre Stirn, da sie extrem schwitzte. Adreanna behielt recht mit ihrer Vermutung, Avil hatte hohes Fieber. "Ahri, hol sofort Corbinian! Er muss uns helfen sie irgendwo hinzulegen, sie sollte sich ausruhen." Ahri lief los und kam kurze Zeit später mit Corbinian wieder. Dieser trug Avil ins Bett. Ahri brachte ein paar kalte Wickel, damit sie das Fieber senken konnten. "Es tut mir Leid, Avil. Gegen Krankheiten kann ich nichts tun. Hätten wir doch nur Hermes-Wasser aus dem heiligen Brunnen. Aber dieser liegt in Imil und das ist so weit weg!" "Adreanna, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Hier, nimm diesen Ring für deine Hochzeit, danach musst du ihn mir wiedergeben, er gehörte Gilbert.", sagte Avil und lächelte. "Das neue Kleid hast du auch schon." "Ich habe eine alte Kette von meiner Mutter." "Brauchen wir also nur noch etwas Blaues. Vielleicht ein blaues Band für deine Haare? Sie sind recht lang geworden.", Ahri kramte in einer Schublade und zog ein blaues Band hervor. "Damit bin ich bestens ausgerüstet!" Sie schritten zur Kapelle, in der die Hochzeit stattfinden sollte. Avil ließen sie, auf ihren Wunsch hin, alleine zurück. Corbinian sagte er habe etwas vergessen und lief alleine noch einmal zurück. Gabriel stand schon am Traualtar, er war ziemlich nervös. Sein Hochzeitsgewand bestand aus einer weißen Baumwollhose, die unten am Saum einen blauen Streifen hatte. Das Oberteil war knielang und sehr weit, wie es in Contigo üblich war. Auch die Ärmel und der Schulterbereich waren in blau gehalten, der Rest war natürlich weiß. Zum Gewand gehörte eigentlich noch ein weißer Stirnreif, den Gabriel jedoch nicht trug, da er ihn zu schrecklich fand. Alle Schicksalskinder, mit Ausnahme von Avil und Gilbert, waren anwesend. Adreanna ging schweren Schrittes den Gang entlang und trat somit an Gabriels Seite. Sie nahmen sich an die Hand. "Wir haben uns heute hier versammelt, weil diese zwei Lichter zu einem werden wollen.", sagte Meisterin Hama. "Das eine Licht kommt aus Vale, einem stolzen Ort. Dieses Licht heißt Gabriel. Möchtest du, Gabriel, zu einem Licht verschmelzen?" "Ja, ich will!" "Das andere Licht kommt aus Imil, dem Dorf der Kälte. Dieses Licht ist Adreanna. Möchtest du, Adreanna, zu einem Licht verschmelzen?" "Ja, ich will." "Dann seit ihr nun ein Licht. Möge Vanadis mit euch sein und euch beschützen!" Gabriel begann Adreannas Schleier zu heben, um sie zu küssen, doch er spürte einen Luftzug. Im nächsten Augenblick schrie jemand auf. Es war Meisterin Hama, ein Pfeil steckte in ihrer Brust. Alle drehten sich in die Schussrichtung um. Dort stand Corbinian. "Warum? Was? Corbinian?", schrie Ahri vor Entsetzen auf. "Das hast du gut gemacht, Corbinian! Tja, das kommt davon, wenn man mich nicht einlädt.", sagte die Gestalt vom Tage zuvor. "Warum tust du das?", schrie Liva aus der Mitte der Schicksalskinder. "Für meinen Traum!" Damit verschwand die Gestalt mit Corbinian. Kapitel 10: In Gefangenschaft ----------------------------- In Gefangenschaft Gilbert erwachte in einem kleinen Raum, der aussah wie eine Gefängniszelle. Überall war es dunkel, es gab nicht einmal ein Fenster. Licht kam nur unter dem Türschlitz herein. Sein Kopf dröhnte und seine Arme waren schwer. Er versuchte sich zu bewegen, aber es gelang ihm nicht, denn er war an seinen Händen und Füßen angekettet. Gilbert hatte keine Ahnung was hier vor sich ging, er hatte doch die Zukunft vorhergesehen. Wieso hatte die Gestalt nicht Daja gewollt, sondern ihn? Was war so besonders an ihm? War er wirklich sein Großvater? Er konnte es nicht glauben. Er fühlte sich so hilflos, denn er konnte noch nicht einmal sich selbst schützen. Es kam ihm so vor, als ob die Welt, wie er sie gesehen hatte, zu verschwimmen begann. Ein großes, schwarzes Loch tat sich auf und drohte ihn zu verschlucken. Ein leises Knarren versuchte ihn aus seinen Gedanken zu reißen, was diesem auch gelang. Ein rothaariges Mädchen stand in der Tür. Sie hatte nicht wie am Tage zuvor einen Mantel an, sondern ihre Rüstung, deren Eisen mit Drachen verziert war. Die Rüstung bestand aus einen kurzen Brustpanzer und einem Rockteil, umspielt wurde sie mit sanften, weißen Tüll. An ihren Hand- und Fußgelenken befanden sich lange, fest anliegende Reifen, welche ebenfalls aus Eisen bestanden. Sie hatte um ihren Kopf eine Kette, die in der Mitte einen Rubin besaß. Die roten Haare waren zu einem hohen Zopf zusammen gebunden. Sie hielt etwas in der Hand. Es war ein Tablett mit Essen darauf. Sie stellte es genau vor ihn hin. "Hier, für dich!", sagte Kalaya. Sie war schon am Weggehen, doch Gilbert rief ihr hinterher: "Hey, wie soll ich das bitteschön essen?" "Oh, ich vergaß." Sie setzte wieder ihre Erstarrung ein, nahm ihm die Handschellen ab und ging dann wieder hinaus, anschließend schloss sie die Tür zu und löste die Erstarrung. Sie ging den langen Flur entlang. "Na, Kalaya, wie geht's?", fragte Corbinian, der sich von hinten näherte. "Was soll das Corbinian, du weißt doch, dass ich diesen Ort verabscheue!" Sie ging zu einer hölzernen Tür, die etwa fünfzig Meter neben der Gefängnistür von Gilbert lag. Erst drückte sie ihre Hände gegen diese, dann ihren ganzen Körper. "Er erinnert sich noch nicht einmal an mich! Ich bringe ihm jeden Tag zu essen. Er weiß noch nicht einmal, warum er hier eingesperrt ist. Er fragt immer danach, aber ich kann ihm diese Frage nicht beantworten. Er leidet und das nur wegen mir. Wäre ich doch nur eine normale Proxianerin, aber das bin ich nicht. Ich bin eine Botin des Unheils, das Weyard zerstören wird. Wäre ich kein Schicksalskind, würde mein Bruder nicht so leiden müssen!" "Kalaya, es mag schwierig sein, aber ich denke für uns zwei gibt es einen Ausweg. Ich wollte nie jemanden umbringen. Ich wäre am liebsten selbst tot. Als ich vor drei Jahren zum Tode verurteilt wurde, hätte ich sterben sollen. Ich habe meine eigene Zwillingsschwester ermordet und ich weiß noch nicht einmal wie! Als ich am Morgen aufwachte, waren meine Hände blutverschmiert und Corbinia lag neben mir. Sie war tot. Ein Messer hatte ihre Kehle durchgeschnitten. Die Dorfbewohner haben mich gefunden und unser Dorfältester hat über mich gerichtet. Ich sollte noch einen Tag zu leben haben. Aber in der Nacht wurde ich befreit. Nach meiner Befreiung irrte ich eine ganze Woche in der Wüste Suhalla umher. Ich war am verdursten, aber die gleiche Person, die mich auch schon befreit hatte, rettete mich erneut. Er nahm mich mit an diesen Ort und ich fasste einen Entschluss. Einen Entschluss, an den ich mich halten wollte. Dies gelang mir bis zum gestrigen Tag, an dem ich mein Versprechen brach und Meisterin Hama umbrachte. Ich wollte doch niemandem jemals wieder Leid zufügen. Ich hasse mich! Ich wollte Ahri glücklich machen. Ich wollte nicht..." "Was wolltest du nicht? Jemanden töten? Was kümmern dich die, die zurückbleiben? Es kann dir doch egal sein wen du umbringst, wir müssen alle sterben. Es ist vorherbestimmt, wie wir sterben werden. Und du hättest dich doch selbst ermorden können! Aber nein, dein Leben war dir wichtiger! Oder wolltest du nur wegen Ahri weiterleben? Meinst du sie möchte einen Mörder zum Mann? Ich denke das will sie nicht. Oder eher, sie kann nicht, das verstößt gegen ihre Natur. Habe ich Recht? Ohne sie ist dein Leben doch sinnlos, oder? Los, warum tötest du dich nicht?", fragte Tarek, der am Ende des Flurs stand. Er ging auf Corbinian zu und übergab ihm eine kleine Flasche mit einer blauen Flüssigkeit. "Das ist Gift. Benutze es ruhig, wenn du keinen Ausweg mehr weißt. Ein Schluck und dein Leben ist erloschen!" Er zog seine Augen zu Schlitzen zusammen und verließ den Flur durch eine der Türen. "Gift? Für mich?", fragte Corbinian sich und starrte die Flüssigkeit an. "War Tarek nicht gerade hier?", fragte ein blondhaariges Mädchen. "Ja, war er. Aber was interessiert dich das?", sagte Corbinian und steckte das Fläschchen ein. "Das braucht dich gar nicht zu interessieren! Das ist meine Angelegenheit." "Jetzt beruhig dich!", sagte Corbinian und während er an ihr vorbeiging, flüsterte er ihr zu: "Du weißt, dass er verheiratet ist und ein Kind hat. Ich glaube kaum, dass er Interesse an einem unreifen Mädchen hat." Das Mädchen guckte traurig zu Boden, denn tief in ihrem Inneren wusste sie, dass Corbinian Recht hatte. "Lavi, verlier nicht die Hoffnung! Du wirst bald einen netteren Mann treffen. Einer, der deiner würdig ist. Einer, der dich nicht enttäuschen wird. Einer, an dessen Händen kein Blut von Unschuldigen klebt.", sagte Kalaya. "Vielleicht hast du Recht! Ich möchte nicht mehr hier sein. Ich komme mir vor, als würde ich bei einer Bande von Mördern wohnen. Ich habe Angst, ich will hier nicht mehr sein. Ich möchte bei Avil und Liva sein!" "Ich weiß, wie du dich fühlen musst. Vielleicht hast du Recht. Vielleicht sollten wir versuchen zusammen aus dieser Hölle zu entkommen. Wir drei gemeinsam, du, mein Bruder und ich!" "Ja, dass wäre schön. Endlich in Freiheit zu leben!" Die Entscheidung aus dieser Hölle zu fliehen gab den beiden sechszehnjährigen Mädchen Mut und Hoffnung. Sie waren nicht allein. Gilbert war wieder gefesselt worden. Er hatte nicht die geringste Ahnung, warum er hier war. Er wusste nur, dass er einsam war. Avil fehlte ihm so sehr. Er würde alles tun um sie noch einmal sehen zu können, selbst sein Leben für sie geben. Plötzlich öffnete sich die Tür. Die dunkle Gestalt erschien im Türrahmen. Hinter dieser war eine schwarzhaarige Frau mit einem schwarzhaarigen Mädchen. "Ich hoffe du genießt deinen Urlaub! Da niemand gerne allein verreist, habe ich dir eine Begleitperson besorgt." Er weiß die Frau an das Mädchen neben Gilbert anzuketten. "Dieser Körper war eine Last für mich, mein neuer Körper ist besser und männlich. Nicht so ein zerbrechlicher, wie bei meiner lieben Oka." Oka? Hatte er gerade Oka gesagt? Sie war Garems Schwester? Die Gestalt wollte gerade gehen, als Gilbert ihm nach schrie: "Was willst du von mir? Bin ich wirklich dein Enkel? Wer bist du nur?" "Ach, mein armer, kleiner Gilbert, ich habe dir ja gar nichts erzählt. Ich beantworte dir deine Fragen. Also erstmal stehst du meinem Traum im Weg. Ja, du bist mein Enkel und ich bin Cranshaow." "Wessen Vater bist du? Von Mutter oder Vater?" "Natürlich von deinem Vater Isaac. Lange bevor Kyle und Dora geheiratet haben, war ich der Partner von Dora. Eines Tages erzählte sie mir, dass sie schwanger sei. Da wusste ich, dass es Zeit war zu gehen. Kurz darauf hat sie Kyle geheiratet und alle Bewohner von Vale dachten er sei der Vater. Nur ich und Dora wussten die Wahrheit." "Das kann doch nicht wahr sein!" "Doch, dass kann es, genauso wie es wahr sein kann, dass dein Vater nicht mehr lebt." "Vater? Er soll nicht mehr leben?", in Gilberts Gesicht machte sich Entsetzen breit. "Genau, ich habe ihn umbringen lassen. Ich glaube, als nächstes wird Ivan dran sein." "Ivan? Warum tust du das alles?" "Für meinen Traum.", sagte Cranshaow und verschwand aus der Zelle. Gilbert fing an zu weinen. Sein Vater war tot. Er konnte sich noch nicht einmal mehr für die Dinge, die er gesagt hatte, entschuldigen. Er konnte ihm nicht mehr sagen, wie sehr er ihn liebte. Er konnte nichts mehr zu ihm sagen, niemals mehr. Wie konnte sein eigener Großvater nur so etwas tun? Wie konnte er? Cranshaow nahm auf seinem ,Thron' platz. Äußerlich schien er ganz normal zu wirken, aber innerlich kochte heiße Glut ihn ihm. Er war noch nie so lange in der Nähe eines Verwandten gewesen. Selbst als Baby war er kurz nach seiner Geburt verstoßen worden. Sein Leben hatte er größtenteils auf den Straßen von Destino, der Stadt der hohen Anemos, geführt. Bis Kanzler Liborius ihn schließlich aufgenommen und ihm sein Schicksal offenbart hatte. Von ihm hatte er auch erfahren können, was für eine Rolle die Tochter von Celeste spielte. Sie war die seit zehntausend Jahren erwartete Auserwählte. Plötzlich erschien Alex vor ihm. "Wie gefällt dir dein neuer Körper?", fragte Alex neugierig. "Ausgezeichnet. Zum Glück habe ich eine Lösung gefunden, wie ich weiterleben kann. Sonst hätte ich meinen Traum nicht in Erfüllung gehen sehen können.", Cranshaow guckte in die Ferne. "Meinst du wirklich er ist der richtige unter deinen zweiundzwanzig, ähm, einundzwanzig Nachfahren?" "Ja, das wird er sein. Ich habe ihn schon ausgewählt, bevor er geboren worden ist. Er, der wie ich Beschützer aller Elemente sein soll." Tarek betrat den Raum. Alex sah zu ihm hinüber und verschwand. "Meint Ihr nicht, dass er uns verraten wird? Er wird sicherlich seine Tochter Dajavela beschützen wollen, wenn sie in Gefahr geraten sollte. Ich würde dasselbe tun, wäre meine kleine Cania in Gefahr!", sagte Tarek. "Ich glaube nicht, dass er das tun würde. Er würde noch nicht einmal davon erfahren, wenn ihr etwas zustoßen sollte. Ich habe doch darum gebeten, dass er immer in meiner Nähe ist. Ich habe keine Bedenken." "Meinetwegen. Was wolltet Ihr von mir?" "Ich habe einen Auftrag für dich. Töte Ivan vom Lama-Tempel! Danach mache dich auf nach Vault und warte dort auf weitere Anweisungen." Tarek verbeugte sich und ging von dannen. Kapitel 11: Eine Offenbarung ---------------------------- Eine Offenbarung Es dämmerte. Adreanna und Gabriel saßen zusammen auf ihrem Bett. "Was wird nun aus uns? Die Vorzeichen für eine friedliche Zukunft häufen sich nicht gerade! Zuerst wird Gilbert entführt, dann wird Isaac umgebracht und schließlich auch noch Meisterin Hama! Denkst du diese Geschehnisse sollten ein Vorzeichen sein?", fragte Adreanna. "Ich denke nicht, dass wird unsere Ehe von den schrecklichen Geschehnissen aus unserem Umfeld beeinflussen lassen sollten. Wir sind nicht abhängig von schlechten Vorzeichen! Beruhige dich, es wird alles gut gehen." "Ich weiß nicht so recht." "Lass deine Bedenken heute Abend beiseite! Ich möchte mit dir glücklich sen. Ich liebe dich!" Gabriel nahm eine Strähne von Adreannas Haar und roch daran. Dann küsste er sie und zog sie aufs Bett. Am nächsten Morgen wachte Adreanna noch vor Gabriel auf. Erst wusste sie nicht, wie sie sich verhalten sollte, aber dann weckte sie ihn schließlich. "Guten Morgen, Schatz! Hast du gut geschlafen?" "Ja, habe ich. So gut wie heute habe ich seit langem nicht mehr geschlafen. Es lag wohl daran, dass ich mit einer so schönen Frau schlafen durfte. Ich kann mich nur noch einmal wiederholen, ich liebe dich!" "Ich weiß, ich weiß. Das ist aber kein Grund zu spät zum Treffen zu kommen." Adreanna stand auf und zog sich an. Gabriel guckte ihr lächelnd zu, dann nach einer Weile, stand auch er auf und zog sich an. Yegelos und Folore befanden sich in Hamas Haus. "Was wird jetzt aus Tantchens Sachen?", fragte Folore. "Wusstest du das nicht? Dies waren nicht die Sachen von Meisterin Hama, sondern die von der hohen Priesterin von Contigo.", antwortete ihr Bruder. "Hohe Priesterin?" "Genau. Es werden drei Priesterinnen aus dem Dorf Contigo auserwählt, die dieses Amt übernehmen könnten. Sie nehmen häufig Verwandte, zum Beispiel Kinder der früheren Priesterin. Aber Meisterin Hama hatte kein Kind." "Wen werden sie dann nehmen?" "Wahrscheinlich Cahia. Wenn sie gewählt werden sollte, würde sie dieses Haus mit allen Sachen, die sich darin befinden, bekommen." "So ist das also! Ich dachte eine hohe Priesterin würde in ihrem Haus wohnen bleiben und dürfte keine Lieben empfinden!" "Nun weißt du aber, wie es wirklich ist." Es befanden sich schon alle am Treffpunkt, als Folore springend eintraf. "So, wo wollen wir als nächstes hin?", fragte Takeru. "Ich würde sagen nach Hesperia, zum Saturn-Leuchtturm. Ist dir das Recht, Garem?", erkundigte Eoleo sich, der sich gegen eine Wand gelehnt hatte. "Wieso fragst du mich das? Ich gehe dahin, wo alle hingehen." "Ich frage dich, weil du doch ein Saturn-Adept bist, hast du das vergessen?" "Denk nicht, dass ich so doof bin und mein eigenes Element nicht mehr weiß!" "Wenn du es weißt, wieso antwortest du mir dann nicht? Schließlich musst du dich doch innerlich darauf vorbereiten deine Entscheidung zu fällen!" "Du hast mir gar nichts zu sagen, Pirat!" "Hast du Angst vor mir, du kleiner Händlersohn?" "Angst? Pah, du bist derjenige, der Angst haben sollte! Ich könnte dich an den nächst besten ausliefern und wahrscheinlich eine Belohnung bekommen! Ist es nicht so, Feuerhaar?" "Und wenn schon! Ich bin viel erfahrener als du, du Feigling!" "Feigling? Hast du das zu mir gesagt?" Garem zog sein Schwert und wollte Eoleo angreifen, doch plötzlich stellte Avil sich zwischen sie. "Hört auf! Das hat doch keinen Sinn! Ich möchte nicht, dass sich jemand streitet!" Sie sackte wieder zusammen und ihre Drillingsschwester Liva eilte herbei. "Avil?", schrie diese. "Es ist schon in Ordnung. Ich habe mich lediglich überanstrengt.", Avil lächelte. Sie wusste, dass es ihr überhaupt nicht gut ging, sie fühlte sich schwach und ihre Temperatur war auch nicht gefallen. Sie hatte keine Kraft mehr. "Seht ihr was ihr getan habt? Ihr wisst doch, dass sie schwanger ist! Und dann noch das Fieber!" Garem steckte sein Schwert weg. Er und Eoleo entschuldigten sich bei Avil. "Also zum Saturn-Leuchtturm, wenn ich richtig verstanden habe?", vergewisserte Takeru sich noch einmal. Der Großteil der Gruppe nickte. Sie brachten ihre Sachen aufs Schiff. Adreanna war an Ahris Haus angekommen. Sie wollte sich bei ihr verabschieden. Adreanna öffnete die Tür, doch was sie dann sah, hatte sie nicht erwartet. Ahri stand reisefertig im Flur des Hauses. "Wohin willst du?", fragte Adreanna verblüfft. "Ich will euch begleiten!" "Aber das geht nicht! Wir haben eine Aufgabe!" "Ich weiß. Ich werde euch nicht behindern. Ich will doch nur Corbinian suchen und er soll versuchen mir seine Tat zu erklären." "Ja, aber..." "Nichts ,aber'! Ich komme mit! Ich will ihn finden. Ich vermisse ihn. Ich denke, es gibt eine logische Erklärung für alles. Ich liebe ihn doch immer noch!" "Ich weiß nicht, ob die anderen einverstanden sind, du bist immerhin kein Schicksalskind." "Ich weiß, aber ich kann euch bestimmt nützlich sein!" Adreanna nickte. Sie nahm ein paar Gepäckstücke und zusammen machten sie sich auf den Weg. Am Schiff angekommen stellte sie Ahri jedem vor. Niemand war dagegen, dass Ahri sie begleiten wollte. Als alle an Bord waren, legten sie ab. Gilbert war immer noch im selben dunklen Raum eingesperrt. Lediglich Oka machte die Situation leichter. Sie verstand zwar nicht, warum sie angekettet in einem Gefängnis eingesperrt war, aber die Tatsache, dass sie nichts unrechtes getan hatte, genügte ihr erst einmal. Die Tür ihrer Gefängniszelle öffnete sich. Cranshaow trat ein, zusammen mit Kalaya. "Ich habe schlechte Neuigkeiten, mein lieber Gilbert. Ich muss dich von deiner Zimmergefährtin trennen. Sie hat jemand anderen gefunden. Kalaya, bring Oka zu deinem Bruder!" Kalaya setzte Erstarrung ein und winkte ein paar verhüllte Gestalten herein, die ihr helfen sollten. "Tut mir Leid, mein Kleiner! Ach, eine Frage. Wo ist der Ring deines Vaters?" Gilbert wusste nicht wovon er sprach. "Den Ring, mit dem man die Tür zum Schatz eures Reiches öffnen kann." "Schatz unseres Reiches? Meinst du Gold?" "Ach, mein Armer! Isaac hat aber auch gar kein Vertrauen zu dir gehabt! Tut mir Leid. Hinter der Tür liegt ein Schwert, welches mich vielleicht töten könnte. Nun, wo ist er?" "Nicht bei mir." "Das sehe ich doch!" Cranshaow ging auf Gilbert zu und zog sein Schwert aus der Scheide. Da er so dicht vor Gilbert stand, berührte die Spitze Gilberts rechte Wange. "Oh, Entschuldigung! Nun sag mir wo der Ring ist!" Gilbert guckte seinen Großvater angewidert an. "Nun, wenn du es mir nicht sagen willst, dann werde ich dafür sorgen, dass du es nicht gebrauchen kannst, wenn du wieder frei bist." Er nahm ein zweites Schwert in seine rechte Hand und schnitt Gilberts rechten Arm auf, das Blut tröpfelte auf den Steinboden und Gilbert schrie bei jedem Schwertstrich auf. "Ich hoffe das wird dir eine Lehre sein. Ich bin noch nicht fertig mit dir. Ach, ich habe dir vergessen zu sagen, dass Tarek, der Mörder deines Vaters, unterwegs zu Ivan ist und dass Kalaya ein Schicksalskind ist, aber das weißt du bestimmt schon." Er war gerade an der Tür angekommen, als ihm noch etwas einfiel: "Übrigens, Avil geht es gar nicht gut. Soll ich sie bewachen lassen oder zu dir holen? Hahaha..." Er ging lachend heraus. "Was um Himmels Willen ist mit ihr?" Gilbert fragte sich, ob sein Großvater ihm überhaupt die Wahrheit gesagt hatte, immerhin traute er der Situation nicht so ganz. Ein zweites Mal öffnete sich die Tür. Es war Kalaya. "Entschuldige." Sie starrte Gilbert an und ließ ihren Blick über seinen ganzen Körper schweifen. Sie erschrak beim Anblick seiner Verletzungen am Arm. "Ach du meine Güte! Was ist mit dir geschehen?" "Das fragst du noch? Du steckst doch auch mit drin! Nur wegen dir habe ich alles verloren! Meine Geliebte, meine Cousine und zuletzt meinen Vater!" "Aber... das stimmt doch gar nicht, ich habe nichts damit zu tun!" "Nein! Ich will das nicht hören! Ich hasse euch alle!" "Ich dachte man könnte vernünftig mit dir reden. Aber da habe ich mich gewaltig getäuscht!" Sie wollte nach dem gescheiterten Versuch mit ihm Kontakt aufzunehmen so schnell wie möglich aus dem Raum heraus, doch Gilbert rief ihr hinterher: "Was wolltest du?" "Wieso fragst du?", wollte Kalaya wissen. "Ich glaube nicht, dass du ohne Grund hierher gekommen bist." "Da hast du Recht, ich habe mich etwas gefragt." "Was denn?" "Du stehst doch auch auf meiner Seite. Du meinst doch auch, dass die Sachen, die Meister Cranshaow macht nicht in Ordnung sind!" Gilbert nickte. "Wusste ich es doch! Ich habe dir einen Vorschlag zu machen. Mein Bruder, meine Ziehschwester und ich, wir wollen aus dieser Hölle heraus. Ich könnte mir vorstellen, dass du auch nicht unbedingt weiter hier sein möchtest." "Das könnte durchaus sein. Ich meine du würdest bestimmt auch nicht hier hängen wollen." "Genau deshalb habe ich eine Idee, Wie wäre es, wenn du dich deinem Großvater anschließen würdest und ihm bei der Verwirklichung seines Traumes helfen würdest?" "Wie meinst du das?" Eoleo saß schlafend auf einem Stuhl, der neben Avils Bett stand, als sie aufwachte. Sie zog sich langsam an. Inzwischen war ihre Schwangerschaft endgültig sichtbar geworden. Sie ging zu Eoleo und küsste ihn auf die Stirn. "Eoleo, wach auf!", sagte sie sanft und schüttelte ihn leicht. Eoleo streckte sich: "Ist es schon morgen?" "Ja, ist es. Es tut mir Leid, dass ich euch so viele Sorgen bereitet habe. Aber nun geht es mir wieder gut." "Wieso heute so fröhlich? Nicht, dass ich etwas dagegen hätte." "Ich hatte einen schönen Traum. Außerdem weiß ich noch nicht einmal, ob Gilbert wirklich tot ist, es ist nur eine Vermutung. Und von meinem Leben hängen noch weitere drei ab. So, jetzt solltest du wieder zu Liva gehen, sie wartet bestimmt auf dich. Ich hoffe, dass du sie glücklich machen wirst. Heiratet so schnell ihr könnt." Liva trat in Avils Zimmer ein. Avil ging zu ihr hin und küsste auch sie auf die Stirn. Danach ging sie lächelnd aufs Deck. "Sie wirkt irgendwie sonderbar.", meinte Liva. "Sie ist glücklich. Sie hat wohl endlich begriffen, dass immer noch die Möglichkeit besteht, dass Gilbert noch am Leben ist. Sie hat außerdem gemeint, dass wir heiraten sollten! Was sagst du dazu?" "Heiraten? Jetzt? Ich weiß nicht so recht. Ich hätte gerne meine Familie und deine dabei." "Ja, das wäre mir auch lieber, aber die Zeiten haben sich geändert. Wer weiß, ob wir überhaupt die Möglichkeit haben werden in Ruhe zu heiraten? Ich denke Gabriels und Adreannas Entscheidung war richtig. Sie haben nicht überlegt, sie haben es einfach getan." "Ich weiß nicht, ich will meine Familie dabei haben. Ich kann sie nicht verleugnen. Ich liebe sie." "Kann sein, aber denk doch mal nach. Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt. Ich möchte endlich ein richtiger Mann sein und dich zu meiner Frau machen. Ich möchte dich nicht missen!" Liva lief knallrot an. "Ähm, ich muss Essen machen!" Sie drehte sich um und ging davon. Aber weit kam sie nicht, denn Eoleo hielt mit seiner linken Hand ihr rechtes Handgelenk fest. "Das Essen kann auch jemand anderes machen. Ich möchte, dass du bei mir bleibst!" Eoleo drückte Liva gegen die Wand und küsste sie. Zuerst wollte Liva sich gegen seine stürmischen Küsse wehren, dann erlag sie ihnen doch und erwiderte sie. Adreanna und Gabriel lagen noch im Bett. Die anderen Schicksalskinder hatten darauf bestanden, dass die beiden, bis sie in Hesperia angekommen sein würden, ihre gemeinsame Zeit alleine und ohne Stress verbringen sollten. "Adreanna, ich bin so glücklich. Für mich scheint es immer noch wie ein Traum. Du und ich zusammen in einem Bett, als Mann und Frau." "Kann ich mir vorstellen, dass du glücklich bist, denn ich bin es doch auch. Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns nach diesen Startschwierigkeiten so lieben können würden!" "Ich glaube im Moment sind wir das glücklichste Licht auf der Welt." "Du scherzt!" Adreanna lächelte, dann sah sie in seine blauen Augen und küsste ihn. "Ich glaube wir haben das richtige getan, mit der Heirat.", meinte Adreanna. "Ja, das glaube ich auch." Zwei Stunden später standen Tamiko und Daja am Heck. "Tamiko, darf ich dich etwas fragen?" "Natürlich, Dajavela!" "Daja reicht. Wie heißen deine Eltern?" "Hmh!" Tamiko war ein kleines bisschen irritiert, mit so einer Frage hatte sie nicht gerechnet. "Sie heißen Sasu und Kushinada." "Wirklich?" Tamiko kicherte. "Mensch, Daja, denkst du wirklich, dass ich die Namen meiner Eltern nicht kenne?" "Aber das kann einfach nicht wahr sein! Das geht doch nicht! Takeru und ich können nicht verwandt sein. Kushinada ist die in Izumo lebende Cousine meiner Mutter Keya." "Aber, Daja, darf ich dir etwas verraten?" "Noch schlimmer kann es nicht werden!" "Schlimmer? Nein, eigentlich nur besser. Meine Mutter hat mir einst erzählt, dass Takeru nicht mein Bruder ist, sondern mein Adoptiv-Bruder. Meine Mutter hatte eine Fehlgeburt, bei der mein Bruder Takeru starb. Kurz darauf lag ein kleines Baby bei uns vor der Haustür und meine Eltern zogen dieses Baby als ihren Takeru auf." "Takeru ist nicht dein richtiger Bruder?" "Mensch, Daja, dass sagte ich doch bereits! Du kannst ihn ohne schlechtes Gewissen lieben." Daja war beruhigt, dass sie nun endgültig wusste, dass sie keine Verwandtschaft mit Takeru verband. Jedoch gab es jetzt eine neue Frage. Wer war Takeru überhaupt? "Tami!" Folore kam angerannt. "Was hast du, Flore?", fragte Tamiko besorgt. "Ich habe versucht zu kochen und alles ist irgendwie schief gegangen. Erst habe ich mir tausendmal in die Finger geschnitten. Dann sahen meine Kartoffeln unschön aus und jetzt ist es auch noch angebrannt!" "In Ordnung, ich komme mit und sehe mir das an. Daja, bleibst du hier?" "Ja, geh ruhig!" Tamiko und Folore verschwanden. Daja guckte aufs dunkle Meer hinab. "Papa, wo bist du? Ich vermisse dich!", sagte sie traurig zu sich selbst. Kapitel 12: Der Pfad zur Wahrheit --------------------------------- Der Pfad zur Wahrheit Die Schicksalskinder legten in Hesperia an. Zwar stand der gelbe Saturn-Leuchtturm an der Ostseite von Hesperia, aber sie hatten dennoch vor, sich im Schamanendorf auszuruhen. Es war seit jeher bekannt, dass Hesperia und Atteka verfeindet waren. Immer wieder griffen sie sich gegenseitig an. Vor tausenden von Jahren hatte es erstmals eine friedliche Zeit gegeben, denn die legendären Helden, Yegelos und Hoabna, hatten ein Abkommen geschlossen, das sie durch einen Tausch besiegelt hatten. Die Contigoaner hatten den Schamanenstab erhalten und die Schamane einen magischen Stein. Diese waren im Besitz der jeweiligen Familien geblieben. Der Vertrag hatte aber nur so lange angehalten, bis Yegelos und Hoabna verstorben waren. Diese Geschichte war im Laufe der Zeit zur Legende geworden. Niemand glaubte wirklich daran, dass die zwei Völker jemals wieder in Harmonie zusammenleben würden, bis eines Tages Felix, Cosma, Jenna und Aaron ins Schamanendorf gekommen waren. Sie hatten den Schamanenstab bei sich gehabt, aber niemand aus ihrer Gruppe war aus Contigo gekommen. Trotzdem hatten sie den Rücktausch vollzogen. Doch ein weiteres Mal hatten sie sich angegriffen, dies lag nun schon fünfzehn Jahre zurück. Genau zu der Zeit war Yegelos geboren worden. Auf seinen Schultern lag nun die Aufgabe, den Frieden wieder herzustellen. Die Vorzeichen, dass sie eine Lösung finden würden, standen nicht schlecht, denn der Schamanen-Häuptling hieß Hoabna, wie der legendäre Held. Der magische Stein befand sich nun wieder in den Händen von Yegelos und der Schamanenstab in denen von Hoabna. Yegelos hatte den Schicksalskindern vor ihrer Abreise gesagt, dass er in einem Monat nach Hesperia fahren würde, denn er wollte den Frieden, den sie gehabt hatten, wieder herstellen. "Was ist denn, wenn ,er' wieder auftaucht?", fragte Daja plötzlich. Alle starrten sie an. "Wen meinst du mit ,er'?", fragte Takeru, der neben ihr herging. "Ich meine die Gestalt, die uns auch am Jupiter-Leuchtturm erwartet hat." "Nein, ich glaube nicht, dass Kalaya wieder kommen wird.", meinte Adreanna, die keines Falles dachte, dass Kalaya böse sei. "Das denke ich auch nicht. Aber ich habe eigentlich nicht Kalaya gemeint, sondern Gilberts Großvater!" "Gilberts Großvater?" Avil guckte verdutzt, ihr hatte bis jetzt niemand mitgeteilt, dass Gilberts Großvater ihn entführt hatte. "Lass mich es dir erklären, Avil.", sprach Liva sie von der Seite an. Avil nickte zustimmend. "Als ich auf dem Jupiter-Leuchtturm war, musste ich meine Prüfung ablegen. Die, die mich prüfte war meine Urgroßmutter Vanadis. Die Gestalt, die Gilbert entführte, meinte er wäre sein Großvater und wir seien die Enkelinnen seiner Schwester." "Vanadis? Der Name kommt mir bekannt vor! Irgendwoher... Ich weiß es! Aus der Grabkammer der Anemos! Sie war mit Sinoles, dem König der Anemos, verheiratet. Sie hatte zwei Kinder: Celeste und... Cranshaow. Celeste war unsere Großmutter und demnach müsste Cranshaow Onkel Isaacs Vater sein. Ich bin doppelt mit Gilbert verwandt, was sind wir doch für Sünder!" Avil war sehr unglücklich, was hatten sie nur getan? Sie hätten ihre Gefühle nie zulassen dürfen! "Nein, Avil, ihr seid keine Sünder! Ihr wäret Sünder, hättet ihr eure Gefühle füreinander nicht beachtet. Niemand sollte dies tun!", sagte Eoleo zu ihr. Sie waren am Eingang des Schamanendorfes angekommen und wollten das Tor gerade passieren, als ein Wächter ihnen zurief: "Haltet ein! Was habt ihr hier zu suchen?" "Wir sind hier um uns auszuruhen, ist das verboten?", fragte Garem streng. Er fragte sich, warum dieser Wächter so unfreundlich zu ihnen war. "Verzeiht, es ist meine Pflicht dies zu fragen. Ihr dürft passieren!" "Das ist jawohl das Mindeste.", meinte Garem wiederum. Doch als sie an dem Wächter vorbei gingen, hielt dieser Folores Arm fest. "Du, Mädchen, kommst du aus Contigo?" "Nein, komme ich nicht. Lassen Sie mich los!" "Woher kommst du dann?" "Mensch! Ich komme aus dem Lama-Tempel. Lass mich gehen, du Perverser!" "Nein! Wer sind deine Eltern?" "Was geht dich das an?" Folore wurde ungeduldig und biss ihn in den Arm. Der Wächter schrie auf und ließ sie los. Im Weglaufen erwähnte sie: "Meine Eltern sind Ivan aus Contigo und Feizhi aus Xian." Der Wächter holte eine Glocke heraus und schlug mit einem Schlegel gegen sie. Von allen Seiten kamen Wächter auf die Schicksalskinder zu. Der Wächter am Tor befahl den anderen sie gefangen zu nehmen und so geschah es auch. "Was soll das? Wieso macht ihr das?", fragte Eoleo, als sie im Gefängnis angekommen waren. "Ihr seid Spione aus Contigo! Hey, warte mal! Du bist doch nicht etwa Feuerhaar?" "Doch, wieso?", fragte Eoleo bestimmt. "Wachen, sperrt ihn in eine Zelle alleine und legt ihm die schwersten Ketten an! Er wird bestimmt viel Geld einbringen. Häuptling Hoabna wird erfreut sein." Auch die anderen Schicksalskinder wurden danach weggesperrt. Folore bekam auch eine einzelne Zelle. Zum Schluss blieben nur noch Liva und Avil. "Seht ihr denn nicht, dass sie schwanger ist?", wunderte sich Liva. "Doch. Und was haben wir damit zu tun?", fragte ein Wächter. "Wie kann man nur so herzlos sein? Wollt ihr etwa, dass sie und ihre Kinder sterben?", Liva verteidigte ihre kleine Schwester gerne. "Liva, sei lieber still, sonst töten sie uns!" "Avil, das lasse ich nicht zu!" "Wärst du auch bereit alles dafür zu tun?", fragte der Wächter der herbeikam, als er den Streit bemerkte. "Ja, ich würde alles für meine Schwestern geben, damit sie sicher und geborgen sind!", sagte Liva so entschlossen, wie ihre Entscheidungen immer klangen. Sie wollte Avil nicht in Gefahr bringen, sie wollte nur, dass ihre Schwester in Sicherheit war. "Nun gut. Lasst ihre Schwester frei, bringt sie zum Wirtshaus und bewacht sie dort." Die Wächter führten Avil ab und er wandte sich Liva zu: "Und du wirst heute das Vereinigungsfest mit uns feiern, als Partnerin von Hoabna!" "Was ist das Vereinbarungsfest?" "Nicht Vereinbarung, sondern Vereinigung! Kannst du dir nicht vorstellen, worum es geht?" Liva schluckte, nun begriff sie, was ihre Aufgabe bei dem Fest war. "Nun begreife ich! Aber wieso habt ihr mich ausgewählt?" "Zuerst wurde meine Halbschwester Tana gebeten, aber sie lehnte ab, weil sie schon einen Partner hatte. Sie ist die schönste Frau, aber du bist auch sehr hübsch. Ich glaube Häuptling Hoabna wird zufrieden sein. Vielleicht werdet ihr sogar heiraten." "Ausgeschlossen, ich bin verlobt.", Liva war nicht damit einverstanden, dass man sie so einfach jemandem aufbinden wollte. "Und wer ist dieser Verlobte?", der Wächter war misstrauisch, er dachte, dass sie sich das nur ausdenken würde. "Er ist der Pirat, der unter dem Namen Feuerhaar bekannt ist." "Das macht die Sache leichter. Beenden wir das. Du musst zur rituellen Reinigung zum Tempel gebracht werden. Wenn du etwas brauchst schicke nach Athi, dann komme ich." Ein paar Wächter packten sie an den Armen und brachten sie zum Tempel. Nach ihrem Verschwinden ging Athi zu Eoleos Zelle. "Du, Pirat! Deine Verlobte nimmt dieses Jahr am Vereinigungsfest teil. Also, ich denke, dass du nicht mehr lange zu leben hast.", sprach Athi durch ein kleines Guckloch in der Zellentür. "Die Contigoaner werden bald ihr blaues Wunder erleben! Einfach ein paar Spitzel herzuschicken, obwohl sie diesen Friedensvertrag wollen. Tja, Yegelos ist wohl doch nicht der Richtige." Athi verschwand. Er musste so um die dreißig Jahre alt sein und hatte eine gebräunte Haut. Sein langes, schwarzes Haar lag in Wellen in seinem Nacken. Wie alle im Schamanendorf trug er nur eine Hose, da das Klima in Hesperia entsprechend war. Es dämmerte bereits und das Fest sollte schon in zwei Stunden anfangen. Liva beschloss aus dem Tempel zu fliehen und zu Eoleo zu gehen. Als sie am Gefängnis angekommen war, wurde sie beinahe von einem Wächter entdeckt, aber eine schwarz verhüllte Gestalt rettete sie. "Liva, du solltest vorsichtiger sein!" Liva kannte die Stimme, jedoch konnte dies nicht sein, sie gehörte Gilbert. "Gilbert? Bist du das?", in Livas Stimme lag ein Hauch von Freude. "Ja.", sagte die Gestalt und nahm mit der linken Hand ihre Kapuze ab. "Ich bin es, aber ich habe nur kurz Zeit!" "Gilbert!", rief Liva, während die um seinen Hals fiel. "Wir haben dich so vermisst!" "Pst, leise, die Wächter könnten dich hören. Sag mir, was machst du eigentlich hier?" Liva fing an zu weinen: "Sie wollen, dass ich beim Vereinigungsfest mitmache! Aber ich wollte doch mein erstes Mal mit Eoleo haben, aber nun scheint es unerreichbar zu sein." "Verstehe. Komm, ich helfe dir zu Eoleo zu kommen. Dann versprich mir es mit ihm zu tun." Liva nickte. Sie gingen ins Gefängnis. Als sie in den Gang abbogen, in welchem Eoleos Zelle lag, spürte Gilbert eine Präsenz. Es war eine Präsenz, die er nur allzu gut kannte, es war die von seinem Großvater Cranshaow. Er zog Liva mit der linken Hand zurück. "Warte, Liva. Nicht dorthin!", flüsterte er. "Gilbert, was ist mit deiner rechten Hand?", fragte Liva neugierig, es war ihr bekannt, dass er Rechtshänder war. Gilbert nahm seinen rechten Arm und schob den Ärmel nach oben. Liva erschrak. Sein Arm hatte viele Verletzungen, wie Schnittwunden und Verbrennungen, aber das Schlimmste war, dass seine Finger in alle möglichen Richtungen abstanden. Sein ganzer übriger Arm schien gebrochen zu sein. "Das ist furchtbar! Wie konnte das geschehen?" "Mein Großvater hat mir das angetan. Er wollte nicht, dass ich die Kraft habe ihn, mit Hilfe der Helios-Klinge, zu besiegen. Aber sag mir etwas viel wichtigeres, wie geht es Avil?" "Ihr geht es wieder gut. Ich glaube nach deinem Verschwinden hatte sie die Hoffnung aufgegeben und sich gehen lassen. Aber jetzt hat sie ihre Hoffnung wieder gefunden. Willst du zu ihr gehen?" "Sehr gerne, wenn wir dies beendet haben." Cranshaow stand im Gefängnisgang. Er befand sich genau vor der Tür von Takeru, Tamiko und Garem. Er legte seine Hand auf die Tür, dabei guckte er zur Seite in Richtung Ausgang. "Du bist also auch hier Diadyon. Willst wohl zu deinen geliebten Gefährten und zu deiner geliebten Avil." Die Tür öffnete sich. Er fand die drei schlafend vor und trat Takeru gegen das Bein. Durch den Tritt kugelte Takeru sich so doll, dass er gegen die Wand krachte und schließlich aufwachte. "Hey, was soll das?", fragte Takeru ins Leere, dann drehte er sich um und sah in Cranshaows schwarze Augen. "Los, weck Tamiko und Garem, dann fliehe mit ihnen zum Saturn-Leuchtturm!" Takeru verstand nicht, warum Cranshaow ihnen helfen wollte, aber er wusste, dass sich eine solche Gelegenheit nicht noch einmal bieten würde. Er weckte erst Tamiko, dann Garem. "Kommt, wir müssen gehen!", befahl Takeru. Die beiden liefen los, aber Takeru blieb stehen. "Danke für Ihre Hilfe, aber was wird aus Daja und den anderen?" "Die werde ich nachschicken. Komm mal zu mir." Takeru ging näher zu Cranshaow, dieser legte seine Hand auf Takerus Stirn. Takeru war ganz verwirrt. Seine Augen glühten einen Moment schwarz auf, dann taumelte Takeru zurück. "Erzähl es noch keinem, es bleibt unser Geheimnis. Ich werde nur noch deinen Bruder informieren." "Mein Bruder? Tamaron?" "Nein, ich meine Ansgar, deinen leiblichen Bruder." Er nahm Takeru in den Arm, dieser jedoch stieß ihn von sich weg und lief los. "Bodil, du hast zwei ganz wunderbare Söhne bekommen." Mit diesen Worten verschwand Cranshaow mit Hilfe der Psynergie Teleporter. Liva und Gilbert hörten Schritte, die auf sie zuliefen. Sie mussten sich verstecken. Aber wo? Liva fand eine schmale Nische, sie klopfte auf Gilberts Schulter und deutete auf die Nische, danach versteckten sie sich in dieser. Aus den Augenwinkeln sahen sie einen blondhaarigen Mann und ein braunhaariges Mädchen. Beide wussten, wer diese waren, sagten aber kein Wort. Sie hofften nur, dass sie niemand erblicken würde. Kurze Zeit später hörten sie wieder Schritte, diese waren die eines braunhaarigen Mannes, der in Gilberts Alter war. Plötzlich spürte Gilbert die Präsenz, die er zuvor gespürt hatte, nicht mehr. "Wo ist Eoleo eingesperrt?", fragte Gilbert mit einem eindringlichen Ton. "Dort hinten!", sagte Liva und zeigte auf eine Tür ganz am Ende des Ganges. Sie machten sich auf zur Tür, doch dann bemerkten sie, dass sie keine Schlüssel hatten. Gilbert seufzte. Er hob seine Hand und schmolz mittels Schmelzlohe das Schloss weg. Liva war verwundert, wie konnte Gilbert als Jupiter-Adept Mars-Psynergie anwenden? "Frag nicht, das ist eine längere Geschichte.", sagte Gilbert, der Livas fragenden Blick bemerkt hatte. Plötzlich hörten die beiden Stimmen vom Eingang. "Kommandant Athi, nicht bei den Vorbereitungen fürs Vereinigungsfest?", fragte ein Wächter. "Nein, wieso sollte ich?", gab Athi beißend zurück. "Dann habt Ihr immer noch keine Partnerin?" "Doch, habe ich. Du hast bestimmt keine?" "Ich könnte ja eine aus dem Gefängnis nehmen, oder die aus dem Wirtshaus!" "Nein, das ist meine! So was von schade, dass sie schwanger ist. Wahrscheinlich auch noch von so einem Penner, der sie danach im Stich gelassen hat.", sagte Athi und ging davon. "Ist Avil im Wirtshaus?", fragte Gilbert ängstlich. "Ja!" "So ein verdammter Mist!" Gilbert schlug gegen die Wand. "Wieso habe ich nur so wenig Zeit? Ich weiß nicht, wie ich euch beiden helfen sollte!" "Dann helfe Avil, ich werde schon klar kommen!" "Nein, Liva, mir kommt eine Idee. Ich werde zuerst dir helfen. Hör mir jetzt gut zu. Ich befreie Eoleo, dann habt ihr etwa eine halbe Stunde für euch. Danach musst du wieder zum Tempel und Eoleo muss fliehen! Ich gehe inzwischen zu Avil und werde ihr helfen." "Ich möchte aber mit Eoleo fliehen! Ich habe kein Verlangen danach, die Partnerin von Hoabna zu sein." "Aber wenn du ihm dies verweigerst, könnte es sein, dass es einen Konflikt zwischen dem Schamanendorf und Tolbi geben wird." Nun verstand Liva die Lage, das war ein Teil der Bürde, die sie als Tochter des ersten Ministers von Tolbi trug. Ihre Aufgabe war es sich mit Hoabna zu vereinigen, für das Wohl von Tolbi. Die beiden betraten die Zelle von Eoleo. Er war ziemlich erstaunt, als er Liva und Gilbert sah, denn er hätte eher mit einem der Wächter gerechnet. "Liva, Gilbert, was macht ihr hier?", fragte er. "Dich befreien!", sagte Liva, anschließend gab sie ihm einen Kuss. Gilbert wendete die Schmelzlohe auch bei den Ketten an. "Hör mir zu, Eoleo.", sagte Gilbert, während sich Eoleo und Liva vor Glück umarmten. "Liva kennt den Plan, also richte dich nach ihr!" Mit diesen Worten wandte er sich ab und lief aus dem Gefängnis heraus. "Liva, wie lautet der Plan?" "Mach mich hier und jetzt zu deiner Frau und dann fliehe alleine aus dem Schamanendorf!" "Meinst du wirklich?" Liva nickte. Gilbert war auf einem freien Platz, er wusste nicht einmal wo das Wirtshaus war. Er rannte und rannte weiter, dabei stiegen Tränen in seine Augen. Es war eine auswegslose Situation, bis er doch noch endlich das Wirtshaus fand. Er öffnete die Tür und betrat dieses. Niemand war zu sehen, dann ging er nach oben. An einer Tür standen drei Männer. "Kommandant Athi, was für eine Ehre.", sagten die Wächter an der Tür. "Schweigt, ich will zu dem Mädchen. Sie ist heute meine Partnerin." Die beiden Wächter öffneten die Tür und Athi trat ein. Avil schlief schon. Er weckte sie sanft. "Mhm, was ist, Liva?", fragte sie völlig verschlafen. Dann registrierte sie, dass es gar nicht Liva war, sondern der Wächter vom Tor. "Was wollen Sie von mir?" "Was wohl? Du hast die Ehre meine Partnerin zu sein." "Und was ist, wenn ich gar nicht will?" "Dann muss ich wohl zu härteren Mitteln greifen müssen und dich zwingen." Von draußen ertönte ein Geräusch. Eine Gestalt trat ein. "Wehe du rührst sie an!", sagte Gilbert, in dem die Wut brannte. "Du bist also der Penner!", sage Athi, der wieder seine Glocke herausholte. "Gilbert, bist das wirklich du?", fragte Avil. Nach dieser Frage zog er seine Kapuze herunter, Avil schlug ihre Hände vor den Mund und fing an zu weinen. "Habe ich richtig verstanden, dass du vorhattest sie zu zwingen? Wenn du das tust, wird dir der Zorn Tolbis gewiss sein und ihr müsstet euch auf einen verheerenden Krieg einstellen." "Pah! Wer glaubst du wer du bist?" "Ich bin Prinz Gilbert von Tolbi und sie ist meine Verlobte Lady Avil, die Tochter vom ersten Minister." Athi wurde nervös. Er hatte beinahe einen Zweifrontenkrieg riskiert. "Ich bitte vielmals um Verzeihung, Majestät!", er fiel vor Gilbert auf die Knie. "Aber ich wollte doch nicht als Schlappschwanz dastehen. Ich brauchte eine Partnerin." "Vielleicht kenne ich da die richtige für dich, meine Tante Neeve vielleicht. Sie ist dreiundzwanzig Jahre alt und wohnt in Mikasella. Soll ich sie für dich holen?" "Könntet Ihr das, Hoheit?" "Es ist nicht unmöglich." Gilbert verschwand vor ihren Augen. "Ist Ihr Verlobter ein Merkur-Adept?" "Nein, er ist ein Jupiter-Adept. Wieso er Teleporter benutzen kann weiß ich nicht. Höchst merkwürdig." Kurze Zeit später kam Gilbert mit einer blondhaarigen Frau wieder, sie hatte grün-braune Augen und war sehr groß. "Das ist meine Tante Neeve." "Guten Tag, ich bin Athi. Ist es Ihnen wirklich recht, beim heutigen Fest meine Partnerin zu sein?" "Ja, das würde ich sehr gerne sein!", sagte Neeve. Danach gingen sie zusammen raus. "Gilbert!", schrie Avil und umarmte ihren Verlobten, dieser stieß sie von sich. "Ich habe keine Zeit mehr! Wenn Cranshaow bemerkt, dass ich weg bin, wird er mich weiter quälen. Aber Avil, ich liebe dich! Pass auf dich auf." Damit verschwand er zum zweiten Mal. Liva stand auf und zog sich an. "Bleib noch etwas!", sagte Eoleo. Aber Liva erwiderte: "Es geht nicht, ich muss zurück, damit niemand etwas bemerkt." Dann stand auch Eoleo auf, um sich anzuziehen. "Du versprichst mir, dass du gleich morgen zu mir kommen wirst. Ich werde bei unserem Schiff auf dich warten." Sie gingen gemeinsam aus dem Gefängnis heraus. Eoleo rannte danach in Richtung Eingang des Dorfes und Liva ging zurück zum Tempel. Kurz nachdem Liva dort angekommen war, wurde sie von ein paar Wächtern abgeholt und zum Schamanen-Häuptling Hoabna gebracht. Genauso wie Athi hatte auch Hoabna eine bräunliche Hautfarbe und auch er hatte nur eine Hose an. Sein welliges Haar war braun und reichte ihm bis über die Schultern. Seinen Kopf krönten ein paar Federn, die seine blauen Augen betonten. Seine Hose schien aus echter Kinu zu bestehen. Liva hatte nur ein dickes, besticktes Band um ihre Brüste und ihr Rock war aus Kinu, dieser wurde mit einem schlichten Knoten an ihrer linken Hüfte zusammengehalten. Ihre Haare waren hochgesteckt, nur zwei einzelne Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Auch sie trug Federn im Haar. "Mach es dir bequem, wir werden erst einmal speisen. Aber vorher verrate mir deinen Namen." "Ich bin Liva aus Tolbi. Es ist mir eine Ehre Sie kennen zu lernen, Schamanen-Häuptling Hoabna." Am Morgen danach wachte Liva neben Hoabna auf. Er war schon seit einiger Zeit wach und streichelte Livas Wange. "Das war eine angenehme Nacht, bisher gab es keine Partnerin wie dich." Liva fühlte sich geehrt. Dann sprach Hoabna weiter: "Möchtest du mich nicht heiraten?" In diesem Moment stürmte Athi in das Zimmer hinein. "Häuptling Hoabna, der Pirat Feuerhaar ist entkommen, aber er wurde wieder gefasst!" "Das gibt es nicht! Bisher hat es noch niemand geschafft aus meinem Verlies zu entkommen. Lasst diesen Feuerhaar sofort hinrichten!" Athi nickte, dann fügte er noch leise hinzu: "Ähm... Häuptling Hoabna, die anderen Gefangenen sind auch entkommen." "WAS!!!" "Ähm..." "Das gibt es doch nicht! Wie konnte dir nur so etwas passieren? Ich glaube ich sollte dir eine neue Aufgabe zuteilen!!!" Athi verschwand und ging beschämt von dannen. "Das könnt Ihr doch nicht tun, Ihr könnt Eoleo nicht hinrichten lassen!", wagte Liva zu sagen. "Doch, das kann ich. Und du wirst auch dabei sein." Etwa eine Stunde später sollte die Hinrichtung stattfinden. "Was willst du hier, Diadyon?", fragte Cranshaow Gilbert. "Willst du deinem Freund helfen? Das erlaube ich nicht!" Gilbert wollte tatsächlich Eoleo helfen, denn seit letzter Nacht bekam er wieder Visionen, in einer dieser Visionen hatte er die Hinrichtung gesehen. "Und wie willst du verhindern, dass ich ihn rette?" Cranshaow zuckte mit den Schultern. Dann winkte er seine dunklen Ritter herbei. Einer von ihnen zückte seinen Bogen und schoss Gilbert ins Auge. Eoleo wurde auf den freien Platz, auf dem Gilbert gestern verzweifelt das Wirtshaus gesucht hatte, gebracht. Hoabna, Liva und Athi waren anwesend, genauso wie viele andere Schamane. Der Henker legte Eoleo die Schlinge um. Dann sprach Liva Hoabna an: "Bitte lasst ihn frei, nur dann bin ich gewillt Euch zu heiraten!" Kapitel 13: Der Saturn-Leuchtturm --------------------------------- Der Saturn-Leuchtturm Daja wachte am nächsten Morgen neben Takeru auf, sie verstand nicht so recht, wie dies sein konnte. "Takeru? Wie kann das sein? Wieso bin ich hier?", fragte sie sich selbst. Sie rüttelte Takeru wach. Nachdem dieser aufwachte, erhob er sich schnell. "Takeru, was st mit dir?", fragte Daja, die Takerus Verhalten äußerst merkwürdig fand. "Lass mich doch in Ruhe, Daja! Ich möchte mich mit Garem unterhalten." "Was? Ist dir Garem wichtiger als ich?" "Was glaubst du? Natürlich ist er mir wichtiger, ich lebe schon seit langem mit ihm in einem Dorf. Er hat mich immer akzeptiert und mir vertraut. Dich kenne ich erst seit gut einem Monat, wie könnte ich dir da so vertrauen wie Garem?" "Aber, Takeru...", Daja fing an zu weinen, sie dachte sie hätte den Mann ihres Lebens gefunden, der sie als wichtigstes Geschöpf beachtete, aber dem war wohl nicht so. "Fang jetzt nicht an zu weinen!" Er ging auf Daja zu, die immer noch weinte. "Ich kann dich nicht lieben, es ist aus! Ich liebe Oka immer noch. Ich will sie zu meiner Frau machen und sie heiraten." Mit diesen Worten ging er davon. Daja verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte er nur so etwas zu ihr sagen? Ihr wurde schlecht und sie musste sich übergeben. "Garem, kann ich mit dir sprechen?", fragte Takeru Garem, der mit Tamiko an einem Flussufer saß. "Klar, Takeru. Was hast du auf dem Herzen?" "Oka lebt! Du hattest recht!" "Wovon sprichst du, Takeru? Oka und leben?", Tamiko stand fragend vor ihm. "Lass mich doch in Ruhe, Tamiko! Ich will mich nicht mit dir unterhalten, sondern mit Garem!" "Takeru, wie kannst du nur so kaltherzig sein?", fragte Garem, als er sah, dass Tamiko weinte. "Wieso kaltherzig? Immer waren alle anderen kaltherzig zu mir! Alle zeigten mir die kalte Schulter." "Aber sie ist deine Schwester!" "Denkst du wirklich? Sie ist nicht meine Schwester. Ihre Familie hat mich nur adoptiert." "Wovon sprichst du?" "Garem, es ist wahr. Meine Mutter hatte eine Fehlgeburt und er lag eines Tages vor unserer Tür. Ich war gerade erst geboren worden.", sagte Tamiko unter Tränen. "Ich kann das nicht glauben! Mein Freund Takeru ist nicht dein Bruder?" "So ist es. Ich bin nicht Takeru, bitte nenne mich nie wieder so! Ich möchte nicht so wie jemand heißen, der sich bei meiner Mutter und meinem richtigen Bruder breit macht! Denn wisse, Tamiko, dein Bruder Takeru ist damals nicht gestorben, er lebt." "Takeru lebt? Wie kann das sein? Wo ist er? Sag es mir, Ta..." "Tamiko, ich sagte doch ich bin nicht Takeru, ich bin Dragan." "Dragan? Hieß so nicht der Sohn von dem älteren Mann, der auf Tamiko aufgepasst hat?" "Genau. Dragan ist der Sohn von Cranshaow, unserem Feind. Ich bin dieser Sohn!" Eine Zeit der Fassungslosigkeit machte sich breit. Dann sprach Dragan weiter: "Garem, erlaubst du mir, obwohl ich der Sohn von Cranshaow bin, Oka zu heiraten?" "Ta... Dragan, Natürlich erlaube ich dir das! Für mich ändert sich nur der Name, nicht die Person. Aber was ist mit Dajavela?" "Ich liebe sie nicht, ich habe ihr dies gesagt. Ich liebe nur Oka!" "Aber wo könnte Oka sein?" "Ich weiß wo, überlass das nur mir! Ich bin der einzige, der sie retten kann." Garem nahm Dragan in den Arm. Er fing an zu weinen. Diese Tränen waren Tränen der Freude. Er würde seinen besten Freund nicht verlieren. Zusätzlich war da noch seine Freude auf Oka, seine kleine Schwester würde zu ihm zurückkehren. Ahri, Gabriel und Adreanna saßen zusammen an einem anderen Teil des Flussufers. "Wie kommst du damit zurecht?", fragte Adreanna ihre Freundin. "Womit zurechtkommen?" "Ich meine mit Corbinians Verrat!" "Ich denke er wurde dazu gezwungen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein sanfter Mann so etwas tun würde. Wenn er wieder bei mir sein würde, dann würde ich ihm vergeben. Ich liebe ihn immer noch, daran wird sich auch nichts ändern, egal wie viele Menschen er umbringen wird!" Tränen standen ihr in den Augen. Adreanna nahm sie in den Arm. "Ich habe Angst davor, dass er gar nicht mehr zurück kommen wird, dass er mich nie geliebt hat, dass alles nur gespielt war, um leicht an Meisterin Hama ranzukommen!", sagte Ahri. "Das glaube ich kaum, aber wenn dies wahr sein sollte, kriegt er etwas von mir zu hören! Auf jeden Fall werde ich von jetzt an immer für dich da sein.", sagte Adreanna bestimmt. "Ich danke dir, Adry!" "Auch ich werde für dich da sein. Ich würde die Freundin von meiner Frau niemals alleine lassen, solange ich noch lebe. Das ist so ungerecht, manchmal verdienen die die leben den Tod, Tote hingegen verdienen manchmal das Leben. So wie es bei Meisterin Hama der Fall ist. Sie hat es wirklich verdient zu leben!", sagte Gabriel. Er stand auf und guckte in den Himmel. "Ich hoffe, dass es dir gut geht, Gilbert. Ich hoffe du kommst bald zurück." Liva ging zu Eoleo, der gerade freigelassen wurde. "Liva, geht es dir gut?", fragte er, als er Livas trauriges Gesicht sah. "Ja, ich muss mit dir sprechen." Eoleo nickte. Liva nahm den Kristall, den sie von Eoleo bekommen hatte, ab. "Hier, ich gebe ihn dir zurück. Ich kann dich nicht heiraten." "Wieso nicht? Ist es wegen heute Nacht?" "Nein, es war wunderbar, aber ich werde Hoabna heiraten." "Warum? Ich dachte du wärst glücklich mit mir!" "Es ist aber nicht mir überlassen, zu entscheiden, wen ich heirate. Ich muss auf meine Stellung achten, ich kann nicht einfach einen Piraten aus Liebe heiraten. Wenn ich Hoabna nicht heirate, wird er vielleicht Tolbi angreifen. Ich kann nicht der Grund dafür sein! Ich denke du wirst eine andere finden. Eine, die dich auf deinen abenteuerlichen Fahrten begleiten wird. Eine, die dich nicht im Stich lassen wird. Eine, der du immer vertrauen kannst. Eine, die ich nicht sein kann, wie sehr ich es auch wollte!" Liva wandte sich von Eoleo ab. "Liva, ich wollte immer nur dich lieben, ich finde bestimmt keine andere. Wie ich es doch hasse ein Pirat zu sein! Ich hasse mein ganzes Leben, immer habe ich Pech. Es scheint mir so, als sei ich verflucht!" Liva kam wieder bei Hoabna an. "Ich habe alles geklärt, aber ich muss Euch noch um etwas bitten!" "Um was denn?" "Ich möchte meine Reise noch zu Ende führen. Dann bin ich gewillt Euch zu heiraten!" "Nun gut, ich erlaube es dir, aber ich habe auch eine Bedingung. Mein Neffe Athi wird dich begleiten und wenn du mir auf irgendeine Weise untreu wirst, wird er es mir sagen!" "So soll es ein." Athi wartete am Eingang des Schamanendorfes auf Liva. Diese kam zusammen mit Eoleo und Hoabna an. "Pass gut auf sie auf, mein Neffe.", sagte Hoabna zu Athi. "Ich werde auf sie aufpassen so gut ich kann!", erwiderte Athi. Hoabna nickte und wollte gehen, doch dann sprach Liva ihn an: "Was ist mit meiner Schwester Avil? Sie wurde zum Wirtshaus gebracht, habt Ihr sie schon freigelassen?" "Nein, das haben wir nicht, aber ich lasse es anordnen. Willst du hier noch so lange auf sie warten?" "Nein, es ist nämlich so, sie ist schwanger. Aber wenn Ihr auf sie aufpassen würdet, wäre ich dankbar!" "Onkel, ich würde sie an deiner Stelle auch gut behandeln, sie ist schwanger von Prinz Gilbert von Tolbi!", sagte Athi. "Prinz Gilbert?" "Ja, er war gestern hier. Ich habe ihn wahrhaftig vor mir stehen sehen!" "In Ordnung, ich werde sie bei mir aufnehmen, bis ihr mit dem Leuchtturm fertig seid." Mit diesen Worten wandte er sich ab und ging n Richtung Wirtshaus. Eoleo, Liva und Athi kamen am Leuchtturm an, der an der Ostseite von Hesperia stand. Dort erblickten sie schon die anderen Schicksalskinder. "Was hat der Perverse hier zu suchen?", schrie Folore entsetzt. "Das ist Athi, Folore, er ist der Neffe meines zukünftigen Mannes!", erwiderte Liva. "Aber er sieht Eoleo überhaupt nicht ähnlich!" "Er ist auch nicht mit Eoleo verwandt." "Was hat das zu bedeuten, Liva?", fragte Gabriel sie. "Ich werde Eoleo nicht heiraten." "Wen dann?" "Hoabna, den Schamanen-Häuptling.", sagte Liva und starrte zu Boden, dann nach ein paar Sekunden guckte sie wieder auf: "Ich habe tolle Neuigkeiten, Gilbert lebt!" "Was? Das kann doch nicht möglich sein, dieser Bengel schafft es doch immer wieder!", sagte Gabriel, der Tränen in den Augen hatte. "Adry, wer ist Gilbert noch mal?", fragte Adreannas Freundin Ahri. "Gilbert ist Gabriels Neffe!" "Dann ist er auch dein Neffe. Du, als Tante!" "Mensch Ahri, das ist mir noch gar nicht aufgefallen! Aber jetzt, wo du es sagst. Dann wäre mein Kind der Cousin von Gilbert." "So ist es, Adry." "Da ihr gerade bei dem Thema seid, ich habe auch eine Neuigkeit.", sagte Dragan. "Willst du ihnen das wirklich sagen, Ta..." "Ja, will ich, Garem!", zischte Dragan, dann erhob er sich von der Mauer, auf der er gesessen hatte. "Ich bin nicht Takeru und ich bin auch nicht Tamikos leiblicher Bruder. Ich heiße Dragan. Tamikos Familie hat mich aufgezogen. Meine wirklichen Eltern sind Bodil und Cranshaow." "Cranshaow?", fragten die anderen ihn. "Ja genau der Cranshaow, der auch unser Feind ist. Ach, und noch etwas, ich werde euch nicht mit in den Saturn-Leuchtturm begleiten. Ich werde versuchen Oka, meine Geliebte, zu retten. Das habe ich einem Freund versprochen. Also geht nun. Ich will nicht, dass sich jemand verletzt, wenn ich Cranshaow gleich rufe." "Pass auf dich auf.", sagte Garem, dann umarmte er seinen Freund. Tamiko zupfte an seinem Ärmel: "Dir passiert doch nichts, oder?" "Ich weiß nicht, Tamiko!" "Bitte nenne mich weiter Tami. Ich liebe dich doch wie einen richtigen Bruder, mir ist egal wer du bist! Für mich wirst du immer der sein, der du warst." "Ich habe verstanden, Tami.", dann küsste er sie auf die Wange. Sobald er dies getan hatte, lief er in den nahe gelegenen Wald. "So, dann werden wir mal unsere Pflicht tun, Eoleo.", sagte Garem freundlich. "Unsere Pflicht? Was ist schon unsere Pflicht? Ist uns dies alles hier vorherbestimmt? Gibt es ein vorherbestimmtes Schicksal? Ist es wirklich so, dass man seine Zukunft nicht selbst bestimmen kann? Ist das Leben nicht nur ein großer Zufall?" "Was hast du nur, Eoleo?", fragte Garem. "Ach, es ist nichts! Rein gar nichts!" Sie gingen in den Leuchtturm. "Dieser Leuchtturm wurde von einem mächtigen Schamanen-Häuptling erbaut. Zu seiner Zeit gab es noch viele Schamanendörfer in der Umgebung. Doch dann, eines Tages, brach ein nahe gelegener Vulkan aus. Dieser forderte mehr als achtzig Prozent der Bevölkerung ein. Die Überlebenden gründeten einen Stamm, unter dem Dion zum Häuptling gewählt wurde. Der Turm sollte nur dazu dienen, um die Bevölkerung zu warnen, wenn noch einmal eine solche Katastrophe passieren sollte. Als der inzwischen alt gewordene Häuptling dann merkte, dass er bald das Zeitliche segnen würde, setzte er sich an die Spitze des Leuchtturmes und meditierte dort, bis er im strahlenden Licht starb. Zurück blieb nur der Saturn-Stern.", erzählte Liva. "Sag mal, Liva, woher weißt du das immer?", fragte Gabriel. "Ich weiß nicht genau, aber es scheint mir so, als wäre in der Grabkammer von Sinoles und Vanadis etwas mit mir passiert. Ich fühlte mich dort wie zu Hause, als läge dort ein Teil von mir, vor allem bei Vanadis hatte ich das Gefühl. Aber was rede ich für einen Unsinn?" Liva lächelte, doch tief in ihrem Inneren war ihr gar nicht nach Lachen zumute. Sie dachte, sie begehe den größten Fehler ihres gestammten Lebens, indem sie nicht auf ihr Herz hörte, sondern ihrem Verstand folgte. Doch dies schien ihr ein weiser Entschluss, sie wollte Avil und Gilbert nicht in Gefahr bringen, sie wollte nicht, dass die Bewohner von Tolbi zu leiden hatten und die Stadt zerstört werden würde. Sie wollte einen Platz schaffen, an dem Avil für alle Ewigkeit glücklich sein konnte. An diesem Ort, wo ihr Neffe geboren werden wird. Ganz in Livas Nähe war noch ein anderes Schicksalskind traurig und aufgewühlt, es war Daja. Diese guckte den ganzen Weg, den sie schon im Saturn-Leuchtturm zurückgelegt hatten, auf den Boden. Warum hatte Dragan ihr das angetan? Zuerst hatte er so getan, als würde er sie verstehen und dann hatten sie auch noch ein sehr intimes Verhältnis begonnen, aber ihre Beziehung war zu Ende gegangen. Es war so, als ob ihre Welt untergehen würde. Ihr war egal, ob sie nun sterben würde. Sie hatte niemanden mehr. Ihre Mutter war getötet worden, ihr Vater war verschwunden und ihr einziger Freund hatte sich von ihr abgewandt. Sie lebte einzig und allein für ihre Aufgabe. Sie hatte den Einfall, dass sie nach der Entzündung des Merkur-Leuchtturms gehen sollte, sie hatte keine Lust Oka mit ihrem Dragan zu sehen! Nach der Entzündung würde sie nach Contigo, zu ihren Wurzeln, zurückkehren. Dort würde sie einen netten, jungen Mann kennen lernen und ihn heiraten! "Liva, stimmt es wirklich, dass Gilbert lebt?", fragte Gabriel. "Natürlich stimmt es! Denkst du ich würde das nur so sagen, denkst du ich würde jemandem falsche Hoffnungen machen?" "Nein, das glaube ich wahrlich nicht!" Gabriel lachte. Adreanna, die neben ihm herlief, wunderte sich. "Adreanna, guck nicht so. Es ist gut zu lachen, solange man noch kann!" "Ich sagte doch gar nichts! Es ist schön zu sehen, dass du wieder lachst. Was mache ich, wenn ich dein Lachen nicht mehr sehen kann?" "Gabriel, was meint Adreanna damit?", fragte Liva. Dann ließ sich Gabriel mit Liva ein bisschen zurückfallen. "Liva, bitte erzähle das niemanden. Ich habe nicht mehr viel Zeit, mir bleiben nur noch drei Jahre." Liva wurde blass, sie konnte nichts sagen, doch Gabriel legte seine Hände auf ihre Schultern und lächelte. "Liva, vergiss nicht, immer schön lächeln. Ein Lachen und die Welt ist ein bisschen besser! Wo doch das Böse hinter jeder Ecke lauern könnte." Dann ging Gabriel wieder zu Adreanna. "Meinst du, dass Dragan es schafft Oka zurückzuholen?", fragte Tamiko, die mit Garem und Folore ging. "Ich denke er schafft es, denn ich vertraue ihm. Als er uns erzählt hat, dass er nicht Takeru ist, habe ich mir Sorgen gemacht, dass er nicht mehr der gleiche sein würde. Aber die Befürchtung hat sich nicht bestätigt. Ich bin ja so froh darüber, ich dachte schon ich würde wieder einen geliebten Menschen verlieren!" "Was für schöne Worte, Garem. Was meinst du dazu, Tami?" Garem starrte Folore an, sie hatte ihn doch wirklich ganz normal Garem genannt. "Das würde ich doch auch meinen! Er ist schon toll unser Garem, nicht wahr, Flore?" "Ja, du hast Recht, Tami!" Beide kicherten los und Garem sah beschämt nach hinten. Hinter ihnen gingen zwei nicht miteinander harmonierende Personen, Athi und Eoleo, dicht gefolgt von Ahri. "Ich kann nicht glauben, dass man dich freigelassen hat. Du solltest dich beim großen Häuptling Hoabna bedanken. Du hast ihm dein Leben zu verdanken!" "Na und, mir doch egal! Ich wäre lieber tot, als Liva in seinen Armen zu sehen. Sie hat mir alles bedeutet!" "Tja, dann spring doch einfach von der Spitze des Turmes." "Hah, das würde dir so passen. Dann bräuchtest du nicht mehr so doll aufzupassen, weil doch sonst alle eine Partnerin haben, außer dir natürlich!" "Du wagst es! Ich kann jede haben! Wie wär's mit...", Athi guckte sich um und sah dann Ahri hinter sich gehen, "...der da!" "Fragen könntest du auch mal. Ich bin nicht ,die da', sondern Ahri aus Contigo.", sagte Ahri trotzig. "Eine Contigoanerin also. Nun gut, ich habe kein Interesse mehr." "Nur weil ich eine Contigoanerin bin? Könnte es nicht sein, dass eine Heirat zwischen Contigo und dem Schamanendorf von Vorteil wäre? Aber denke nicht, dass ich dich nun heiraten möchte! Ich bin verlobt." "Ich hatte auch kein Interesse an dir! Ich hätte eher Interesse an Avil." "Lass deine Hände von Avil, wenn du sie in irgendeiner Form anrührst, dann töte ich dich ohne mit der Wimper zu zucken!" "Ist das eine Drohung?" "Ja, das ist es! Und ich sage dir das auch nur einmal, kein zweites!" Sie wollten gerade in den nächsten Gang einbiegen, als sie vier Schatten sahen. Es waren ein großer, zwei mittlere und ein kleiner Schatten. "Seid Ihr wirklich sicher, dass Ihr dieses Mal mitkommen wollt, Meister?", fragte eine dunkle Frauenstimme. "Ja, das habe ich wirklich vor, Galatea." "Aber, Meister...!" "Galatea, mein Kind, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich nur Cranshaow nennen sollst? Immerhin ist dein Halbbruder mein Sohn, ein ganz besonderer sogar, ein bisschen bissig, aber was soll's?" "Das liegt an den Vorfahren meiner Mutter. Sie waren auch schon immer so... wie soll ich sagen,... so speziell!" "Das weiß ich doch, Galatea!" "Meister, was soll ich hier? Ich habe nicht die geringste Lust auf, nun..." "... auf Ahri zu treffen, Corbinian? Liebst du sie immer noch?" "Ja, Meister. Sie geht mir nicht aus dem Kopf. Ihr strahlendes Gesicht, ihre duftenden Haare und ihre runden Augen. Sie war perfekt. Es gibt keine zweite in meinem Leben!" "Soll ich sie auf unsere Seite holen? Sie hat zwar keine außergewöhnlichen Fähigkeiten, aber das kann man ändern, oder besser, das kann nur ich ändern. Stimmst du mir zu, Kalaya?" Der kleine Schatten regte sich nur kurz, aber Kalaya sagte nichts. Die Schicksalskinder waren stehen geblieben, sie hätten sich schon denken können, dass er hier auftauchen würde. Doch hatten sie nicht damit gerechnet, dass Corbinian mit von der Partie sein würde. Die vier Schatten verschwanden aus dem Blickfeld der Schicksalskinder. "Corbinian, was machst du hier? Warum weißt du, dass ich hier bin?", murmelte Ahri, dieses Murmeln hatte nur Adreanna mitgehört. "Ahri, hast du Angst davor Corbinian wieder zu treffen?", flüsterte Adreanna. "Ja, habe ich. Ich weiß nicht, wie ich ihm begegnen soll. Aber zumindest weiß ich jetzt, dass er mich liebt." "Ich wette alles wird gut gehen. Du wirst sehen, am Ende werden alle glücklich sein. Gib die Hoffnung nicht auf!" "Danke, Adry, du machst mir neuen Mut.", sagte Ahri und ging weiter. "Es werden bestimmt alle glücklich sein, aber ich weiß nicht, ob ich ohne Gabriel jemals wieder glücklich werden kann!" "Adreanna, kommst du?", rief Gabriel ihr zu. Adreanna lief zu Gabriel herüber und nahm seine Hand. Sie liefen durch mehrere Gänge und den Schicksalskindern schien es eher so, als wären sie in einem Labyrinth eingesperrt, aus dem es kein Entrinnen gab. Die Wände, Ecken und Gänge sahen alle gleich aus, so dass es umso schwerer wurde diese auseinander zu halten. Nach etwa drei Stunden in diesem Höllen-Leuchtturm brauchten die Schicksalskinder eine Pause. Diese verbrachten sie in einen Raum, der für einen Leuchtturm höchst ungewöhnlich war, denn es war ein Speiseraum. In der Mitte dieses Raumes stand in Tisch mit zwölf Stühlen, jeweils sechs an jeder Seite. An der Frontseite stand ein massiver Sessel, der im Gegensatz zu den anderen zwölf Stühlen gepolstert war. Die Polster des Sessels bestanden aus rotem Stoff. Der große Tisch war an der Seitenkante mit merkwürdigen Bildern verziert, die kein Schicksalskind deuten konnte. Sie sahen einige Menschen mit Flügeln und andere mit Schwingen, sowie fischähnliche Menschen und zu guter letzt auch normale Menschen, die jedoch um einiges größer waren, als die anderen Wesen. Auf dem Tisch selbst waren einige Ritzen zu sehen. Wenn man von einer gewissen Distanz und einem bestimmten Blickwinkel die Oberfläche betrachtete, konnte man ein Gebilde erkennen, welches eine Karte sein könnte, aber diese Karte wäre nicht mehr die aktuellste. Es gab einen riesigen Kontinent, der etwa dreimal so groß wie ganz Weyard war. Auch auf der Karte gab es die Wesen, die als Verzierungen die Seitenkanten des Tisches schmückten. Liva guckte sich um und sah eine liebreizende Frau auf einem Gemälde, die ihr sonderbar ähnelte. Jedoch hatte diese zwei Flügel. Ihre gewellten Haare fielen ihr locker ins Gesicht und ihr rosa Mund war zu einem freundlichen Lächeln verzogen. Im Hintergrund stand ein Mann, der nur schwach gemalt worden war. Dieser wirkte, als wäre er mit etwas beschäftigt, denn seine Augen waren nicht zum Betrachter gerichtet, sondern zu etwas in seinen Händen. Nachdem sie sich eine Viertelstunde ausgeruht hatten, zogen die Schicksalskinder weiter. So erreichten sie schließlich die zehnte Ebene, die Spitze des Leuchtturmes. Doch an dieser Spitze waren nicht nur sie, sondern auch Cranshaow mit seinen Handlangern. Galatea, die rechts neben Cranshaow stand, hatte blaue Haare und ebenso hellblaue Augen. Ihre Haare waren im Nacken zu einem Knoten gebunden, nur eine Haarsträhne auf jeder Gesichtsseite hing herab. Man erkannte sofort ihre Abstammung als Proxianerin, denn sie hatte eine blaue Hautfarbe. Sie hatte, wie Adreanna früher, eine Hose an, die unten am Saum mit Gold verziert war. Die Farbe der Hose war weiß, wie auch die ihres Oberteils, welches mit Perlen besetzt war. Über ihrer rechten Augenbraue befand sich eine Narbe, die zweifellos von einer Klaue stammte. Kalaya, die wieder in ihren Reiseumhang gehüllt war, hatte wieder offene Haare. Auch der hasserfüllte Blick lag wieder in ihren Augen. Sie stand abseits von Galatea und Cranshaow am Loch des Leuchtturmes. Corbinian, der schwarze Haare hatte, starrte mit seinen blauen Augen den Leuchtturm hinunter. Er sah aus, als ob er nur allzu gerne springen würde und damit seinem jämmerlichen Leben ein Ende setzen wollte. "Soso, ihr seid endlich angekommen!", sagte Cranshaow. "Ja, das sind wir und wir gehen auch alle wieder zusammen. Du entführst niemanden!", schrie Liva aus Leibeskräften. "Du schreist einfach so deinen Großonkel an? Nun, das macht mich aber traurig. Hat meine Nichte dir denn kein Benehmen beigebracht?" "Lass meine Muter daraus, sie hat..." "Sie hat euch bestimmt nichts erzählt. Nichts über ihre Bürde, nichts über eure Geburt und nichts über eure Bestimmung, geschweige denn über mich! Ihr wisst doch nicht, was ihr mir zu verdanken habt. Euer Leben habt ihr mir zu verdanken. Ich hätte Cosma schon früh töten können, aber mit euch macht die ganze Sache mehr Spaß.", sagte Cranshaow und grinste. "Töten? Wieso spricht alle Welt vom Tod? Der Tod ist eine schreckliche Sache.", warf Gabriel ein. "Ja, der Tod! Für manche kann der Tod auch eine Erlösung sein!", sagte Corbinian, der vom Rand des Leuchtturmes zu Cranshaow in die Mitte ging. "Corbinian, was tust du hier? Wieso arbeitest du mit diesem Ungeheuer zusammen? Ich hasse dich!" Ahri fing an zu weinen. Sie ertrug die Situation nicht, sie konnte Corbinian nicht in die Augen schauen. "Ahri, es tut mir Leid...", doch Corbinian konnte nicht zu Ende sprechen. "Meine kleine Ahri, sagst du zu mir ,Ungeheuer'? Ich bin kein Ungeheuer. Nein, das bin ich nicht. Ist es denn so falsch, wenn man alles tut, um seine Träume zu verwirklichen?" Cranshaow ließ sie erst gar nicht antworten, sondern redete gleich weiter. "Nun denn, heute ist also der große Tag von Eoleo und Garem. Ach, Daja, ich soll dir von deinem Vater ausrichten, dass er dich lieb hat und dich vermisst, doch er freut sich für dich und ich mich auch..." Eine kurze Pause trat ein, dann sprach er weiter: "Der große Tag von Eoleo und Garem. Nur zu, ihr könnt vor Dion eure Prüfung ablegen. Ich werde euch nicht angreifen. Hätte ich dass gewollt, wäre ich nicht mit Galatea, Corbinian und Kalaya hergekommen, sondern mit meinen schwarzen Rittern. Dabei fällt mir ein, kann irgendeiner von euch Avil ausrichten, dass Gilbert ein bisschen verändert wiederkommen wird, mit ein paar Narben und ähm... einem blinden Auge?" Die Schicksalskinder schraken zusammen. "Wie konntest du ihm das antun?", fragte Gabriel. "Nun, er wollte Eoleo befreien. Bei seiner Hinrichtung!" "Eoleos Hinrichtung?", fragte Adreanna. "Es stimmt, Adreanna. Hoabna hat mich hinrichten lassen wollen, aber Liva hat mich gerettet.", kam es Eoleo traurig über die Lippen. "Geschieht dir recht, du Pirat. Ein Gesetzloser sollte nicht länger leben!", entgegnete Athi. "Gesetzloser? Ich will doch gar keiner sein. Und du solltest aufpassen was du sagst und tust. Hast ja die kleine, arme und wehrlose Folore falsch verdächtigt." "Das kann dir doch egal sein, oder bist du auch ihr Beschützer?" "Hey Jungs, es ist gerade nicht der Zeitpunkt sich zu streiten. Immerhin ist hier unser Feind, auch wenn er wie ein Skelett aussieht, sollten wir ihn nicht unterschätzen! Und außerdem ist mir völlig egal, was ihr zu dem Vorfall im Schamanendorf sagt. Es geht euch schließlich nichts an, was ich aus meinem Leben mache.", schimpfte Folore wütend. "Gute Worte, Folore. Zu schade, dass dein...", fing Cranshaow an, sprach aber nicht weiter. "Was ist schade?", fragte Folore. "Ach, nichts besonderes. So, nun mal los, ab zur Prüfung!" "Ich habe noch eine Frage!", sprach Garem. "Welche denn, Garem?", wunderte sich Cranshaow. "Was hat das ,C' von Tamiko zu bedeuten? Bei uns bedeutet es, dass wir Schicksalskinder sind, aber sie ist keines!" "Garem, wie soll ich dir das erklären? Tamiko, hörst du ab und zu eine männliche Stimme in deinem Kopf?" "Ja, kann sein. Nun gut, seit ich aufgewacht bin, höre ich sie täglich. Sie macht mir Angst!", antwortete Tamiko. "So, Garem, Tamiko hört eine männliche Stimme, diese Stimme kommt von meinem Sohn. Er ist auch ein Schicksalskind!" "Dann ist es Dragan!" "Nein, Garem, es ist Hieronymus. Er ist eines der Schicksalskinder und hat auf beiden Oberschenkeln ein ,C', einmal ein grünes, genauso wie du, und ein rotes, wie es Tamiko hat. Er hat keinen Elementar-Stern, aber Tamiko hat diesen in sich. Er hat eine magische Wand um sich herum aufgebaut, so dass er diesen abblocken konnte." "Magische Wand?" "Ja, er ist mein Erbe. Der Erbe, der später über die Elementare herrschen soll, so wie ich es nun tue. Also, nur zu, ab zur Prüfung! Wir tun euch nichts, ich will doch auch, dass die Leuchttürme wieder brennen!" Ein bisschen zaghaft schlenderten Garem und Eoleo los zum Loch. Sogleich erschien auch eine Gestalt, die blau schimmernd über dem Loch, im Schneidersitz sitzend, flog. "Ich bin Dion, Wächter des Saturn-Leuchtturmes, dem Leuchtturm des Lichts. So, wer will anfangen?" "Möchtest du, Garem?", fragte Eoleo. "Nein, ich lasse dir den Vortritt!" Eoleo nickte. "Dann also Eoleo. So, was bevorzugst du, die Vergangenheit oder die Zukunft?" "Nun ja, beide haben ihre Vorzüge. Die Vergangenheit kann man nicht verändern, aber dafür kann man an schöne Erinnerungen denken. Die Zukunft ist veränderbar, aber dadurch ist die Zukunft ungewiss. Schlimmstenfalls kann die Zukunft schrecklicher sein, als die Vergangenheit. Trotzdem nehme ich das Risiko und entscheide mich für die Zukunft." "Schön, schön! Nun kommen wir zu Garem. Dies sind zwei wichtige Faktoren im Leben jedes Menschen. Freundschaft oder Familie?" "Das ist ungerecht, ich kann das nicht entscheiden, sie sind mir beide wichtig!" "Du musst dich entscheiden! Es gibt keinen anderen Weg!" Garem guckte rüber zu Tamiko, dann seufzte er und sagte kaum hörbar: "Familie." Der Geist von Dion verschwand. An seiner Stelle leuchtete nun das Licht des Saturns wieder im Leuchtturm. Beide gingen zu den Schicksalskindern zurück. "So, das war's dann, schönen Tag noch!", sagte Cranshaow, dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter. "Was hast du vorhin gemeint, als du sagtest, dass mein Vater sich für mich freut?", fragte Daja. "Du bist viel zu ungeduldig. Willst du das unbedingt wissen?" "Ja, will ich!" "Dein Vater freut sich darauf, dass er Großvater wird. Und auch ich werde ein viertes Mal Großvater. Auf Wiedersehen, Dajavela!" Cranshaow, Galatea, Corbinian und Kalaya verschwanden vom Leuchtturm. Kapitel 14: Leben und Tod ------------------------- Leben und Tod Regen. Schon wieder Regen. Seit König Isaacs Tod, der nun schon zwei Wochen zurücklag, regnete es nur noch. In einem kleinen Haus saß eine etwa dreißigjährige Frau, deren rote Haare streng zurück gemacht waren. Während sie strickte, spielte ihre kleine, siebenjährige Tochter auf dem Boden. Seit Tagen war der Herr des Hauses verschwunden und dessen Familie wusste nicht wo er war. Plötzlich trat ein junger Soldat aus Tolbi herein. "Guten Abend!", sagte dieser. Er nahm seinen Helm ab und zum Vorschein kamen seine schwarzen, lockigen Haare und sein blasses Gesicht. "Guten Abend, Amos. Hast du schon etwas herausgefunden?", fragte die Frau. Amos schüttelte den Kopf. "Sag mir gleich Bescheid, wenn du etwas herausfindest! Deine Nichte macht sich große Sorgen." Amos ging auf das Mädchen zu und guckte sie an. Dann stand er wieder auf. "Weißt du, wo er vielleicht stecken könnte? Hast du irgendeine Ahnung?", erkundigte Amos sich. "Nein, ich weiß überhaupt nicht, wo er stecken kann. Ich hoffe nur, dass er nichts mit König Isaacs Tod zu tun hat. Ich habe solche Angst." "Ich denke nicht, dass er etwas damit zu tun hat, Thyra!" Im nächsten Moment klopfte es an die Tür. Thyra stand auf und legte ihre Stricksachen beiseite, dann öffnete sie die Tür. "Guten Tag, meine Dame, ist Ihr Schwager zufällig bei Ihnen?", fragte ein Soldat aus Tolbi. "Ja, er ist hier. Warum wollen Sie das wissen?" "Er wird bezichtigt, den Mord an König Isaac begangen zu haben!", sagte ein zweiter Soldat. "Was? Amos, hast du wirklich..." "Nein, Thyra. Ich war es nicht!", behauptete Amos. "Das kann ja jeder behaupten. Komm mit!" Die beiden Soldaten von Tolbi wollten Amos gerade abführen, als man sie von hinten niederschlug. Hinter den beiden tauchten zwei Männer auf. Es war ein blauhaariger Mann und ein schwarzhaariger. "Tarek, wo warst du?", schrie Thyra vor Entsetzen. Auch Cania, das kleine Mädchen, regte sich und umarmte ihren Vater: "Papa!" "Thyra, Cania und Amos, ich habe keine Zeit euch das zu erklären, aber ihr müsst mit mir kommen." Tarek wies die anderen drei an sich bei Alex, dem blauhaarigen Mann, festzuhalten, was sie dann auch taten. Dies passierte in einem kleinen Haus. An einem regnerischen Tag in Tolbi, zwei Wochen nach Isaacs Tod. Cranshaow saß wieder auf seinem Thron, als fünf Personen erschienen. "Wie Ihr es befohlen habt, habe ich sie hergebracht.", sagte Tarek demütig. "Ausgezeichnet, Tarek. So, du bist also Amos?", fragte Cranshaow. Amos aber antwortete nicht, diese Ebene, in der sie sich befanden, war ihm nicht geheuer. "Nun gut, Amos, willst du einer meiner treuen Diener werden?" "Ich diene niemandem anders als der Königsfamilie von Tolbi!", erwiderte Amos. "Du dienst ihr? Aber das tut dein Bruder nicht!" "Tarek, was soll das heißen?", wunderte Amos sich. "Nun, kleiner Bruder, ich diene der Königsfamilie schon seit Jahren nicht mehr, eher gesagt seit drei Jahren. Und ich war es, der König Isaac umgebracht hat. Ich hasste ihn schon immer!" "Tarek, was sagst du da?", fragte Thyra entsetzt. "Papa?", weinte Cania. "Alex, bring die beiden weg, bei Bodil wären sie gut aufgehoben.", befahl Cranshaow. "Wenn du meinst, dass das die beste und einzige Lösung ist. So, Frau und Tochter von Tarek, haltet euch an mir fest!" Die beiden weigerten sich zuerst, gaben aber nach, als Tarek sie darum bat. Zurück blieben nur noch Cranshaow, Tarek und Amos. Nach einer Weile fing Tarek an zu sprechen: "Wird es nicht langsam Zeit, sich um Jenna und ihren Bruder Felix zu kümmern, Meister?" "Du brauchst Jenna nicht umbringen, sie wird in neun Monaten nach der Geburt eines Babys sterben, und Felix kommt erst später etwas dran. Jetzt ist erst einmal Garet dran, vielleicht entschließt sich Mia dann sich uns anzuschleißen!" "Wie Ihr befehlt, Meister." Mit diesen Worten verbeugte Tarek sich und ging durch die nahe gelegene Tür. Zurückgelassen wurde ein völlig verwirrter Amos. "So, Amos, nun zu dir. Willst du mein Diener werden?" Cranshaow erhob sich aus seinem Thron und ging auf Amos zu. "Ich sagte doch schon, ich diene niemandem außer der Königsfamilie von Tolbi. Und so jemandem wie dir würde ich niemals dienen!" Dies ließ Cranshaow sich nicht gefallen, er schlug Amos ins Gesicht, so dass er umfiel. "Hast du eine Ahnung, wer ich bin?", fragte Cranshaow wütend. "Nein, dass weiß ich nicht und es interessiert mich auch überhaupt nicht!" "Das sollte es dich aber, schließlich bin ich, wie Ivan einst sagte, ein Gott und kein ,normaler' Adept!" "Pah! Gott? So etwas gibt es doch gar nicht und außerdem, wieso sollte ich dir glauben?" "Du bist doch ein Saturn-Adept. Weißt du auch warum?" "Nein und ich glaube nicht, dass du es mir erklären kannst!" "Lass mich es dir erklären, ich kann es nämlich.", sagte Cranshaow. Im ganzen Raum erschienen Namen. "Siehst du diesen Namen? Airundia, sie ist meine Tochter, die Königin Jenna mir gebären wird. Was meinst du wäre ein gutes Element für eine Prinzessin?" "Ich verstehe nicht!" "Nun schön, wie wäre es mit Wasser? Ja, das ist gut." Der Name Airundia flackerte kurz blau auf, dann drehte sich Cranshaow zu einem anderen Namen um: Amos. "Hier, das bist du. Siehst du, dass der Name die ganze Zeit orange aufleuchtet? Das bedeutet, dass du ein Saturn-Adept bist. Außerdem bin ich noch zuständig für Leben und Tod. Zum Beispiel könnte ich einen Namen nehmen und ihn zerdrücken, so wäre der Mensch tot, aber ich kann auch neue Namen schreiben. Wie würdest du deinen Sohn nennen?" "Warum willst du das wissen?" "Nun antworte schon, sonst nenne ich ihn einfach Cranshaow, nach mir." "Nein, nenne ihn Ilian." "Fein, Amos! Ilian also." Cranshaow hob seinen Finger und schrieb weiße Buchstaben in die Luft und da stand der Name Ilian. So, nun hast du einen Sohn. Na gut, noch nicht sofort. Jetzt gib ihm noch ein Element." "Feuer!" "Fein, fein." Der Name funkelte kurz rot auf und dann verschwanden die Namen wieder. "So, dienst du mir jetzt?", fragte Cranshaow nochmals. "Nein, das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren!", sagte Amos sehr bestimmt. "Das ist aber schade, dann müssen wir dich wohl zwingen." Er klatschte dreimal in die Hände, sogleich erschienen seine schwarzen Ritter, die Amos umkreisten. "Sperrt ihn zu Gilbert, sie beide sollen eine Strafe bekommen!" Die schwarzen Ritter führten Amos ab. Die Schicksalskinder waren schon etwa drei Tage unterwegs. Sie befanden sich auf dem Weg nach Imil, zum Merkur-Leuchtturm, doch im Moment segelten sie auf hoher See. Die See war ruhig und sie kamen gut voran, in etwa einer Woche sollten sie am Merkur-Leuchtturm sein. Der Merkur-Leuchtturm war der blaue des Wassers, der nahe Imil stand. Imil war ein kleines Dorf, das durch eine Gebirgskette vom restlichen Angara abgetrennt war. In diesem Dorf war es meistens sehr kalt. "Daja, möchtest du noch Suppe?", fragte Liva, die mit einem Topf und einer Kelle um den Tisch herumging. "Ja, sehr gerne, Liva!" Daja hob ihre geleerte Kumme, so dass Liva gut die Suppe in diese hineinschütten konnte. "Athi, du kannst dich gerne zu uns setzten, du brauchst dort hinten nicht alleine sein!" "Nein, Lady Liva, es geht nicht, dass ich mit Euch an einem Tisch speise!" "Nun hab dich nicht so. Ich bitte dich, komm an den Tisch." "Ich kann nicht, weil..." "... weil ich hier sitze und du kannst nicht bei einem Gesetzlosen sitzen, geschweige denn bei einem Piraten, die ja noch viel schlimmer sind als Diebe, oder?", sagte Eoleo trotzig. "Genau, jeder Pirat sollte schleunigst gefangen genommen und gerichtet werden. Bei Dieben kann man noch gnädig sein und ihnen die Hände abschlagen.", meinte Athi in einem sehr bestimmten Ton. "Dann sollte ich mich deiner Meinung nach einfach erhängen lassen? Tut mir Leid, das geht nicht, weil ich weiß, dass ich noch eine Aufgabe zu erledigen habe." "Ach ja? Welche Aufgabe, etwa einen großen Raubzug?" "Athi und Eoleo, nun hört auf zu streiten, das machen meine Nerven nicht mit!", befahl Liva. "Verzeihung, Lady Liva!" "Liva, wieso sollte ich noch auf dich hören? Du hast mich doch für Hoabna eingetauscht!" "Eoleo, Hoabna war eben besser als du! Ich habe mich bei ihm geborgener gefühlt und er wird nicht wie du verfolgt. Er ist einfach besser für mich!" "Aber, Liva, was ist mit meinen Gefühlen?" "Eoleo, du kannst mich doch noch gar nicht kennen, wir haben doch gar nichts gemein!" "Aber, Liva..." "Nichts aber, vergiss mich einfach!", mit diesen Worten setzte sich Liva wieder an ihren Platz neben Avil und Daja. Plötzlich flatterte eine kleine, weiße Taube auf das Deck und landete vor Folore. Diese Taube hielt einen Brief. "Mhm, von wem mag der sein?", fragte sich Folore, nahm den Brief und sah, dass er von Yegelos, ihrem Bruder, stammte. "Er kommt von Yegelos." Sie öffnete den Brief und las vor: Liebe, kleine Schwester Folore! Es ist erst einige Tage her, dass ihr weggefahren seid, aber es ist schon viel in Contigo geschehen. Die Menschen sind sehr aufgebracht und bitten mich ständig um Hilfe, doch was kann ich schon tun, ich bin doch noch ein Kind, das schon erwachsen sein soll. Ich denke, dass ich die Aufgabe, die man mir auferlegt hat, nicht lösen kann. Die Zweifel wurden umso größer, als ich plötzlich eine Nachricht von Hoabna erhielt. Es war eine schreckliche Nachricht. Er verlangte doch tatsächlich von mir und dem Volk von Contigo sich für den Krieg zu rüsten. Wieso können die Schamane und die Contigoaner nicht einfach Frieden schließen? Ist dies ein unmögliches Unterfangen? Ich habe schreckliche Angst vor dem Krieg! Die Menschen brauchten so schnell wie möglich eine neue hohe Priesterin Wie nicht anders zu erwarten war, wurde es Cahia. Aber ich bezweifle, dass Cahia dieser Aufgabe gewachsen ist, sie ist immerhin nur ein Jahr älter als du. Wieso liegt das Schicksal der Welt in den Händen von uns Kindern? Ich begreife es nicht. Wer würde schon einen Krieg mit unerfahrenen Führern wollen? Ich glaube nicht, dass dies jemand will, aber wer will denn überhaupt Krieg? Wahrscheinlich niemand! Ich hoffe, dass wir uns nicht das letzte Mal gesehen haben, kleine Schwester. Ich werde nach einer friedlichen Lösung suchen, aber wenn es wirklich zum Krieg kommen wird, werde ich mich den Schamanen in den Weg stellen. Viel Glück auf deiner Reise und vergiss mich nie. Auch ich werde dich nie vergessen, in Hoffnung, dein Bruder, Yegelos. "Das ist ja furchtbar!", sagte Garem bestürzt. "Ja, das ist es. Ich hoffe meinen Eltern geht es gut.", sagte Ahri. "Ich denke es geht ihnen gut. Vielleicht wird der Kampf gar nicht in Contigo ausgetragen.", versuchte Adreanna Ahri Hoffnung zu machen. Sie wusste zwar, dass diese Worte nicht die richtigen waren, aber sie hielt es für besser irgendetwas Aufmunterndes zu sagen. "Vielleicht wäre es doch gut eine Heirat zwischen Contigo und den Schamanen zu organisieren! Aber wer würde schon gerne einer politischen Hochzeit ohne wahre Liebe zustimmen?", fragte Ahri hoffnungslos. "Ich denke ich kenne jemanden der das machen würde. Es ist zwar schwer, aber nicht unmöglich damit umzugehen. Man weiß doch, dass man mit diesem Opfer viele Menschen glücklich machen würde.", sagte Liva traurig. "Und außerdem kann man nicht erwarten, dass man mit dem zusammenkommt mit dem man gerne zusammen wäre, auch nicht, wenn man ein Kind von demjenigen erwartet.", fügte Daja ebenso traurig hinzu. "Also meint ihr ich sollte mich mit jemanden aus dem Schamanendorf verheiraten lassen?", fragte Ahri. "Nein, Ahri, du musst nicht, wenn du nicht willst. Ich verstehe voll du ganz, dass du nicht ohne Liebe heiraten willst!", warf Avil ein. "Aber Avil, was wäre, wenn du damit einen Krieg verhindern könntest? Würdest du dem dann nicht zustimmen?", fragte Gabriel. "Ja, Gabriel, du hast gut reden, du brauchst dich nicht um so etwas kümmern, du bist bereits verheiratet und Vale war schon immer neutral!", antwortete Avil. Ahri stand auf und ging zu Athi. "Meist du es würde etwas bringen, wenn wir heiraten würden?", fragte Ahri schüchtern. "Wieso sollte ich dich heiraten wollen?" "Ich kann nicht glauben, dass dir egal ist, ob dein Volk in den Krieg zieht oder nicht! Ich denke du willst auch nicht, dass dein Heim, deine Familie und deine Freunde zerstört werden. Ich denke du möchtest auch Frieden und einen sicheren Platz zum Leben." "Es kann schon sein, dass ich das will, aber was können wir schon gegen den Krieg tun?" "Wir können wie gesagt eine politische Verbindung eingehen. Du bist der Neffe von Häuptling Hoabna und ich bin eine Priesterin von Anemos, die von Meisterin Hama unterrichtet wurde. Wir haben also beide eine hohe Stellung." "Ahri, du bist Priesterin?", fragte Adreanna verblüfft. Ahri nickte nur. "Du bist also wirklich eine Priesterin. Hast du auch einen Meister-Titel?", fragte Athi. "Ja, habe ich." "Dann bist du Meisterin Ahri?" "Ja, Athi!" "Vielleicht wäre es dann schon möglich eine Ehe mit dir einzugehen!" "Dann wäre der Frieden gesichert." "Ja, das wäre wahrscheinlich!" "Ahri, mach das nicht! Du liebst doch Corbinian!", sagte Adreanna. "Aber wenn dadurch der Frieden wiederhergestellt werden könnte, würde ich alles dafür tun, selbst meine Liebe wegwerfen. Außerdem hat Corbinian die Seiten gewechselt!" "Aber er liebt dich doch noch!" "Adreanna, hör auf! Mein Entschluss steht fest. Ich kann ihn nicht lieben! Athi, bist du einverstanden?" "Ja, bin ich. Für den Frieden!" "Ja. Für den Frieden!" "Ihr seid verrückt!", gab Adreanna als Kommentar ab. Kapitel 15: Das Dorf der Kälte ------------------------------ Das Dorf der Kälte Tausend kleine Schneeflocken flogen vom Himmel zum Boden, in einem Dorf namens Imil. Imil war die Heimat von eines der Schicksalskinder, nämlich von Adreanna. Zu ihrer Familie, bei der sie die letzten drei Jahre gewohnt hatte, gehörten ihre Eltern, Megan und Justin, sowie ihre beiden jüngeren Geschwister, Arida und Ares. Ihre Eltern waren die Heiler des Dorfes und nach ihnen sollten ihre Kinder diese Arbeit verrichten, doch Adreanna hatte ihre eigene Vorstellung vom Leben. Sie wollte nicht den Beruf ihrer Eltern ausüben, denn sie wollte lieber Musikerin werden. Ihre Geschwister jedoch wollten in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. Gegen Abend eines herrlichen Wintertages kam Ares in Begleitung eines blondhaarigen, jungen Mannes, der etwa das Alter von Adreanna besaß, nach Hause. "Vater, komm schnell, ich habe im Wald einen Verletzten gefunden!", schrie Ares, der gerade die Tür zum gemeinsamen Haus aufmachte. Sein Vater kam sofort angelaufen, denn er wusste, wenn Menschen verletzt waren, sollte ihnen schnellstens geholfen werden und seit das heilende Hermes-Wasser im Brunnen des Merkur-Leuchtturms nicht mehr floss, häuften sich die Verletzungen der Menschen, um die er sich zu kümmern hatte. "Bring ihn so schnell wie möglich ins Haus der Heilung. Dort soll er verharren, bis seine Verletzung vollständig verheilt ist. Ich komme sofort nach!", sagte der Vater zu seinem Sohn. Dieser tat wie es ihm aufgetragen worden war. Er stütze den Fremden, der eine schlimme Beinverletzung hatte. Sie traten aus dem Haus heraus, gingen die erste Abzweigung nach links, dann bei der zweiten Abzweigung nach rechts, und schon standen sie vor einem großen Holzgebäude, dem Haus der Heilung. Sie traten beide ein und Ares suchte in unbelegtes Bett, welches sich allerdings nicht leicht finden ließ, da das Haus der Heilung im Winter ziemlich viele Verletzte beherbergte. Doch ganz in der hintersten Ecke stand es, das Bett für den Fremden. "Mein Vater wird jeden Moment hier sein, um Ihnen zu helfen.", sagte Ares, der dem Fremden gerade aufs Bett half. Ares stand auf und machte einen Rundgang, zuerst sah er zwei Kinder, die schwere Kopfverletzungen hatten, weil sie einen Abhang hinunter gefallen waren. Als nächstes war da eine ältere Dame, die sich schon über Jahre mit Rückenproblemen herumschlug. Sonst hatten noch sehr viele hohes Fieber und waren erkältet, diese Kranken lagen gesondert von den anderen, da sie diese womöglich anstecken würden und dies nicht zur Genesung beitragen würde. Des Weiteren sah man, dass viele Schnittwunden, wie auch der Fremde sie hatte, besaßen. Diese stammten oftmals von den Bären, die in den Wäldern Imils lebten. Die ganze Runde dauerte etwa eine halbe Stunde und Ares fragte sich, was mit seinem Vater sei. Als er dann nach weiteren dreißig Minuten nicht ankam, beschloss Ares dem Fremden am Bein zu nähen. Als er mit dem Nähen fertig war, unterhielten sich die beiden. "Dürfte ich Ihren Namen erfahren?", fragte Ares. "Natürlich, ich bin Kilian!" "Angenehm Sie kennen zu lernen, ich heiße Ares. Woher kommen Sie?" "Ich, ich komme aus Bilibin, einer wunderschönen Stadt, mit einem wunderschönen Palast. Zu der Zeit, als meine Eltern noch gelebt haben, war dieser trostlos, grau und war daran in den Schatten zu stürzen, doch in meiner Zeit ist der Palast erblüht. Die Dächer strahlen ein blau aus, welches man nur in den Augen eines wunderschönen Mädchens findet. Überall hängen Blumen, meistens liebliche, rote Rosen, so rot wie die Lippen des wunderschönsten Mädchens..." Plötzlich rumpelte es und die Tür sprang auf. Justin stand an der Tür, sein Gesicht auf den Boden gerichtet. Sein Sohn lief zu ihm hin. Als er bei seinem Vater ankam, hob dieser den Kopf, Ares erschrak. Sein Vater hatte keine Augen mehr und seine Lippen waren halb zerfleischt, in seinem Gesicht waren tausend Kratzer, dennoch konnte er sprechen, denn er sagte zu seinem Sohn: "Mach dich bereit, sie sind gekommen um dich zu holen!" Mit diesen Worten sank der Vater auf den Boden, hinter ihm stand ein Mann mit schwarzen Haaren, der mit einer Kreatur reiste, die nicht zu identifizieren war. Die Kreatur kroch auf vier Beinen, wobei die hinteren beiden länger wirkten, die Haut kam der einer Schlange gleich, der Kopf war dann doch eher froschartig. Von der Länge war sie fast so lang, wie der Mann neben ihr groß war. Auch aus der anderen Ecke kam ein Geräusch und dann Stimmen. "Ah! Alex, da bist du ja, ich hatte schon gedacht, dass ihr gar nicht mehr kommt.", sagte Kilian erfreut. "Wir lassen dich doch nicht im Stich, Kilian.", sagte die eher leise Kalaya. "Kalaya, sei still! Los, Kilian, ich heile dich jetzt und dann erledigst du deine Arbeit hier!", befahl die Stimme von Alex. Die ganze Unterredung lang hatte Ares nur so dagestanden und auf die Leiche seines Vaters gestarrt. Doch als er Schritte hörte, drehte er sich nach links. "Wer seid ihr? Was wollt ihr?", fragte Ares. "Wir sind diejenigen, die das Gleichgewicht stören, die ewige Verdammnis bringen, wir sind die getreuen Diener von Meister Cranshaow, Beschützer der Elemente. Wir sind hier, um dich zu unserem Meister zu bringen.", gab Tarek als Antwort zurück. "Lieber sterbe ich, als mit euch zu gehen!" "Ich hatte mir schon so etwas gedacht, deswegen habe ich Brev dabei.", sagte Tarek, während er über den Kopf der Kreatur Brev strich. "Ich hoffe du hast Hunger, Brev." Die Kreatur nickte, dann öffnete sie ihr Maul und zum ersten Mal sah man die spitzen Zähne von Brev. Er kroch ein paar Schritte nach vorne und verschlang den Vater von Ares samt seiner Kleidung, in wenigen Sekunden. "Kommst du jetzt mit uns?", fragte Tarek noch einmal. "Nein! Niemals! Nie!", schrie Ares voller Panik. Plötzlich spürte er, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. "Nun, das ist dein Auftritt, Kilian!" Kilian zog sein Bastardschwert, welches reichlich mit Gold und Edelsteinen verziert war, und ging auf die zwei Kinder zu, die auch erstarrt waren. Er hob sein Schwert und rammte dieses in das Herz und die Bauchregion der beiden Knaben. Damit Kilian auch sicher war, dass die beiden tot waren, schlitzte er auch ihre Kehlen auf. Dies vollzog er auch bei den anderen Kranken und Verletzen. Als er seine Tat vollbracht hatte, löste Kalaya die Erstarrung auf. Ares fiel sogleich kraftlos zu Boden. "Wie konntet ihr? All die Unschuldigen!", schrie er. "Du bist doch selbst Schuld, hättest ja gleich mitgehen können, aber das hast du wohl für unnötig gehalten.", erwiderte Tarek. Kilian legte seine Hand auf Ares' Schulter, dann seine andere auf Alex' Schulter, so taten es auch Tarek und Kalaya. Sie verschwanden in die Elementarebene. "Ich werde den Jungen zu Cranshaow bringen!", sagte Alex, packte Ares unsanft und ging mit ihm zu Cranshaow. "Kilian, ich habe einen Brief an dich, von Lilith.", sagte Kalaya, holte den Brief heraus und übergab ihn. "Mhm... Er duftet nach Blumen, wie Lilith, das wunderbarste Geschöpf dieser Welt!", Kilian ging davon und las währenddessen den Brief. Kalaya wollte auch gehen, doch Tarek sprach sie an: "Kalaya, bist du nicht traurig, dass du in letzter Zeit nicht zu deinem Bruder durftest?" "Ja, ich vermisse ihn so!" "Warum merkst du dann nicht, dass er sich hier unter uns befindet? Brev ist dein Bruder Kep." "Nein, das kann nicht sein!", Tränen flossen aus Kalayas Augen. "Doch, er ist es. Meister Cranshaow versucht gerade eine uralte Psynergie, die Auferstehung. Die Auferstehung ist eine Form der Wiedererweckung, der höchsten Psynergie überhaupt. Sie funktioniert nur, wenn der Betroffene durch ein Schwert oder ähnliches Kriegswerkzeug gestorben ist. Er hat deinen Bruder töten und dann auferstehen lassen! Herausgekommen ist ein recht fähiges Monster!" Das Schiff der Schicksalskinder legte am Nachmittag an der westlichen Seite von Angara, dem zweitgrößten Kontinent Weyards, an. Sie würden noch einige Stunden brauchen, um nach Imil zu kommen, hinzu kam die Erschwerung, dass sie durch Schnee wandern mussten. Außerdem war es in diesen Tagen in der nördlichsten Region von Angara sehr kalt. Die meisten der Schicksalskinder hatten jedoch keine Winterkleidung dabei, nur diejenigen, die daran gedacht hatten, dass sie auch den hohen Norden Weyards bereisen würden. Letztendlich schafften sie es, dass alle warm genug angezogen waren, obwohl Athi sich weigerte seinen Oberkörper zu bedecken. Gegen Abend trafen die Schicksalskinder in Imil ein und suchten sogleich das warme und gemütliche Wirtshaus auf. Adreanna jedoch wollte bei ihrer Familie die Nacht verbringen, demzufolge machte sie sich in Begleitung von Gabriel auf den Weg zu ihrem Haus. Nach einem kurzen Fußmarsch gelangten die beiden zu dem Haus. Adreanna öffnete langsam die Tür. Als die Tür dann offen stand, wurde Adreanna ganz bleich. Ihre Mutter und ihre Schwester lagen auf dem Tisch, mit Blut überströmt. Sie eilte gleich zu ihnen, doch alles was sie versuchte um ihnen zu helfen, half nichts. Sie waren tot. "Mama, Arida, lasst mich nicht im Stich!", schrie Adreanna verzweifelt. Doch die beiden leblosen Körper bewegten sich nicht. Adreanna saß weinend am Tisch und war halb über die Leichen gebeugt. Gabriel, der nicht so sehr unter Schock stand, ging auf seine Frau zu und legte seine Hände auf ihre Schultern. Er konnte sie verstehen, denn er selbst hatte schon einen geliebten Menschen verloren, seinen Vater. Doch war es für ihn um einiges leichter, da sein Vater auf natürliche Weise gestorben und nicht auf brutalste Weise ermordet worden war. Wer konnte so etwas nur tun? Ihm kam nur einer in den Sinn: Cranshaow! Nur er hatte etwas gegen die Schicksalskinder, so dass er wollte, dass diese so viel wie möglich leiden mussten. Er nahm jeden von ihnen jemanden besonderen, selbst Gabriels Bruder war von einem seiner Handlanger getötet worden. Gabriel hasste Cranshaow dafür, wie konnte er nur, wie konnte er mit einem Leben nur so leichtfertig umgehen? "Adreanna, er wird dafür bezahlen, was er dir und deiner Familie angetan hat. Ich werde ihn, auch wenn es meinen eigenen Tod bedeutet, umbringen!", sagte Gabriel mit ernster Stimme. "Nein, tu das nicht, ich will nicht, dass noch jemand stirbt, der mir nahe steht! Ich will dich nicht auch noch verlieren!", erwiderte Adreanna. "Du weißt doch genauso gut wie ich, dass ich in weniger als drei Jahren sterben werde. Mein Leben hat also keinen Wert mehr!" "Nein! Sag das nicht! Dein Leben hat einen Wert. Und was würde ich ohne dich tun? Was würde aus deinem Kind?" Gabriel war zuerst geschockt, dann guckte er Adreanna jedoch verwundert an: "Bist du..." "Ich weiß nicht, aber es könnte sein!", gab Adreanna ehrlich zu. Im Wirtshaus saßen Folore, Garem und Tamiko an einem Tisch. "Tamiko, kommst du mit zum Merkur-Leuchtturm? Ich meine es könnte gefährlich werden und ich möchte eigentlich nicht, dass du verletzt wirst.", sagte Garem. "Ich kann doch nicht einfach hier bleiben, während ihr euch alle in Gefahr begebt. Ich habe zwar noch nie gekämpft, aber ich glaube nicht, dass ich verletzt werde, immerhin seid ihr die Schicksalskinder und ich bin nur eine Mitreisende. Ihr seid die besonders wichtigen Menschen auf dieser Welt. Trotz der Gefahr wäre ich auch gerne ein Schicksalskind, denn ihr werdet bestimmt in die Geschichte Weyards eingehen und somit unsterblich werden. Ich dagegen nicht! Ach, wie ich euch beneide!" "Du redest wirres Zeug, ich würde lieber ein normales Leben mit dir bevorzugen, als ein unsterbliches Leben mit Leid. Vielleicht ist es purer Egoismus, aber ich leide nicht gerne. Also bitte, Tamiko, wünsch dir nicht so zu sein wie wir!" "Ich finde Tamis Wunsch ist völlig verständlich. Wünscht sich nicht jeder auf der Welt etwas von sich zu hinterlassen, etwas, das einen unsterblich macht? Aber, Tami, du bist doch auch besonders, du wirst auch unsterblich, schließlich ist du ja mit diesem Sohn Cranshaows verbunden und wenn du Garem heiratest, bekommst du die Chance auf irgendeine Art in einem Geschichtsbuch aufzutauchen." "Und außerdem bist du noch die Adoptivschwester von mir und ich bin ja auch ein Schicksalskind!", sagte eine Stimme von hinten. Alle drei blickten sich um und sahen in das grinsende Gesicht von Dragan, hinter dem ein schwarzhaariges Mädchen stand. "Dragan! Oka?", Garem war verwundert, Dragan war es doch tatsächlich gelungen, seine kleine Schwester zu retten. Er stand auf und nahm sie in den Arm. "Garem, nicht so doll, ich bekomme keine Luft mehr!", sagte Oka. "Tut mir Leid!", sagte Garem, der nach Oka auch Dragan n den Arm nahm. "Ich danke dir von Herzen. Endlich habe ich die liebsten Menschen wieder in meiner Umgebung. Lasst uns das feiern, ich gebe allen eine Runde aus! Folore und Tamiko, könntet ihr die anderen holen gehen?" Beide nickten und verschwanden nach oben. Auch Oka verschwand um einen passenden Tisch zu suchen, währenddessen zog Garem Dragan beiseite. "Ich muss dir etwas sagen. Dajavela, sie ist schwanger mit deinem Kind. Ich an deiner Stelle würde etwas unternehmen, wenn du Oka nicht verlieren möchtest. Ich will nicht, dass sie deinetwegen traurig ist und ich akzeptiere auch nur dich als ihren Mann." "Hab ja schon verstanden, aber was soll ich deiner Meinung nach tun?" "Ich weiß auch nicht, ich war noch nie in einer solchen Situation und weiß nicht, wie man sich dann verhalten soll. Aber rede mit Dajavela und Oka, das ist das Beste für euch alle drei, verschafft euch dadurch Klarheit." Dragan nickte nur kurz, da die anderen kamen. Alle setzten sich an den Tisch. "Ich wollte euch allen meine jüngste Schwester Oka vorstellen und mit euch ihre Rückkehr feiern!", sagte Garem. Sie redeten und tranken sehr lange. "Liva, kann es sein, dass ihr noch eine weitere Schwester habt?", fragte Dragan. "Ja, haben wir, unsere Drillingsschwester! Wieso fragst du?" "Ich glaube ich habe sie gesehen, bei Cranshaow." "Das ist eine unglaubliche Nachricht, findest du nicht auch, Avil?" "Ja, das ist es, aber warum hast du sie nicht mitgebracht? Und wieso hast du mir meinen Gilbert nicht zurückgebracht?" "Ich wusste nicht, dass sie eure Schwester ist. Es hätte ebenso gut Zufall sein können, dass sie euch so ähnlich sieht. Und Gilbert habe ich nicht gesehen. Sowieso hätte sich Cranshaow nicht darauf eingelassen noch jemanden gehen zu lassen. Ich habe Oka auch nur mitnehmen können, weil sie seiner Meinung nach ,unbrauchbar' geworden war, was auch immer das bedeuten mag." "Sag mal, Dragan, wie fühlt es sich an Cranshaow, unseren Feind, zum Vater zu haben?", fragte Eoleo. "Ich weiß nicht. Es ist ein komisches Gefühl. Ich meine, ich dachte immer, dass Sasu und Kushinada meine Eltern seien. Aber jetzt ist es wie ein schwarzes Loch ohne Boden. Ich weiß nicht wer ich bin, so viel hat sich für mich verändert. Ich kenne noch nicht einmal meine richtige Mutter und einen Bruder soll ich auch noch haben. Ich bin ziemlich verwirrt, ich muss erstmal mich selbst wieder finden, bevor ich etwas über meinen Vater sagen kann!" "Hast du schon gehört, dass Ahri und Athi heiraten wollen um den Krieg zwischen Contigo und dem Schamanendorf zu beenden?", fragte Dajavela. "Nein, das habe ich nicht gewusst. Ich hatte bis jetzt auch noch nicht viel mit denen zu tun!" "Hast du denn schon mal überlegt, wann du mich heiraten willst?" "Daja, ich werde dich nie heiraten, auch nicht wenn du schwanger bist! Ich liebe Oka und das Versprechen, welches ich ihr gab ist schon viel älter, als dasjenige, welches ich dir erst kürzlich gab." "Das ist doch ein Scherz!" "Nein, Daja, ich liebe dich nicht und habe dies höchstwahrscheinlich auch nie getan. Und ich glaube kaum, dass du mich liebst. Du willst nur nicht alleine sein und brauchtest Halt!" Dann wandte er sich an Oka: "Ich hoffe du verzeihst mir und heiratest mich. Aber versuche zu verstehen, ich dachte du seiest tot. Ich hatte keine Hoffnung mehr, als du nach einem Monat nicht wieder heimgekehrt bist. Meine Gefühle für dich haben sich jedoch in all den Jahren nicht geändert, ich liebe dich. Und das Kind, das Daja in sich trägt, werde ich nie als das meine ansehen!" Die Gruppe löste sich auf und alle gingen in ihre Zimmer. Avil und Liva hatten wie immer ein Zimmer zusammen, davor schlief, wie auch schon auf dem Schiff, Athi, Livas treuer Beschützer. Als sie im Zimmer ankamen, legten sich die beiden sofort hin. Während sie schlief hatte Liva einen Traum, einen Traum von einem nebeligen Ort, dessen Gebäude so blau funkelten, wie der Merkur-Leuchtturm, der nahe Imil stand. Sie wandelte im Ort herum, sah verschiedene Gebäude, bis sie zu einem Gebäude kam, welches unglaublich groß war und die Form einer Treppe hatte. Auf der obersten Treppenstufe stand ein junger Mann, mit so rotem Haar, wie das Eoleos. Hinter diesem erschien ein grünes ,C'. Liva erwachte, sie war ganz verschwitzt. Sie musste geschrieen haben, denn Avil im Bett neben ihr war aufgewacht und Athi war hineingestürmt gekommen. "Was ist los, Liva?", fragte ihre Schwester. "Ich hatte einen Traum von einem Schicksalskind. Er stand auf einem Gebäude, das wie eine Treppe wirkte, in einer bläulichen Stadt, wahrscheinlich Lemuria.", sagte Liva. "Meinst du deine Vision zeigt dir die Wahrheit?" "Ich weiß nicht, wir müssen einfach hinfahren und gucken, ob es dort ein Schicksalskind gibt! Ich meine es ist unser einziger Anhaltspunkt.", sagte Liva. Avil nickte zustimmend. Oka und Dragan standen zusammen auf einem Balkon, der an ihrem Zimmer angebracht war. "Verzeihst du mir, Oka, das ich mich auf eine andere eingelassen habe?", fragte Dragan. "Ja, ich verzeihe dir. Ich weiß doch, dass du mich noch liebst. Aber bekommt sie wirklich ein Kind von dir?" "Ich glaube schon, aber wie ich schon sagte, habe ich nicht vor das Kind als das meine zu akzeptieren. Ich hoffe nur nicht, dass es ein Sohn wird, denn einen Sohn hätte ich gerne nur mit dir!" "Oh! Dragan, das macht mich aber glücklich, wenn du das sagst." "Ich möchte auch, dass du glücklich bist!" "Aber du bist wirklich nicht in sie verliebt?" "Nein, bin ich nicht. Alles was ich tat habe ich aus Mitleid getan. Ich habe sie wirklich nicht geliebt, ich schwöre!" "Gut, wenn du es schwörst, dann glaube ich dir!" "Dafür danke ich dir, Oka." Neben Gilbert erwachte ein völlig verschlafener Amos, der, wie auch Gilbert selbst, an den Händen und Füßen gefesselt worden war. So hingen sie schon etwa eine Woche. In dieser Zeit hatten die beiden sich angefreundet und Amos nannte Gilbert auch nicht mehr ,Prinz', doch er würde ihm noch immer dienen, denn weiterhin ließ es seine Loyalität nicht zu, sich gegen die Königsfamilie Tolbis zu wenden. Auch Gilbert konnte ihn als einen treuen Freund ansehen, dem er immer vertrauen können würde. Er konnte es auch kaum glauben, dass er der jüngere Bruder von Tarek, dem Mörder seines Vaters, war. Obwohl man es schon an der Ähnlichkeit sah, hatte er es dennoch erst einmal aus Amos' eigenem Mund hören müssen. Seit ein paar Tagen saß noch jemand anderes in der Zelle von Amos und Gilbert, nämlich Kalayas kleiner Bruder Kep. "Guten Morgen, Amos!", sagte Gilbert mit der gleichen Stimmlage, die er immer bei Freunden einsetzte und nicht mit jener, die er bei Untergebenen benutzte. "Morgen, Gilbert." Seit Tagen schon war Kalaya nicht mehr zu ihnen gekommen, um ihnen ihr Essen zu bringen, stattdessen kam nun immer eine schwarzhaarige Frau, um dieses zu erledigen. Kep war der einzige, der richtig verwirrt war, er konnte sich immer noch nicht an seine Vergangenheit erinnern. In seinem Innersten, so wusste er, sträubte sich auch etwas dagegen sich zu erinnern. Er hatte Angst vor sich selbst, er dachte er habe ein schweres Verbrechen begangen, weshalb er hier vielleicht eingesperrt worden war. Aber immer wenn dieses rothaarige Mädchen seine Zelle betreten hatte, war ihm ganz warm ums Herz geworden. Es schien, als wäre sie ihm vertraut. Nein, es schien ihm nicht nur so, sondern er wusste, dass es so war. Er und dieses Mädchen waren auf wundersame Weise miteinander verbunden. Tiefe Verbundenheit war in Weyard nichts Ungewöhnliches, die meisten Menschen waren mit einem anderen verbunden, viele aus familiären Gründen, aber manchmal waren es auch ganz andere Dinge, die sie miteinander verbanden. Doch was man auch tat, man konnte niemals eines dieser Bänder zerbrechen, sie blieben bis in die Ewigkeit erhalten, selbst über den Tod hinaus. Plötzlich öffnete sich die Tür und ein blondhaariges Mädchen trat ein. "Liva, bist du das?", fragte Gilbert verwirrt. Auch Amos blickte verwirrt auf das Mädchen, dieses schüttelte jedoch den Kopf. "Ich bin nicht Liva, ich bin Lavi, ihre Schwester!" "Aber sie hat nur eine Schwester, nämlich Lady Avil.", erwiderte Amos. "Nein, das ist nicht korrekt, sie hat mehrere Schwestern, und eine davon bin ich. Wer ist Gilbert?", fragte sie und trat ein paar Schritte vor, um die Gesichter der Gefangenen im Schatten besser sehen zu können. "Ich bin Gilbert. Wenn du wirklich Avils und Livas Schwester bist, bist du auch meine Cousine, oder?" "Das stimmt, ich bin deine Cousine.", sie wandte sich von Gilbert ab und sah Amos nun mitten ins Gesicht. "Ah! Tarek, was machst du hier? Und auch noch gefesselt, was hat Cranshaow dir angetan? Ah, die Narbe über deinem linken Auge!", schrie Lavi förmlich. "Nein, Lady Lavi, ich bin nicht Tarek, ich bin Amos, sein jüngerer Bruder." "Was? Dein Bruder, aber..." Auf dem Gang waren Schritte zu hören. Lavi streckte den Kopf aus der Tür und drehte ihn zur rechten und zur linken Seite, sie sah zwar niemanden kommen, doch sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte. Sie trat in die Zelle ein, schloss das Schloss von innen zu und versteckte sich in einem Strohhaufen, der sich zwischen Gilbert und Amos befand. "Lavi, was...", fing Gilbert an, aber er wurde von Lavi unterbrochen. "Nicht jetzt, Gilbert, sie kommen und dürfen mich hier nicht entdecken! Aber später muss ich noch eine Nachricht von Kalaya überbringen." Bei dem Namen Kalaya hob Kep, der die ganze Zeit über nur irritiert gewesen war, den Kopf. Kalaya, den Namen hatte er schon einmal gehört. Plötzlich tauchte eine blutige Gestalt in seiner Erinnerung auf. Doch diese Erinnerung bereitete ihm zu viele Kopfschmerzen, wer war nur die blutüberströmte Gestalt? Die Schritte kamen näher und Lavi versteckte sich so gut sie konnte in dem Strohhaufen, dabei hatte sie jedoch ein kleines Guckloch offen gelassen, so dass sie Amos weiterhin angucken konnte. Wieso sahen sich die beiden so ähnlich? Amos bemerkte, dass er beobachtet wurde, aber anstatt sich zu beschweren, grinste er über das ganze Gesicht. Lavi lief rot an, dann machte sie ihr Guckloch zu. Wie peinlich, dachte sie nur noch. Kapitel 16: Zwei Brüder und ein Blick in die Zukunft ---------------------------------------------------- Zwei Brüder und ein Blick in die Zukunft Zu dieser Zeit war es sehr heiß. Die Sonne stand direkt über seinem Kopf und da es in seinem Heimatdorf keine Schatten spendende Bereiche gab, war ihm bei seiner Arbeit noch wärmer. Seit sein Bruder verschwunden war musste er die ganze Arbeit machen und sich auch noch um seine kranke Mutter kümmern. Sein Vater, von dem er wusste, dass er noch lebte, kam nie vorbei, er hatte sie im Stich gelassen. Die ganze Situation war noch schlimmer geworden, als die Eltern seiner Verlobten Shebe gestorben waren und sie mit ihren kindlichen dreizehn Jahren nun ganz alleine war. Von jetzt an lebte sie bei ihm. Sie war ein schönes Mädchen, mit braunen, langen Haaren und, wie es in dieser Gegend üblich war, einem dunklen Teint. Sie half gerne im Haushalt und kümmerte sich um ihre spätere Schwiegermutter. Wie gesagt musste er, nun da seine Mutter krank war, noch härter arbeiten, obwohl die Arbeit als Schmied nicht besonders für ihn geeignet war. Erst vor einem Monat hatte er bei dem alten Dorfschmied anfangen müssen, denn genau zu dieser Zeit hatte sein ehemaliger Lehrling aufgehört, oder besser gesagt war er genau zu diesem Zeitpunkt abgehauen. Dieser ehemalige Lehrling war, wie nicht anders zu erwarten, sein Bruder gewesen. Für diese Aktion hasste er seinen Bruder so sehr, dass er wünschte, er würde nie wieder kommen. Aber in einem Punkt war er sich noch im Unklaren, wen er mehr hasste, seinen Bruder oder seinen Vater! Über seine Stirn rannen Schweißperlen, ihm war so heiß, er dachte wenn er nicht gleich eine Abkühlung bekäme, würde er noch zusammenbrechen. Er wünschte sich sehnlichst einfach in den nur zehn Meter entfernten Fluss zu springen und zu baden. Doch er musste weiterarbeiten, denn er musste doch seiner Mutter helfen und sie gesund pflegen. Obwohl es ihm eigentlich klar war, dass sie nicht mehr gesund werden würde. Von Tag zu Tag ging es ihr schlechter. So musste er auch täglich härter arbeiten. Um nicht noch mehr zu schwitzen zog er sein dünnes Hemd aus und legte es in eine Ecke, dann strich er seine braunen Haare aus seinem Gesicht. Auch er war, wie Shebe, mit einem dunklen Teint gesegnet und er hatte wundervolle, grüne Augen. Trotz seiner niedrigen gesellschaftlichen Stellung strahlte er, im Gegensatz zu seinem Bruder, etwas von königlicher Würde aus. Sein Bruder hatte ihn immer darum beneidet, weil nur er von Mädchen auf Dorffesten angestarrt wurde. Auch jetzt war es nicht anders, jetzt wo er in der Schmiede arbeitete, waren die Mädchen noch interessierter an ihm, selbst ganz junge oder ältere Damen. Doch sein Herz gehörte nur seiner Verlobten, die in diesem Moment angerannt kam. "Ansgar!", schrie sie. "Was hast du, Shebe?", schrie er zurück. "Wie lange musst du noch arbeiten?", fragte sie. "Ich weiß nicht. Dazu muss ich den alten Schmied fragen! Warum willst du das wissen?" "Nun ja, deiner Mutter geht es überhaupt nicht gut und außerdem sind so merkwürdige Besucher gekommen, die dich unbedingt sehen wollen." "Wieso mich?", fragte Ansgar verwundert, immerhin hatte sich noch nie jemand von außerhalb für ihn interessiert. Was könnten sie nur wollen? Er lief sofort zum Schmied und fragte, ob er nach Hause könne, weil es seiner Mutter nicht gut ging. Natürlich willigte dieser sofort ein, weil er wusste, wie es war, wenn es einer geliebten Person nicht gut ging, denn seine eigene Frau war erst vor kurzem an der gleichen Krankheit gestorben, welche Bodil nun hatte. Er selbst war nicht rechtzeitig nach Hause gekommen und hatte seine Frau nur noch tot aufgefunden. Ansgar rannte mit Shebe an seiner Seite nach Hause. Als sie die Haustür erreichten, riss er diese auch sofort auf, denn er wollte seine Mutter so schnell es ging sehen. Da lag sie auch schweißgebadet im Bett. Sie rang nach Luft, was ihr offensichtlich große Mühe bereitete. Umringt war sie von einer blondhaarigen Frau, die scheinbar dasselbe Alter wie seine Mutter besaß, einem kleinen Mädchen und einem Mann, den Ansgar schon etwas bizarr fand. Einerseits sah er sehr nett aus, aber irgendwie, vielleicht war es wegen seinen blauen Haaren, wirkte er kalt und eingefroren. "Was wollen Sie hier? Was haben Sie mit meiner Mutter gemacht?", fragte Ansgar in einem sehr gebieterischen Tonfall. "Wir haben überhaupt nichts gemacht. Wir sind selbst erst vor wenigen Minuten hier angekommen, ohne zu wissen in welchem Zustand sie sich befindet. Aber bist du bereit von ihr Abschied zu nehmen?", erwiderte der Mann. "Wieso Abschied nehmen?" Ansgar war schon ziemlich aufgewühlt. Seine Mutter und Shebe, und bis vor kurzem auch noch sein Bruder, waren ihm die liebsten Menschen auf ganz Weyard und jetzt, als er hörte, dass er Abschied nehmen sollte, war es fast so, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Dies alles war bestimmt nur ein Albtraum, so etwas konnte doch nicht sein. Seine Mutter durfte nicht sterben. Doch er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er angesprochen wurde. "Ich glaube sie schafft es nicht diese Nacht zu überleben.", sagte der Mann. "Ansgar, bist du das?", fragte seine Mutter ihn. "Ja, Mutter, ich bin es!" Während er dies sagte, bahnte er sich seinen Weg zu ihr und nahm ihre Hand. Seltsam war, dass diese ganz kalt war, obwohl seine Mutter doch so sehr schwitzte, als würde ihr sehr warm sein. In diesem Moment wurde ihm klar, dass der Fremde die Wahrheit gesprochen hatte. Es kullerten Tränen über seine Wangen, so traurig war er noch nie gewesen. Es war das erste Mal, dass jemand in seinem Beisein starb. Er spürte, wie jemand seine Hände auf seine Schultern legte, es war Shebe, die sich neben ihn hingehockt hatte und auch sie weinte. "Ansgar, ich muss dir etwas sagen!", sprach Bodil mit matter Stimme. "Was musst du mir sagen?" "Perez ist nicht dein Bruder, er ist nur adoptiert. Dein richtiger Bruder lebt in Izumo, er heißt Dragan. Dein Vater meinte, ..." "Was? Mein Vater? Wo ist er?", Ansgar konnte seinen zornigen Tonfall nicht zurückhalten. "Ansgar, nun hör mir zu, dein Vater ist kein schlechter Mann, doch er musste uns wegen seiner Arbeit verlassen. Sei bitte nicht sauer auf ihn!" Ansgar nickte, doch er war immer noch sauer. Lediglich der Hass auf seinen Bruder konnte gedämpft werden, er konnte nicht mehr sauer auf ihn sein, jetzt, da er wusste, dass er nicht sein leiblicher Bruder war. "Dein Vater meinte, dass es hier zu gefährlich für Dragan sei. So hat er mir Perez gebracht und nach einem Jahr musste ich Dragan weggeben... es hat mir beinahe mein Herz gebrochen... doch ich glaube, dass es das Richtige war." Ihre Stimme versagte bereits, ihre Augen wurden glasig, ihr Atem ging schnell und unruhig. "Mutter, rede nicht weiter, das strengt dich zu sehr an!", Ansgar war völlig verzweifelt. "Nein, ich muss... dir noch etwas erzählen... es geht nicht anders." Ansgar sah, dass seine Mutter ihre Hand über ihrer Brust ballte, wahrscheinlich stach ihr Herz. Mit ihrer anderen Hand berührte sie das Gesicht von Ansgar. "Ansgar, ... bitte suche... deinen Bruder... bring ihn hierher... bring ihn zu mir... bring ihn... zu meinem... Grab. Ansgar, ... ach, Ansgar, ... du bist deinem... Vater so ähnlich. Ich... liebe...", doch bevor sie zu Ende sprechen konnte, rutschte ihre Hand vom Gesicht ihres Sohnes und ihre Lebenskraft verblasste. Ansgar saß nun da, ohne irgendeine Reaktion zu zeigen. Es war so, als stünde er unter Schock, er weinte noch nicht einmal. Er sah nur regungslos auf die Leiche seiner Mutter. Auch Shebe, die jedoch weinte, starrte auf Bodil. Kurz danach legte sie ihren Kopf auf die Decke, die über Bodils leblosen Körper lag, weinte aber dennoch weiter. "Ansgar!", sprach die wohlklingende Stimme des Mannes. "Du hast gehört, was sie wollte, sie wollte, dass du zu Dragan gehst und ihn zu ihr bringst. Ich glaube das ist auch im Sinne deines Bruders." Doch auch darauf reagierte Ansgar nicht. Dann wandte Alex sich an Shebe: "Du, Mädchen, willst du uns begleiten?" "Begleiten? Wohin? Warum jetzt?", fragte Shebe. Alex zuckte mit den Schultern, dann legte er je eine Hand auf die Schulter von Shebe und auf die von Ansgar. Im nächsten Augenblick waren sie verschwunden. Cranshaow saß in seinem Thronsaal, als drei Gestalten auftauchten - es waren Alex, Ansgar und Shebe. "Cranshaow, ich habe sie hierher gebracht, wie du siehst!", sagte Alex. "Gut, gut, Alex. Nun geh bitte und bereite alles vor." Alex deutete eine kleine Verbeugung an und ging zur linken Seitentür. Diese machte er auf und ging aus dem Raum. Cranshaow trat auf die beiden anderen zu. "Ansgar, verzeih mir, ich konnte nichts für deine Mutter tun." Er wollte gerade seine Hand auf Ansgars Schulter legen, aber dieser schlug die Hand weg. Nun blickte er zum ersten Mal auf und sah Cranshaow mitten in die Augen. "Was wollen Sie von mir? Sie wissen doch gar nichts über mich! Wer zum Teufel sind Sie überhaupt?" Cranshaows Gesicht war wie erstarrt. Jetzt, da er diesem jungen Mann in die Augen sah, wurde ihm klar, dass dieser sehr viel Ähnlichkeit mit seinem eigenen Vater, Sinoles, hatte und er murmelte: "Vater.". Dann schüttelte er jedoch den Kopf und sagte zu Ansgar: "Du fragst dich, wer ich bin? Ich bin dein Vater. Und über dich weiß ich sehr viel. Du wohntest in einem Dorf namens Naribwe, du bist sechzehn Jahre alt, du hast eine bezaubernde Verlobte, ...", dabei lächelte er Shebe an, die rot wurde, "... du liebst die frische Luft und den Klang des fließenden Wassers, und du hasst mich, weil ich nie für dich und deine Mutter da war." "Das ist genug, ich verschwinde. Komm, Shebe, wir gehen!" Er ging zu derselben Tür, hinter der auch Alex verschwunden war, doch durch diese konnte er nicht gehen. Einige dunkle Gestalten versperrten den Weg, in deren Mitte befand sich eine schwarzhaarige Frau. "Ah, Lilith, gut, dass du da bist! Ich möchte, dass du diesem Fräulein ein angemessenes Gewand gibst. Ihre Gewänder sind ihrer nicht würdig, ein wirklich bezauberndes Geschöpf. Und du, Aidos, gehe zu Kilian, er möge doch diesen jungen Mann hier zurecht machen." Die schwarzhaarige Schönheit nahm Shebe einfach mit, diese konnte noch nicht einmal etwas sagen. Kurz darauf kam ein gut gekleideter Mann durch die Tür, es war Kilian. Dieser nahm Ansgar mit, auch wenn dies ein wenig schwieriger war, da er sich strikt dagegen wehrte sich zu bewegen. Doch nach einiger Zeit konnte Kilian es doch schaffen. Nach ein paar Minuten öffnete sich die rechte Seitentür und ein blonder Kopf streckte sich in den Raum. "Cranshaow, Dragan fragt, wie lange du ihn noch warten lässt. Er meint er hätte nicht ewig Zeit und wolle zu diesen Schicksalskindern zurück.", sagte Lavi. "Sag ihm, er kann kommen, aber er soll aufpassen, dass niemand ihn sieht und er soll auch niemanden sehen." Lavi zog ihren Kopf wieder ein und ging davon. Kurze Zeit später trat sie wieder mit Dragan ein. "Hier, Cranshaow, hier ist er!" "Gut gemacht, Lavi, ich danke dir." Lavi war schon am weggehen, als Cranshaow noch hinzufügte: "Ach, Lavi, ich hatte noch vergessen dir zu sagen, dass sie bald kommen wird, also bereite dich schon einmal innerlich darauf vor!" Plötzlich strahlte das junge Mädchen, sie ging zu Cranshaow und umarmte diesen, während sie fragte: "Ist das auch wirklich in Ordnung für dich?" Cranshaow nickte liebevoll, worauf das Strahlen in Lavis Gesicht noch strahlender wurde. Sie erhob sich schnell und raffte ihren roten Rock zusammen, danach lief sie glücklich davon. Nun waren Cranshaow und Dragan ganz alleine ihm Thronsaal. "Dragan, mein Sohn, bist du doch endlich zu mir gekommen?", fragte Cranshaow. "Ja, Vater, das bin ich. Ich habe dir noch gar nicht dafür gedankt, dass du mich aufgeklärt hast. Ich danke dir dafür, dass ich nun dem Weg meiner Bestimmung folgen kann!" "Deine Bestimmung? Welche Bestimmung?" "Na, meine Bestimmung. Ich dachte, weil du mir gezeigt hast, wer ich wirklich bin, hättest du eine ganz besondere Aufgabe für mich." "Ich soll eine Aufgabe für dich haben... ah, nun fällt es mir wieder ein. Ich habe tatsächlich eine Aufgabe für dich!" "Aber, Vater, denke nicht, dass ich diese umsonst erfüllen werde, ich will etwas, dass sich in deinem Besitz befindet." "In meinem Besitz? Was könnte dies wohl sein?" "Ich meine Oka. Vater, weißt du nicht, wie sehr sie mir fehlt? Ich liebe sie. Bitte gib sie mir!" "Du liebst sie? Aber was ist mit der kleinen Dajavela?", fragte Cranshaow eindringlich. "Dajavela ist mir völlig egal. Es ist Oka, die ich haben will und Vater, wenn du sie mir nicht freiwillig gibst, dann bin ich auch bereit sie gewaltsam zu holen!", bei diesem Satz zog Dragan sein Schwert. "Nicht doch, Dragan. Ich gebe sie dir doch schon. Aber nur, wenn du für mich, sobald ihr in Tolbi angekommen seid, um Gilbert zum König zu machen, den ersten Minister, Felix, umbringst. Mehr verlange ich gar nicht." "Vater, das kann ich aber nicht!" "Doch, habe Vertrauen in dich und dein Können. Lege all deine Kraft in dein Schwert, dann wirst du wahre Wunder bewirken." Dragan guckte auf sein Schwert. Es war ein rostiges Kurzschwert, außerdem konnte man erkennen, dass es recht alt war, so abgenutzt wie es aussah. Wie sollte dieses Schwert so mächtig sein? "Nein, Dragan, ich meine nicht dieses Schwert, sondern dein neues!" Neben dem Thron stand ein Schwert in seiner dazu passenden Schwertscheide. Cranshaow zeigte genau auf dieses. "Wenn du den Auftrag annehmen willst, dann nehme das Schwert und ich lasse deine Oka frei. Los, mein Sohn, entscheide dich! Wähle dein Schicksal!" Dragan dachte einen Moment nach, was sollte er nur tun? Sollte er den Auftrag annehmen oder sollte er ihn abschlagen? Dann dachte er wieder an Garems Gesicht, als er diesem erzählt hatte, dass er Oka zu ihm zurückbringen würde. Er hatte so glücklich ausgesehen. Seine Augen hatten geleuchtet. Wie konnte Dragan nur daran denken, seinen besten Freund so zu enttäuschen? In Windeseile schnappte sich Dragan sein Schwert. Was er allerdings nicht sah, war das linke Grinsen von Cranshaow. Dragans neues Schwert war ungewöhnlich leicht. Es bestand aus einem Metall, dass wie Silber aussah, aber für Silber war es eindeutig zu leicht. Stellenweise bestand es auch aus Gold. Der Schwertgriff war sehr edel ausgearbeitet worden und hatte an dem Schwertknauf einen Kreis mit einem Stern, der sieben Zacken besaß, in seiner Mitte. Auf der Klinge standen Wörter in einer seltsamen Schrift, die Dragan nicht kannte. Cranshaow, der nun hinter Dragan stand, klopfte ihm auf die Schultern. "Danke, Dragan, dass du meinen Auftrag angenommen hast. Aber mit Okas Freilassung müssen wir leider noch etwas warten, da du erst einmal mit Tarek trainieren musst. Er ist ein ausgezeichneter Mörder und du kannst viel von ihm lernen, aber er ist gerade nicht anwesend. So wird sich erst einmal Corbinian um dich kümmern." Als der Name ,Corbinian' erwähnt wurde, betrat dieser sogleich den Raum. "Corbinian, du weißt, was du zu tun hast?", fragte Cranshaow. "Natürlich, Meister Cranshaow. Sir Dragan, würden Sie mir bitte folgen?", fragte Corbinian. "Ja, aber bitte nenne mich nicht ,Sir'.", erwiderte Dragan. Doch Corbinian schüttelte seinen Kopf: "Es steht mir nicht zu, Sie ohne die passende Anrede anzusprechen, Sie sind immerhin der Sohn von Meister Cranshaow und somit von königlichem Geblüt." Corbinian verbeugte sich vor Cranshaow und ging zur rechten Seitentür hinaus. Im gleichen Moment, als sich die Tür hinter Dragan schloss, wurde die linke Seitentür geöffnet und Ansgar und Shebe traten in Begleitung von Kilian und Lilith ein. Shebe trug nun ein langes, rotes Kleid. Es war mit Gold und vielen Schleifen verziert. Um ihren Hals baumelte eine goldene Kette mit einem Rubinanhänger. Ansgar war dagegen in einen grünen Ton angezogen. Seine Hose war allerdings nicht grün, sondern hatte einen hellbraunen Ton. Auch seine Kleidung hatte goldene Verzierungen. Auf dem langärmligen Oberteil befand sich der gleiche Stern, der auch auf Dragans neuem Schwert zu finden war. Hätte man Ansgar jetzt noch eine Krone aufgesetzt, hätte man ihn für einen wahren König halten können. "Ansgar, mein Sohn, ich weiß, wie traurig du jetzt sein musst und auch du liebe Shebe hast um Bodil geweint. Doch verzweifelt nicht, denn es wird Zeiten geben, in denen ihr glücklich sein könnt und sogar neues Leben erschaffen werdet. Aber, Ansgar, bitte respektiere den letzten Wunsch deiner Mutter, bringe deinen Bruder Dragan zu ihrem Grab. Ich stelle alles für dich bereit. Ich gebe dir ein Schiff und ich gebe dir eine Besatzung für dein Schiff. Doch versuche dich nicht in etwas einzumischen, was dich nichts angeht, auch wenn es um deinen Bruder gehen mag, sei nur ein Beobachter. Aber wenn es nicht anders geht und ihr in Gefahr seid, dann verteidige dich hiermit!" Er zog ein Schwert aus seinem Umhang und übergab es an Ansgar. Was Ansgar nicht wusste war, dass Dragan dasselbe bekommen hatte, der einzige Unterschied war der Text der Schrift. "Nun fahre in die Welt hinaus und suche nach deinem Bruder. Aidos wird euch gleich abholen und zum Schiff bringen." "Aber, Va... Vater..." "Ansgar, ich erwarte keine Widersprüche. Ach, beinahe hätte ich vergessen dir dein Geschenk zu geben, Shebe! Genau genommen sind es zwei Geschenke, ein Bogen, mit dem du dich verteidigen kannst und ein Armreif." Diese Sachen wurden von Aidos mitgebracht, als er den Raum betrat. Der Bogen war aus dem gleichen Material wie die Schwerter und auch er war mit Gold verziert, der Köcher war genauso gefertigt. Auch hier lies sich der siebenzackige Stern wieder finden. Der Armreif passte hervorragend zu dem Rubinanhänger der Kette, denn er war aus Gold und mit sorgfältig eingearbeiteten kleinen Rubinen geschmückt worden. "Danke schön!", bedankte sich Shebe. Dann gingen beide mit Aidos zum Schiff. "Cranshaow, ...", sprach Kilian, als die drei fort waren, "... ich muss zurück nach Bilibin. Mein Vater braucht mich, es geht ihm nicht gut und er möchte, dass ich seine Nachfolge antrete und Lilith soll auch mitkommen." "Ja, meinetwegen. Du kannst gehen, Kilian McCoy, und du auch, Lilith. Ich werde euch durch Alex meine Aufträge überbringen, aber im Moment könnt ihr nichts tun, denn alles läuft hervorragend. Ich wünsche euch viel Spaß.", sagte Cranshaow mit einem Lächeln. "Cranshaow, ich bin dir ewig dankbar.", sagte Kilian. "Ja, Meister Cranshaow, ich bin Ihnen auch wirklich dankbar.", fügte Lilith hinzu. Dann verschwanden auch sie durch die rechte Seitentür. "Isai!", schrie Cranshaow, gleich darauf kam ein Schwarzer Ritter herein. "Ja, Herr, was kann ich für Euch tun?", fragte Isai. "Geh zu Syra und sage ihr, dass ich gleich kommen werde. Ich will nur noch kurz zu Gilbert und meinem neuen Gefangenen!" Gilbert sah sich im Spiegel an. Es war ein großer, goldener Spiegel, mit roten Rubinen. Oben auf dem Rahmen war ein großes Tier eingeschnitzt und dieses war schwarz angemalt worden, es war eine Schildkröte, die sich mit einer Schlange paarte. An der linken und rechten Seite, sowie unten am Rand befanden sich weitere Tiere. Rechts ein blauer Drache, links ein weißer Tiger und unten ein roter Phönix. Als sich Gilbert im Spiegel betrachtete, fiel ihm die goldene Krone auf seinem Haupt auf, sie sah aus wie die, welche sein Vater zu Lebzeiten getragen hatte, außerdem trug er ein königliches Gewand aus roter Seide. An seiner Hand spürte er etwas kaltes, es waren zwei Ringe, den einen kannte er nur zu gut, es war der Ring, den er von seinem Vater bekommen hatte, der andere war golden, verziert mit dem königlichen Wappen, einem roten Löwen. Diesen Ring hatten schon seine Eltern getragen, es waren ihre Eheringe gewesen. Nun sah er sich im Zimmer um. Da stand ein riesiges Bett, in dem eine blondhaarige Person schlief. Es war Avil und auch sie hatte den Ring um, den Gilbert trug. Nahe dem Bett standen noch drei kleinere Bettchen, gefertigt für Babys. Er schaute in diese, doch alles verschwamm und um ihn herum wurde alles schwarz. Im nächsten Augenblick sah er vier Gestalten, in vier farbenprächtigen Umhängen. Die eine Gestalt trug einen roten Umhang, in der Farbe der Liebe, die zweite einen blauen, in der Farbe der Weisheit, die dritte einen grünen, in der Farbe der Freundschaft und die letzte einen goldenen, in der Farbe des Mutes. In der Mitte stand ein Mann mit grünen Haaren, er drehte sich zu Gilbert um und sagte: "Endlich bist du gekommen." Doch ehe er fragen konnte, wohin er gekommen war, verschwamm alles und es wurde schwarz. Eine dritte Szene eröffnete sich. Eine Stadt stand in Flammen, die reinen, weißen Gebäude waren zerstört. Gilbert befand sich in einem Trümmerfeld. Er merkte, dass er schwitzte, in seiner Hand befand sich ein Schwert, das wie Gold glänzte. Außerdem hatte er eine Rüstung an und einen Helm auf. Um ihn herum standen noch viele andere Leute, die frohen Mutes riefen: "Hoch lebe König Gilbert von Tolbi!" Einige Männer waren dabei andere gefangen zu nehmen. Unter ihnen waren auch zwei rothaarige Frauen, diese wurden jedoch anders als die anderen behandelt. Alle Soldaten zogen ab zu einem Meer gen Westen, doch Gilbert blieb alleine zurück. Die Sonne neigte sich und ihr Schatten begrub Gilbert. Er wollte sich umdrehen, aber dort, genau vor ihm, erschien die Gestalt von Cranshaow. Dieser wirkte nun sehr alt, fast wie ein Gespenst, seine dünne Haut lag ganz eng an seinen Knochen und seine Augen waren blutunterlaufen, was durch seine weiße Hautfarbe nur noch verschlimmert wurde. Dieser alte Mann zog doch tatsächlich sein Schwert, es war ein rostiges Schwert. Gilbert dachte, dass Cranshaow nicht die geringste Chance hätte und sprach ihn an: "Hör auf, Cranshaow. Deine Kraft ist gebrochen und du hast keine Macht mehr über mich. Sieh dir doch einmal deinen Körper an, er zerbricht! Lass es sein, erhebe nicht dein Schwert gegen mich. Es ist sinnlos. Finde deinen Frieden und nehme deine glücklichen Zeiten mit dir!" Doch Cranshaow erwiderte darauf: "Ach, mein lieber, kleiner Gilbert, du verstehst nichts! Du weißt nichts über deine wahre Aufgabe und du wirst es auch nie wissen. Deine Aufgabe konntest du nicht mehr erfüllen, als du Avil geheiratet hast, danach nahm das Unglück in deinem Leben seinen Lauf. Ohne deine Pflichten wärest du viel besser dran gewesen, du wärest größer als der größte König geworden. Aber, wie ich dir einst schon sagte, werde ich dich töten müssen und nun ist der Tag gekommen. Bereite dich auf deinen Tod vor, Gilbert!" "Cranshaow, sei kein Narr. Du siehst was für eine Macht ich habe. Ich und meine Soldaten haben diese Stadt zerstört. Ich glaube eher, dass du sterben wirst, wenn du mich nicht in Ruhe lässt, es wäre nur zu deinem Vorteil. Und ich möchte nicht meinen Großvater töten müssen, aber es wäre eine angemessene Vergeltung für das, was du mir in deinen Verliesen angetan hast!" "Hah! Gilbert, du bist der Narr. Denkst du wirklich du hast den Mut und die Macht dich gegen dein Schicksal zu stellen? Ich denke nicht und kein anderer würde es glauben. Aber ich danke dir, ohne dich wäre mein Traum nicht in Erfüllung gegangen. Außerdem wollte ich noch erwähnen, dass ich dich sehr liebe, du warst immer da, wenn ich jemanden - zum Quälen - brauchte. Aber nun erhebe dein Schwert und Kämpfe gegen mich!" Cranshaow erhob sein Schwert, Gilbert tat es ihm gleich. Doch bevor er zu einem Schlag ansetzen konnte, wurde er auch schon von dem rostigen Schwert Cranshaows durchbohrt. Dieser lachte auf eine schreckliche Art und Weise. Gilbert sackte zusammen, doch er fühlte, wie ihn jemand stützte. Ein roter Zopf baumelte über Gilberts Gesicht. "Mach dir keine Sorgen, ich werde auf sie aufpassen, wie ich es dir versprochen habe.", sagte der Rotzopf. Gilbert lächelte und schloss seine Augen. "Ich danke dir, mein guter, alter Freund.", dies waren die letzten Worte von König Gilbert. Es wurde alles schwarz, doch dann hörte er noch einen verzweifelten Ruf eines guten Freundes: "Gilbert! Wach auf!" Er schlug die Augen wieder auf, doch er befand sich nicht in der brennenden Stadt, sondern in einem kalten Verlies. "Wo bin ich?", fragte Gilbert, zuerst war er orientierungslos, aber dann wusste er schließlich wieder wo er sich befand, in Cranshaows Verliesen. "Gilbert, was ist mit dir?", fragte Lavi, die gerade den Heuhaufen verließ. "Ach, es ist nichts. Ich hatte nur einen Traum..." Kapitel 17: Der Merkur-Leuchtturm --------------------------------- Der Merkur-Leuchtturm Zur selben Zeit, da Gilbert sich in den Verliesen Cranshaows befand, trug sich an einem anderen Ort etwas anderes zu. Die Schicksalskinder befanden sich gerade in Imil und Adreanna, eines von ihnen, war in tiefster Trauer, da sie wusste, dass es von nun an nur noch Gabriel in ihrem Leben gab, denn ihre Familie war ermordet worden. Doch sie wusste nichts über den Verbleib ihres jüngsten Bruders, mit Namen Ares. Kurz nach Sonnenaufgang brachen die Schicksalskinder auf, um zum Merkur-Leuchtturm zu gehen. Adreanna wirkte immer noch sehr angeschlagen. "Geht es, Adreanna? Möchtest du wirklich nicht den anderen sagen was passiert ist?", fragte Gabriel seine Frau. "Nein, ich möchte es nicht sagen. Mein Schmerz geht sie gar nichts an, außerdem glaube ich nicht, dass sie eine solche Trauer empfinden könnten wie ich. Ich will es ihnen nicht sagen!" "Schon gut. Du brauchst nicht weiter zu sprechen.", fügte Gabriel schnell hinzu, dann nahm er Adreannas Hand. Er machte sich Sorgen um seine junge Frau, denn in fast drei Jahren würde er noch nicht mal mehr in der Lage sein sie zu beschützen. Wieso musste er nur sterben? Er wollte doch noch länger auf Weyard weilen und alle die ihn mochten und liebten glücklich machen. Je länger er darüber nachdachte, desto unbehaglicher wurde ihm, er wollte weiter leben, er wollte Weyard nicht verlassen, doch wusste er, dass dies ein unerfüllbarer Wunsch war. "Gabriel, was hast du? Du guckst so unendlich traurig." "Ach, Adreanna, es ist nichts. Ich sollte nicht trauriger sein als du, immerhin bist du es, die ihre ganze Familie verlor. Ich selbst habe schon lange meine Familie aufgegeben." "Du hast deine Familie aufgegeben?" "Ja, aber das ist eine andere Geschichte, ich erzähle sie dir ein anderes Mal." Adreanna nickte. "Athi, kann ich mit dir sprechen?", fragte Ahri, die neben diesem herlief. "Natürlich kannst du das!", erwiderte Athi. "Wen willst du zu unserer Hochzeit einladen?" "Ich denke ich werde meinen Onkel Hoabna und meine Schwester Tana einladen, sowie einige engere Freunde. Und wen wirst du einladen?" "Ich glaube meine Eltern wären gerne dabei, auch Yegelos, der sozusagen unser Anführer ist, würde ich gerne dabei haben." "Gut, so können Hoabna und Yegelos auch gleich den Friedensvertrag unterzeichnen!" "Das ist eine gute Idee. Ich hatte auch eine, wie wäre es wenn du dich contigoanisch kleidest und ich mich wie eine Schamanin? Dies würde die Verbundenheit noch deutlicher zeigen." "Ja, durch deine Idee könnte man tatsächlich noch mehr Verbundenheit schaffen." "Du stimmst mir also zu?", fragte Ahri. "Ja, das tue ich. Es wäre außerdem hilfreich, wenn wir ein gemeinsames Kind hätten, dann sähe es nicht wie eine Zweckehe aus, sondern wie eine Ehe, die mit Liebe geschlossen wurde!" Ahri zuckte zusammen, ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie mit Athi intim werden müsste, aber dann dachte sie, dass er Recht hatte. "Ich meine darum sollten wir uns so schnell wie möglich kümmern. Wie wäre es nach dem Merkur-Leuchtturm?", fragte sie, doch bei dem Gedanken wurde ihr unbehaglich zumute. "In Ordnung,", begann er, "das werden wir tun." Auch Athi war nicht wohl bei dem Gedanken, immerhin wollte er sie nicht zur Frau nehmen. Doch nun kam ihm eine zündende Idee, er verließ Ahri und ging mit schnellem Schritt zu Eoleo, an dessen Seite Avil ging. Ja, dieses Mal ging sie doch tatsächlich mit, denn sie wollte etwas klarstellen. "Pirat, ich habe eine Partnerin und du nicht!", sagte Athi spöttisch. "Du hast keine Partnerin, die dich liebt oder die du liebst!", erwiderte Eoleo. "Genau, man sollte nicht ohne Liebe heiraten, das wäre einfach falsch. Hör auf dein Herz, Athi!", fügte Avil hinzu. "Ach, Avil, lass ihn, er wird es nicht verstehen!" "Natürlich verstehe ich, aber ich kann nicht auf mein Herz hören, das wäre ein Fehler, den ich auf ewig bereuen würde." "Wenn du nicht auf dein Herz hörst, so höre auf das von Ahri, ich glaube, nein, ich weiß, dass sie Corbinian noch liebt!", Avil konnte es nicht fassen, wie konnte man nur seine Gefühle verraten? "Lady Avil, glaubst du ich bin nicht auch in jemanden verliebt?" "Doch, ich denke schon, aber wer ist es?" Athi wurde rot: "Aber, Lady Avil, wisst..." "Schamane, lass sie doch in Ruhe, behellige sie nicht mit deinen Sorgen, Wünschen und Gelüsten.", warf Eoleo dazwischen. Beide funkelten sich böse an. Avil war verwirrt, als sie das geschehen sah. Auch Oka begleitete sie zum Merkur-Leuchtturm, sie ging mit der Gruppe um Dragan, die aus Garem, Tamiko und Folore bestand. Eigentlich war die Gruppe zersplittert, vorne gingen Garem und Dragan, hinten die drei Mädchen, etwa vier Meter neben ihnen ging eine völlig verstörte Daja, mit einer schlendernden Liva im Schlepptau. "Dragan, war es wirklich richtig von dir Dajavela so abzuwimmeln?" "Genau richtig, ich weiß gar nicht, was daran so schlimm ist. Ich habe doch nur die Wahrheit gesagt. Oder hätte ich sie wegen dieses Kindes heiraten und Oka alleine lassen sollen?" "So meinte ich das doch gar nicht, ich meinte nur, dass es nicht der passende Augenblick war es ihr zu sagen." "Du meinst ich hätte auf heile Welt und glückliche Familie spielen sollen, um ihr nach Jahren die Wahrheit zu sagen und Oka währenddessen an einen anderen verlieren sollen? Nein, mein Freund, Oka gehört mir. Wenn ich sie nicht bekomme soll sie niemand haben. Daja hat doch noch andere Chancen. Sie kann doch noch den guten, alten Desiderius heiraten und fünfzig Kinder mit ihm bekommen. Er war ja verrückt nach ihr!" "Das ist schon richtig, aber..." "Nicht aber, oder willst du mich nicht zum Schwager?" "Was hat das nun damit zu tun?" "Könnte ja sein, dass du mich als unwürdig erachtest? Hasst du mich?" "Nein, Dragan, lass uns aufhören zu streiten. Ich erachte dich nicht als unwürdig und das weißt du!" "Gut, dann kann ich sie heute Nacht in mein Bett nehmen! Vielleicht wirst du dann bald Onkel und ich Vater!" "Solltest du nicht erst warten, bis ihr verheiratet seid?", fragte Garem. "Vertraust du mir nicht? Glaubst du ich lasse Oka im Stich, so wie ich es mit Daja getan habe?" "Nein, Dragan, wie kommst du darauf?" "Wie ich darauf komme? Alle denken doch bestimmt, dass ich ein gemeiner Schuft bin, habe ich doch die arme, schwangere Daja verlassen, obwohl ich gar nicht wusste, dass sie schwanger ist. Und das alles nur, weil ich meinem Herzen folgte, welches mir verriet, dass ich zu Oka gehöre." "Dragan, es tut mir Leid, ich wollte nicht sagen, dass du ein gemeiner Schuft bist. Ich habe doch ganz vergessen, dass du es zu dem Zeitpunkt nicht wusstest." "Siehst du, Garem, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich werde mich gut um Oka kümmern." "Ich weiß nicht recht...", murmelte Garem, dem die Sache nicht behagte. Er wollte, dass Oka zuerst verheiratet war, erst danach sollte sie mit Dragan schlafen dürfen. Auch bei den drei Mädchen ging es um das gleiche Thema. "Oka, glaubst du, dass Dragan dir treu bleiben wird?", fragte Tamiko sie. "Natürlich glaube ich das. Wieso sollte er mich enttäuschen oder hintergehen? Er hat doch keinen Grund dazu, immerhin liebt er mich, so wie ich ihn auch." "Ich weiß nicht so recht. Männer, die Frauen einmal betrügen, betrügen sie auch weiterhin!", sagte Folore, in einem besserwisserischen Tonfall. "Aber er ist kein solcher Mann, er ist Dragan.", gab Oka launisch zurück, ihr gefiel es nicht, dass irgendjemand so über ihren Dragan redete. "Von wegen Dragan. Wie kannst du dir so sicher sein, dass er dich nicht betrügt?" "Er kann mich gar nicht betrügen, er sagte doch er liebt mich!" "Mensch, Oka, wie blind bist du denn eigentlich oder bist du einfach nur doof? Vielleicht belügt er dich die ganze Zeit. Vielleicht sagt er nur so, dass er dich liebt, obwohl keine wahren Gefühle für dich vorhanden sind. Aber wenn du in ihn vertrauen willst, solltest du dich nicht wundern, wenn du nachher mit gar nichts dastehst!" "Folore, sei nicht so hart zu ihr. Du weißt doch nicht einmal, ob er lügt oder ob er die Wahrheit sagt. Du kennst Dragan noch nicht so lange wie wir!" "Das kann schon sein, aber jeder Mensch hat ein dunkles Geheimnis, das er nicht preisgeben will. Vielleicht ist Dragans Geheimnis, dass er dich nicht liebt, Oka." "Das ist genug, Folore, ich will nicht mehr mit dir über dieses Thema sprechen. Es geht dich gar nichts an!" Mit diesen Worten ging Oka ein paar Schritte nach vorne zu ihrem Bruder und Dragan. "Tami, du siehst das doch wie ich, oder?" "Na ja, schon, aber... ich glaube schon daran, dass Dragan Oka wirklich liebt. Er war immer ehrlich zu Oka, Garem und mir. Wir waren unzertrennlich und nichts konnte uns auseinander bringen, so dachten wir jedenfalls, denn Oka wurde entführt und..." "Ähm, Tami, hat das nun irgendetwas mit der jetzigen Situation zu tun?" "Nicht wirklich. Na ja, auf jeden Fall haben wir uns versprochen gemeinsam glücklich zu werden und ich weiß, dass Dragan dieses Versprechen nie vergessen würde, er war damals so bei der Sache." Folore wollte noch etwas einwenden, aber weder ihre Kraft noch ihre Worte reichten dafür aus, also beließ sie die Sache, die sie ohnehin nichts anging, dabei. Nach einem etwa zehnminütigen Fußmarsch erreichten die Schicksalskinder den Leuchtturm. Der glänzend blaue Merkur-Leuchtturm stand an der nördlichsten Spitze Angaras, des größten Kontinentes. Seit den letzten zwanzig Jahren hatte sich hier einiges verändert, die menschenähnlichen Statuen vor dem Eingang waren gewichen und stattdessen standen nun Statuen von Meeresmenschen dort, auf der Leuchtturmspitze befand sich eine riesige Statue von Poseidon, dem Herrscher des Meeres. "Vor langer Zeit, als die ersten vier Göttinnen auf unserer Erde weilten, erschuf eine von ihnen den Merkur-Stern, aus dem Saft des Lebens ihrer unzähligen Kinder, die sie mit vielen unterschiedlichen Männern hatte. Da nur, wenn der Leuchtturm leuchtet, der Hermes-Brunnen, mit dem heilenden, heiligen Wasser fließt, hat sich die Legende verbreitet, dass das Hermes-Wasser der verbliebene Lebenssaft von den Kindern der Göttin der Weisheit ist.", erzählte Liva wieder einmal. Langsam schritten sie in den Merkur-Leuchtturm hinein. Durch das ganze Wasser, das überall im Leuchtturm lang floss, glänzte dieser so sehr, dass man denken konnte, dass die Wände voller Edelsteine waren. Nach der Renovierung waren auch tatsächlich Edelsteine eingefügt worden. Außerdem standen gleich am Eingang zwei lebensgroße Statuen, welche Alex und Mia darstellten, beide waren untertitelt mit den Worten "Helden aus Imil und Retter der Welt". Die Imilen dachten doch tatsächlich, dass Alex ihre Heimat und Weyard gerettet hatte, aber dies stimmte nicht. Aber von einem anderen Gesichtspunkt aus könnte man sagen, dass es nur Alex zu verdanken war, dass Weyard überhaupt gerettet worden war, denn immerhin war er es, der die Steine ins Rollen gebracht hatte, aber nur, weil er unendliche Macht erlangen wollte. Nach einem fünfstündigen Marsch und einigen nassen Kleidungsstücken erreichten die Schicksalskinder endlich die Leuchtturmspitze. Oben, über den Wolken war die Luft sehr viel kühler als auf dem Flachland. Die Schicksalskinder froren und wollten alle möglichst schnell von hier verschwinden. "Daja, komm, wir sollten so schnell wie möglich von hier runter.", sagte Adreanna und nahm Dajas Hand. Doch bevor sie das Sternenloch erreichten, tauchte Cranshaow mit zwei dunkel gekleideten Gestalten auf. "Guten Tag, meine Damen, wohin so eilig, doch nicht etwa zur Prüfung? Habt ihr denn keine Zeit für ein Gespräch mit mir? Das ist ja furchtbar schade!" Doch weder Adreanna noch Daja sagten etwas. Kurz darauf riss Cranshaow die noch beisammen stehenden Mädchen auseinander und ging auf Ahri zu. "Ahri, meine Liebe, wie geht es dir? Ich bin heute vorrangig wegen dir und noch einer anderen Person hergekommen, zum Austauschprogramm." "Austauschprogramm?", fragte Ahri. "Ja, aber zuerst lass mir dir etwas über Corbinian erzählen. Corbinian war schon immer ein ehrlicher, junger Mann, der nie etwas unrechtes getan hat. Doch eines Tages sollte genau dieser Mann seine Schwester aus Spaß umbringen. Durch meine Hilfe wurde er befreit und irrte in der Wüste Suhalla herum, bis ich ihn fand und bei mir aufnahm. Ich stattete ihn mit dem Auftrag aus Meisterin Hama, diese törichte Frau, umzubringen. Nachdem Meisterin Hama tot war, musste er sich erneut verstecken. Seit diesem Tage verlor er seine ganze Hoffnung und mochte nur noch sterben, doch das kann ich nicht erlauben, denn die Pointe der Geschichte ist, dass Corbinian nie jemanden umgebracht hat.", Cranshaow lachte los. "Du lügst!", schrie Ahri ihn an. "Nein, ich lüge nicht, seine Schwester Corbinia habe ich umgebracht und Meisterin Hama wurde von Isai, einem meiner schwarzen Ritter umgebracht." "Nein, das ist nicht wahr, ich habe Corbinian doch gesehen!" "Täuschung, meine Liebe, mehr nicht. Bei Corbinian musste ich natürlich härtere Maßnahmen ergreifen, er glaubt nun er habe Meisterin Hama ermordet, obwohl er das gar nicht getan hat. Du kannst ihn zurückhaben." "Wie? Warum?" "Ich brauche ihn nicht mehr, er ist ein unbrauchbarer Mitstreiter geworden. Tja, aber der Preis, was könnte ich wohl für einen Menschen verlangen...", Cranshaow tat so, als sei er am überlegen. "Ich würde alles für Corbinian tun, ich will ihn nur zurück!" "Gut, mir ist ein Preis eingefallen, wie wäre es mit deinem Körper für eine Nacht?" "Lass dich nicht darauf ein, Ahri.", schrie Adreanna. "Adreanna, du würdest doch für Gabriel auch alles tun. In Ordnung, du bekommst meinen Körper für eine Nacht." "Vater, das geht nun zu weit.", mischte sich Dragan ein. "Du kannst dir doch nicht alle Frauen gefügig machen." "Du siehst das kann ich doch. So, und was dich angeht, Avil, willst du mir deinen Körper auch für einen Nacht geben?" Plötzlich marschierte die eine schwarze Gestalt los und stieß Cranshaow von hinten um. "Was soll das, hast du den Verstand verloren?", fragte Cranshaow. "Nein, das habe ich nicht, aber du! Avil einfach so etwas zu fragen!" "Na ja, wenn sie dich wiederhaben möchte, dann möchte ich auch einen Preis haben. Da fällt mir ein, dass du nicht nur irgendjemand bist, sondern bald König von Tolbi sein wirst, deshalb erhöhe ich den Preis von einer Nacht auf sagen wir mal zehn Nächte." "Bist du verrückt? Sag nein, Avil, ich bin es nicht wert, ich werde auch so entkommen!" "Hah, du willst entkommenen, wie denn? Hast wohl mit Kalaya, der kleinen Göre, einen Packt geschlossen. Als ob ich das noch nicht mitbekommen hätte! Ihr alle haltet euch wohl für schlau. Aber Klugheit und Weisheit ist nicht dasselbe. Ihr Narren! Ich schwöre, eines Tages werde ich dich für diesen Stoß umbringen!" Gilbert wich zurück, er erinnerte sich an seinen Traum und an die Worte Cranshaows. Währenddessen richtete Cranshaow sich wieder auf. Nun trat er ganz nah an Gilbert heran und stieß auch diesen um. Danach nahm er das rostige Schwert von Dragan zur Hand, mit der rechten Hand winkte er der anderen Gestalt, die sich als Kalaya herausstellte, da sich alle Schicksalskinder nicht mehr bewegen konnten. "So, Avil, was ist jetzt? Dir dürfte es doch nichts ausmachen mit einem Verwandten..." "Cranshaow, hast du etwas dagegen, wenn ich für Avil gehe?", fragte Liva, die nicht wollte, dass man Avil etwas antat. "Ich weiß nicht so recht, du bist immerhin nicht Avil!" "Liva, das darfst du nicht für mich tun!", schrie ihre Schwester ihr zu. Auch Gilbert rief ihr zu: "Genau, ich bin es nicht wert, dass du das tust." "Akzeptiert es oder nicht, ich werde es tun. Cranshaow, wie wäre es mit fünfzehn Nächten?" "In Ordnung, Liva. Ich hole dich und Ahri nach dem Leuchtturm ab. Aber vorher muss ich noch etwas tun." Nun hob Cranshaow das Schwert und stach es Gilbert in den rechten Oberschenkel. "Alex, du kannst nun herauskommen.", sagte Cranshaow. "Vater...", murmelte Daja leise neben Adreanna. "Alex, nimm Gilbert und bring ihn hier weg." "Papa, du arbeitest mit einem gemeinen Schuft zusammen, der zudem der Vater von einem noch gemeineren Schuft ist.", sagte Daja ernst. "Meine kleine Daja, ich konnte es mir nicht aussuchen. Aber ich bereue nicht, dass ich ihm helfe, denn ich weiß, dass er es für eine gute Sache macht! Er ist immerhin auch Vater und hat väterliche Gefühle." "Was soll nun der Spruch, ich verstehe nicht..." "Früher oder später wirst du es verstehen." Dann verschwand Alex mit Gilbert. Cranshaow drehte sich nun um und sah Dragan in die Augen. "Halte dein Versprechen, oder Oka wird wieder mein sein!" Dragan nickte, doch Cranshaow ging schon auf Kalaya zu und kurz danach waren auch sie weg. "Lady Liva, wie konntet Ihr nur? Jetzt wird mich Häuptling Hoabna umbringen!" "Nein, Athi, keine Sorge, ich werde es ihm erklären. Er wird es bestimmt verstehen, ich wollte doch nur Avil helfen, meiner Schwester." "Liva, wieso tust du das für mich?", fragte Avil. "Avil, es ist mein Schicksal. Und nun möchte ich nicht mehr darüber reden! Ab zu den Prüfungen." Adreanna und Daja machten sich wieder auf den Weg. Nun standen sie endlich vor dem Loch, aber die Prüferin tauchte nicht auf, jedenfalls nicht vom Loch, sie trat von der Treppe auf sie zu und blieb bei Avil stehen. "Aria, bist du das? Du siehst ja unverändert aus. Na gut, du warst vor neun Tagen noch nicht schwanger. Und was sagt Eligius dazu?", sagte eine Gestalt, die Vanadis ähnlich sah. "Sie müssen mich mit Aria verwechseln, aber ich bin nicht sie, sonder Avil aus Tolbi." "Tolbi? Wo liegt das, Aria, liegt das in Ankol, in Anemos oder in Prox?" "Ich sagte ich heiße nicht Aria, sondern Avil und Tolbi liegt in Angara, so wie Imil, wo wir uns gerade befinden." "Imil? Angara? Welch seltsame Orte.", dann bemerkte sie Liva und ging auf diese zu. "Ach, Vanadis, wie geht es dir? Und was ist mit Sinoles und deinen Kindern Cranshaow und Celeste, wie geht es ihnen? Ich hörte Anemos ist voll aufgeblüht." "Ich bin nicht Vanadis, ich bin Liva aus Tolbi!" "Aus Tolbi? Woher kenne ich diesen Namen?" "Sie kennen ihn von meiner Schwester.", sagte Liva bissig. "Von deiner Schwester, Vanadis? Welche denn? Aria oder Heliose, von mir, Freia, doch wohl nicht!", die Gestalt lachte los. "Freia, die Mädchen da drüben würden gerne eine Prüfung ablegen und zwar sofort!", schrie Liva schon fast. "Sei doch nicht immer so gebieterisch, Vanadis. Ich gehe ja schon." Die Gestalt machte sich auf den Weg zum Loch. "So, ich bin Freia, neue Göttin der Weisheit. Ich werde euch prüfen müssen. Wer will zuerst?" "Adreanna, möchtest du zuerst?", fragte Daja sie. "Nein, mach du zuerst!" "In Ordnung, dann kommst du zuerst. Was sagt dir mehr zu, Licht oder Schatten?" "Natürlich Licht, ich liebe es." "Du hast eine weise Entscheidung getroffen! Aus dir könnte auch eine Weisheitsgöttin werden, wenn du drei Schwestern hättest, aber Priesterin, das wäre es! Oh ja, ich sehe dich schon in einer schönen Robe..." "Können wir nun weitermachen?", fragte Adreanna genervt. "Oh, dich hatte ich ganz vergessen, entschuldige! In Ordnung, Leben oder Tod?" "Was ist das für eine Frage, natürlich Leben!" "Hach, ich wäre auch gerne verliebt. Wegen der Liebe nimmt man alle Hindernisse in Kauf. Meine Schwester Aria, ...", sie winkte Avil zu, "...die hat sich auch in einen einfachen Mann verliebt, aber sie wäre umsonst Göttin der Liebe, wenn sie nicht auch diese Hürden überwunden hätte. Ach, die Zeit vergeht, ich muss nach unten, Heliose holt mich gerade ab!" Damit erhob sie sich und rannte davon. Kapitel 18: Wünsche und Verlangen --------------------------------- Wünsche und Verlangen „Gilbert, bist du wach?“, fragte ihn eine sanfte Frauenstimme. Gilbert richtete sich auf, erst jetzt bemerkte er, dass er in einem anderen Zimmer war und zudem noch in einem weichen Bett lag. Sein Kopf dröhnte, das Letzte, an das er sich erinnern konnte war, dass er Cranshaow weggestoßen hatte und dadurch den Hass Cranshaows auf sich gezogen hatte. Aber was sollte das, wieso hatte er nur Avil gefragt, ob sie mit ihm einige Nächte verbringen würde? Er ekelte sich allein schon bei dem Gedanken, seine Avil mit einem anderen Mann. Nein! Aber auch Liva sollte dies nicht tun. Er ballte seine linke Hand zur Faust, er wollte irgendetwas tun, bloß wusste er nicht was. „Gilbert, was hast du? Tut dir irgendetwas weh? Ich habe gehofft, dass ich dich gut versorgt habe, aber es scheint mir nicht so!“, sagte Lavi. „Lavi, was mache ich hier? Was ist mit Amos, Ares und Kep, geht es ihnen gut? Habe ich ihnen irgendwie geschadet?“ „Geschadet? Wie meinst du das?“, wunderte sich Lavi. „Cranshaow, er hasst mich, weil ich ihn gestoßen habe. Ich dachte er lässt seine Wut an anderen aus und nicht an mir, denn er weiß bestimmt, dass er mich mehr quält, wenn jemand, anstatt meiner, verletzt wird.“ „Nein, es wurde keiner verletzt, aber, Gilbert, ich habe die Befürchtung, dass er Sir Amos umbringen will, er hat so etwas angedeutet!“ „Aber, Lavi, warum denn?“ „Ich habe keine…“ „Mädchen, sei still, Meister Cranshaow wird es nicht gutheißen, wenn du dich mit seinem Lieblingsgefangenen unterhältst.“ „Galatea, misch dich nicht ein. Lass Lavi das machen, was ihr gefällt!“, sagte Alex. „Alex, du hier? Das wusste ich nicht. Warst du nicht mit Meister Cranshaow weg?“ „Galatea, ich hatte dich doch gebeten mich ohne ‚Meister’ anzusprechen. Wieso bist du nur so abweisend zu mir? Ich kann dich nicht verstehen, mein Kind!“, sagte Cranshaow, als er mit Corbinian hereinkam. „Cranshaow, was hast du mit Amos vor? Willst du ihn meinetwegen umbringen? Bist du nicht bei Verstand?“, warf Gilbert ihm entgegen. „Wenn hier jemand nicht bei Verstand ist, dann du! Du befindest dich bei deinen Feinden! Also sei nicht so vorlaut! Außerdem braucht es dich nicht zu interessieren, ob ich Amos umbringen werde oder nicht.“ „Sag es mir, willst du ihn umbringen?“, fragte Gilbert, er zitterte vor Angst und Wut. Das was Cranshaow gesagt hatte stimmte, er befand sich wirklich allein unter seinen Feinden, er konnte nichts unternehmen. „Wenn er weiterhin so stur ist, werde ich das wohl tun müssen, obwohl er doch so ein schöner Jüngling ist. Aber wenn er nicht bei uns mitmacht, dann kann ich ihn nicht mehr gebrauchen.“ „Du Ungeheuer! Kannst du ihn nicht wieder freilassen?“ „Nein, kann ich nicht. Er weiß zuviel! Aber vielleicht kann ich ihn ja doch noch zwingen. Tarek!“, schrie Cranshaow entsetzlich. „Ja. Meister.“, antwortete Tarek, der wahrscheinlich schon die ganze Zeit vor der Tür gestanden hatte. „Bring Lavi und deinen Bruder in die Folterkammer. Mit diesem Plan wird er anders handeln, immerhin ist sie ein Mitglied der Königsfamilie.“ „Jawohl, Meister Cranshaow.“ Tarek packte Lavi am Kleid, riss sie vom Stuhl hoch und zerrte sie hinter sich her. „Aber, Cranshaow, wie kannst du nur so etwas tun? Ich dachte du liebst mich!“, schrie Lavi. „Ich empfinde keine Liebe mehr, nur noch Hass. Den größten Hass empfinde ich jedoch euch gegenüber. Ihr seid mir ein Dorn im Auge. Wenn ich euch töten könnte, würde ich das tun.“, murmelte Cranshaow leise. „Was meinen Sie, Cranshaow?“, fragte Galatea. „Nichts, Galatea. Ich habe für dich und Alex einen wichtigen Auftrag, er ist dringend und schwer. Fühlst du dich dem gewachsen?“ „Ja, natürlich, Cranshaow!“ „Und was ist mit dir, Alex, schaffst du das?“ „Wieso sollte ich das nicht schaffen?“ „Nun gut, ihr beide werdet nach Lemuria fahren und dort Aaron umbringen. Seit dieser Wicht König ist, habe ich dort als Conservato keinen Einlass mehr. Also müsst ihr das tun. Für mich. Aber passt ja auf Amrod Gedan auf, er ist ein Schicksalskind und ein späteres Mitglied meiner Familie.“, befahl Cranshaow gebieterisch. Alex nickte zustimmend, aber Galatea guckte die beiden nur an. „Galatea, brauchst du noch etwas?“, fragte Alex sie. „Nei-Nein. Ich will mir nur noch etwas anderes anziehen.“ Galatea wurde rot und verschwand. „Alex, verwirre Galatea nicht so, sie glaubt sonst sie hätte eine Chance bei dir. Aber das geht mich sowieso nichts an.“ Alex nickte ein zweites Mal und ging danach aus dem Raum. „So, nun zu dir, Corbinian. Ich habe einen Auftrag für dich, ich möchte, dass du nach Indra gehst, zu einem weiteren Schicksalskind. Es ist ein Mädchen, beobachte sie, aber achte darauf, dass sie dich nicht sieht.“ „Cranshaow, was ist mit deinem Versprechen gegenüber Ahri?“, erkundigte Gilbert sich. „Welches Versprechen?“, wunderte Corbinian sich. „Ich habe keine Ahnung, wovon mein kleiner Gilbert spricht. Er ist sicherlich nur verwirrt, nichts weiter.“ „Ich bin nicht verwirrt!“, schrie Gilbert Cranshaow an. „Cranshaow, …“, sagte plötzlich eine leise Stimme, „… was ist hier los?“ „Nichts, Syra. Was machst du hier? Du sollst dich doch gar nicht hierher begeben!“, belehrte Cranshaow sie. „Ich weiß, aber ich hatte dich so vermisst.“ „Ich weiß, doch verstehe, ich muss diesen jämmerlichen Kreaturen Anweisungen geben. Ohne mich wären sie nicht in der Lage mit ihrem Leben klarzukommen. Verstehst du?“ „Natürlich!“ Syra war ein junges Mädchen, im Alter von vierzehn Jahren, schätzte Gilbert. Sie hatte einen blonden, geflochtenen Zopf, der ihr lang über die Schulter hing. Ihre blauen Augen spiegelten Unschuld und Reinheit wieder. „Syra, ich komme gleich zu dir, gedulde dich noch einen ganz kleinen Augenblick!“ Syras Augen schienen Cranshaows Mundbewegungen zu folgen. Noch eindringlich auf ihn schauend verschwand Syra durch die Tür. „Corbinian, du bist ja immer noch hier. Sagte ich nicht, dass du einen Auftrag hast? Also scher dich weg, ich möchte mit Gilbert alleine sein.“ „Ja, Meister Cranshaow!“ Corbinian verbeugte sich und ging. Nachdem Cranshaow mit Gilbert alleine war, knallte dieser die Tür zu. „Gilbert, ich bin die längste Zeit nett zu euch gewesen. Es wird Zeit, dass ich andere Seiten aufzeige. Von nun an werde ich euch leiden lassen, wenn ihr etwas Falsches tut. Ich werde euch nehmen, was euch lieb und teuer ist. Weißt du auch warum ich das tue? Nein! Es ist deine Schuld, hättest du nicht die Hand gegen mich erhoben, hättet ihr alle eine unbeschwerte Zukunft haben können.“ „Cranshaow, was willst du eigentlich? Was ist dein so genannter Traum?“ „Gilbert, du kannst dir nicht im Geringsten vorstellen, was mein Traum ist, oder?“ „Nein, kann ich nicht. Woher sollte ich denn wissen, was für ein Traum jemand, der so verrückt wie du ist, haben könnte?“ „Verrückt? Sind väterliche Gefühle verrückt? Sind Liebe und Zuneigung verrückt? Ist das Leben verrückt? Vielleicht ist es so! Vielleicht aber auch nicht, wer weiß das schon?“ Die Schicksalskinder, die sich gerade noch auf dem Leuchtturm befunden hatten, waren jetzt wieder in Imil. Athi saß beunruhigt vor Livas Tür, er konnte nicht glauben, dass seine Herrin sich auf so einen Handel eingelassen hatte. Das wird Hoabna mir nie verzeihen, dachte Athi. Nun sah er eine Person auf ihn zugehen, es war sein schlimmster Feind, der Pirat. „Was willst du hier?“, fragte Athi genervt. „Das geht dich überhaupt nichts an. Ich will einfach nur zu Liva.“ „Was willst du von ihr? Sie geht dich gar nichts an!“ „Doch! Ich wollte sie heiraten. Außerdem bin ich kein Unmensch.“ „Ha! Das ist ein Scherz! Du bist kein Unmensch, dass ich nicht lache. Du bist Abschaum, Pirat.“ „Athi, was geht hier vor? Huch, Eoleo?“ Liva war verwundert, als sie die Tür aufgemacht hatte, sie hatte nicht erwartet, dass er noch zu ihr kommen würde. „Liva, kann ich mit dir reden? Ich brauche nur eine Minute!“, fragte Eoleo sie. „Natürlich, komm mit rein. Athi, du bleibst hier!“ „Aber, Lady Liva…“ Doch Liva nahm Eoleo bei der Hand, was Athi eher weniger gefiel, und zog ihn in ihr Zimmer hinein. „Was wolltest du, Eoleo?“, fragte Liva ernst. „Es geht um deinen Entschluss.“ „Eoleo, das geht dich gar nichts mehr an. Es ist mein Entschluss, mein Leben, lass mich in Ruhe!“ „Es mag schon sein, dass dein Leben dir gehört, aber lass andere daran teilhaben. Ich mache mir Sorgen um dich. Es muss noch einen anderen Weg geben Gilbert zu befreien.“ „Nein, es ist der schnellste Weg ihn daraus zu holen.“ „Aber…“ „Eoleo, langsam denke ich, dass du nicht willst, dass Gilbert zurückkommt.“ „Doch, natürlich will ich, dass er zurückkommt.“ „Bist du dir sicher? Ich mir nicht, so wie du sie immer ansiehst. Du liebst sie, nicht wahr?“, fragte Liva, die den Tränen nahe war. „Aber, Liva, wen soll ich lieben? Ich liebe immer noch dich.“ Eoleo lachte kurz auf. „Ich glaube nicht, dass du mir die Wahrheit sagst. Du siehst sie immer an. Du hilfst ihr in ihrer Not. Sei doch endlich ehrlich zu mir, du liebst Avil, habe ich nicht Recht?“ Eoleo schluckte und brachte nur ein leises „Ja“ hervor. „Ich wusste es. Ich wusste es die ganze Zeit. Ich war dir also nicht so wichtig, wie du mir wichtig warst. Ich habe dich geliebt und liebe dich immer noch!“ Tränen flossen aus ihren Augen. „Liva, weine nicht! Es wird alles gut!“ „Alles? Nein, nichts ist gut. Bald habe ich keine Kraft mehr, ich will alles beschützen, aber wer beschützt mich? Wer liebt mich, so wie ich ihn liebe? Ich fühle mich so zerrissen, ich brauche jemanden, der mich braucht.“ Liva zitterte und krallte sich in Eoleos Hemd fest. Dieser stand nur da, er wusste nicht, was er sagen sollte, denn er wusste, dass seine Antwort sie nicht befriedigen würde und dass er nicht derjenige war, der ihre Wünsche erfüllen konnte. Er konnte nur dastehen und nichts tun. Nach einer Weile wischte Liva ihre Tränen ab und sagte schließlich: „Mut, Eoleo, ich brauche einfach nur Mut. Schon um alle zu beschützen, die ich liebe.“ Zur gleichen Zeit saß Avil auf einem Stuhl in ihrem Zimmer, sie starrte auf ihren Bauch. „Was mache ich nur? Ich kann doch nicht einfach meine Schwester in die Hände von Cranshaow geben. Warum, warum nur tut er uns so etwas an? Ich verstehe ihn nicht. Was sind seine Absichten?“ Avil war unruhig. Sie wollte nicht, dass ihre Schwester dies für sie tat, aber Avil war sich sicher, dass sie nicht von ihrem Plan abzubringen war. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man sie nicht mehr davon abbringen, sie war einfach zu stur. Plötzlich klopfte es an der Tür. „Ich bin’s Daja, darf ich reinkommen?“, erschallte eine Stimme von der anderen Türseite. „Komm herein!“, sagte Avil matt. Daja öffnete die Tür und ging langsam herein. „Was willst du, Daja?“ „Nichts, ich wollte nach dir sehen.“, sie ging an dem kleinen Tisch entlang, auf diesem stand ein kleiner Spiegel. Sie guckte sich einen Moment unglücklich an. „Was willst du, Daja?“, wiederholte Avil. „Ich habe mich etwas gefragt, hast du jemals mit Gilbert über die Zukunft gesprochen? Über unsere Zukunft?“ „Nein, ich wollte nie etwas darüber wissen. Ich hatte Angst vor der Zukunft, sie ist so ungewiss!“ „Dann kennst du unser Schicksal nicht?“ Avil schüttelte ihren Kopf. „Avil, ich habe beschlossen zu gehen. Ihr habt mich doch nur gebraucht, um den Leuchtturm zu entfachen. Mein ‚C’ Ist verschwunden, ich bin schwanger und somit bin ich vollkommen nutzlos. Außerdem kann ich sie nicht mit Dragan zusammen sehen. Es bricht mir das Herz.“ „Nein, Daja, geh nicht. Du kannst doch nicht alleine sein wollen. Niemand sollte alleine sein.“ „Avil, ich bin doch nicht allein. In ein paar Monaten werde ich ein Kind haben. Mach dir keine Sorgen!“ „Ein Kind, das ist nicht genug, du brauchst einen Mann an deiner Seite, der mit dir dein Leid teilt und dem du alles erzählen kannst, denn mit Kindern kann man nicht über seine Probleme reden. Außerdem hast du hier noch Freunde, wie mich. Ich helfe gerne so gut ich kann, ich kann dich während deiner Schwangerschaft beraten und bin immer für dich da.“ „Danke, ich weiß das sehr zu schätzen, aber ich kann einfach nicht bleiben, es geht nicht!“ „Du musst bleiben, wir Schicksalskinder gehören doch einfach zusammen und vielleicht findest du einen netten Mann während unserer Wanderschaft. Es ist jedenfalls besser, als an einem Ort gefangen zu sein.“ „Damit wirst du Recht haben, ein Leben in Freiheit ist wirklich schön.“ „Ach, und noch mal zu Dragan, er hat dich, meiner Meinung nach überhaupt nicht verdient. Du bist so ein nettes und aufrichtiges Mädchen. Da fällt mir gerade deine Prüfung ein, dass Dragan der Schatten deines Lebens sein könnte und du dein Licht der Hoffnung gewählt hast, anstatt diesen bedrohlichen und bedrückenden Schatten.“ Dragan und Oka saßen zusammen in Dragans Zimmer auf seinem Bett, erst am nächsten Morgen wollten die Schicksalskinder wieder aufbrechen. Oka, deren schwarzes Haar locker über ihre Schulter hing, war ein bisschen nervös, weil sie genau wusste, was sie, Dragan und sie selbst, zu tun gedachten. Dragan, der nun mehr Erfahrung mit Frauen hatte, war wie gewohnt lässig und entspannt. „Oka, ich muss dir unbedingt etwas sagen!“, sagte Dragan, der dabei lächelte. Bei diesem Lächeln kam es Oka so vor, dass sie dahin schmelzen würde, so strahlend wirkte er in diesem Augenblick. „Oh, Dragan, was musst du mir sagen?“, während sie dies fragte, himmelte Oka ihren Geliebten an. „Es geht um deinen Bruder. Er will nicht, dass wir miteinander schlafen. Der Grund ist wahrscheinlich mangelndes Vertrauen zu mir, er denkt vielleicht, dass ich dich nach einiger Zeit abservieren werde, aber ich will dich doch nicht noch ein zweites Mal verlieren und ich werde alles tun, um diesen Fall nicht eintreten zu lassen, denn, Oka, ich liebe dich. Ich werde es aller Welt zeigen. Ich komme gleich wieder.“ Dragan küsste Oka auf die Stirn und verschwand durch die hölzerne Zimmertür. Einen kurzen Augenblick später ging Garem mit Tamiko und Folore an der Tür vorbei. „Garem!“, schrie seine kleine Schwester aus Leibeskräften. Daraufhin kam Garem ins kleine Zimmer gerannt und rief: „Oka, was hast du?“ „Was hast du Dragan erzählt? Er war so komisch und er wollte nicht mit mir schlafen. Bin ich nicht gut genug?“ „Ich glaube nicht, dass das der Grund für sein Verhalten ist, denn ich selbst habe ihn bis nach eurer Hochzeit zurückhalten wollen, dann kann er dich nicht mehr verlassen.“ „Misch dich nicht in mein Leben ein, es geht dich nichts an. Ich wollte doch selbst mit ihm schlafen.“ „Oka, verstehst du deinen Bruder nicht? Er macht sich Sogen um dich. Er möchte nur nicht, dass du leidest.“, warf Folore ein, die eindeutig auf Garems Seite stand. „Er sollte sich keine Sorgen um mich machen. Ich komme schon alleine zurecht. Er sollte sich Sorgen um sein Leben machen, er ist immerhin schon vierundzwanzig Jahre alt.“ „Oka, nun gehst du zu weit, es steht dir nicht zu über unsere Zukunft zu bestimmen.“ Tamiko wurde ganz schon sauer. Was ging es Oka an, was sie und Garem machten? „Was ist denn hier los?“, fragte ein verblüffter Dragan, der in der Tür stand. „Oh, Dragan, alle haben etwas gegen uns und niemand akzeptiert unsere Beziehung.“ „Jetzt reicht es mir, was habt ihr bloß alle?“, während Dragan dies sagte, marschierte er auf Oka zu, half ihr hoch und kniete sich vor sie hin. „Oka, ich frage dich nur dieses eine Mal, möchtest du meine Frau werden?“ Alle, mit Ausnahme von Oka, die lächelte, waren verdutzt, so kannten sie Dragan überhaupt nicht. Nach einem kurzen Moment nickte Oka und sagte: „Ja, ich will dich heiraten.“ Nun hob Dragan seine rechte Hand, die zur Faust geballt worden war und öffnete diese schließlich. In der jetzt geöffneten Hand lag ein kleiner silberner Ring, dann stand Dragan auf und steckte diesen an Okas linken Ringfinger. „So, Garem, sind alle Zweifel von deiner Seite aus dem Weg geräumt? Kann ich jetzt mit Oka schlafen?“ Garem konnte nun nichts mehr dagegen sagen, aber irgendwie kam ihm der Heiratsantrag wie eine Täuschung vor, wie ein Mittel zum Zweck, durch diesen konnte er sich nun mit Oka vereinigen. Ohne etwas zu sagen, verließ er mit seinen Begleiterinnen das Zimmer. Nun wandte sich Dragan Oka, die immer noch grinste, zu. „Wollen wir, Oka?“, fragte Dragan. Ohne eine Antwort abzuwarten, näherte er sich ihr. Er nahm sie in seine Arme und küsste sie leidenschaftlich. Das Verlangen nach ihr wurde in Dragans Innerem immer größer, auch Oka selbst spürte, wie die Nervosität von ihr fiel und sie ein Gefühl von unsagbarer Freude durchdrang. Im unteren Teil des Wirtshauses von Imil saßen Adreanna, Gabriel und Ahri. Die drei merkten nicht, dass sich ihnen ein dunkler Schatten näherte. „Guten Abend die Damen, guten Abend der Herr. Ich bringe Nachricht von meinem Meister, er wünscht, dass eine gewisse Ahri herauskommt. Er meinte sie wisse worum es geht.“, sagte der dunkle Schatten. Ahri stand auf, ohne auch nur auf die entsetzten Gesichter von Adreanna und Gabriel zu achten. War es denn so schlimm den Menschen wiederhaben zu wollen, der ihr am meisten bedeutete? Nein, auf keinen Fall. Jeder Mensch hatte das Recht darauf glücklich zu werden, wirklich jeder. Warum sollte sie nicht darum kämpfen? „Ahri, du kannst das doch nicht ernst meinen!“, sagte Adreanna in einem Tonfall, der Ahri völlig unbekannt war. „Doch, Adreanna, ich meine es ernst. Ich liebe Corbinian doch. Wenn es auch nur eine winzige Chance gibt ihn wiederzubekommen, dann werde ich diese Chance auch nutzen. Es ist doch nur eine einzige Nacht.“, sagte Ahri, die weiterhin nicht auf die beiden guckte. Sie und der Schatten wollten gerade gehen, als Gabriel aufstand und den Schatten am Ärmel packte, danach wirbelte dieser herum. Währenddessen fiel seine Kapuze runter. Gabriel war erschrocken, denn es war niemand anderes als Gilbert, den sie vorfanden. „Gilbert! Was tust du hier?“, fragte Gabriel entsetzt. Doch Gilbert antwortete nicht. „Was machst du hier? Warum holst gerade du Ahri?“, Gabriel wurde stocksauer. „Ich weiß nicht was der Herr meint. Ich kenne keinen Gilbert. Sie müssen mich verwechseln, ich bin Diadyon, ein getreuer Diener von Meister Cranshaow.“ „Nein, du bist Gilbert! Du kannst niemand anderes sein.“ Gabriel klammerte sich an Gilbert fest, er fing an zu weinen. Was hatte Cranshaow nur seinem einzigen Neffen angetan? Er erkannte noch nicht mal seine eigene Familie. „Lassen Sie mich los. Ich möchte wieder zu meinem Meister!“ Gabriel ließ Gilbert enttäuscht los. „Ach, damit ich es nicht vergesse, morgen wird Meister Cranshaow Liva abholen, sie sollte sich also schon einmal vorbereiten.“ Bei diesen Worten konnte Gabriel nicht anders und er musste Gilbert schlagen, dieser Schlag war so heftig, dass Gilbert auf den Boden flog. Kurz danach stand Gabriel vor diesem und packte ihn, noch während er am Boden lag, am Kragen. „Du Abschaum, du hast uns alle verraten. Ich möchte dich nie wieder sehen!“, sagte Gabriel aufgebracht. „Auch wenn du mich nicht wieder sehen willst, könntest du mir einen Wunsch erfüllen, Gabriel!“ Gabriel sah genau in Gilberts Augen, diese verwandelten sich von einem desinteressierten Blick zu einem sanften und freundlichen. „Welchen Wunsch?“ „Kannst du Avil diesen Berief geben? Ich hätte ihn ihr am liebsten selbst gegeben, aber du hast mir alles versaut, aber was soll’s!“, danach flüsterte Gilbert noch etwas in Gabriels Ohr. Danach schlug Gabriel Gilbert ein zweites Mal. „Wie kannst du uns nur so etwas antun? Jetzt geh, ich möchte dich nie wieder sehen!“, brüllte Gabriel. Danach erhob sich Gilbert und lief davon. Draußen wartete schon Cranshaow auf Gilbert und Ahri. „Meine liebe Ahri, da bist du ja endlich!“, empfing Cranshaow sie herzlich. Doch dann veränderte sich sein Gesicht und er sagte: „Ach, und du, Gilbert, ich weiß immer was du tust!“ Nach diesen Worten verschwanden die drei wie vom Erdboden. Drinnen stand Gabriel, immer noch auf die Tür schauend, regungslos da. Erst nach einem kurzen Augenblick drehte er sich zu Adreanna um. Sie war trotz der Schlägerei eingeschlafen. Gabriel bezahlte den Wirt für das Essen und die Getränke. Danach hob er Adreanna hoch und brachte sie auf ihr gemeinsames Zimmer. Als er sie zugedeckt hatte, ging er zu Avil, um ihr den Brief zu geben. „Avil, darf ich reinkommen?“, fragte Gabriel sie, nachdem er angeklopft hatte. „Natürlich, Gabriel, komm rein.“, hörte man die Stimme Avils durch die Tür. Gabriel trat ein. Avil saß auf einem Stuhl und Eoleo stand am Fenster, aus dem er gerade hinausschaute. „Avil, ich habe einen Brief an dich, er kommt von Gilbert.“ „Gilbert?“, ruckartig erhob sich Avil von dem Stuhl, als sie diesen Namen hörte. Gabriel sagte jedoch nichts mehr und übergab ihr lächelnd den Brief. Als er gegangen war, öffnete Avil die Nachricht. Meine Liebste, ich hoffe es geht dir während meiner Abwesenheit gut. Ich bedaure sehr nicht bei dir sein zu können. Aber nun muss ich dir noch etwas über die Schicksalskinder sagen. Die letzten fünf sind in der östlichen See zu finden. Der eine im mysteriösen Lemuria, eine weitere im mächtigen Indra, zwei im magischen Osenia und der letzte nicht weit entfernt von unserer Geburtsstadt Tolbi, nämlich in Lalivero, Heimatstadt deiner Mutter Cosma. Er ist derjenige, für den die Nemesis-Klinge gemacht worden ist, die Daja mit sich führt. Die sechste und letzte wird von Cranshaow missbraucht, sie müssen wir retten. Wenn ihr alle beisammen seid, solltet ihr so schnell wie möglich nach Tolbi kommen. Ich hoffe ihr habt es in drei Monaten geschafft, denn dann werde ich nach Tolbi zurückkehren, so wie ich es meinem Vater versprochen hatte und hoffe, dass du dann bei mir bist. Ich weiß zwar, dass ich dann nie wieder frei sein kann, aber so habe ich es auch in meiner Prüfung gewählt. Ich frage mich schon seit längerem, ob mein Vater wohl noch leben würde, wenn ich Vanadis eine andere Antwort gegeben hätte. Oder war es gar vorherbestimmt, dass er sterben würde, unabhängig von meiner Antwort? Es gibst noch etwas, das ich dir sagen muss, Lavi befindet sich auch in den Fängen von Cranshaow. Doch mir scheint es fast so, als sei sie in Aufbruchsstimmung außerdem sagt sie immer etwas über eine ‚sie’, die kommen wird. Ich werde daraus nicht schlau, aber es geht ihr gut. Ich habe herausgefunden, dass sie eine Feuer-Adeptin ist. Außerdem solltest du Adreanna berichten, dass ihr Bruder Ares auch in der Elementarebene ist und dass ihre Familie von Cranshaows Handlangern getötet worden ist. Es gibt noch so viele Dinge, die ich dir schreiben würde, aber Cranshaow kommt… In tiefster und aufrichtiger Liebe, dein Gilbert. Avil drückte den Brief an sich und weinte. „Was ist los, Avil?“, fragte Eoleo besorgt, als er sah, dass sie weinte. „Es ist nichts! Er sagt, dass er mich liebt, deshalb bin ich glücklich.“ „Das ist schön, wenn du glücklich bist, denn das macht mich auch glücklich.“, sagte Eoleo, der lächelte, doch seine Augen drückten nicht Freude aus, sondern Traurigkeit. Es war das erste Mal, dass er Avil so glücklich sah. Aber Avils Glück hatte nichts mit ihm zu tun, dass war der Grund wegen dem er nicht fröhlich sein konnte. Kapitel 19: Amrod Gedan ----------------------- Amrod Gedan Wie an jedem Morgen wachte Amrod Gedan wieder auf, es war ein herrlicher Tag, die Vögel zwitscherten und aus der Ferne war das leise Plätschern des Lemuria-Brunnens zu hören. Amrod Gedan stand auf, obwohl er gerne länger liegen geblieben wäre, denn er hatte ein so weiches und großes Bett, wie es sich für einen Thronfolger gehörte. Kurz nach dem Aufstehen waren seine Bediensteten hereingekommen. Sie halfen Amrod Gedan in seine Kleidung, diese bestand aus einem ledernen Wams und einer beigen Hose. Seine roten Locken fielen wie immer locker über seine Schultern. Als seine Bediensteten fertig waren, verneigten sich diese und gingen heraus. Amrod Gedan setzte sich an seinen weißen Schreibtisch und nahm ein Blatt Papier heraus und listete viele Namen einiger Menschen auf, die er zu seiner bevorstehenden Geburttagsfeier einladen wollte, natürlich war die Liste nicht so lang, wie es für einen König üblich war, denn Lemuria hatte nicht so viele Einwohner wie es zum Beispiel bei Tolbi der Fall war. Plötzlich tippte ihm jemand von hinten auf die Schulter. Amrod Gedan drehte sich um und lächelte, doch er hatte jemand anderes erwartet, als er sich umdrehte. „Guten Morgen, Amrod!“, sagte ein junger Lemurianer. „Was willst du, Oseas? Hast du nichts Besseres zu tun, als mich zu nerven?“, fragte Amrod Gedan ihn. „Na, was ist das für eine Art seinen besten Freund zu begrüßen?“, Oseas schien empört, aber dies war natürlich nur gespielt. Sie beide liebten es den anderen zu necken. „Nun, was möchtest du von mir, Oseas?“, fragte Amrod Gedan noch einmal. „Dein Vater und mein Vater wollen, dass du und ich an einer Sondersitzung des Senats teilnehmen, diese Sitzung soll heute Nachmittag stattfinden.“ „Was ist das Thema dieser Sondersitzung?“ „Ich glaube es geht mal wieder um den Leuchtturm, der vor drei Jahren aufgetaucht ist.“ „Was ist an diesem Leuchtturm nur so besonders? Es gibt viel wichtigeres zu klären, zum Beispiel sollte Lemuria den Handel mit der Außenwelt aufnehmen oder einen neuen Kanal bauen, damit die Stadt wächst und gedeiht.“ „Sag bloß du interessierst dich überhaupt nicht für den Leuchtturm! Wo mag er wohl hergekommen sein? Es ist wie ein großes Mysterium.“, sagte Oseas. „Trotzdem muss man deshalb keine Sondersitzung einberufen, das ist vergeudete Zeit in der man auch Nützlicheres machen kann, zum Beispiel einen neuen Kanal bauen.“ „Was ist so toll an deinem Kanal, dass du ihn zweimal erwähnen musst?“ „Machst du dir keine Sorgen um das Volk? Ich könnte es nicht leiden sehen, ich will immer alles in meiner Macht stehende tun, um meinem Volk zu helfen. Das solltest du auch tun!“ „Was ist, wenn ich hier weg möchte, wenn ich alt genug bin, dann kann ich ihnen gar nicht helfen. Denn ich möchte große Abenteuer erleben, schöne Maiden kennen lernen und die Welt sehen, nicht nur Lemuria.“ „Du kannst es ja machen, ich halte dich nicht auf. Ich jedenfalls habe diese Pflicht gegenüber meinem Volk!“ „Ach, komm schon, solange du noch Prinz und nicht König bist, kannst du doch mal in die Welt hinaussegeln und deine Freiheit genießen.“ „Oseas, ich habe noch genug Zeit, um die Welt zu bereisen, obwohl mir nicht viel daran liegt. Aber mit einem guten Freund wäre vielleicht die trostlose Reise doch ganz passabel.“ Amrod Gedan erhob sich und ging hinüber zur Tür. „Nun, wir sehen uns heute Nachmittag, bis dann!“, Amrod Gedan ging aus seinem Zimmer. Oseas, der nun alleine im Zimmer seines besten Freundes war, setzte sich auf Amrod Gedans Bett. Plötzlich hörte er Schritte und dann sah er, wie sich die Tür öffnete und ein blauhaariges Mädchen eintrat. Oseas stand auf und verbeugte sich. Das Mädchen war Amrod Gedans Schwester, Aglaia Jurena. „Oseas, hast du meinen Bruder gesehen?“, fragte sie. „Ja, Prinzessin, er ist vor kurzer Zeit aufgebrochen zu seinem Unterricht, wie jeden Morgen.“ „Dabei wollte ich doch eine Nachricht von Vater überbringen!“ „Wenn es die mit der Sondersitzung ist, hat er diese schon erhalten.“ „Sehr schön, dann gibt es ja nichts mehr, was ich hier tun kann.“, Aglaia Jurena wollte gerade gehen, als Oseas sie festhielt und sagte: „Prinzessin…“ „Oseas, was ist los?“ „Nichts besonderes, Prinzessin, ich wünschte nur, dass Amrod nicht so pflichtbewusst wäre… Aber was rede ich hier? Ach, nicht so wichtig… Entschuldigen Sie mich, Prinzessin.“ Oseas verbeugte sich. Als Oseas weggehen wollte, sagte Aglaia Jurena: „Oseas…“ „Ja, Prinzessin?“ „Ähm… ich wollte nur sagen… kümmere dich gut um Gedan… glaub ich…!“ „Ja, Prinzessin… ich werde mich um ihn kümmern!“ „Immer? Oder?“ „Ja, ich werde ihm überall hin folgen und ihn beschützen!“ „Aha… das ist gut… sehr gut!“ Aglaia Jurenas Stimme wurde immer schwerer und stockender. Sie wollte Oseas ihre wahren Gefühle darbringen, aber sie konnte nicht, vielleicht lag das an ihrer schüchternen Art. Auch Oseas fiel es schwer mit Aglaia Jurena zu reden, denn er fand sie überaus anziehend. Nun guckten sich die beiden innig an, nach einiger Zeit legte sich über Aglaia Jurenas Gesicht eine sanfte Röte und sie starrte zu Boden. Oseas merkte, dass ihr etwas peinlich war und dachte, dass er am besten gehen sollte, was er dann auch, ohne Widersprüche von Aglaia Jurenas Seite, tat. Aglaia Jurena blieb demnach alleine zurück, aber nun wurde ihre Stärke wiederhergestellt, denn immer wenn sie auf Oseas traf, wurde sie plötzlich ganz schwach und leicht. Amrod Gedan war gerade auf dem Weg zum Thronsaal, der sich in der mittleren Ebene des Palastes befand, es war ein großer, kahler Raum, in dem eigentlich nichts anderes außer einem Thron und einem mystischen Spiegel stand, der Bilder aus der Vergangenheit zeigte, wie zum Beispiel eine Weltkarte von Weyard aus früheren Tagen. Gelegentlich wurden ein paar weitere Tische und Stühle hineingestellt, wenn man Feste feierte, aber es waren immer nur sehr wenige, da Lemuria kaum Einwohner hatte. Das lag daran, dass keine Maßnahmen unternommen wurden, um das Bevölkerungswachstum zu steigern, genau das war Amrod Gedans Ziel. Er und seine Schwester waren in den letzten zwanzig Jahren die einzigen Kinder, die in Lemuria geboren worden waren. Selbst sein Freund Oseas war schon über vierzig, vom Aussehen allerdings wie um die zwanzig. Die Geburtenrate hatte in den letzten zwanzig Jahren noch einmal abgenommen, da die Lemurianer lustlos geworden waren und ihre Gefühle allmählich erkaltet waren. Es wäre bei seinem Vater bestimmt nicht anders gewesen, wenn er nicht nach der Beendigung seiner Reise durch die Außenwelt auf Kay, seine Frau, gestoßen wäre, die die Frische mitgebracht hatte, denn im Gegensatz zu einigen anderen Völkern, wie den Lemurianern, war ihre Lebensspanne deutlich kürzer, deshalb sah sie schon aus wie eine alte Lemurianerin und sein Vater sah immer noch sehr jung aus. Schließlich erreichte Amrod Gedan den Thronsaal. Er sah bei seinem Vater zwei andere Gestalten, es waren ein hoch gewachsener, braunhaariger Mann und eine blondhaarige, anmutige Frau. „Amrod Gedan…“, rief sein Vater, „…da bist du endlich! Komm mal bitte hier rüber.“ Amrod Gedan beeilte sich. Nun stand er bei den beiden Unbekannten und seinem Vater. „Mein Sohn, darf ich dir meine früheren Reisekameraden vorstellen? Das sind Felix und seine Frau Cosma, sie sind gerade auf der Durchreise. Vor einer Woche waren sie noch in Izumo.“ Amrod Gedan machte vor Felix eine kleine Verbeugung, dieser tat es ihm gleich und Cosma gab er einen Handkuss. „Sehr erfreut Sie kennen zu lernen!“, sagte Amrod Gedan höflich. „Aaron, ich glaube, dass du und ich miteinander reden sollten. Es geht um das Erscheinen der vier anderen Leuchttürme und um die Schicksalskinder!“, beim Wort ‚Schicksalskinder’ guckte Felix Amrod Gedan so seltsam an, dann wandte er sich jedoch wieder Aaron zu: „Die Lage ist sehr ernst. Wenn wir nicht bald handeln, dann ist unsere Welt dem Untergang geweiht.“ „Felix, lass uns das nicht jetzt bereden, heute Nachmittag haben wir eine Sondersitzung des Senats. Auch Samius, unser neuer Prokonsulator, ist in großer Sorge, so etwas hat er noch nie erlebt. Auch der alte Lunpa, der schon längere Zeit hier lebt, hat diesen ‚Neptun-Leuchtturm’ noch nie gesehen.“ „Aaron, nicht nur in Lemuria passieren seltsame Sachen, in Izumo wurde ein junges Mädchen entführt und die Schicksalskinder haben sich auf den Weg gemacht. Sie müssten eigentlich übermorgen in Tolbi ankommen um Gilbert abzuholen.“, sagte Cosma. „Auch dein Sohn ist ein Schicksalskind, er muss also auch hieraus.“, fügte Felix den Worten seiner Frau hinzu. „Ich und Lemuria verlassen? Das könnt ihr vergessen, ich gehe niemals!“ Amrod Gedan hatte einen plötzlichen Wutausbruch. Niemand hatte das recht ihm zu sagen, was er zu tun hatte, außer seinem Vater. „Nun gut, ich gehe nun. Ihr braucht mich nicht, um über mich zu entscheiden.“ Amrod Gedan machte eine angedeutete Verbeugung und ging dann. „Tja, Aaron, Kinder sind schlimm, wenn sie stur sind, Liva ist da nicht anders.“, scherzte Felix. Amrod Gedan lief in sein Zimmer. Noch nie war er derart wütend gewesen, wie in diesem Augenblick, er fragte sich, wie sich dieser Mann eigentlich erlauben konnte, ihm, dem Königssohn und späteren Herrscher Lemurias, zu sagen, was er zu tun hatte. Die Liebe zu seinem Geburtsort und der daraus resultierende Stolz waren Gründe dafür, dass er die Stadt nie verlassen wollte. Traurig setzte sich Amrod Gedan auf sein Bett, sein schönes, weiches Bett. Nun, da er es eingehend betrachtete, begann er dass Bett schon als einen Fremdkörper zu betrachten. Seine Angst vor der Welt war immens und er wusste, dass diese so genannten ‚Schicksalskinder’ ihn holen kommen würden und ihn zwingen würden, mit auf eine Reise zu kommen, die er sich als Hölle vorstellte. Wenn dies eintreten würde, würde er sich nicht mehr um die Menschen, um sein Volk, kümmern können. „Gedan? Was tust du hier?“, fragte Aglaia Jurena, als sie mit ihren drei Begleiterinnen eintrat. „Aglaia, sieht man das nicht? Ich sitze hier und löse mich langsam auf!“, sagte Amrod Gedan, der am liebsten alleine gelassen werden wollte. Er brauchte nun wirklich niemanden, der Mitleid mit ihm hatte. „Du löst dich auf? Bist du krank?“, Aglaia Jurena machte sich Sorgen um ihren älteren Bruder, noch nie hatte sie ihn so gesehen. Seine Augen waren glanzlos und sein Gesicht war bleich. „Nein. Ich bin nicht krank, meine Schwester! Mach dir keine Sorgen.“, sagte Amrod Gedan matt. „Aber ich mache mir natürlich Sorgen, du bist doch mein Bruder. Mein einziger Bruder, ich möchte doch nicht, dass du leidest.“, Aglaia Jurena ging zu ihrem Bruder, hockte sich vor ihm hin und legte ihre Hände auf seine Knie. Doch Amrod Gedan nahm ihre Hände in seine eigenen. „Gedan, …“, begann Aglaia Jurena, doch dann merkte sie, dass ihr Bruder Tränen im Gesicht hatte. Er nahm ihre beiden Hände in eine Hand und mit der anderen wischte er die Tränen weg. Danach legte er wieder ihre Hände auf seine eigenen Knie und umarmte seine Schwester. „Aglaia, ich hoffe, dass du nie zu irgendetwas gezwungen wirst. Dass du nie leiden musst, so wie ich zurzeit.“ „Was sagst du da, zu was wirst du gezwungen?“, fragte Aglaia Jurena geschockt. „Da ist so ein Mann bei unserem Vater, er sagte, dass die ‚Schicksalskinder’ mich holen würden. Mich von meinem geliebten Reich wegzerren würden.“ „Nein, Gedan, das kann nicht wahr sein. Nein, ich will nicht, dass ihr geht. Ich dachte immer, dass wir für immer zusammen bleiben würden. Wir dürfen nicht auseinander gehen.“, Aglaia Jurena umfasste den Körper ihres Bruders und krallte sich in seinem Wams fest. „Ich möchte doch auch nicht, dass ich weggehe. Ich habe eine unglaubliche Angst davor, dass ich dich und alle anderen nie wieder sehen werde. Ausgeschlossen zu werden, aus meinem eigenen Königreich und unfähig zu sein, meinem Volk zu helfen.“ „Aber Gedan, du bist der Prinz von Lemuria, du musst einfach zurückkommen, ganz egal was passieren wird, du musst, du musst einfach zu mir zurückkehren. Ich kann nicht ohne dich leben.“ „Ich weiß, meine Schwester, aber du hast ja noch Oseas, ich habe niemanden, nicht einen, den ich kenne und dem ich vertraue.“ „Aber Oseas wird dich begleiten, egal was alle anderen sagen, er kann dich nicht alleine gehen lassen. Er wird immer bei dir sein.“ „Dann komm doch auch mit, dann brauchst du hier nicht alleine sein!“, bemerkte Amrod Gedan nebenbei. „Nein, ich muss mich einer anderen Aufgabe stellen, eine, die noch ungewiss für mich ist. Ich kann euch also nicht begleiten, so leid es mir auch tut.“ „Prinz Amrod Gedan und Prinzessin Aglaia Jurena, entschuldigt meine Störung, aber ich muss ein wichtiges Gespräch mit dem Prinzen führen und die Prinzessin soll sich zum König begeben.“, sagte die eisige Stimme von Prokonsulator Samius. Dieser war ein hoch gewachsener Mann mit eisblauen Augen. Immer wenn eine ernsthafte Situation bestand, verengten sich diese zu Schlitzen. Seine Stimme, wie auch sein Lächeln wirkten eisig und erfroren, als könnte er keine Liebe mehr verspüren. Sein Sohn, Oseas, war da ganz anders, er hatte ein wunderbares, warmes und freundliches Lächeln, seine blauen Augen strahlten eine unbegrenzte Gutmütigkeit aus und seine ganze Mimik war anders als die von seinem Vater, dies lag wahrscheinlich daran, dass Oseas eher nach seiner Mutter kam, die leider verstorben war. „Gedan, wir sehen uns später…“, Aglaia Jurena ging mit ihren drei Begleiterinnen aus seinem Zimmer, drehte sich aber noch einmal um und sagte: „Manchmal sind Veränderungen auch gut, also fürchte dich nicht so sehr.“, mit diesen Worten verließ sie den Ort und machte sich auf den Weg zu ihrem Vater. „Mein Prinz, ich möchte Euch um etwas bitten. Es geht um meinen Sohn.“ „Um Oseas? Ist was mit ihm?“, fragte Amrod Gedan nervös. „Nun, es ist so, mein Sohn möchte unbedingt auf eine große Abenteuerreise gehen. Die würde ihm sicherlich auch gut tun, damit er mehr Lebenserfahrung gewinnen und vielleicht die Prinzessin vergessen kann.“ „Warum sollte er denn Aglaia vergessen? Hat das einen bestimmten Grund?“ „Nun ja, ich weiß genau, dass er die Prinzessin zur Frau haben will, doch ihr Verlobter würde es nicht gutheißen, wenn sie noch einen anderen hätte!“ „Wartet, sagtet Ihr gerade ihr Verlobter? Wer ist dieser Verlobte?“ „Mein Prinz, Ihr steht ihm gegenüber. Ich bat Euren weisen Vater um ihre Hand. Dieser willigte natürlich ein, denn es gibt ja keinen anderen außer dem Prokonsulator, der gut genug für seine Tochter wäre!“ „Aber Ihr wisst doch, dass sie Oseas liebt! Warum tut ihr nur so etwas?“ „Nun, mein Sohn denkt nur er würde sie lieben, weil er keine anderen Frauen kennt…“, Amrod Gedan ließ ihn nicht aussprechen und fragte: „Was liebt Ihr an meiner Schwester?“ „Ich liebe einfach alles an ihr, immerhin ist sie eine wunderschöne Frau!“ „Was genau ist dieses ‚alles’?“ „Mein Prinz, das wisst Ihr doch bestimmt! Also, was ist nun mit meinem Sohn, werdet Ihr ihn mitnehmen?“ „Das kann ich nicht sagen, das muss Oseas alleine entscheiden! Aber ich hoffe er bleibt hier.“ Amrod Gedan wusste zwar, dass sein Freund nicht bleiben würde, denn schließlich ging es hierbei wahrscheinlich um ein großes Abenteuer. Außerdem hatte Aglaia Jurena gemeint, dass er ihn begleiten würde und sie hatte sich bisher noch nie geirrt. Amrod Gedan starrte in die Augen des Prokonsulators, als er dies tat, merkte er, dass die Augen des Prokonsulators wirklich keine Freundlichkeit in sich trugen, sie waren voller Hass. „Ich möchte mich nun auf die Sitzung vorbereiten. Also verlasst mein Zimmer!“, befahl der Prinz. Samius verbeugte sich und zog sich zurück. Doch als er aus dem Zimmer hinausgegangen war, sagte er: „Es wird dir noch Leid tun, dass du mich so behandelt hast. Ich werde dafür sorgen, dass du und mein Sohn nie wieder einen Fuß auf Lemurias Boden setzten werdet, wenn ihr weg seid. Nachdem ich erstmal mit Aglaia Jurena verheiratet bin und Aaron tot ist, werde ich König. Dann werde ich erstmal Lemuria umstrukturieren und den Senat auflösen.“ Im gleichen Moment öffnete Aglaia Jurena die Tür vom Thonsaal, wo sie ihr Vater schon erwartete. „Vater, Ihr habt nach mir rufen lassen?“, fragte Aglaia Jurena ihren Vater. „Ja, das habe ich. Ich habe eine freudige Nachricht für dich!“ „Eine gute Nachricht? Für mich?“, fragte Aglaia Jurena ungläubig. Vielleicht hatte Oseas mit ihrem Vater gesprochen und wollte sie zur Frau. Aber vielleicht auch etwas anderes, sie war deshalb höchst aufgeregt. Ihr Vater stand von seinem Thron auf und ging auf Aglaia Jurena zu, bis er kurz vor ihr stehen blieb. „Nun, meine Tochter, du hast großes Glück. Ein wirklich ehrenhafter, junger Mann hat um deine Hand angehalten!“ „Ich wusste, dass er das tun würde. Oh, Vater, ich bin so froh. Endlich erfüllt sich mein Traum.“ „Ich wusste gar nicht, dass du ihn so sehr magst, hättest du mir nicht früher Bescheid sagen können, dann wäret ihr schon früher zusammengekommen!“ „Ich hätte doch nicht ahnen können, was Ihr von Oseas haltet!“ „Was hat Oseas damit zu tun? Er ist immerhin nur sein Sohn. Samius ist der, den du heiraten wirst!“ „Sa-Samius?“ „Ja, Samius. Denkst du wirklich, dass ich jemand anderes akzeptiert hätte, außer meinen Prokonsulator?“ „Aber ich liebe Oseas, Vater. Ich will Samius nicht heiraten, er widert mich an.“ „Das ist meine Entscheidung und ich möchte nicht, dass du diesen Oseas heiratest, ich kann ihn nicht leiden.“ „Ihr könnt mich doch nicht zwingen Samius zu heiraten, wenn ich nicht will! Ihr seid doch nicht so ein Vater, der nicht die Wünsche seiner Kinder respektiert. Oder wollt Ihr, dass ich leide?“ Plötzlich fiel Aglaia Jurena ich Gespräch mit ihrem Bruder wieder ein, sie war in dieselbe Situation geraten wie er. „Du wirst bestimmt nicht leiden. Wenn ihr erst einmal verheiratet seid, wirst du dich nicht mehr mit Oseas abgeben und Samius eine gute Ehefrau sein, so vergisst du Oseas schnell. Das ist das Beste für dich, meine geliebte Tochter.“ „Vater, Ihr mögt vielleicht Recht haben, aber ich kann nicht seine Frau werden. Ich will es nicht!“ „Es ist entschieden und du hast kein Recht etwas dagegen, gegen meine Worte, zu sagen. Ich weiß, dass diese Hochzeit das Richtige für dich ist und dass du mit Samius glücklich werden wirst. Also lassen wir dieses Thema mit Oseas sein.“ Gegen Nachmittag sollte die Sondersitzung des Senates stattfinden und Amrod Gedan befand sich noch bis zum letzten Augenblick in seinem Zimmer. Er hatte nun wirklich keine Lust mehr zu dieser Senatssitzung zu gehen, denn heute war einfach zu viel schlimmes passiert, man wollte ihn aus seinem Reich hinauszerren, man wollte die aufkeimende Liebe seiner Schwester zu seinem besten Freund ersticken und Samius, ein Mann, den er überhaupt nicht mochte, wollte ihm seine Schwester wegnehmen. Wie konnte sein Vater nur so dumm sein, das er seine eigenen Kinder unglücklich machte? Außerdem fragte er sich, was wohl Oseas zu allem sagen würde. Doch diese Frage sollte ihm schnell beantwortet werden, denn in dem Augenblick, als er zum Senatsgebäude gehen wollte, kam ein sehr wütender Oseas auf ihn zu gerannt. „Amrod! Hast du davon gewusst?“, schrie Oseas seinen besten Freund an. „Oseas, beruhige dich! Ich habe davon nichts gewusst. Ich habe auch erst vor kurzem davon erfahren.“ „Du hast vor mir gewusst worum es geht? Du willst mein Freund sein?“ „Oseas, also erstens bin ich dein Freund und ich wünschte ich hätte es nie erfahren müssen. Zweitens hätte ich gewollt, dass Aglaia dich heiratet. Drittens bist du selber schuld, du hättest es ihr doch einfach sagen können.“, entgegnete Amrod Gedan mit seiner ernsten Stimme. „Ich glaube das hätte kaum etwas geändert. Dein Vater guckt mich immer so herabschauend an, er spricht kaum mit mir und es kommt mir wirklich so vor, als würde er mich hassen.“ „Ich denke du irrst dich. Er betrachtet dich einfach nur kritisch, schließlich könntest du nach deinem Vater der nächste Prokonsulator werden.“ „Nein, das kann nicht sein! Er hasst mich wirklich! Schon vor einem Jahr habe ich deinen Vater um die Hand deiner Schwester gebeten, aber er sagte nur, dass wir noch nicht reif genug seien. Ich fragte ihn ein halbes Jahr später noch einmal, aber dann wies er mich total zurück, indem er sagte, dass ich nicht gut genug für sie sei. Ich könne sie nicht glücklich machen.“ Oseas drehte sich von Amrod Gedan weg und schlug gegen die Wand. „Verdammt! Das ist doch wirklich Unsinn. Ich glaube niemand hätte sie so glücklich machen können wie ich, denn ich weiß, dass wir uns beide lieben und dass wir ein Paar geworden wären auf das jeder Stolz gewesen wäre. Aber nun hat das doch alles keinen Sinn mehr. Ich möchte sie nicht in den Händen von einem anderen sehen und wissen, dass sie sich jede Nacht einem anderen hingibt. Ich will einfach nur weg von hier. Da draußen müssen noch andere Frauen sein, die es sich zu lieben lohnt.“, Oseas fing an zu weinen. „Du gibst also einfach auf. Du würdest also meine Schwester in die Hände eines falschen Mannes fallen lassen und somit die Träume und Hoffnungen meiner Schwester zerstören. Du widerst mich an, Oseas.“ „Aber, Amrod, ich dachte…“, begann Oseas, aber Amrod Gedan unterbrach ihn. „Du dachest was? Dachtest du sie würde einfach so zu dir kommen und alles wäre in Ordnung? Nein, Oseas, man muss hart dafür arbeiten, um seine Träume und Hoffnungen erfüllen zu können und die Erfüllungen kommen einer schweren Prüfung gleich, durch die man sein ganzes Leben verändern kann. Doch hast du, Oseas, nicht mehr die Kraft und den Mut deine Träume und Aglaia Jurenas Träume zu verwirklichen?“ „Mir scheint es so, als hättest du Recht. Ich habe keinen Grund dazu meine Träume und Wünsche aufzugeben, ich könnte niemals zulassen, dass jemand diese gewaltvoll zerstört. Ich danke dir, Amrod, mein Freund.“ „Gut, nun verstehst du, kämpfe für deine Zukunft!“ „Ja, das werde ich tun.“ Amrod Gedan musste grinsen, denn nun erkannte er endlich seinen mutigen Freund wieder. Doch er zeigte dieses Grinsen nur einige Sekunden lang, dann wurde sein Gesicht wieder starr und ernst und er drehte sich von seinem Freund weg. „Wir müssen nun gehen, die Sondersitzung fängt gleich an und diese ist doch ‚außerordentlich’ wichtig, nicht wahr?“ „Genau, ist sie. Immerhin geht es um das Schicksal der ganzen Welt und auch um unser Schicksal!“, nach diesem Satz verstummte Oseas, er wusste, dass seine Worte seinen Freund verletzten. Amrod Gedan war immer der Schwächere von beiden gewesen, doch das wussten eigentlich nur Oseas und Aglaia Jurena, denn vor den anderen verschloss er sein Herz, tat das, was man ihm sagte und zeigte sich von seiner stärksten Seite, doch schon einige Worte konnten eine tiefe Trauer in ihm auslösen, die er aber nicht preisgab. Vielleicht, so dachte Oseas jedenfalls, würde sich das ändern, wenn Amrod Gedan endlich einmal aus Lemuria hinauskommen und eine lange Reise weitab von seinen Pflichten machen würde, er hoffte es würde ihn erstarken lassen. „Kommst du mit, Oseas? Sie warten bestimmt auf uns!“, sagte Amrod Gedan, der wieder seine Stimme und seine Haltung gefestigt hatte. „Ja, ich komme!“, antwortete Oseas freundlich, dann ging er seinem Freund, der schon losgegangen war, hinterher. Das Senatsgebäude lag links neben dem Palast von Lemuria. Dieses Gebäude war allerdings sehr klein, etwa ein Achtel von der Größe, die der Palast hatte. Drinnen standen in der Mitte ein großer, hölzerner Tisch, auf dem Fischmenschen abgebildet waren, und dazu vier Stühle auf jeder Seite, für alle Senatoren. An dem Kopf des Tisches befand sich ein größerer Stuhl für den Prokonsulator. Die Nordwand war mit drei Thronen geschmückt, die für die Königsfamilie reserviert waren, wobei Kay, obwohl sie Königin war, nicht an den Senatssitzungen teilnehmen durfte. Infolgedessen waren die drei Sitze für König Aaron, seinen Sohn Prinz Amrod Gedan und seine Tochter Prinzessin Aglaia Jurena bestimmt. Über diesen Sitzen war ein blaues Banner mit Poseidon drauf aufgehängt. Amrod Gedan betrat in Begleitung von Oseas das Senatsgebäude durch den linken Eingang, zur gleichen Zeit betraten auch Aglaia Jurena und Aaron das Gebäude. In diesem Augenblick guckten sich Aglaia Jurena und Oseas gegenseitig an. Sie beide wussten nun, dass sie nie zusammenkommen würden und dies war unerträglich für beide. Die Königsfamilie nahm Platz und die Senatoren setzten sich an den Tisch. An der einen Seite saß nur Samius als Prokonsulator alleine. „Heute ist es so weit, heute wollen wir die Lage unseres Reiches diskutieren! In meinen Augen ist der heutige Tag ein wichtiger Tag für unser Volk, denn heute werden wir das Erscheinen des Leuchtturms besprechen!“, sagte Samius, der die Senatssitzung eröffnete. „Was soll so besonders an diesem Leuchtturm sein? Na gut, er ist zwar plötzlich aufgetaucht, aber das war nun schon vor drei Jahren. In diesen drei Jahren hat sich die Lage nicht verändert, also ist es sehr unwahrscheinlich, dass noch etwas passieren wird. Wir sollten uns also nicht um den Leuchtturm kümmern, sondern um landesinterne Angelegenheiten, dies ist meiner Meinung nach viel wichtiger. Wir könnten zum Beispiel einen Kanal bauen, damit unsere Stadt wächst.“, warf Amrod Gedan Samius entgegen, doch dieser lies sich von dem Vorschlag des Prinzen nicht beeindrucken und fuhr fort: „Mein Prinz, ihr seid noch nicht alt genug, um klare Zusammenhänge zu erkennen. Natürlich ist es wichtig, dass die Stadt wächst, doch nicht in einer so gefährlichen Zeit. Aus einer sicheren Quelle weiß ich, dass die Leuchttürme außerhalb Lemurias ihr Licht verloren haben und dass sich die ‚Schicksalskinder’ aufmachen, um die Leuchtfeuer wieder zu entfachen, und Ihr seid ein solches Schicksalskind, mein Prinz. Wenn die Leuchtfeuer nicht brennen, wird unsere Welt Weyard untergehen und dann nützt es uns wirklich nichts mehr, wenn unsere Stadt wächst und gedeiht.“ „Ich stimme Samius zu. Mein Sohn hat nicht die nötige Lebenserfahrung, welche man in diesen finsteren Momenten braucht. Schon vor drei Jahren habe ich gedacht, dass eines Tages diese Versammlung wegen des Leuchtturmes einberufen werden würde, denn es verheißt nichts gutes, wenn von einem Augenblick auf den nächsten ein Leuchtturm direkt vor der Palasttür auftaucht. Für mich war dies ein Zeichen, dass sich die Welt im Wandel befindet.“, fügte König Aaron von Lemuria hinzu. „Aber was haben wir von einer intakten Welt, wenn Lemuria am Abgrund steht? Wir haben dann rein gar nichts davon.“ „Amrod Gedan, natürlich haben wir etwas davon, solange die Welt noch existiert haben wir, die Lemurianer, ein zu Hause. Wenn dies nicht so wäre, werden nicht nur wir, sondern auch alle anderen Völker der Erde sterben. Also was scheint dir nun wichtiger?“, schrie Aaron seinen Sohn an, um ihn zur Vernunft zu bringen. Dieser setzte sich auf seinen Platz und schwieg, er wusste nicht was er antworten sollte, einerseits hatte er recht andererseits auch sein Vater und Samius. „Da wir geklärt haben, dass wir uns um den Leuchtturm kümmern sollten was gedenkt Ihr zu tun?“, fragte ein Senator, der ziemlich großwüchsig war, sein Name war Agnius. „Nun, zuerst würde ich sagen, dass mein Sohn, Prinz Amrod Gedan, sich den Schicksalskindern anschließen sollte, die ihn wahrscheinlich in geraumer Zeit abholen werden. Mit ihm wird hoffentlich Samius’ Sohn reisen, oder nicht, Oseas?“ Oseas, der in der rechten Ecke vom Raum saß und bisher nur beiläufig auf die Unterhaltung geachtet hatte, da er auch als Sohn des Prokonsulators nichts sagen durfte, hob den Kopf und antwortete: „Ich werde alles tun, was Ihr mir befehlt, Majestät!“ „Das nenne ich loyal! Dann werden wir warten müssen, bis Amrod Gedan seine Aufgabe erledigt hat und der Leuchtturm wieder brennt. Das ist der ganze Plan.“ „Aber eine Sache müssen wir noch vor ihrer Abreise tun!“, verkündete Samius freudig erregt. „Welche Sache meinst du, Samius, mein Freund?“, der König schaute seinen Prokonsulator fragend an. „Natürlich die Vermählung euer Tochter mit mir! Du möchtest doch sicher auch deinen Bruder dabei haben, meine Perle?“ „Samius, Sie haben vermutlich Recht, schließlich bin ich nur eine Frau und würde nie auf solche Gedanken kommen! Ich werde einfach Ihrem Rat folgen und sagen, dass wir noch vor der Abreise meines Bruders und Ihres Sohnes heiraten sollten.“, sagte Aglaia Jurena mit einem bezaubernden Lächeln auf ihrem Mund. „Sie werden immerhin beide zu eurer Familie gehören und sollten deshalb schon auf eurer Hochzeit erscheinen. Außerdem wäre es gut, wenn ihr so schnell wie möglich heiraten würdet, man weiß ja nie wann die Schicksalskinder kommen und Amrod Gedan abholen.“ „Majestät, ich und wahrscheinlich auch meine zukünftige Frau stimmen Ihnen vollkommen zu. Am besten wir heiraten nächste Woche.“ Amrod Gedan starrte hinüber zu seiner Schwester, die immer noch grinsend dasaß, aber bei den Wörtern ‚nächste Woche’ schauderte sie kurz. Von seiner Schwester ließ er seinen Blick auf seinen besten Freund schweifen, der den Tränen nahe zusammengekauert in der Ecke saß. Wieso hatte ihnen das Schicksal nur so übel mitgespielt? Wieso sollten zwei sich innig liebende Menschen voneinander getrennt werden? Nur zu gerne würde er nun aufspringen und irgendetwas unternehmen, aber er wusste genau, dass dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt war und außerdem würde Amrod Gedan es nie wagen sich gegen seinen Vater aufzulehnen. „Nächste Woche? Was meinst du dazu, Aglaia Jurena?“, fragte Aaron seine Tochter. „Ich werde das tun, was Ihr für mich am besten haltet, ich bin doch nur eine Frau, versteht doch meine Situation Vater!“ „Schön, wenn du keine Einwände hast, dann ist eure Hochzeit auf den ersten Tag der neuen Woche festgelegt!“ „Ich danke Euch, Majestät, dass Ihr für uns einen Termin festgelegt habt.“ Die beiden, der König und sein Prokonsulator, guckten sich gegenseitig an und waren vollkommen zufrieden. Doch ihre Kinder waren weit weniger begeistert von der Hochzeitsplanung. Kapitel 20: Heimkehr -------------------- Heimkehr Vor etwa einer Woche waren die Schicksalskinder von Imil aus aufgebrochen. Als einzigen Hinweis auf die noch verbleibenden Schicksalskinder hatten sie den Brief von Gilbert und Livas Vision. Liva selbst wurde nun auch schon eine ganze Woche von Cranshaow festgehalten. Nun waren sie gerade auf dem Weg nach Lemuria, einem Ort, der umhüllt von einem dichten, undurchdringlichen Nebel war, denn dort sollte sich ein weiteres Schicksalskind befinden. Das Schiff folgte bis zu einem besonderen Abend klar dem Kurs nach Lemuria. An diesem Abend verkündete Garem auf einmal: „Ich habe eine Bitte, könnten wir einen Zwischenstopp in Izumo einlegen?“ Die Übriggebliebenen schauten ihren Mitstreiter fragend an, denn es war nicht Garems Art um etwas zu bitten, meistens behielt er seine Wünsche für sich und versuchte sich erst um die der anderen zu kümmern. Selbst Tamiko wusste nicht im Geringsten, was ihr Verlobter wollte. „Was für eine Bitte hast du denn, mein Freund?“, fragte Gabriel. „Eigentlich wollte ich dies erst nach unserer Reise tun, aber in einer so ungewissen Zeit will ich dem Vorbild von Adreanna und Gabriel folgen. Ich möchte nach Izumo zurückkehren und meine Verlobte heiraten!“ „Was?“, fragte Tamiko verwirrt, sie wusste zwar, dass der Tag kommen würde, an dem sie heiraten würden, aber sie hatte gedacht, dass noch ein oder zwei Jahre vergehen würden, bis es soweit wäre. Das Garem so plötzlich heiraten wollte, war ein richtiger Schock für sie. „Ich möchte dich nun heiraten, Tamiko. Es tut mir Leid, dass ich dich nicht vorher gefragt habe, aber ich hatte meine Gründe dafür.“ „Aber was ist mit den Vorbereitungen der Hochzeitsfeier, die brauchen etwas an Zeit! Außerdem habe ich noch kein Hochzeitskleid.“ Tamiko versuchte die Hochzeit zu verschieben und ihren Liebsten umzustimmen, aber der war ganz begeistert von seiner Idee und fügte seinen Worten hinzu: „Wir brauchen doch keine große Hochzeitsfeier zu machen, deshalb muss man auch nicht so viel vorbereiten. Dein Kleid kann doch Oka nähen, du wolltest sie doch schon immer als Brautjungfer haben und nun da sie zurück ist, kann sie diese Arbeit übernehmen. Ich denke sie würde sich darüber freuen.“ Garem guckte seine kleine Schwester angespannt an. Diese sah ihren Bruder an und danach Dragan, der sie anlächelte und nickte. „Geht klar, ich nähe das Hochzeitskleid, aber ich brauche Stoff.“ „Darum brauchst du dir keine Sorgen zu machen, mir ist es in Imil gelungen echte Kinu zu besorgen, woraus du das Kleid schneidern sollst.“ „Garem, echte Kinu ist ungeheuer teuer, soviel hättest du nicht ausgeben brauchen, immerhin trage ich das Hochzeitskleid nur an einem Tag.“, sagte Tamiko. „Geld spielt dabei keine Rolle, ich würde all mein Geld für dich ausgeben, nur um dich an diesem besonderen Tag glücklich zu machen. Mach dir ums Finanzielle keine Sorgen.“ „Garem, ich finde es völlig in Ordnung, wenn du jetzt heiraten willst, von mir werdet ihr keine Einwände bekommen.“, antwortete Gabriel auf Garems anfängliche Frage. „Hätte ich etwas dagegen, wäre ich ungerecht, immerhin habt ihr mir erlaubt Gabriel zu heiraten. Außerdem lernen wir dann eure Familien kennen, wenn sie in Sicherheit sind.“, erwiderte Adreanna, die bei dem Gedanken an ihre Familie traurig wurde. Gabriel sah, dass es ihr nicht gut ging und nahm seine Frau in den Arm. „Was ist mit dir, Avil? Ist es dir auch Recht? Ich meine…“ Bevor Garem zu Ende reden konnte, winkte sie ab und nickte nur. „Nett, dass ich nicht gefragt werde, aber wieso sollte ich etwas gegen die Hochzeit meines Schatzes haben?“, fragte Folore, die gerade hereingekommen war, ironisch. „Ich dachte du hättest am ehesten etwas dagegen, weil du mich so angehimmelt hast?“ „Ach das! Das war nur eine kleine Mädchenschwärmerei! Du dachtest doch wohl nicht, dass ich dich tatsächlich lieben würde? Du bist eher wie ein großer Bruder für mich.“ „Ich kann doch auch nichts sagen, auch wenn ich etwas dagegen haben würde. Ihr ertragt mich, obwohl ich kein Schicksalskind bin.“, sagte Ahri. Auch Athi gab seine Zustimmung, indem er einfach nickte. In letzter Zeit sagte er ziemlich wenig, wahrscheinlich war es eine Bestrafung seinerseits, weil er Liva nicht richtig vor Cranshaow beschützen hatte können. Außerdem war er die ganze Zeit über nervös, vielleicht dachte er, Hoabna würde aus dem Himmel herab gestiegen kommen und ihn als noch unwürdiger erachten, weil er auch diese Aufgabe verpatzte. Er war absolut unfähig. Dajavela war nicht anwesend, sie hatte gesagt, dass sie sich ausruhen müsse, weil es ihr nicht besonders gut ging. Doch eigentlich hatte sie Kummer. Ihr wollte einfach nicht in den Kopf gehen, dass Dragan sie nicht mehr liebte, sondern diese verfluchte Oka. Daja würde ihr dafür am liebsten die Augen auskratzen oder sie einfach über Bord werfen, jedenfalls suchte sie eine Möglichkeit um Oka loszuwerden und den Vater ihres Kindes wieder für sich allein zu beanspruchen. Nur Eoleo wollte nicht, dass sie einen Zwischenstopp in Izumo machten, da er meinte, dass sie doch daran denken sollten, dass sich zwei ihrer Mitstreiter in den Fängen von Cranshaow befanden und dies nicht die Zeit sei, in der man heiraten sollte. Jedoch wurde er überstimmt und so planten sie ihre Reise nach Izumo. Der weitere Abend verlief so wie alle anderen. Erst aßen die Schicksalskider, dann redeten sie miteinander und schließlich bat Dragan Garem darum ihn nach draußen zu begleiten. „Was willst du Dragan?“, fragte Garem seinen Freund. „Ich glaube du hast Recht. Als ich gestern mit Oka alleine war, habe ich noch mal über deine Worte nachgedacht und bin zur Vernunft gekommen. Ich werde bis nach der Hochzeit warten, bis ich mit Oka schlafe und ich will sie erst nach der Beendigung unserer Reise heiraten.“ „Kannst du auch ganz bestimmt so lange warten, auch wenn du noch zehn Jahre warten müsstest?“, fragte Garem freudig. „Ja, ich werde mich gedulden, ich will nicht, dass es so endet wie mit Daja.“ „Du bist ein guter Kerl, Dragan. Ich dachte ihr hättet schon… und dann erfahre ich solch gute Nachrichten. Mensch, ich bin erleichtert! Ich dachte schon, ich hätte es nicht geschafft meinen Pflichten als großer Bruder nachzukommen. Aber nun… ich bin wirklich erleichtert. Danke, Dragan.“ Dragan und Garem guckten beide zufrieden auf das Meer hinaus. Eine Zeit lang verharrten sie schweigend in der Situation, doch dann sprach Garem Dragan an: „Ich weiß, dass du warten willst, aber wie wäre es, wenn wir so eine Art Gemeinschaftshochzeit machen würden? Das würde auch unser Versprechen verstärken. Was hältst du davon, Dragan?“ „Keine schlechte Idee, Garem. Ich werde sofort Oka fragen.“ Dragan verließ das Deck und ließ Garem alleine auf der Backbordseite stehen. Einen Augenblick danach kam Gabriel mit einer schlafenden Adreanna in den Armen aus der Küche und verschwand dann aber wieder unter Deck. Garem fragte sich nur, warum Adreanna in letzter Zeit nur so müde war, nun schlief sie sogar schon morgens ein, obwohl sie erst kurz davor aufgestanden sein müsste. Die Stunden verstrichen und die Schicksalskinder kamen gut auf ihrem Weg nach Izumo voran. Erst als es Abend wurde und fast alle Reisenden auf dem Deck waren, sahen sie ein anderes Schiff. Dieses Schiff rief bei einigen, besonders bei Eoleo, schlechte Erinnerungen wach. Im Gegensatz zu ihrem eigenen Schiff war dieses viel größer. Außerdem konnte man gut erkennen, dass dieses Schiff nur durch reine Windkraft und nicht durch Psynergie angetrieben wurde. Aber am auffälligsten war immer noch die Piratenflagge auf dem mittleren Mast. Bei dem Schiff handelte es sich um die Obaba, dem Schiff von Eoleo. Dieser stand entsetzt auf. Was hatte Odja-Dja hier zu suchen, wo sie doch in der Westlichen See hatte bleiben sollen? Diese Frage sollte sich beantworten lassen, sobald das Schiff sie eingeholt hatte, denn obwohl ihres mit Hilfe ihrer Psynergie fuhr, war das Segelschiff schneller. „Was ist das für ein Schiff?“, fragte Athi. „Das ist die Obaba, Athi.“, antwortete Gabriel, der mit Adreanna in der Nähe von diesem stand. „Woher kennt ihr ein Piratenschiff?“, fragte Athi. „Diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten! Die Obaba gehört mir!“, sagte Eoleo, der nun auf der anderen Seite bei Athi, Adreanna und Gabriel stand. „Wenn es dein Schiff ist, wieso bist du dann überhaupt hier, Pirat?“ „Weil ich nun mal hier sein muss, denn schließlich habe ich mehr Recht dazu als du. Du bist noch nicht einmal in der Lage ein Mädchen zu beschützen, du Schwächling!“ „Das stimmt nicht, er hat weitaus mehr Recht dazu hier zu sein als du. Immerhin beschützt er Liva immer noch, aber sie ist einfach so stur und du hast schon deine Prüfung abgelegt, also brauchen wir dich gar nicht mehr. Du kannst also mit deinem Piratenabschaum abhauen und dich nicht mehr blicken lassen. Wir brauchen dich nicht!“, schrie Garem Eoleo an. „Seht ihr das alle so?“, fragte Eoleo mit bleichem Gesicht. Fast alle nickten. „So ist das also, wenn ich hier nicht erwünscht bin, werde ich eben wieder mit der Obaba segeln. Ich werde versuchen nie wieder euren Weg zu kreuzen.“ Mit diesen Sätzen hatte die Obaba ihr eigenes Schiff eingeholt. Eoleo drehte sich zu diesem und rief: „Odja-Dja!“ Auf der Obaba, die sich schon zum Kampf vorbereitet hatte, stand Odja-Dja am Bug, als sie Eoleo rufen hörte. Schnell rannte sie in die Mitte und sah ihrem Bruder genau in die Augen. „Eoleo… Mein Bruder!“, rief sie zurück. Sie ließ anordnen eine Planke zwischen die beiden Schiffe zu legen und ging mit in paar Piraten hinüber. Drüben angekommen umarmte sie ihren Bruder. „Odja-Dja, was machst du hier in der Östlichen See?“, fragte Eoleo sie. „Ich habe ein Schiff seit Naribwe, das vor einem Monat losgefahren ist, verfolgt. Es war auf dem Weg nach Bilibin, haben jedenfalls die Passagiere gesagt, die wir nicht getötet haben und ich glaube ihnen.“ „Du hast Passagiere gefangen genommen? Warum glaubst du ihnen? Hätten sie dich nicht belügen können?“ „Es waren nur zwei Passagiere, die ich gefangen genommen habe. Der eine ist ein Mensch aus Naribwe, eigentlich recht unbedeutend, aber seine Verlobte trug um ihren Hals die Herrschaftsblume von Bilibin. Vielleicht ist sie die lang gesuchte Tochter von Lord und Lady McCoy. Und wir hoffen, dass wir eine Belohnung bekommen!“ „Meinst du nicht eher Lösegeld?“ „So kannst du es auch nennen, aber ‚Belohnung’ klingt besser.“ „Du scherzt, Odja-Dja. Ich als Kapitän der Obaba möchte, dass du die zwei auf dieses Schiff bringst und nie wieder versuchst Lösegeld zu erpressen! Ich finde es nicht richtig Menschen wie Vieh zu behandeln!“ „Mensch, Eoleo, kannst du dir nicht das Gold und die Juwelen vorstellen…“ Odja-Dja fing an zu träumen, sie hatte sich schon lange ein Leben in Reichtum vorgestellt. „Das ist typisch für Piraten, immer nur Geld und Edelsteine im Kopf, aber dabei nicht auf Gerechtigkeit und die Würde der Menschen achten!“, schrie Athi Odja-Dja an. Diese zog ihr Schwert und hielt es Athi an den Hals. Odja-Dja musterte ihn und sagte: „Auch wenn wir verschiedene Ansichten haben und du mich beleidigt hast, töte ich dich nicht, denn du gefällst mir!“, sie steckte ihr Schwert weg und drehte sich zu den Piraten um, die mitgekommen waren: „Habt ihr nicht gehört, was der Kapitän angeordnet hat? Los, bringt die Geiseln hier rüber!“ „Odja-Dja, ich fahre nun wieder mit euch mit. Ich werde endlich wieder Kapitän der Obaba sein.“, sagte Eoleo. „In Ordnung, dann komm!“ Odja-Dja gucke noch einmal Athi an, zwinkerte ihm zu und verließ das Schiff. Eoleo ging auf Avil zu, legte ihr etwas in die Hand und sagte: „Ich hoffe mein Traum geht in Erfüllung.“, damit ging auch er zur Obaba. Fünf Minuten später wurden die beiden Menschen von Naribwe hinübergebracht; die Planke wurde entfernt und die Schiffe nahmen wieder ihren ursprünglichen Kurs auf. Erst als Eoleo schon weit weg war, öffnete Avil ihre Hand, in dieser lag ein Anhänger mit Kette. Es war genau jener Anhänger, den einst Liva besessen hatte. Die Schicksalskinder versammelten sich um die beiden neuen Mitreisenden. Der junge Mann hatte braue Augen und dazu passende braune Haare. Seine Haut war zudem noch gebräunt, was wahrscheinlich daran liegen mochte, dass er aus Naribwe kam und es in Mittelgondowan bekanntlich sehr heiß und sonnig war. Die Frau an seiner Seite war etwa einen Kopf kleiner als der junge Mann und somit etwa 1,55 m groß. Auch sie hatte eine sonnengebräunte Haut. Aber sie hatte hellblonde Haare und meeresblaue Augen. Irritiert von den starrenden Augen, die auf ihr hafteten, harkte sie sich bei ihrem Geliebten ein und versuchte die Fremden genauso starrend anzugucken, wie auch sie und ihr Begleiter betrachtet wurden. Als ihr Freund merkte, dass sie Angst hatte und alldem nicht traute, lächelte er und fuhr ihr liebevoll durch ihre vollen Haare. „Raja, ich glaube wir brauchen uns nun keine Sorgen zu machen. Ich sehe weder eine Piratenflagge an einem ihrer Mäste, noch sehen diese Leute so finster aus, als hätten sie vor uns umzubringen, zu berauben oder ähnliches. Man muss auch manchmal Fremden blind vertrauen können, um zu überleben. Außerdem glaube ich auch nicht, dass es unser Schicksal ist, hier, zu Beginn unser gemeinsamen Reise, zu sterben. Immerhin müssen wir den einen Ort finden, an dem wir geboren worden sind.“, sagte der Fremdling mit einer besonders klaren und hellen Stimme. „Meinst du? Aber ich kann diese starrenden Blicke nicht ertragen. Es ist so, als hätte ich etwas Schlimmes getan und müsste nun in meiner eigenen Schuld ertrinken!“ „Wir haben aber nichts Schlimmes getan, Raja. Sag nie wieder so etwas! Es ist einfach nicht wahr!“, der Fremdling drehte sich zu Garem um: „Ich schätze dies ist Ihr Schiff. Ich hoffe wir machen Ihnen keine Umstände. Wenn ich mich vorstellen darf, ich war seit jeher Perez und dies ist meine Verlobte, Raja.“ „Verzeihung, aber dies ist nicht mein Schiff und bitte sag ‚du’ zu mir! Auf jeden Fall bin ich der Garem aus Izumo.“ „Izumo? Hast du gehört Ta… Perez? Er kommt aus deiner Geburtsstadt, vielleicht kennt er deine wahren Eltern!“, schrie Raja plötzlich los. „Wie meint sie das? Bist du nicht in Naribwe geboren?“, fragte Tamiko aufgeregt. „Nein, ich bin nicht in Naribwe geboren, genauso wenig wie meine Verlobte, mein Geburtsort liegt im Osten Weyards und ist Izumo!“ „Du heißt bestimmt Takeru?“, fragte Dragan mit einem ernsten Gesichtsausdruck. „Dragan, wovon sprichst du? Es ist einfach unwahrscheinlich, dass er Takeru ist.“, gab Tamiko eine Antwort auf Dragans Frage. „Wieso nicht? Es gibt genügend Beweise. Er hat sicherlich dasselbe Alter wie ich, er hat braune Haare wie ich. Perfekt für eine wirre Vertauschungsaktion, die von meinem Vater durchgeführt worden ist. Außerdem lebte ich in seiner Geburtsstadt und er in meiner. Das kann doch nicht alles Zufall sein, nein, Tamiko, das ist wahrscheinlich Schicksal, ein vorbestimmtes Treffen, das unausweichbar gewesen ist. Außerdem wäre es nicht gut, deine gesamte Familie bei deiner Hochzeit zu haben?“, fragte Dragan Tamiko aufdringlich. Doch diese konnte nicht antworten, da Perez sie nun unterbrach: „Dann bist du also der Sohn von diesem Fremden? Er und meine Mutter… ähm, Verzeihung, Bodil meinte ich, haben mir die Wahrheit gesagt. Daraufhin fragte ich meine Verlobte, ob sie mit mir auf eine Reise gehen wolle um unsere Geburtsorte zu finden. Seitdem ich deinen Vater traf, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, als könnte ich diesen Mann, einem Fremden, blind vertrauen. Er ist ein so warmherziger Mensch.“ Nun sahen die Schicksalskinder Perez wirklich seltsam an, wie konnte er nur behaupten, dass Cranshaow warmherzig sei? „Perez, sie starren schon wieder. Ich mag das nicht!“, meinte Raja. „Aber Raja, ich sage doch du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Meine Verlobte hier, kommt aus Bilibin. Na gut, genau wissen tut sie das nicht, aber der Anhänger…“, Perez nahm den Anhänger, der an einer Kette um Rajas Hals hing und zeigte diesen den Schicksalskindern, „… gehört der Herrscherfamilie aus Bilibin und das ist der einzige Hinweis auf ihren Geburtsort. „Du hast aber immer noch nicht gesagt, ob du Takeru bist. Oder möchtest du erst unsere Namen wissen?“, fragte Dragan nochmals aufdringlich. Doch bevor Perez überhaupt die Möglichkeit hatte zu antworten, sprach Dragan schon längst weiter: „Ich bin Dragan, Sohn von Cranshaow und Bodil! Dies neben mir ist meine Verlobte Oka, die ich beabsichtige in Izumo zu ehelichen.“ „Wie gesagt, ich bin der Garem aus Izumo. Dies ist Tamiko, meine Verlobte, die ich auch in Izumo heiraten werde.“ „Ich bin Gabriel und komme aus Vale!“ „Ich heiße Adreanna, komme aus Imil und wurde in Contigo mit Gabriel verheiratet.“ „Mein Name ist Dajavela…“ „Na gut, ich habe es verstanden, ihr wollt also unbedingt wissen, ob ich Takeru bin oder nicht. Na schön, ich lasse euch aufatmen und sage euch aufrichtig die Wahrheit, denn ich bin Takeru, Sohn von Sasu und Kushinada aus Izumo. Ich bin seit siebzehn Jahren in der Obhut von Bodil, die mich wie ihren eigenen Sohn erzogen hat und…“, doch weiter sprechen konnte er nicht, denn eine vor Freude weinende Tamiko umarmte ihn. Unter Schluchzern sagte sie: „Ich bin ja so froh, dass ich dich kennen lernen darf, mein Bruder. So lange habe ich auf dich warten müssen. Ich bin deine richtige, leibliche Schwester Tamiko!“ „Ich glaube das ist nun zu viel, ich lege mich ins Bett, es ist schließlich schon spät. Komm mit, meine Verlobte!“, schrie Dragan Oka an. Diese war von dem plötzlichen Ausbruch ihres Liebsten so verwundert, dass sie einige Schritte nach hinten, von Dragan weg, machte. Doch Dragan packte ihr Handgelenk und zerrte sie hinter sich her. „Sie haben keine große Ähnlichkeit.“, murmelte Garem, der erst Dragan hinterher sah, aber dann wieder Takeru ansah. Nachdem Tamiko sich beruhigt hatte, wurden Takeru und Raja auf dem Schiff herumgeführt und sie bekamen ein eigenes Zimmer zugewiesen. So brach die Nacht herein und im Gegenzug für ihre eines verlorenes Reisemitglied, hatten sie nun zwei neue gewonnen. Gegen Ende der Fahrt nach Izumo stieß auch Liva wieder zu ihnen, sie wunderte sich zwar, dass Eoleo gegangen war, aber nach einigen Stunden an Bord des Schiffes verstand sie auch warum. Ihr schien es schon seit längerem so als wäre die Reisegruppe nur noch ein zusammen gewürfelter Haufen, der keinen festen Anführer besaß. Sie glaubte auch nicht, dass wirklich jemand in der Gruppe fähig dazu sei, da es so schien, als würden sich alle nur noch um die eigenen Bedürfnisse kümmern. Des Weiteren kam es ihr so vor, dass sie schon bald weniger Schicksalskinder waren als Außenstehende. War es wirklich gut, diese in ihre Geschichte zu verwickeln? Sie glaubte nicht, denn ihnen könnte viel durch Cranshaow widerfahren, denn er wusste ganz genau, wie man die Menschen am meisten verletzen konnte. Doch schlauer war Liva trotz ihres längeren Aufenthaltes bei Cranshaow nicht geworden, was hatte es mit seinem Traum auf sich? Wieso fügte er jedem Leid zu? Sie fand einfach keine Antwort auf diese Fragen. Außer Avil bemerkte niemand, das sich Liva verändert hatte. Man könnte denken, dass sie in den letzten Tagen mental schwächer geworden war, aber das Gegenteil war geschehen, sie war stärker geworden. „Ich sehe Land! Ich sehe unsere Heimat!“, schrie Tamiko, welche die letzten Tage immer am Bug gestanden hatte, um als Erste Izumo zu erspähen. Ganz dicht neben ihr standen Garem, sowie Takeru und Raja. Seitdem diese beiden auf ihr Schiff gekommen waren, hatte sich das Klima in der Gruppe verändert. Tamiko, die noch behauptet hatte, dass sich nie etwas zwischen ihr und Dragan verändern würde, war nun völlig eingenommen von ihrem richtigen Bruder und seiner Verlobten. Sie wollte einfach alles über ihn wissen, wie er bisher gelebt hatte, was er gerade tat und noch viele andere Sachen. Wenn Dragan mal mit Takeru sprach, dann über seine Mutter und seinen Bruder. Doch noch immer wusste Dragan nicht, dass er niemals die Gelegenheit bekommen sollte, seine leibliche Mutter kennen zu lernen. „Ja, Tamiko, ich kann sie auch schon sehen, besonders den großen Festturm, auf dem jedes Jahr zum Freiheitsfest mein Großvater getrommelt hat und du hast jedes Jahr, seit wir verlobt sind, getanzt, wie eine wunderschöne, erblühte Blume. An diese glücklichen Momente werde ich mich immer erinnern können.“, Garem schien total in der Vergangenheit zu sein, bei seinen Worten strahlten seine Augen. „Dies ist meine Heimat. Seit jenem Tag, als der Fremde auftauchte, habe ich mich danach gesehnt, sie endlich sehen zu können. Aber jetzt, wo ich sie vor mir liegen sehe, verspüre ich Angst. Angst davor, von meinen Eltern nicht akzeptiert zu werden oder gar noch Schlimmeres. Doch ich weiß, dass ich nun nicht mehr zurück kann und auch wenn mich alle, außer einer Person, hassen würden, wäre ich doch zufrieden und glücklich, dass ich nicht ganz alleine auf dieser Welt bin. Das gibt mir Hoffnung!“, sagte Takeru stolz. Raja schmiegte sich an ihren Verlobten an: „Ich weiß, dass du diesen Menschen, der dich liebt und verehrt, schon gefunden hast, also mach dir keine Sorgen. Ich bin immer für dich da, ganz egal was kommen mag.“ „Danke, Raja.“ „Takeru, nun da du hier bist, kannst du auch Anführer des Dorfes werden. Ich war nicht sonderlich davon begeistert, man musste auf irgendwelche alten Traditionen achten, die nichts mehr mit uns zu tun haben, man musste auf alle Leute achten und konnte sich erst zuletzt um sich selbst kümmern, man musste ein Vorbild für andere sein. Alles in allem war es eine anstrengende Arbeit, auch wenn man noch gar nicht der eigentlich Anführer war, sondern der zukünftige. Jetzt habe ich zum Glück nicht mehr diese Bürde am Hals und kann endlich frei sein.“, sagte Dragan, der in der Tür zur Küche stand. „Aber ich bin doch gar nicht geeignet für die Position, denn ich weiß nicht das Geringste über das Dorf und über dessen Riten und Traditionen.“, widersprach Takeru. „Du musst der Anführer sein, da es die Aufgabe von ‚Takeru’ ist. Du bist nun einmal Takeru und nicht ich. Wie schade!“, entgegnete Dragan ihm, der dann auch schon wieder verschwand. „Aber…“, fing Takeru an. Garem klopfte ihm auf die Schulter und sagte nur: „Keine Panik, man wird dich akzeptieren. Außerdem wollte Dragan diese Aufgabe nie übernehmen, er ist sicherlich ganz froh, dass du ihm jetzt seine Bürde abnehmen wirst.“ In Gedanken dachte sich Takeru nur, dass er noch nicht einmal sicher war, ob er überhaupt in Izumo bleiben wollte, immerhin wollte er doch auch Raja helfen, ihren Geburtsort wieder zu finden. Doch ganz plötzlich wurde er von Tamiko aus den Gedanken gerissen. „Garem, siehst du, dass da am Strand ein Boot liegt? Und daneben liegt auch noch jemand! Vielleicht braucht die Person Hilfe. Wir müssen uns beeilen!“, schrie Tamiko, während sie mit dem Zeigefinger auf den Strand deutete. Die Schicksalskinder versuchten so schnell wie möglich an die Küste von Izumo zu gelangen, damit sie herausfinden konnten, wer da am Strand lag und um dieser Person Hilfe anzubieten. Zuerst konnten die Schicksalskinder nur eine Siluette sehen, aber je näher sie kamen, umso deutlicher nahmen sie die Person wahr. Am Ufer angekommen stieg Tamiko sogleich aus und rannte zu der Gestalt hin, ihr folgten Garem, Takeru und Raja, die zuvor bei ihr gewesen waren. Die Person, die am Strand lag, entpuppte sich als Mädchen, welches einen zierlichen Körperbau und blaue Haare hatte. Tamiko drehte das etwa gleichaltrige Mädchen um festzustellen, dass ihr Gesicht sehr blass war und, dass ihr Haar zerzaust und ungepflegt war. „Hallo, kannst du mich hören?", schrie Tamiko der unbekannten ins Gesicht, Währenddessen waren auch die anderen Schicksalskinder zu den fünfen gestoßen. „Garem, haben wir eine Decke? Sie ist kalt! Wir sind die einzigen, die etwas dagegen unternehmen können!“, sagte Tamiko, die gerade die Hand der Fremden in ihre eigene genommen hatte. Ohne zu antworten lief Garem zum Schiff um eine Decke zu holen und kam kurze Zeit später, mit zwei Decken beladen, zurück. „Hier, Tamiko, wickle sie darin ein! Und dann bringen wir sie am besten nach Izumo, da können wir uns besser um sie kümmern!“ „Ja, das tun wir am besten.“, fügte Dragan hinzu und nahm das Mädchen auf seine Arme, um sie davon zu tragen. Nicht allzu weit entfernt trug sich eine andere Situation zu. Eine junge Frau im Alter von einundzwanzig Jahren suchte verzweifelt nach ihrer Tochter, die sich gerne vor ihrer Mutter versteckte. „Sakura, wo bist du?", rief die Frau, während sie ihre dreijährige Tochter suchte. Obwohl sie überall, hinter jedem Fels guckte, fand sie diese nicht. Erst als sie am Strand ankam, kam die kleine Sakura angerannt. Jedoch war sie nicht alleine, denn es befanden sich außer ihr noch einige Leute am Strand. Unter diesen Leuten waren ihr einige wenige besonders vertraut. „Garem, du bist wieder zu Hause und du hast Tamiko und Takeru wieder mitgebracht! Sasu und Kushinada werden sich freuen!“, schrie die junge Frau förmlich, dann beäugte sie die ganze Truppe und ihre Augen blieben an Oka haften. Ihr kam das Gesicht dieses Mädchens ausgesprochen bekannt vor. „Was ist, Okino, warum starrst du deine Schwester so argwöhnisch an?“, fragte Garem, an dessen einer Hand sich Sakura befand. „Meine Schwester? Oh, mein Gott! Das… ist unmöglich. Ich dachte du wärst tot. Aber nun stehst du vor mir.“ Okino, Garems älteste Schwester, breitete ihre Arme aus und umschlang Oka mit diesen. „Was für eine Freude, ich kann es nicht glauben. Oka! Wenn Mama und Papa davon erfahren, ich glaube, sie werden Luftsprünge machen.“ „Okino, du drückst mich zu fest. Ich bekomme kaum noch Luft.“ „Oh, Verzeihung, ich bin nur so überglücklich.“, sie wandte sich an Sakura: „Guck mal, Sakura, das ist deine Tante Oka, sie war verschwunden, doch jetzt ist sie wieder bei uns.“ „Nicht Tante… Tante ist zu Hause… Onkel auch wieder da!“, erwiderte Sakura auf die Worte ihrer Mutter. „Okino, wir haben jetzt keine Zeit für so etwas, wir haben am Strand dieses Mädchen gefunden und sie ist stark unterkühlt. Wer weiß, wie lange sie dort schon in diesem Zustand gelegen hat.“, sagte Garem ernst. Okino ging auf Dragan zu und fühlte die Stirn des Mädchens. Was Garem gesagt hatte, stimmte. „Wir müssen sie schnell ins Dorf bringen!“ Etwa fünf Minuten später lag das bewusstlose Mädchen auf dem Bett von Dragan. „Takeru, was ist geschehen?“, fragte Sasu, der sich zur Zeit ihrer Ankunft im Haus befunden hatte. „Ich weiß es nicht, aber wir brauchen mehr Decken und wärmere Kleidung, damit ihre Temperatur steigt und sie bei uns bleibt und nicht ins andere Reich hinüber gleitet.“, sagte Dragan, der gerade in seinem Zimmer nach Decken suchte. „Dragan, wie wäre es mit warmen Wickeln? Wenn du mir zeigst, wo sich die Küche befindet, könnte ich welche machen.“, bot Dajavela ihre Hilfe an, doch nicht Dragan, sondern Tamiko begleitete sie in die Küche und half ihr bei den warmen Wickeln. „Sag mal, Takeru, warum hat sie dich gerade ‚Dragan’ genannt?", fragte Sasu neugierig. „Für so etwas habe ich nun keine zeit, wenn du mit jemanden reden willst, dann rede mit deinem Sohn.“, bei diesen Worten zeigte Dragan auf den echten Takeru. „Mein Sohn? Aber du bist mein Sohn!“ „Nein, bin ich nicht. Und siehst du nicht, dass sie in Lebensgefahr schwebt? Möchtest du für ihren Tod verantwortlich sein? Ich glaube kaum, also geh mir aus dem Weg.“ Kurze Zeit später kamen Daja und Tamiko aus der Küche zurück und brachten die Wickel mit. Nach und nach wurde das Mädchen wärmer und auch die Spannung, die im Haus geherrscht hatte, legte sich wieder, so dass die Schicksalskinder auch anderen Tätigkeiten nachgehen konnten. Garem, Tamiko, Okino, Oka und Sakura gingen zu dem Haus, in dem Garem mit seinen Eltern und Geschwistern lebte. Ahri, Adreanna und Gabriel sagten, sie würden sich etwas im Dorf umschauen. Avil, Liva und Athi wollten sich im örtlichen Gasthaus ausruhen. Währenddessen wollte Sasu ein Gespräch mit Takeru und Raja führen. Zurück blieben so nur Dragan, Daja und Folore, die sich noch weiter um die Bewusstlose kümmerten. „Folore, Daja, wollt ihr etwas zu essen oder zu trinken?“, fragte Dragan nach einiger Zeit des Stillschweigens. „Nein, ich will nichts, ich möchte mich eher für einen Augenblick hinlegen, der Tag war einfach anstrengend.“, sagte Folore. „In Ordnung, du kannst in unserem Gästeraum schlafen. Dieser Raum befindet sich auf der anderen Seite des Hauses, wenn du aus meinem Zimmer herausgehst einfach geradeaus.“ „Danke, Dragan, ich würde aber auch gerne ins Gasthaus zu Avil, Liva und Athi gehen.“ „Meinetwegen, mach was du willst. Möchtest du etwas essen?“, fragte er Daja. „Ja, gerne. Und ich hätte auch gerne etwas zu trinken.“ Dragan stand auf und kam kurze Zeit später mit einem Krug Wasser und einem Früchteteller wieder. „Wie geht es dir, Daja?“, fragte Dragan, als er sich wieder ans Bett setzte. „Mir? Wieso fragst du, interessiert es dich oder willst du nur höflich sein?“ „Natürlich ist es mir wichtig, immerhin bist du die Mutter meines Kindes! Denkst du wirklich ich sei so kaltherzig?" „So kamst du auf jeden Fall rüber, du willst mein… unser Kind doch gar nicht akzeptieren. Du hasst es jetzt schon!“ „Nein, ich hasse es nicht, Daja, weder das Kind noch dich!“ „Aber akzeptieren kannst du es nicht, oder?" „Doch, ich akzeptiere es. Doch ich konnte es nicht zugeben, denn sonst hätte ich Oka verloren und mein Auftrag wäre sinnlos für mich geworden.“ „Auftrag? Was für ein Auftrag?“ „Ich kann nicht darüber reden, Daja. Es ist nur, ich kann diesen Auftrag nicht ausführen, aber mir bleibt keine Wahl. Es ist einfach hoffnungslos.“ „Hoffnungslos… Dragan, schau!“, stieß Daja auf einmal aus und deutete mit ihrem Finger auf das Mädchen, welches wach in Dragans Bett lag. Kapitel 21: Eine traditionelle Hochzeit --------------------------------------- Eine traditionelle Hochzeit Dragan drehte sich, der Bewegung von Dajas Finger folgend, zu dem Mädchen um, welches aufrecht im Bett saß. Erst guckte sich die Person neugierig aber ruhig um, doch dann hielt ihr Kopf inne und sie schaute Daja und Dragan an. „Ihr müsst mir unbedingt helfen. Mein Bruder und mein Freund sind in Gefahr.“, sagte sie bestimmt und überhaupt nicht nervös. Nun stand Daja auf und setzte sich neben Dragan auf das Bett. „Wie sollen wir dir denn helfen, und warum sind die beiden in Gefahr?“ „Ihr müsst mit mir nach Lemuria segeln und die beiden aus dem Gefängnis befreien.“ „Aus dem Gefängnis? Sie sind doch nicht etwa irgendwelche Verbrecher? Denn mit Verbrechern hatten wir wahrlich schon genug zu tun.“, sagte Dragan. „Nein, sie wurden unschuldig ins Gefängnis geworfen. Mein Bruder soll den König umgebracht haben, obwohl ich weiß, dass er zu diesem Zeitpunkt bei mir war, deshalb kann er es nicht getan haben.“, sagte das Mädchen. „Und was ist mit deinem Freund? Was hat er getan?“, fragte Daja aufdringlich. „Das kann ich nicht sagen, doch das was er mit mir getan hat, ist nicht schlimm. Nur der Stolz meines Mannes hat unter dieser Sache sehr gelitten, doch ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht meine Liebe aufzugeben. Ich musste einfach etwas unternehmen, obwohl ich immer zu schüchtern dazu gewesen war. Ich wollte einfach nur meinem Herzen folgen, egal was daraufhin mit mir geschehen würde. Warum musste alles nur so kommen?“ Das Mädchen saß da, zuerst regte sie sich nicht, aber dann nahm sie ihre Arme nach oben und führte ihre Hände zum Gesicht, so dass sie ihre Augen bedeckten. Ihre Beine zog sie dicht an ihren Körper heran. Sie zitterte und fing an zu weinen. „Warum kann man nicht bei demjenigen sein, den man vom ganzen Herzen und ohne Einschränkungen liebt? Wieso kann man nicht glücklich sein?“, schluchzte das Mädchen. Dragan schaute von dem Mädchen zu Daja, die traurig auf den Boden schaute. Er wusste wie sich Daja fühlte und wie sehr sie die Worte berührten und nahe gingen, denn sie musste sich genauso fühlen wie dieses Mädchen. Konnte er wirklich Oka heiraten, obwohl er wusste, dass Daja sein Kind in sich trug? Konnte er wirklich so kaltherzig gegenüber anderen Menschen sein? Konnte er so sein wie sein Vater? „Daja…“, sagte Dragan, während er mit seiner Hand ihren Kopf hob und das eine Knie des Mädchens mit seiner anderen berührte, „und du, gibt die Hoffnung nicht auf. Ich bin fest davon überzeugt, dass ihr beide glücklich werden könnt, seid nur mutig und folgt eurem ganz persönlichen Weg. Lebt ohne Reue und ihr werdet glücklich.“ Dragan lächelte die beiden warm an. „Daja, auch wenn ich Oka heirate, wirst du doch einen ganz besonderen Platz in meinem Leben behalten. Das Baby akzeptiere ich auch und falls dir irgendetwas zustoßen sollte, dann kümmere ich mich um dich und das Baby. Versprochen!“, sagte Dragan ernst. Durch seine Worte wurden die Mädchen unverkennbar innerlich gestärkt. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte Dragan das Mädchen. „Ich? Oh, hatte ich das nicht gesagt? Ich bin Aglaia Jurena aus Lemuria.“ „Lemuria? Der Ursprung des Merkur-Clans in Imil liegt in Lemuria! Ich bin eine Angehörige des Clans, der den Merkur-Leuchtturm beschützen soll.“ „Tatsache? Das könnte wirklich stimmen, deine blauen Haare und der Glanz in deinen Augen sprechen für eine lemurianische Abstammung. Aber sagt, werdet ihr beide helfen meinen Bruder und meinen Freund zu retten?“, fragte Aglaia Jurena. „Das könnte schwierig werden, Daja und ich sind gerade auf einer wichtigen Mission, die notwendig ist, um den Erhalt der Welt zu sichern. Deshalb können wir nicht einfach nach Lemuria segeln und deine Verbrecherfreunde retten!“, schrie Dragan förmlich. „Aber Dragan, was ist wenn einer von den beiden ein Schicksalskind ist? Wir brauchen doch jeden einzelnen, um unser Ziel zu erreichen und Cranshaow zu vernichten.“ „Dann sollten wir aber auch deinen Vater töten, wenn wir schon mal da sind, der ist ja auch einer der ‚Bösen’!“ „Was? Das kann doch nicht dein ernst sein… Warte mal, woher weißt du, dass mein Vater bei Cranshaow ist?“ „Woher ich das weiß? Erstens habe ich ihn am Merkur-Leuchtturm gesehen und außerdem hat mein Vater es mir erzählt, als ich bei ihm war und Oka geholt habe!“ „Oka war bei deinem Vater und du denkst nicht mal, dass sie eine Spionin ist und sie dich einfach nur ausnutzt?“ „Nein, das glaube ich eher weniger, da ich ihm etwas versprechen musste.“ „Was war dieses Versprechen?“ „Das kann ich dir nicht sagen, Daja!“ „Dragan, ich will es wissen. Nein, ich muss es sogar wissen.“ „Nein, ich kann nicht…“ „Das Versprechen, Dragan?“ „Ich muss Felix umbringen!“, schrie Dragan ohne überhaupt nachzudenken, was er in diesem Augenblick tat. „Doch nicht etwa Sir Felix aus Tolbi?“, fragte Aglaia Jurena. „Genau den!“ „Aber Dragan, er ist ein hoher Staatsmann in Tolbi und ein großartiger Kämpfer.“ „Außerdem ist er ein Freund meines Vaters.“, fügte Aglaia Jurena den Worten von Daja hinzu. „Ich weiß das doch alles, außer das mit dem Freund, aber was soll ich denn tun? Ich würde Oka zuliebe fast alles tun.“ „Such nach einem Ausweg. Ich glaube kaum das deine Freundin will, das du ihretwegen zu einem Mörder wirst.“ „Du hast gehört was sie sagt, Dragan. Es gibt bestimmt einen anderen Weg um Oka hier zu behalten ohne Felix umzubringen. Du musst dein Schicksal nur ändern.“ „Vielleicht mögt ihr Recht haben. Ich werde auf jeden Fall versuchen einen anderen Weg einzuschlagen, ohne ein Mörder zu werden.“ „Das ist die richtige Einstellung.“, sagte Aglaia Jurena und stand auf: „Also, auf nach Lemuria!“ Erst bei diesem Ausruf fiel ihr auf, dass sie nackt war. Daja reagierte schnell und hielt Dragans Augen mit einer Hand zu und warf Aglaia Jurena eine Decke zu. „Daja, was machst du denn da?“, wunderte sich Dragan. „Du bist echt unmöglich.“ Daja schaute auf Aglaia Jurena, die inzwischen die Decke umgeworfen hatte, und nahm ihre Hand von Dragans Augen. „Deine Sachen waren nass und du warst so kalt, hätten wir dich in deiner Kleidung gelassen, wärest du vielleicht nicht mehr am Leben. Was hast du dir eigentlich gedacht, als du ganz alleine in diesem kleinen Boot weggesegelt bist?“ „Ach so, … na ja, mein Mann hatte mich eingesperrt und ich musste aus dem Palast entkommen. Ich habe nur einige Sachen zusammengepackt und dann ein Boot genommen. Das Unternehmen schien zwar sehr riskant, aber ich musste doch den beiden helfen, sonst werden sie nach einem Prozess hingerichtet werden. Das konnte ich doch nicht zulassen!“ „Genau, die beiden sind, wie du sagtest, unschuldig.“, sagte Daja. Aglaia Jurena nickte zufrieden, denn sie hatte nun erreicht, dass man ihr glaubte und dass die beiden ihr nach Lemuria folgen würden. „Ich glaube, dass ich noch eine Information für euch habe. Ihr habt doch vorhin die Schicksalskinder erwähnt, oder? Ihr müsst nämlich wissen, dass mein Bruder auch eines ist.“ „Das könnte sein, Avil meinte doch auch, dass Gilbert ihr geschrieben hätte, dass ein Schicksalskind in Lemuria sei.“ „Da hast du Recht, Daja.“ „Meint ihr etwa Prinz Gilbert und Lady Avil aus Tolbi? Reisen sie mit euch?“ „Genau, die meinen wir. Warum fragst du, Aglaia Jurena?“, fragte Daja. „Ach, nur so. Von meiner Mutter in Lemuria habe ich schon viel über diese beiden und über Lady Liva erfahren, als sie mal von einer Sommerreise zurückkam. Prinz Gilbert soll klug sein und auch gut aussehen, so wie es sich eben für einen Prinzen gehört und die Ladys sollen schön wie Engel sein und freundlich noch dazu. Ich hoffe ich werde sie irgendwann mal wieder treffen.“ „Wie meinst du das mit ‚mal wieder’?“, fragte Daja. „Ach, habe ich das so gesagt? Ich meinte natürlich, dass ich sie gerne mal sehen würde.“ „Schön, dass ihr euch so prächtig amüsiert, aber wir haben zwei Hochzeiten vorzubereiten.“, sagte Garem, der lautlos ins Zimmer gekommen war. „Also, Dragan, komm mit!“ „Ich komme, Garem. Ihr beide könnt hier bleiben.“ Dragan schritt aus der Tür und ging vor, aber Garem blieb noch kurz zurück. „Ich hoffe es geht Ihnen wieder gut. Ich bin der Garem!“, stellte sich Garem vor und schritt auf Aglaia Jurena zu, um ihr die Hand zu reichen. „Ich freue mich, Sie kennen lernen zu dürfen, mein Name ist Aglaia Jurena.“ Sie nahm seine Hand, doch dabei rutschte ihr die Decke von den Schultern und sie stand wieder unbekleidet da. Garem wurde rot. „Verzeihung, das wollte ich nicht!“, sagte Gare beschämt. Daja hob die Decke auf und legte sie Aglaia Jurena um. „Das macht doch nichts, Garem.“ Garem ließ ihre Hand los und eilte davon. Gegen Abend saßen Tamiko und Oka in Tamikos Zimmer zusammen. Morgen hatten die zwei Freundinnen vor mit ihren Verlobten den Bund der Ehe einzugehen. Jedoch, wie es eigentlich üblich war, hatten beide gemischte Gefühle wegen ihrer Hochzeit. Bei Oka war es aber der Fall, dass positive Gefühle, wie Zufriedenheit und Glück, ihre wenigen Bedenken überwogen. Anders verhielt es sich bei Tamiko, denn sie hatte gedacht, dass sie und Garem noch ein wenig länger verlobt sein würden. Doch ihr war auch bewusst, dass ihr Verlobter, Garem, damit nicht unbedingt zufrieden wäre, denn er war mit seinen fast fünfundzwanzig Jahren, die er nächste Woche erreichen würde, schon fast zu alt für einen unverheirateten Mann. Aber da Tamiko selber noch so jung war und erst mit sechzehn ihr heiratsfähiges Alter erreicht hatte, hatte Garem natürlich auf sie warten müssen. Es war trotzdem eine Schmach für ihn gewesen, als auch seine zweitälteste Schwester Okame, die immerhin auch sechs Jahre jünger als er war, vor ihm geheiratet hatte und auch schon einen kleinen Sohn namens Kaito hatte. Somit waren er und Oka die einzigen Kinder von Celean und Okuni, die noch unverheiratet und kinderlos waren. Darum wollte Garem wahrscheinlich schnellst möglichst heiraten, damit er nicht im Dorf als Versager bezeichnet wurde. „Tamiko, bist du nervös?“, fragte Oka ihre Freundin. „Ja, Oka, das bin ich. Ich meine, Garem und ich werden unser restliches Leben miteinander verbringen, es werden völlig neue Aufgaben auf mich warten und ich weiß nicht, ob ich diese erfüllen werden kann. Aber am meisten Angst habe ich vor unserem ersten Mal. Ich hoffe nur, dass er zufrieden und stolz auf mich sein wird.“ „Ich glaube das wird er, denn ich weiß, genau wie du, dass er dich liebt. Wenn dem nicht so wäre, dann hätte er nicht all die Jahre auf dich gewartet und wäre wahrscheinlich schon längst mit einer anderen verheiratet. Deshalb glaube ich kaum, dass er je mit dir unzufrieden sein wird.“, versuchte ihre Freundin Tamiko zu beruhigen. Tamiko wunderte sich, warum Oka so ruhig blieb, immerhin hatte Dragan doch noch kurz vor ihr eine andere gehabt, die nun sogar ein Kind von ihm bekam. Aber rein theoretisch konnte sie nun wirklich nichts dagegen sagen, denn wenn Oka nicht verschwunden wäre, hätten die beiden nichts miteinander gehabt, weil Oka seine Verlobte gewesen wäre. Schon komisch, dass alles so gekommen war, wie es nun war. Aber trotzdem, so schien es, dass der für Oka vom Schicksal bestimmte Lebenspartner Dragan war. „Ich glaube dir, Oka. Aber ich bin trotzdem furchtbar nervös. Vielleicht sollte ich mich jetzt schlafen legen. Damit ich für den nächsten Tag ausgeruht bin und frisch aussehe.“ „Das sollte ich auch tun, ich meine, Dragan möchte bestimmt eine hübsche Frau heiraten. Ach übrigens, danke Tamiko, dass du mir mein Hochzeitskleid genäht hast und, dass ich auch diese wundervolle Kinu bekommen habe.“ „Aber Oka, dafür brauchst du dich doch nicht bei mir zu bedanken, denn du hast mir auch mein Brautkleid gemacht und den Stoff hast du immerhin deinem Bruder zu verdanken, der ja ohnehin zuviel gekauft hatte.“ Mit diesen Worten legten sich die beiden Freundinnen zusammen in Tamikos Bett. Dragan, der aus zwei Gründen die Nacht bei Garem verbracht hatte, hatte genau dieselbe Einstellung wie Oka und Garem, was die Hochzeit betraf. Jedoch unterhielten sich die beiden überhaupt nicht über die Hochzeit, sonder über die Ereignisse, die sich in letzter Zeit zugetragen hatten. „Meinst du wirklich, dass dieses Mädchen uns die Wahrheit über ihren Bruder und ihren Freund gesagt hat?“, fragte Garem. „Ich glaube schon, dass sie ansatzweise die Wahrheit gesagt hat, bloß sie scheint auch irgendetwas zu verheimlichen, denn sie wollte uns nur das Nötigste sagen. Und über sich selbst hat sie auch nichts erzählt, nur das ihr Name Aglaia Jurena sei. Ich frage mich überhaupt, warum wir ihr helfen sollten, wir haben ja eigentlich gar nichts mit ihr zu tun. Sie ist einfach nur eine Fremde und Unbekannte, die ohne einen ersichtlichen Grund verlangt ihr zu vertrauen und ihre ‚Verbrecherfreunde’ aus dem Gefängnis zu holen. Vielleicht sagt sie tatsächlich die Wahrheit, aber sie sollte sich ein wenig offener zeigen. Aber im Grunde vertraue ich ihr, sie scheint nicht zu lügen.“ „Ich bin ein bisschen verwirrt, sagtest du nicht, dass sie eine Fremde sei und du ihr nicht vertrauen könnest?“ „Das sagte ich zwar, aber meinen tue ich das nicht. Ich traue ihr wirklich.“ „Und was ist mit Takeru, vertraust du ihm?“, fragte Garem. „Bei Takeru ist das etwas anderes. Ich habe das Gefühl, dass er mir meine Identität wegnimmt. Plötzlich wird mir alles genommen, was einstmals für mich stand, meine ganzen sozialen Beziehungen scheinen nur eine Lüge zu sein. Takeru rutscht sozusagen in meine Rolle, aber ich kann nicht in seine rutschen, weil ich weder meine Mutter noch meinen Bruder kenne. Den einzigen, den ich kenne ist mein Vater Cranshaow, dem ich auch nicht trauen kann, da er unser Feind ist. Zudem kommt das Verhalten von meiner Schw… von Tami, ich weiß, dass sie mehr Zeit mit Takeru verbringen sollte, damit sie ihn kennen lernt, aber seitdem er da ist behandelt sie mich wirklich wie Luft. So wie einen Geist, der eben nicht sichtbar ist!“, die letzten Worte schrie Dragan aus sich heraus, wobei Garem verwundert guckte. Dragan musste dieses Thema schon sehr nahe gehen, dass er überhaupt so empfindlich reagierte war gar nicht seine Art. Oder kannte er seinen Freund so wenig, dass er nicht verstehen konnte, was dieser empfand? Um sich genau zu vergewissern fragte er noch einmal nach: „Dragan, kann es sein, dass du Takeru hasst?“ Einen Moment lang wusste er nicht wirklich, ob er ihn hasste. „Ich glaube ich kann dir keine Antwort darauf geben, weil ich es nicht weiß. Ob es nun wirklich Hass ist oder nur Eifersucht kann ich dir nicht klar sagen. Ich wünschte mir, dass ich es wüsste.“ „Aber Dragan, warum solltest du eifersüchtig auf Takeru sein? Durch ihn hast du sogar deine Aufgabe als Anführer des Dorfes verloren, die du nie verrichten wolltest, sondern nur als Bürde aufgefasst hattest. Außerdem bist du nun mit Oka zusammen und ihr werdet heiraten.“ „Na, da magst du Recht haben, aber ich bin eifersüchtig auf seine Beziehung zu Tami. Er kennt sie doch nicht einmal. Ich bin mit ihr aufgewachsen und kenne sie sicherlich noch am besten!“ „Ach Dragan, lass ihn doch ein bisschen Zeit mit Tamiko verbringen, schließlich weiß Takeru nichts über seine Familie, so wie du nichts über deine weißt. Im Grunde seid ihr gar nicht so verschieden, wahrscheinlich ist er genauso neidisch auf dich, weil du bei seiner Familie gelebt hast und er hat bestimmt mit den gleichen Problem zu kämpfen wie du.“ „Na ja, wie dem auch sei, ich kann wirklich nichts über Takeru sagen, ich brauche einfach noch etwas Zeit um alles, was mit mir zu tun hat zu verdauen. Erst dann kann ich dir Auskunft geben, wenn ich mit mir im Reinen bin.“ „Ich habe verstanden, aber lass mir noch eine letzte Frage. Bist du sicher, dass du bei Oka bleibst und nicht der nächst besten hinterher steigst?“, fragte Garem einfühlsam. „Ich bin nicht so wie mein Vater, der einfach alle Frauen nimmt, die ihm über den Weg laufen. Mir war doch nicht bewusst, dass Oka überhaupt noch lebt und ich liebe Oka. Mach mir also wegen Daja keine Vorwürfe, ich war mir bei ihr über die möglichen Konsequenzen nicht im Klaren.“ „Gut, ich wollte nur noch einmal sichergehen, dass Oka bei dir wirklich gut aufgehoben ist, das ist immerhin meine Pflicht als großer Bruder. Aber lassen wir die Fragerei für heute. Ich will uns nicht unseren Abend vermiesen, wie wäre es mit einem Schluck Apojii-Wein? Ich habe hier noch ein paar Flaschen.“, sagte Garem freudig und holte zwei Flaschen heraus, wovon er die eine an Dragan weitergab. „Aber Garem, eine ganze Flasche Apojii-Wein? Das bekomme ich nicht hin, das schaff ich einfach nicht.“, sagte Dragan, als er die Flasche in der Hand hatte. „Nun trink schon, Dragan, es ist unser letzter Abend, den wir als unverheiratete Männer verbringen, da kann man das schon einmal machen, und das ohne Bedenken!“, sprach Garem, während er seine Flasche aufmachte und anschließend daraus trank. Dragan war sich absolut sicher, dass er die Flasche nicht ganz austrinken würde, aber er fand es Garem gegenüber unfair, wenn er nichts trinken würde. Schon nach einer Stunde holte sich Garem die zweite Flasche, dabei hatte Dragan noch nicht einmal die Hälfte ausgetrunken. Zu Dragans Verwunderung kamen an diesem Abend Gabriel und auch Athi, wenn auch nur widerwillig, sowie Garems Schwager Masao und Yuu dazu. Die Männer feierten ausgiebig bis in die späte Nacht hinein, nur Athi feierte kaum und ging, aufgrund seiner Anweisung von Hoabna, die lautete, dass er Liva beschützen sollte, schon relativ früh. Der nächste Morgen brach an. Obwohl das Wetter sehr schön war, saß Folore auf dem Fensterbrett ihres Zimmers und weinte. Jedoch nicht, weil sie traurig war, dass Garem heiraten würde, sondern über einen Brief von Cahia, den sie vor ein paar Minuten erhalten und erst gerade beendet hatte. Cahia schrieb, dass der Krieg zwischen Contigo und dem Schamanendorf unausweichlich wäre und dass alle Maßnahmen auf eine friedliche Lösung vergeblich seien. Schon seit einer Woche lief dieser Krieg, den keine der beteiligten Parteien wollte. Doch das Schlimmste war, dass ihr Bruder Yegelos verschwunden war und kurz vor seinem Verschwinden einen Pfeil im rechten Oberarm gesteckt hatte. Folore hoffte nun inständig, dass es ihrem Bruder gut ging und dass er sich irgendwo versteckte, damit er mit gestärkten Kräften den Kampf wieder aufnehmen konnte. Trotzdem war ihre innere Ruhe gestört und sie wusste, dass es eigentlich ihre Pflicht wäre auch in den Kampf zu treten, aber sie hatte doch auch noch ihre andere Aufgabe, nämlich die Prüfung am Uranus-Leuchtturm abzulegen. Erst wenn sie das getan hatte, könnte sie nach Contigo reisen und ihren Bruder, Cahia und alle anderen Leute unterstützen. Nun glaubte sie auch kaum, dass es einen Unterschied machen würde, wenn Athi und Ahri heiraten würden, davon einmal abgesehen, dass sie ihre verrückte Idee nicht umsetzten würden, da Ahri nun voller Hoffnung war, dass Corbinian wieder zu ihr zurückkehren würde. Sie schien wirklich das Interesse verloren zu haben Athi zu heiraten. Plötzlich klopfte es an der Tür zu ihrem Zimmer. „Herein.“, sagte Folore laut und deutlich. In Begleitung von ihrem Mann trat Adreanna ins Schlafgemach von Folore ein. „Kommst du mit, Folore? Gabriel und ich wollen los, um zu der Hochzeit zu gehen. Avil, Liva und Athi sind schon los und Ahri wartet unten auf uns.“, sagte Adreanna freundlich. „Ja, ich komme mit!“, sagte Folore. „Gabriel, könntest du Ahri Bescheid sagen, dass wir gleich kommen?“, fragte Adreanna, die bemerkt hatte, dass es Folore nicht gut ging. „Aber, Adreanna, ich kann doch…“, fing Gabriel an, der zuerst nicht verstand, worauf Adreanna hinaus wollte. „Oh, verstehe. Ich gehe dann schon mal nach unten, bis gleich.“ Nachdem Gabriel sich verabschiedet hatte, trat Adreanna an Folore heran und sprach: „Folore, dir muss es schlecht gehen, das sehe ich doch. Du kannst mir ruhig alles erzählen. Ist es wegen Garem, weil er heute heiratet?“ „Nein, das ist es nicht. Garem hat mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun. Ich erzähle es dir, aber nur, wenn du deiner Freundin nichts erzählst.“ Adreanna, die zuerst irritiert war, stimmte jedoch zu, denn wenn man helfen konnte, dann sollte man auch helfen. Und um Folore zu helfen, musste Adreanna erst einmal wissen, worum es eigentlich ging. Auf Adreannas Zustimmung hin erzählte ihr Folore alles. „Verzweifle nicht, Folore, ich glaube kaum, dass dein Bruder tot ist. Er hält sich bestimmt im Verborgenen, um nicht schwach zu wirken und dem Schamanendorf ein leichtes Spiel zu bieten. Oder er könnte sich mit Hoabna getroffen haben, damit sie etwas gegen den Krieg tun können. Natürlich kann ich nicht genau sagen was mit ihm ist, aber solange du daran glaubst, dass er noch lebt, dann wird er auch noch leben. Ich selbst glaube auch, dass mein Bruder noch lebt.“ „Was? Dein Bruder ist verschwunden?“ „Na ja, ich habe es vor allen anderen geheim gehalten. Als wir in Imil waren, hatte ich natürlich meine Eltern besucht, aber ich musste feststellen, dass sie alle ermordet worden waren. Alle außer meinem Bruder, der verschwunden ist. Aber ich glaube daran, dass er noch lebt. Ich will schließlich niemanden verlieren.“ Adreanna versuchte zu lächeln, was ihr ansatzweise gelang, und legte ihren Arm um Folore. „Komm, legen wir erst einmal unsere schlechten Gedanken beiseite, wir wollen den Vieren mit unseren Gedanken nicht den Tag vermiesen. Schließlich heiraten sie heute, richtig?“ „Genau, wie du sagst. Lassen wir sie verschlossen in diesem Zimmer zurück.“ Inzwischen befanden sich Dragan und Garem in dem Tempel des Dorfes, mit ihnen waren ihre Familien dort. Bei Dragan bestand diese aus seinen Adoptiveltern und Tamaron. Tamaron stand dicht bei seiner besten Freundin Sakura, die immerhin zu Garems Familie gehörte. Obwohl Dragan keinen Wert auf die Traditionen von Izumo legte, hatte er sich jedoch zu seiner Hochzeit sehr traditionell gekleidet. Die Hochzeitskleidung, die bei beiden jungen Männern die gleiche war, bestand aus einem schwarzen Kimono, dessen Hose mit weißen Streifen übersäht war und mit einem grauen Obi verschnürt war. Nur Garem hatte sich seine Harre zu einem Zopf zusammengebunden, da Dragan wesentlich kürzere Haare hatte. Der Tempel war nicht sehr groß, so dass nur wenige Leute Platz darin hatten. Eigentlich waren nur die Schicksalskinder eingeladen worden, aber es kamen noch einige andere Dorfbewohner. Im Zentrum des Tempelinneren befand sich ein kleines Podest, auf dem sich fünf rote Kissen befanden, die für die Hochzeitspaare und für den Priester bestimmt waren. Auch im übrigen Raum waren Kissen verteilt, die für die Gäste waren. Nur ein Stuhl war für Avil, die im fünften Monat schwanger war, bereitgestellt worden. Garems Vater, Celean, legte seinen Arm um die Schulter seines Sohnes: „Nun bist du endlich an der Reihe. Ein Glück, dass ich gerade hier bin, denn sonst hätte ich deine Hochzeit verpasst und das hätte mich wahrlich geschmerzt, immerhin bist du mein einziger Sohn.“ „Wenn du nicht immer auf Reisen wärst, könntest du mehr von unserem familiären Leben mitbekommen und dann hättest du auch nicht das Aufwachsen unserer Kinder verpasst.“, mahnte ihn seine Frau. „Schatz, aber dann hätten wir kein Gold gehabt und wir hätten uns wahrscheinlich gar nicht kennen gelernt, hättest du das gewollt?“ „Natürlich hätte ich das nicht gewollt, aber du kannst bei den Enkelkindern dabei sein, denn nachdem unser Sohn nun bald verheiratet ist, könntest du deine Tätigkeit as Händler aufgeben und Garem diese Arbeit überlassen. Dann wärest du immer bei deiner Familie und mir.“ „Mutter, was ist, wenn ich noch nicht bereit dafür bin?“, warf Garem seiner Mutter an den Kopf. „Sieh mal, Garem, ich möchte auch einmal mit deinem Vater zusammen sein, immerhin war ich in den letzten Monaten nur ein oder zwei Monate richtig mit ihm zusammen. Du bist jung, du kannst sogar mit Tamiko zusammen auf Händlerreisen gehen. Ich konnte das damals nicht tun, da du gerade geboren worden warst.“ „Also gibst du mir die Schuld daran, dass du nicht bei Vater sein konntest?“ „Nein, das nun auch nicht. Außerdem hatte ich auch dich, also war ich nicht allein.“ „Schatz, ich werde Garem erst einmal für ein Jahr mitnehmen und danach werde ich für immer bei dir bleiben, ich verspreche es.“, sagte Celean, der nicht riskieren wollte, dass sich sein Sohn mit seiner Mutter stritt. Die ersten Gäste traten ein und der Raum füllte sich langsam. Die letzten Gäste die ankamen, waren Adreanna, Gabriel, Ahri und Folore. Garem bemerkte sogleich, dass Folore sehr blass im Gesicht war, was ihm viele Sorgen bereitete, da er sie als kleine Schwester betrachtete. Aber er sah auch, dass Adreanna sich um sie kümmerte und er sich erstmal um seine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte. Also konzentrierte er sich erst einmal auf seine Hochzeit mit Tamiko, die allerdings noch nicht eingetroffen war. Auch Dragan war mit seinen Gedanken nicht bei der Hochzeit, sondern bei dem gestrigen Tag und bei Daja. Anstatt sich glücklich zu fühlen, hatte er beachtliche Bedenken, was seine Heirat mit Oka betraf. Er wusste genau, dass er eine der beiden unglücklich machen würde, ob er nun heiraten würde oder nicht. Wenn er bei Daja bleiben sollte, würde er nicht nur sie, sondern auch sein Kind glücklich machen aber zugleich würde er Oka und Garem verlieren. Allerdings wollte er die beiden nicht enttäuschen und vielleicht würde er dann so wie sein Vater werden, was er nicht wollte. Aber durch seine Hochzeit würde er garantiert Daja als Freundin verlieren und er wollte auch nicht, dass sie sein Kind alleine aufziehen musste. Er musste also sicherstellen, dass sie jemanden hatte, der auf sie aufpassen würde, wenn er nicht da war. Aber eins war klar, er würde es nie zulassen, dass sie mit Desiderius zusammen war. Jeden anderen könnte er akzeptieren, aber nicht ihn. „Dragan, was hast du?“, fragte Garem ihn. Doch dieser schüttelte nur seinen Kopf um seine Gedanken zu vertreiben. „Es ist nichts, Garem.“, antwortete Dragan. Da sich alle Gäste schon hingesetzt hatten, war der Augenblick, in dem sich auch Tamiko und Oka zeigten, gekommen. Beide trugen einen weißen Kimono, der im Gegensatz zu denen ihrer Bräutigame am Bein eng anlag, und auf ihren Köpfen saßen kleine weiße Hauben. Oka und Tamiko gingen den schmalen Gang entlang, der zwischen den Kissen freigelassen worden war, zum Podest, an dem schon ihre zukünftigen Ehemänner warteten. Im Gegensatz zu Adreannas und Gabriels Hochzeit, die mit einem eigenen Hochzeitskleid individuell gestaltet worden war, schienen sich die Hochzeitskleider von Tamiko und Oka kaum zu unterscheiden, lediglich in der Länge war ein Unterschied festzustellen, da Oka kleiner war als Tamiko. Beide nahmen die Hand ihres jeweiligen Bräutigams und setzten sich anschließend auf die Kissen auf den Podest. Tamiko und Garem saßen links und die anderen beiden saßen auf der rechten Seite. Vor ihnen befand sich ein Priester, der die beiden Paare verheiraten sollte. Anders als bei Adreannas und Gabriels Hochzeit wurde während der gesamten Zeremonie nicht gesprochen. Zuerst zündete der Mann des jeweiligen Paares ein Räucherstäbchen an, welches dann in eine Schale, die extra dafür angefertigt worden war, getan wurde. Anschließend saßen die Anwesenden eine Viertelstunde regungslos und schweigend in dem Schrein, bevor eine langsame Musik ertönte. Während die Musik spielte, nahm der Bräutigam eine Schüssel, die mit heiligem Wasser gefüllt war und trank daraus. Nachdem er die Schüssel abgesetzt hatte, reichte er sie seiner Braut und auch diese trank daraus. Als die Zeremonie beendet war, erhoben sich der Priester und die beiden Paare. Der Priester gab dem Bräutigam den Ring, den dieser dann an den rechten Ringfinger seiner Braut steckte und dann ihre Handinnenseite küsste. Die Braut tat es ihrem Mann gleich und steckte den Ring, welchen sie von dem Priester erhalten hatte, an den rechten Ringfinger ihres Mannes. Zuletzt nahm der Bräutigam seine Braut an die Hand und führte sie aus dem Schrein. Die Hochzeitsgäste folgten den Paaren. Draußen stand ein kleines Buffet, welches extra für die Gäste zubereitet worden war. Kurz nachdem die Paare den Schrein verlassen hatten, machten sich Tamiko und Oka auf den Weg zu Tamikos Haus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)